JudikaturJustiz11Os5/98

11Os5/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. März 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Poech als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Willibald H***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Willibald H***** und Maria H***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 24.September 1997, GZ 16 Vr 803/96-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten Willibald H***** betreffenden Schuldspruch I 2 wegen des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Willibald H***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten Maria H***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Willibald H***** und Maria H***** des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB (II) sowie Willibald H***** überdies des Verbrechens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 2 StGB (I 1) und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (I 2) schuldig erkannt.

Danach haben

I. Willibald H***** am 22.Mai 1996 in Melk

1. dadurch, daß er in den Räumlichkeiten des Textilmodengeschäftes der Firma F***** GesmbH im Haus des Kurt und der Michaela Hi***** ein Feuer entfachte, wodurch Lagerware beschädigt wurde, vorsätzlich fremde Sachen, nämlich Kommissionswaren verschiedener Lieferanten sowie Elektro- und Heizungsinstallationen des Gebäudes unbrauchbar gemacht und dadurch einen 500.000 S übersteigenden Schaden herbeigeführt;

2. dadurch, daß er an der Innenseite der Eingangstür zu dem angeführten Geschäft das Aluprofil im Bereich der Schließvorrichtung mit einem Brechwerkzeug aufbog und den äußeren Türgriff nach außen verbog, sohin durch Schaffung fingierter Einbruchsspuren, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 2 StGB, durch schlüssiges Verhalten wissentlich vorgetäuscht;

II. Willibald H***** und Maria H***** in Wien und Melk versucht, in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Vorsatz durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der W***** Versicherungs-AG durch Meldung des Versicherungsfalles nach den in Punkt I 1 und 2 angeführten Tathandlungen, sohin durch Täuschung über den Urheber der Brandentstehung, zu Handlungen, nämlich zur Erbringung der Versicherungsleistung zu verleiten, die die angeführte Versicherung um 1,436.630 S an ihrem Vermögen schädigen sollte, und zwar insbesondere

1. Maria H***** durch telefonische Schadensmeldung am 30.Mai 1996 und Erstellung eines falschen Schadensberichtes anläßlich der Schadenserhebung durch Angestellte der Versicherung am 31.Mai 1996 mit dem Inhalt: "Am 22.Mai 1996 entstand durch Einbruch und Brandlegung unbekannter Täter ein Schaden im Geschäft ...",

2. Willibald H***** am 7.August 1996 durch Unterfertigung der von der W***** Versicherungs-AG ausgestellten Entschädigungsquittung zwecks nachfolgender Überweisung der Versicherungsleistung.

Gegen dieses Urteil richtet sich eine gemeinsam ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der beiden Angeklagten, welche die Gründe der Z 5, 5 a und 9 (ergänze lit a) des § 281 Abs 1 StPO geltend macht. Sie ist nur hinsichtlich des Angeklagten Willibald H***** teilweise im Recht.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Mängelrüge (Z 5) zeigen die Beschwerdeführer zunächst eine tatsächlich vorliegende Aktenwidrigkeit auf. Das Erstgericht führte nämlich in seiner Beweiswürdigung an, die Angeklagte Maria H***** habe vor der Gendarmerie angegeben, ihr Ehegatte sei "erst um 21 Uhr nach Melk gefahren und erst gegen 21,40 Uhr zurückgekehrt" (US 10 f). Nach dem Inhalt des maßgeblichen (in der Formulierung aber zu Mißverständnissen Anlaß gebenden) Gendarmerieprotokolls lautete deren Aussage hingegen dahin, daß ihr Ehemann nach 20 Uhr wegging und um ca 21 Uhr nach Hause zurückgekehrt sei (S 233, 235/I).

Zur Brandinitiierung stellten die Tatrichter fest, daß der Angeklagte Willibald H***** gegen 20 Uhr in Melk ankam, dort das Geschäftslokal "M*****" aufsuchte und den Brand legte (US 7). Im Hinblick auf den so festgestellten Tatzeitpunkt betrifft das aktenwidrige Zitat keine entscheidungswesentliche Tatsache. Eine solche müßte aber von der Aktenwidrigkeit betroffen sein, um Nichtigkeit zu bewirken (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 191 ff).

In ihrem weiteren Vorbringen behauptet die Beschwerdeführerin Maria H*****, dem Schöffengericht seien keine Beweisergebnisse vorgelegen, mit denen ihre Mitwirkung beim Verbrechen des versuchten schweren (Versicherungs )Betruges begründet werden könnten.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß das Erstgericht die wesentlichen Verfahrensergebnisse in der Beweiswürdigung erörtert und auf Grund einer Reihe von Indizien die leugnende Verantwortung der Zweitangeklagten als widerlegt erachtete (US 13). Seine denkmöglichen und mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang stehenden Schlüsse stützte es insbesondere auf die eine Brandstiftung andeutenden Äußerungen der beiden Angeklagten gegenüber den Angestellten M***** und V***** (US 9 iVm S 45, 249, 281, 295, 419 jeweils I), das unmittelbar vor der Entdeckung des Brandes geführte Telefonat der Zweitangeklagten mit dem Eigentümer des Geschäftslokales (US 12), ihre falschen Angaben über die Anzahl der vorhandenen Originalschlüssel für das Verkaufslokal (US 12) und schließlich die wirtschaftliche Zwangslage sowie die trotz der außerehelichen Beziehungen der Zweitangeklagten aufrecht erhaltene Ehe (US 12 f). Damit haben die Tatrichter das gewollte Zusammenwirken beim Verbrechen des versuchten schweren Betruges ausreichend begründet, weil das Gericht im Sinne des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung berechtigt ist, seine Tatsachenfeststellungen nicht nur auf absolut zwingende, sondern auch auf Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu stützen (Mayerhofer aaO E 148).

