JudikaturJustiz11Os82/98

11Os82/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Oktober 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Oktober 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. E. Adamovic, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas W***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 23. August 1996, GZ 6 U 44/96a 33, und des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgericht vom 13. Jänner 1997, AZ 10 Bl 64/96 (GZ 6 U 44/97a 40), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Verurteilten Andreas W***** und des Verteidigers Dr. Zöchbauer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 23. August 1996, GZ 6 U 44/97a 33, wurde Andreas W***** des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt.

Darnach hat er am 22. September 1995 als Lenker eines Klein LKW der Marke Renault Clio auf der Burgenlandschnellstraße S 31 in Richtung Wien fahrend auf der Höhe des Straßenkilometers 37,1 durch Außerachtlassung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, insbesondere dadurch, daß er bei eingeschaltenem Abblendlicht eine Geschwindigkeit von zumindest 90 km/h einhielt, es sohin unterließ, auf Sicht zu fahren, sodaß er den auf der Fahrbahn befindlichen Fußgänger Martin Wi***** zu spät bemerkte, keine unfallverhindernde Reaktionshandlung setzen konnte und den Genannten an der Körperfrontseite anfuhr, aufschaufelte und über das Dach des Fahrzeuges auf die Fahrbahn schleuderte, einen Verkehrsunfall verschuldet und dabei fahrlässig den Tod des Martin Wi***** herbeigeführt.

Das Erstgericht führte dazu aus, daß nicht festgestellt werden konnte, auf welche Weise und aus welchem Grund der Fußgänger auf die Fahrbahn kam, zumal er (dort) eine Böschung überwinden mußte, um auf die Fahrbahn zu gelangen. Es sei daher nicht auszuschließen, daß er sich in selbstmörderischer Absicht zur Unfallstelle begab.

Mit Urteil vom 13. Jänner 1997, AZ 10 Bl 64/96 (GZ 6 U 44/97a 40 des Bezirksgerichtes Eisenstadt), gab das Landesgericht Eisenstadt der Berufung des Andreas W***** wegen Nichtigkeit und Schuld gegen das oben bezeichnete Urteil nicht Folge und setzte in Stattgebung seiner Strafberufung die Geldstrafe herab.

Nach Auffassung des Generalprokurators stehen die Urteile beider Gerichte mit dem Gesetz nicht in Einklang. In der aus diesem Grunde erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird hiezu ausgeführt:

Da das Bezirksgericht Eisenstadt auf Grund der vorhandenen Beweisergebnisse nicht ausschließen konnte, daß sich der Fußgänger Martin Wi***** in selbstmörderischer Absicht zur Unfallstelle begeben hatte, ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, daß der Genannte dadurch Selbstmord beging, daß er sich dem vom Angeklagten gelenkten Fahrzeug in den Weg stellte. Denn aufgrund des der Strafprozeßordnung immanenten Zweifelgrundsatzes ist dem Urteil die dem Angeklagten günstigste Variante zugrundezulegen, wenn sich das Gericht die zur Vornahme einer bestimmten von mehreren möglichen Tatsachenfeststellungen notwendige Überzeugung nicht zu verschaffen vermag (vgl Mayerhofer/Rieder StPO4 § 258 E 40). Somit ist bei der rechtlichen Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten davon auszugehen, daß Martin Wi***** Selbstmord beging, zu welchem der Angeklagte einen kausalen Tatbeitrag leistete.

