JudikaturJustiz11Os97/16y

11Os97/16y – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin H***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 14. Juni 2016, GZ 23 Hv 38/16k 15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Eilmsteiner zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Martin H***** ist schuldig, er hat von April 2011 bis 22. Juli 2013 in O***** seine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, als Bankangestellter über das Vermögen der R***** W***** eGen (mbH) zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch der Vollmachtgeberin einen 300.000 Euro übersteigenden Vermögensschaden zugefügt, indem er unter Umgehung des internen Kontrollsystems und unter Missachtung von Dienstanweisungen in unzähligen Angriffen Bartransaktionen von Kunden fingierte und willkürlich Buchungen vom Hauptbuchkonto Nr ***** auf eigene Kreditkartenkonten sowie auf von ihm verwendete (stillgelegte) Kundenkonten lautend auf Anabela C***** und Gregor G***** vornahm, wodurch der R***** W***** eGen (mbH) ein Vermögensnachteil in Höhe von 939.034,98 Euro zugefügt wurde.

Er hat hiedurch das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 zweiter Fall StGB begangen und wird hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 4 StGB wird ein Strafteil von 20 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß §§ 389 Abs 1, 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Strafverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin H***** von dem wider ihn mit Anklageschrift vom 6. Mai 2016 erhobenen Vorwurf, er habe von April 2011 bis 22. Juli 2013 in O***** seine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis als Bankangestellter über das Vermögen der R***** W***** eGen (mbH) zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch der Vollmachtgeberin einen 300.000 Euro übersteigenden Vermögensschaden zugefügt, indem er unter Umgehung des internen Kontrollsystems und unter Missachtung von Dienstanweisungen in unzähligen Angriffen Bartransaktionen von Kunden fingierte und willkürlich Buchungen vom Hauptbuchkonto Nr ***** auf eigene Kreditkartenkonten sowie auf von ihm verwendete (stillgelegte) Kundenkonten lautend auf Anabela C***** und Gregor G***** vornahm, wodurch der R***** W***** eGen (mbH) ein Vermögensnachteil in Höhe von 939.034,98 Euro zugefügt wurde , gemäß § 259 Z 3 StPO (verfehlt auch von der rechtlichen Kategorie; vgl Lendl , WK StPO § 259 Rz 1) freigesprochen.

Nach den Feststellungen hat der bis zu seiner Entlassung am 22. Juli 2013 bei der Geschädigten im Privatkundenbereich beschäftigte Angeklagte den Tatbestand durch die im Spruch geschilderten Verhaltensweisen zwar in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt. Bereits vor Kenntnis der Behörde (§ 151 Abs 3 StPO) von seinem Verschulden verpflichtete er sich indes zur Gutmachung des aus seiner Tat entstandenen Schadens, indem er am 23. Juli 2013 bzw am 30. Oktober 2013 eine Vereinbarung abschloss, wonach er einen (nach Leistung von Rückzahlungen verbliebenen, rechnerisch nicht nachvollziehbaren) Schaden in der Höhe von (letztlich) 864.157,62 Euro durch Zahlung von monatlichen Raten in der Höhe von jeweils 300 Euro beginnend ab 1. September 2013 sowie durch eine weitere Zahlung von 60.000 Euro bis zum 31. Dezember 2018 wiedergutmachen werde. Überdies stimmte er zu, ab 1. Jänner 2019 mit der R***** W***** eGen (mbH) – bei sonstiger sofortiger Fälligkeit der Gesamtforderung – eine neue Rückzahlungsvereinbarung zu treffen und sämtliche in seinen Verfügungsbereich kommenden Vermögenswerte und Ansprüche gegen Wettbüros und sonstige Dritte an die Geschädigte zu zedieren. Dadurch sollte der Geschädigten ermöglicht werden, die Ratenzahlung an die aktuelle Einkommens- und Vermögenslage des Angeklagten anzupassen (US 4). Im Fall des Nichtzustandekommens einer solchen Vereinbarung sollte die ursprünglich vereinbarte Ratenzahlung fortgesetzt werden (US 5).

Ausgehend davon sah das Erstgericht den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 167 Abs 1 StGB) verwirklicht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 9 lit b (richtig Z 9 lit a; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 562) des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Sie zeigt – wie auch die Stellungnahme der Generalprokuratur – zutreffend auf, dass dem Erstgericht auf Basis der getroffenen Feststellungen ein in der Annahme tätiger Reue (§ 167 Abs 1 StGB) bestehender Rechtsfehler (Z 9 lit a) unterlaufen ist.