Soweit die Beschwerde den Ausspruch des Schöffengerichtes, die Zweitangeklagte sei vor ihrer Versicherungsmeldung durch die Gendarmerie von den bloß fingierten Spuren eines Einbruches informiert worden (US 8), als durch keine Beweisergebnisse gestützt bekämpft, ist ihr zu erwidern, daß es sich hiebei zunächst im Hinblick auf die festgestellte Information durch ihren Ehegatten um eine nicht entscheidungswesentliche Tatsache handelt. Im übrigen ergibt sich diese Annahme aber schlüssig aus der Gendarmerieanzeige, weil die Beschwerdeführerin zu Beginn der Branderhebungen anwesend war (S 47/I), der in ihrem Besitz befindliche Schlüssel sowie das Türschloß beschlagnahmt wurden und ihr die Ermittlungsbeamten dafür auch eine entsprechende Bestätigung ausstellten (S 253/I).

Ein formeller Begründungsmangel liegt somit nicht vor.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) versuchen die Beschwerdeführer aus der Zeitdifferenz zwischen dem Eintreffen des Angeklagten am Tatort gegen 20 Uhr und der Brandentdeckung um 22,25 Uhr Bedenken gegen die unmittelbare Täterschaft des Erstangeklagten abzuleiten. Selbst wenn man jedoch - wie das Erstgericht auf der Basis des Gutachtens des Sachverständigen Hofrat Ing.B***** - davon ausgeht, daß eine Brandverzögerungseinrichtung (etwa eine Kerze) nicht erweislich ist, steht die vom Erstgericht festgestellte rasche Brandausbreitung (US 11) mit der auf Grund der Baulichkeit des Brandortes zugleich konstatierten Verhinderung einer weiteren Brandausbreitung (US 8) durchaus im Einklang. Nach dem Gutachten des Brandsachverständigen bestand nämlich vor der Entdeckung des Feuers wegen des Sauerstoffmangels in den Gewölberäumen nur mehr eine Glutbrandphase. Erst nach Eindringen der Feuerwehr und der dadurch bewirkten Frischluftzufuhr kam es zu einer erneuten Brandentfachung (S 449 und 451/I). Der Zeitraum zwischen der Legung und der Entdeckung des Brandes vermag daher keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.

Wenn die Beschwerdeführer auf die Möglichkeit eines Racheaktes unbekannter Dritter verweisen, ergibt sich dafür kein entsprechendes Sachverhaltssubstrat aus dem Akt; es handelt sich bei diesem Vorbringen somit um reine Spekulationen.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).

In seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet Willibald H***** sinngemäß allerdings zu Recht ein, daß sich im angefochtenen Urteil keine Konstatierung findet, wonach er einen Einbruchsdiebstahl gegenüber einer zur Strafverfolgung berufenen Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten mit insoweit zumindest bedingtem Vorsatz (Leukauf/Steininger Komm3 RN 11; Foregger/Kodek StGB6 Anm IV jeweils zu § 298) vortäuschte. Dieses Tatbestandsmerkmal wäre zwar schon dann erfüllt, wenn der Täuschende Spuren einer anscheinend stattgefundenen Straftat schafft, welche die Sicherheitsbehörde zu amtwegigen Ermittlungen wegen einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung veranlassen (vgl Pallin in WK § 298 Rz 6) und der Täter solche von Amts wegen einzuleitenden Erhebungen ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (Leukauf/Steininger aaO RN 9 und 11); das Schöffengericht hat jedoch Feststellungen hiezu, insbesondere auch zur subjektiven Tatseite nicht getroffen.

Da sich daher zum Schuldspruch I 2 eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden läßt, war das Urteil in diesem Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285 e StPO).

Zum übrigen Beschwerdevorbringen unter diesem Nichtigkeitsgrund ist jedoch anzumerken, daß eine Konsumtion des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung durch die Nachtat angesichts der Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter dann nicht in Betracht kommt, wenn dieses Vergehen der Vorbereitung einer gegen ein anderes Rechtsgut als die Strafrechtspflege gerichteten Tat dient (Leukauf/Steininger aaO RN 14; Foregger/Kodek aaO Anm III; Kienapfel BT II3 § 146 Rz 275; SSt 54/76). Die Vortäuschung eines Einbruchsdiebstahls als Mittel zur Irreführung bei einem geplanten Versiche- rungsbetrug geht daher entgegen der Beschwerdeauffassung im versuchten Vermögensdelikt nicht auf.

Angesichts der zeitlichen Abfolge der Tathandlungen kann die dem Tatbild des § 298 Abs 1 StGB entsprechende Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung zudem gar nicht Ausfluß eines im übrigen nicht rechtfertigend wirkenden Selbstverteidigungsrechtes für den nachfolgenden Betrug sein (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 3 RN 20).

Im erneuerten Verfahren wird daher das Erstgericht zusätzlich zu prüfen haben, ob Willibald H***** einen Einbruchsdiebstahl gegenüber einer zur Strafverfolgung berufenen Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten zumindest mit bedingtem Vorsatz vortäuschte.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Willibald H***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten Maria H***** ist gemäß § 285 i StPO das Oberlandesgericht Wien zuständig.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390 a StPO.