Auch wenn Martin Wi***** nicht im strengen Sinn Hand an sich gelegt hat, ist sein Verhalten nicht nur nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch in rechtlicher Hinsicht als Selbstmord zu beurteilen. Selbstmord ist nämlich die vom Getöteten mit Wissen und Wollen herbeigeführte Tötung der eigenen Person (Malaniuk, Lehrbuch des Strafrechtes II/1, 15; Wach, Strafrechtliche Probleme des Selbstmords, ÖJZ 1978, 480). Er liegt begrifflich nicht nur dann vor, wenn der Selbstmörder sich die Todesursachen selbst mit dem Willen zufügt, zu sterben, sondern auch dann, wenn er es mit diesem Willen unterläßt, sich der Zufügung von Todesursachen durch Dritte zu entziehen (Moos in WK § 78 Rz 9). Entscheidend ist die Ausführungsherrschaft über die Selbsttötung (Kienapfel BT4 § 78 RN 29), die Martin Wi***** vorliegend bis zum Zeitpunkt der Kollision mit dem vom Angeklagten gelenkten Fahrzeug hatte. Er hatte es nämlich in der Hand, den tödlichen Zusammenprall bis unmittelbar vor dem Anprall durch Ausweichen zu verhindern. Auf den Umstand, daß der Angeklagte als Lenker eines Kraftfahrzeuges mit hoher kinetischer Energie auf den ungeschützten Körper des Lebensmüden zufuhr, kommt es hingegen nicht an (aA Moos aaO Rz 12, der beim Überfahrenlassen durch einen Eisenbahnzug die Fremdtötungskomponente als überwiegend ansieht).

Der Selbstmord bzw der Selbstmordversuch ist in Österreich seit 1850 nicht mehr strafbar. Da die Tötungsdelikte des Strafgesetzbuches ausdrücklich auf die Tötung eines anderen abstellen, ist der Selbstmord tatbestandslos (Moos aaO Rz 2), sodaß Beteiligung am Selbstmord nur aufgrund einer besonderen Vorschrift strafbar sein kann. Obgleich verwandte Rechtsordnungen wie etwa die deutsche die Mitwirkung am Selbstmord nicht unter Strafe stellen (vgl Moos aaO Rz 4, BGH St 24/83), sieht § 78 StGB die Strafbarkeit einer solchen Mitwirkung vor. Darnach ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe zu leistet. Die Strafbestimmung verlangt auf der subjektiven Tatseite Vorsatz (§ 7 richtig wohl: 5 Abs 1 StGB); ein entsprechendes Fahrlässigkeitsdelikt existiert nicht. Die Materie ist in § 78 StGB abschließend geregelt, sodaß die Strafbestimmung des § 80 StGB über die fahrlässige Tötung nicht subsidiär herangezogen werden darf. Die fahrlässige Mitwirkung am Selbstmord ist daher nicht strafbar (Moos aaO Rz 11, Kienapfel BT4 § 78 RN 30).

Demgemäß kann dahingestellt bleiben, ob der Angeklagte überhaupt fahrlässig gehandelt hat. Es ist daher auch nicht von Bedeutung, ob er gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht (§ 20 Abs 1 StVO) verstoßen oder verspätet reagiert hat und ob ihm der Tod des Lebensmüden auch objektiv zugerechnet werden kann (Bertel/Schwaighofer BT5 § 80 Rz 11; Kienapfel BT I4 § 80 RN 64; ZVR 1977, 163; Lewisch, Casebook Strafrecht 93; Jescheck Weigend AT5 288). Auch ist nicht erforderlich, das Abgehen des Berufungsgerichtes von den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung (§ 473 Abs 2 StPO) aufzugreifen.

Dieser Rechtsmeinung vermag sich der Oberste Gerichtshof aus nachstehenden Erwägungen nicht anzuschließen:

Rechtliche Beurteilung

Selbst wenn man - wovon die Beschwerde ersichtlich ausgeht der keinesfalls unumstrittenen (s Ratz in ÖJZ 1988, 619 f), auf eine Literaturmeinung (Moos in WK § 78 Rz 11) gestützten Behauptung, daß der Bestimmung des § 78 StGB über die vorsätzliche Mitwirkung am Selbstmord Exklusivität zukomme, beipflichtet, ist die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß deshalb auch die fahrlässige Mitwirkung am Selbstmord straflos sein müsse, weder zwingend noch vermag sie sonst zu überzeugen.

