JudikaturJustiz11Os8/07x

11Os8/07x – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heimo V***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG und anderer strafbarer Handlungen, AZ 8 Hv 14/06g des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Beschwerde des Angeklagten Heimo V***** gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichtes vom 11. Dezember 2006, GZ 8 Hv 14/06g-82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Der Angeklagte Heimo V***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. März 2006 der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und verschiedener Vergehen nach § 27 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde im Zusammenhang mit einer vom Obersten Gerichtshof nach Vorlage einer Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten angeordneten Aufklärung (§ 285f StPO) vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 8. März 2006 durch die Aufnahme einer in der Hauptverhandlung durch den Staatsanwalt vorgenommenen, im ursprünglichen Protokoll aber nicht festgehaltenen Ausdehnung der Anklage zu Punkt I 1 a der Anklageschrift (Punkt I 1 des Schuldspruches), weiters auch das Protokoll der Hauptverhandlung vom 31. Mai 2006 durch Richtigstellung der Schreibweise des Vornamens eines Zeugen sowie durch Ergänzungen eines Beweisantrages und einer Zeugenaussage von Amts wegen berichtigt, ohne dass dem Angeklagten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Vorgangsweise eingeräumt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Berichtigungsbeschluss richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, über die nach § 271 Abs 7 iVm § 270 Abs 3 zweiter und dritter Satz StPO fallbezogen der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat. Sie wendet sich der Sache nach nur gegen die die Anklageausdehnung betreffende Ergänzung des Verhandlungsprotokolls vom 8. März 2006, verbunden mit dem Antrag auf Neuzustellung des Urteils. Zur Begründung beruft sich der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 270 Abs 3 StPO, wonach eine Protokollsberichtigung in Ansehung der in § 260 Abs 1 Z 1 - 3 und Abs 2 StPO erwähnten Punkte nicht zulässig sei. Er ist damit jedoch nicht im Recht. Unter welchen Voraussetzungen ein Verhandlungsprotokoll berichtigt bzw ergänzt werden kann, ist in § 271 Abs 7 zweiter Satz StPO geregelt. Danach hat der Vorsitzende das Protokoll von Amts wegen oder auf Antrag einer zur Ergreifung von Berufung oder Nichtigkeitsbeschwerde berechtigten Partei nach Vornahme der erforderlichen Erhebungen durch Beschluss zu ergänzen oder zu berichtigen, soweit erhebliche Umstände oder Vorgänge im Protokoll der Hauptverhandlung nicht erwähnt oder unrichtig wiedergegeben wurden. Während ein Berichtigungsantrag spätestens mit Ablauf der für die Ausführung einer gegen das Urteil angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung offenstehenden Frist einzubringen ist (§ 271 Abs 7 dritter Satz StPO), ist eine amtswegige Berichtigung gesetzlich zwar nicht befristet, muss aber sinnvollerweise noch vor Vorlage des Rechtsmittels an das Rechtsmittelgericht vorgenommen werden. Aber auch eine spätere - amtswegige - Protokollsberichtigung ist bis zur Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zulässig (11 Os 131/05g; Danek, WK-StPO § 271 Rz 53; Fabrizy, StPO9 § 271 Rz 8), somit jedenfalls dann, wenn das erkennende Gericht vom Gericht zweiter Instanz zur Klarstellung aufklärungsbedürftiger Umstände aufgefordert wurde, wie dies vorliegend der Fall war.

Dem auf § 270 Abs 3 StPO gestützten Beschwerdeeinwand ist entgegenzuhalten, dass diese Bestimmung die Berichtigung von Schreib- und Rechenfehlern sowie solcher Formgebrechen und Auslassungen, die nicht die in § 260 Abs 1 - 3 und Abs 2 StPO erwähnten Punkte betreffen (§ 270 Abs 1 erster Satz StPO), in Urteilsausfertigungen regelt, nicht aber die Berichtigung und Ergänzung von Verhandlungsprotokollen, für welche der obangeführte zweite Satz des § 271 Abs 7 StPO maßgebend ist. Der Beschwerdeansicht zuwider gilt daher die in § 270 Abs 3 StPO normierte Einschränkung nicht für Protokollsberichtigungen, weil die in § 271 Abs 7 vorletzter Satz StPO angeführte Verweisung auf § 270 Abs 3 zweiter und dritter Satz StPO, worauf sich die Beschwerde bezieht, nur die dort gegen Urteilsberichtigungen vorgesehene Anfechtungsmöglichkeit durch Beschwerde auch gegen Protokollberichtigungsbeschlüsse für anwendbar erklärt und der ebenfalls sinngemäß heranzuziehende vierte Satz des Abs 3 leg cit lediglich die Erkenntlichmachung der Berichtigung im Protokoll vorschreibt.

Soweit sich die Beschwerde auch darauf stützt, dass infolge Verteidigerwechsels und Ablauf der Zweimonatsfrist (des § 276a StPO) die (erst nach Urteilsfällung erfolgte) Protokollsberichtigung Verteidigungsrechte deshalb beeinträchtigt wurden, weil der Verteidiger keine Kenntnis vom Umfang der Anklage gehabt habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass ein Verteidigerwechsel iSd § 44 Abs 2 StPO nicht vorlag, sondern die gewählte Verteidigerin einen Substituten mit ihrer Vertretung in der Hauptverhandlung vom 8. März 2006 betraute. Dieser war naturgemäß verpflichtet, die Verteidigerin über alle wesentlichen Vorkommnisse in der Hauptverhandlung (daher auch über eine Anklageausdehnung) zu informieren. Dass er dies unterlassen hätte, wird auch nicht behauptet. Im Übrigen könnte selbst der Wechsel des Wahlverteidigers gemäß § 44 Abs 2 letzter Satz StPO keine prozessuale Besserstellung des Angeklagten bewirken. Weil die Ausdehnung der Anklage unstrittig in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers erfolgte, diese daher über den Umfang der Anklage informiert waren, scheidet eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte aus. Die von der Beschwerde geforderte Einschränkung der amtswegigen Protokollsberichtigung auf die Zweimonatsfrist des § 276a StPO wiederum ist gesetzesfremd. Die Protokollsberichtigung war daher zulässig. Die Unterlassung der gesetzlich vorgeschriebenen Einräumung einer Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Protokollberichtigung (§ 271 Abs 7 vierter Satz StPO) wirkte sich fallbezogen nicht zum Nachteil des - die inhaltliche Richtigkeit der erfolgten Protokollberichtigung in seiner Beschwerde nämlich gar nicht bestreitenden - Angeklagten aus. Der Beschwerde konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Abschließend wird auf die Bestimmungen des § 271 Abs 7 vorletzter und letzter Satz StPO verwiesen (11 Os 38/06g; Danek, WK-StPO § 271 Rz 55; Fabrizy, StPO9 ErgH § 271 Rz 7).