JudikaturJustiz11Os97/11s

11Os97/11s – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Oktober 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sommer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Engelbert M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 22 Hv 80/09v des Landesgerichts Linz, über die Reassumierung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 17. März 2011, GZ 11 Os 176/10g 5, sowie über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 3. November 2010, GZ 22 Hv 80/09v 76, und über seine Beschwerde gegen den gemeinsam verkündeten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 17. März 2011, GZ 11 Os 176/10g 5, wird in seinem Ausspruch über die Zurückweisung der Berufung und der Beschwerde sowie im Kostenausspruch aufgehoben und insoweit neuerlich der Beschluss gefasst:

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem oben bezeichneten Beschluss wies der Oberste Gerichtshof die vom Angeklagten Engelbert M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 3. November 2010, GZ 22 Hv 80/09v 76, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zurück.

Unter einem wurden auch die Berufung und die Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO zurückgewiesen, weil diese Rechtsmittel nach der Aktenlage weder bei Urteilsverkündung noch innerhalb der in § 294 Abs 1 StPO bezeichneten Frist angemeldet worden waren.

Der Oberste Gerichtshof ging dabei von folgender Tatsachengrundlage aus:

Im Protokoll wurde die Rechtsmittelerklärung des Angeklagten festgehalten wie folgt: „Der Angeklagte erklärt nach Rücksprache mit seinem Verteidiger: Anmeldung Nichtigkeitsbeschwerde.“ (ON 75 S 20).

In seiner Eingabe vom 20. Juni 2011, mit der er die „Reassumierung“ des bezeichneten Beschlusses anregt, bringt der Verteidiger nunmehr vor, er habe entgegen dem Hauptverhandlungsprotokoll tatsächlich Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen Strafe angemeldet; die Protokollierung sei unrichtig.

Aus dem vom Obersten Gerichtshof in Augenschein genommenen Tonbandprotokoll der Hauptverhandlung (vgl Amtsvermerk vom 12. April 2011, ON 83 S 3) ergibt sich, dass der Verteidiger auf Nachfrage der Schriftführerin, ob (neben der Nichtigkeitsbeschwerde) auch Berufung ergriffen werde, antwortete: „Des ist eh impliziert.“

Rechtliche Beurteilung

Aus dem Erklärungswert dieser Äußerung, die Berufung sei inbegriffen bzw mitgemeint („impliziert“), erhellt, dass ungeachtet der rechtlichen Haltlosigkeit der für einen Rechtsanwalt nicht nachvollziehbaren Aussage der maßgebliche Anfechtungswille des Verteidigers erkennbar auch auf eine Bekämpfung des Sanktionsausspruchs gerichtet war (vgl Ratz , WK-StPO § 284 Rz 7; Fabrizy , StPO 11 § 284 Rz 4).

Diesen eindeutigen Erklärungswillen hätte das Erstgericht der Protokollierung der Rechtsmittelerklärung zugrunde legen oder im Zweifelsfall weitere Aufklärung verlangen müssen.

Da somit der Oberste Gerichtshof bei seiner Entscheidung vom 17. März 2011 insoweit von einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv falschen Verfahrensgrundlage ausgegangen ist, war der Beschluss im spruchgemäßen Umfang aufzuheben (RIS-Justiz RS0101052).

Die Akten sind daher dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über die somit rechtzeitige Berufung und Beschwerde zuzuleiten (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die seinerzeitige Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde ist davon nicht betroffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.