Exklusivität liegt dann vor, wenn es begrifflich unmöglich ist, ein Geschehen unter mehrere Tatbestände zu subsumieren. Bei Prüfung der Frage, ob dies für die vorsätzliche Mitwirkung am Selbstmord eines anderen nach § 78 StGB zutrifft, ist davon auszugehen, daß die Selbsttötung keinen im StGB vertypten Tatbestand verwirklicht und damit straflos ist. Demzufolge muß auch die Beteiligung daran straflos sein, es sei denn, der Gesetzgeber sieht hiefür ausdrücklich etwas anderes vor. Eben dies ist durch die Aufnahme des § 78 in das Strafgesetzbuch geschehen: Wer einen anderen dazu verleitet , sich selbst zu töten oder ihm dazu Hilfe leistet , ist zu bestrafen. Die vorsätzliche Mitwirkung am Selbstmord eines anderen kann demnach nur dem Tatbild des § 78 StGB und keinem anderen unterstellt werden (anders hingegen die Tötung auf Verlangen nach § 77 StGB, welche als Fall der Spezialität gegenüber dem dadurch grundsätzlich mitverwirklichten Mord nach § 75 StGB privilegiert ist).

Richtig ist dies jedoch nur dann, wenn die Mitwirkung zur Selbsttötung von dieser selbst klar unterschieden wird. Denn nur dann, wenn die Selbsttötung aufgrund eines freien, im zurechnungsfähigen Zustand und ohne Willensmängel gefaßten Entschlusses durch den Suizidenten selbst erfolgt, kann von Selbstmord iSd § 78 StGB gesprochen werden (vgl Wach, ÖJZ 1978, 481; Moss in WK § 78 Rz 6, 20; Leukauf/Steininger Komm3 § 78 RN 6; Nowakovski 134; deshalb fällt die vorsätzliche Unterstützung nicht selbstverantwortlicher Selbsttötung nicht unter § 78 StGB: Moos aaO Rz 19; Leukauf/Steininger aaO RN 10).

Dies ergibt sich zwingend aus dem Wortlaut des § 78 StGB, der nur auf die Mitwirkungs handlungen des Verleitens und der Hilfeleistung abstellt. Darunter ist nichts anderes zu verstehen als die in § 12 StGB genannten einheitstäterschaftlichen Begriffe der Bestimmung und des Tatbeitrags, welche somit gegen die (in "unmittelbarer Täterschaft" ausgeführte) Selbsttötung des Suizidenten abzugrenzen sind. Weil § 12 StGB von der Bestimmung zu einer strafbaren Handlung spricht, der Selbstmord aber straflos ist, zog der Gesetzgeber in § 78 StGB den Terminus "verleiten" vor, ohne daß hiedurch der Bedeutungsinhalt des Anstiftungsverhaltens eine Änderung erfahren hätte. Ebenso ist Hilfeleistung jedes die Selbsttötung fördernde Kausalverhalten (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 12 RN 44 ff), während diese die Tötungshandlung des Suizidenten selbst ist.

In subjektiver Hinsicht muß der Täter des § 78 StGB die Bewirkung eines freien Tötungsentschlusses eines anderen bzw die Mitwirkung (iS einer Beitragstäterschaft) an einer auf einem solchen Entschluß beruhenden Selbsttötung zumindest ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden.

Selbstmord iSd § 78 StGB setzt daher voraus, daß der zur Selbsttötung frei Entschlossene selbst Hand an sich legt, mithin die den Tod auslösende Handlung unmittelbar an sich vornimmt. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, Selbstmord sei begrifflich auch dann anzunehmen, wenn sich der Lebensmüde mit dem Wollen, zu sterben, der Zufügung von Todesursachen durch Dritte aussetzt, sofern er nur bis zuletzt die freie Entscheidung über sein Schicksal behält, genügt diesem Erfordernis nicht. Trifft nämlich ein auf die Selbsttötung ausgerichtetes Verhalten mit einer als unmittelbare Täterschaft zu beurteilenden Fremdtötung (Tötung "eines anderen") zusammen, scheidet letztere schon deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 78 StGB aus, weil neben der Verleitung nur die (vorsätzliche) Hilfeleistung zum Selbstmord eines anderen von dieser Bestimmung erfaßt ist. Andernfalls läge, weil diesfalls das Täterverhalten auch einem anderen Tatbestand subsumiert werden kann, die von der Beschwerde als Prämisse vorausgesetzte Exklusivität nicht vor.