Die Befreiung eines Täters von der Strafbarkeit eines reuefähigen Delikts tritt – neben bereits erfolgter vollständiger Schadensgutmachung – dann ein, wenn er sich vor Kenntnis der Behörden von seinem Verschulden freiwillig verpflichtet, dem Geschädigten binnen einer bestimmten Zeit vollständige Schadensgutmachung zu leisten. Hält der Täter seine Verpflichtung nicht ein, lebt die Strafbarkeit wieder auf (§ 167 Abs 2 Z 2 StGB).

Eine vertragliche Zusage befreit den Täter aber nur dann, wenn durch die dem Betrag nach fixierte Gutmachung bis zum vereinbarten Endtermin realistischer Weise vollständige Schadensgutmachung erreicht werden kann.

Die festgestellte Verpflichtung des Martin H***** , den Schaden durch Leistung von 2.881 monatlichen Raten zu 300 Euro, also nach Ablauf von 240 Jahren, gutzumachen, genügt zur Annahme tätiger Reue schon deshalb nicht, weil aufgrund der (notorischen) durchschnittlichen Lebensdauer eines Menschen feststeht, dass der Angeklagte bis zu seinem Ableben allein durch Leistung der vereinbarten Raten keine vollständige Schadensgutmachung leisten kann. Demzufolge erlischt auch seine Strafbarkeit nicht. Die bei Einhaltung der Verpflichtung allein mögliche Gutmachung eines Teils des Schadens kann nur als Milderungsgrund gewertet werden.

Die vertragliche Zusage des Angeklagten, die Raten einkommensabhängig zu erhöhen sowie bis 31. Dezember 2018 eine zusätzliche Zahlung von 60.000 Euro zu leisten und jene, bei sonstiger sofortiger Fälligkeit der Gesamtforderung eine neue Rückzahlungsvereinbarung zu treffen, genügt den Erfordernissen zur Annahme tätiger Reue ebenso wenig.

Ein gänzlicher oder teilweiser Verzicht auf Schadensgutmachung wäre (nur) dann Grundlage für die Annahme tätiger Reue, wenn der Täter dem Geschädigten (unter den weiteren Voraussetzungen des § 167 StGB) den Ersatz des ganzen Schadens realistisch anbietet und der Geschädigte im Sinne eines freiwilligen und schenkungsweisen Schulderlasses (§ 1444 ABGB) daraufhin einen Verzicht erklärt (RIS Justiz RS0095360 [T2]; Kirchbacher in WK 2 StGB § 167 Rz 76). Die hier konstatierte Verpflichtung, den durch die Untreuetaten herbeigeführten und noch nicht beglichenen Schaden in 240 Jahren vollständig gutzumachen, kann vom Angeklagten nicht erfüllt werden, sodass die Frage eines allfälligen – nach den Feststellungen im Übrigen gerade nicht vorliegenden – Verzichts der Geschädigten auf einen Teil der Forderung von vornherein dahin stehen kann.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil aufzuheben.

Da das Erstgericht die für eine Entscheidung in der Sache selbst erforderlichen Feststellungen getroffen hat (US 2 bis 5), weder der Angeklagte in seiner Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Mängel oder erhebliche Bedenken (Z 2 bis 5a des § 281 Abs 1 StPO) behauptet noch eine amtswegige Prüfung durch den Obersten Gerichtshof derartiges ergeben hat ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 415), war die Basis für die abschließende rechtliche Beurteilung des vom Erstgericht mit Freispruch erledigten Sachverhalts durch einen Schuldspruch wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 zweiter Fall StGB gegeben.

Bei der zufolge dieser Entscheidung notwendig gewordenen Strafbemessung war erschwerend der lange Tatzeitraum und die mehrfache Überschreitung der Wertgrenze des § 153 Abs 3 zweiter Fall StGB, mildernd dagegen der bisher ordentliche Lebenswandel, die teilweise Schadensgutmachung, das reumütige Geständnis und der Beitrag zur Wahrheitsfindung.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände und der in § 32 StGB bezeichneten allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung sowie generalpräventiver Erfordernisse im besonders sensiblen Bereich von Bankgeschäften entspricht eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten der personalen Täterschuld und dem sozialen Störwert des begangenen Verbrechens. Da die Taten von Martin H***** unter dem Einfluss einer Spielsucht begangen wurden, die von ihm bereits durch therapeutische Maßnahmen bekämpft wurde, besteht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen wird, sodass ein Strafteil von 20 Monaten gemäß § 43a Abs 4 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden konnte.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf §§ 389 Abs 1, 390a Abs 1 StPO.