Daraus erhellt, daß ein für sich allein als Fremdtötung anzusehendes Verhalten eines Dritten selbst dann, wenn es nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch als (vorsätzliche) Mitwirkung am Selbstmord verstanden werden könnte, gerade nicht in den Regelungsbereich des § 78 StGB fällt. Die bloß fahrlässige Beteiligung an einer vorsätzlichen Tat aber ist von § 78 StGB, der für den Täter zumindest bedingten Vorsatz erfordert, eben deshalb nicht erfaßt.

Von einer abschließenden Regelung der Mitwirkung am Selbstmord kann somit bereits für den Vorsatzbereich keine Rede sein, sodaß der von der Beschwerde gezogene Schluß, daß demnach auch eine fahrlässige Mitwirkung straffrei sein müsse, nicht haltbar ist. Er ist es zudem deshalb nicht, weil Fahrlässigkeit keineswegs ein bloßes Minus, sondern ein aliud zum Vorsatz ist, weshalb der Größenschluß der Beschwerde nicht den Denkgesetzen entspricht. Davon abgesehen steht nach den Urteilsannahmen keinesfalls fest, daß Wi***** tatsächlich einen freien Willensentschluß zur Selbsttötung im Sinne der obigen Ausführungen gefaßt hat: daß die Gerichte nicht auszuschließen vermochten, daß sich Wi***** in selbstmörderischer Absicht auf die Fahrbahn begeben hat, sagt über die Freiheit dieses Entschlusses und damit über die für § 78 StGB erforderliche Selbstverantwortlichkeit dieser Handlung nichts aus. Schließlich liegt, weil der Tod des Fußgängers unmittelbar und ausschließlich durch den Anprall des von W***** gelenkten Fahrzeuges herbeigeführt wurde, nach den obigen Ausführungen keine Selbsttötung iSd § 78 StGB vor.

Ob somit der Tod des Fußgängers unter der Annahme, dieser habe sich vorsätzlich auf die Fahrbahn begeben, um sich vom herannahenden Fahrzeug überfahren zu lassen und dadurch den Tod zu erleiden, dem Angeklagten objektiv zugerechnet werden kann, ist ausschließlich unter dem Aspekt des § 80 StGB zu beurteilen. Denn daß die Vorschriften über die fahrlässige Tötung dann, wenn sich das inkriminierte Verhalten als fahrlässige Mitwirkung an einer für sich allein betrachtet straflosen Vorsatztat darstellt, nicht gelten sollten, obgleich ihre Strafbarkeitsvoraussetzungen zur Gänze erfüllt sind, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, und auch die Beschwerde bleibt für die Behauptung, daß die Strafbestimmung des § 80 StGB über die fahrlässige Tötung hier nicht "subsidiär" heranzuziehen ist, jede Begründung schuldig.

Nach herrschender Auffassung ist vielmehr die fahrlässige Beteiligung an einer Tat, bei welcher der unmittelbar Ausführende vorsätzlich (oder auch unvorsätzlich) handelt, dem Einheitstätersystem des StGB entsprechend als reines Täterproblem, und zwar als Unterfall der fahrlässigen Täterschaft zu beurteilen (Kienapfel AT6 E 3 RN 34).

Der Tatbestand des § 80 StGB ist dann verwirklicht, wenn die Herbeiführung (!) des Todes eines anderen mit dem objektiv sorgfaltswidrigen Verhalten des Täters im Kausal , Adäquanz- und Risikozusammenhang steht und überdies eine Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten zu konstatieren ist (Burgstaller in WK § 80 RN 56).

Wenngleich es nach der aus den aufgezeigten Gründen verfehlten Beschwerdeargumentation auf die objektive Zurechnung des Erfolgseintrittes nicht ankommen soll, könnte in der Behauptung, ein mit Selbstmordabsicht erfolgtes Betreten der Fahrbahn schließe die Verantwortlichkeit des objektiv sorgfaltswidrig handelnden Fahrzeuglenkers für den Erfolgseintritt aus, der Sache nach der Einwand des fehlenden Risikozusammenhanges erblickt werden, welcher als Zurechnungsvoraussetzung grundsätzlich immer dann zu bejahen ist, wenn sich in dem durch ein sorgfaltswidriges Verhalten herbeigeführten Schadensereignis gerade jenes Risiko verwirklicht hat, dessen Abwendung die übertretene Sorgfaltsnorm spezifisch bezweckt.

Nach herrschender Meinung ist der Risikozusammenhang ausgeschlossen, wenn die (vorhersehbare) Verursachung des Todes eines anderen lediglich in der Form bloßer Veranlassung, Ermöglichung oder Förderung der freien und bewußten Selbstgefährdung des Betroffenen erfolgt (vgl Burgstaller aaO RN 69). Ebenso ist die unvorsätzliche Veranlassung, Ermöglichung oder Förderung eines Selbstmordes zu beurteilen (Burgstaller aaO RN 72). Diese Fallgestaltung liegt jedoch hier nicht vor. Denn den Feststellungen der Untergerichte ist nicht zu entnehmen, daß das vorschriftswidrige Verhalten des Angeklagten einen allfälligen Selbsttötungs entschluß des Fußgängers veranlaßt, ermöglicht oder gefördert hat.

Die Verwirklichung des Tatbildes des § 80 StGB ist hingegen zu bejahen, wenn die Verletzung einer Sorgfaltspflicht anzunehmen ist, welche in ihren Schutzzweck auch die Verhinderung eines Selbstmordes einschließt.

Vorliegend stellt das vom Angeklagten nach den Konstatierungen übertretene Gebot, seine Fahrgeschwindigkeit den Sichtverhältnissen anzupassen (§ 20 Abs 1 StVO) und aufmerksam zu fahren, spezifisch auch auf den Schutz menschlichen Lebens insoweit ab, als dem Lenker eines Kraftfahrzeuges die im allgemeinen ausreichende Chance geboten werden soll, einem plötzlich ins Blickfeld tretenden Hindernis, somit auch einem Menschen, auszuweichen (Burgstaller aaO RN 24, vgl auch Mayerhofer/Rieder StGB4 § 6 E 94, 94a, 95). Die Sorgfaltspflicht des Angeklagten erstreckte sich somit auf jedwedes Hindernis, weshalb es nicht von Belang ist, ob sich das Opfer vorschriftswidrig in die Gefahrensituation gebracht hat (vgl EvBl 1992/47) und aus welchen Gründen dies geschah. Selbst wenn somit Martin Wi***** in "selbstmörderischer" Absicht gehandelt haben sollte, hat sich in seinem Unfallstod jene Gefahr realisiert, welcher die übertretenen Schutzvorschriften entgegenwirken wollten.

Die vom Angeklagten zu beachtende Sorgfaltspflicht ist aber auch durch den für den Straßenverkehr in § 3 StVO verankerten Vertrauensgrundsatz nicht eingeschränkt. Der zitierten Bestimmung gemäß darf zwar ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen, daß Personen die für die Bneützung der Straße maßgeblichen Rechtsvorschriften befolgen, doch gilt dies nach einhelliger Auffassung nur für denjenigen, der sich selbst verkehrsgericht verhält (vgl Kienapfel BT I4, § 80 RN 29 ff, Mayerhofer/Rieder StGB4 § 6 E 34, 51b), somit vorliegend jedenfalls nicht für den Angeklagten, der für die Verhältnisse zu schnell und überdies unaufmerksam gefahren ist.

Zum nicht näher substantiierten Beschwerdehinweis, wonach das Berufungsgericht ohne Durchführung einer Beweiswiederholung von den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes abgegangen sei, ist zu bemerken, daß, worauf sich die Beschwerde ersichtlich bezieht, die in einer vom Berufungsgericht zusätzlich angenommenen Reaktionsverspätung von 0,5 Sekunden gelegene Schuldkomponente keinesfalls auf unzulässig ergänzten Feststellungen basiert. Denn die Annahme einer durchschnittlichen Reaktionszeit von 0,7 sec und des bei Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 90 km/h für die Zurücklegung einer Strecke von 30 m erforderlichen Zeitaufwandes (1,2 sec) beruht einerseits auf allgemeinem Erfahrungswissen und andererseits auf einer simplen Rechenoperation auf der Grundlage der vom Erstgericht getroffenen Konstatierungen, die anzuwenden und auszuführen das Berufungsgericht ohne Verstoß gegen § 473 Abs 2 StPO berechtigt war.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB ist somit frei von Rechtsirrtum, weshalb die Beschwerde zu verwerfen war.