JudikaturJustiz11Os4/13t

11Os4/13t – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. März 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pausa als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ali M***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiteren strafbaren Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24. Juli 2012, GZ 7 Hv 60/12y 120, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Ali M***** (im zweiten Rechtsgang; zum ersten Rechtsgang vgl 11 Os 37/12v) der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz Personen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlung genötigt, und zwar:

1) nachts zum 6. Februar 2011 Melina H*****, indem er an ihr nach Verabreichung nicht näher bekannter Chemikalien, die ihre Willensbildung völlig ausschalteten, einen vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog;

2) nachts zum 30. April 2011 Anna G*****, indem er ihr nicht näher bekannte Chemikalien verabreichte, die ihre Fähigkeit zum physischen Widerstand herabsetzten, sie zur Überwindung der verbliebenen „Wehrkraft“ mit seinem Körper niederdrückte, ihre zum Schutz vor einer Penetration vor die Scheide gehaltene Hände wegführte und mit seinem Penis zunächst in ihre Vagina und anschließend in ihren Anus eindrang.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Angeklagte durch die Abweisung zweier im Übrigen nicht durch die gebotene Angabe der Aktenfundstellen (RIS Justiz RS0124172) bezeichneter Beweisanträge in seinem „Recht auf ein billiges Verfahren“ (gemeint: in seinen Verteidigungsrechten) nicht verletzt:

Aus welchem Grund die Erstattung einer Abgängigkeitsanzeige durch Maria G***** (ON 113 S 35 f), hinsichtlich der nicht einmal behauptet wurde, dass diese der Anna G***** zur Kenntnis gelangte, zum Beweis der Unglaubwürdigkeit der belastenden Angaben dieses Tatopfers geeignet sein soll, legte der Beweisantrag nicht dar.

Dass Melina H***** nach der Tat noch Kontakte zum Angeklagten hatte, hat das Schöffengericht ohnedies als erwiesen angenommen (ON 113, S 20; US 12), sodass der zu diesem Beweisthema gestellte Antrag auf Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten ebenfalls zu Recht abgewiesen wurde (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO; RIS Justiz RS0099135).

Die Behauptung der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), Melina H***** hätte in der Hauptverhandlung am 10. Oktober 2011 von der Absicht berichtet, „an diesem Abend allein beim Angeklagten“ zu übernachten, ist aktenwidrig (vgl ON 21 S 21), womit sie sich einer inhaltlichen Erwiderung entzieht.

Die als unbegründet (Z 5 vierter Fall) gerügte Feststellung, wonach der Angeklagte diesem Tatopfer immer wieder versicherte, sie sei wie eine Schwester für ihn (US 5), betrifft keinen entscheidenden Umstand. Gleiches gilt für angebliche vom Erstgericht im Übrigen gewürdigte (US 9 f) Abweichungen in den Angaben der Melina H***** betreffend den Inhalt der mit Nicole K***** nach der Tat geführten Gespräche. Mit dem unsubstantiierten Vorbringen, die Angaben der Melina H***** zur unterbliebenen Unterfertigung des Protokolls seien „offenbar falsch“ sowie jene zur „Herkunft der Flasche Whisky“ und zum „Verlauf des Abends (…)“ abweichend, bekämpft die weitere Beschwerde bloß die diesem Tatopfer attestierte Glaubwürdigkeit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Der Einwand (Z 5 zweiter Fall), das Schöffengericht hätte nicht berücksichtigt, dass sich Melina H***** nach der Tat noch mit dem Angeklagten traf, trifft nicht zu (vgl US 12).

Dass Anna G***** den Vorfall nicht erfunden hat, um ihr nächtliches Fernbleiben gegenüber ihrer Mutter zu rechtfertigen, haben die Tatrichter ausdrücklich angenommen (US 15). Dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend mussten sie sich daher nicht mit sämtlichen Beweisergebnissen zu einer angeblich deshalb unterbliebenen Schilderung von Nebenumständen (Erbrechen, Abduschen durch den Angeklagten, vertrautes Verhältnis zu diesem) anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung befassen. Entsprechendes gilt für die Frage, ob Maria G***** geschlechtliche Kontakte ihrer Tochter guthieß oder nicht.

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit b), die Subsumtion der Taten des Angeklagten nach § 205 Abs 1 StGB durch das im ersten Rechtsgang ergangene vom Obersten Gerichtshof in den Schuldsprüchen kassierte (11 Os 37/12v 4) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. November 2011, GZ 14 Hv 133/11h 64, entfalte zufolge § 17 StPO und Art 4 des 7. ZP zur MRK eine die Tatbeurteilung nach § 201 Abs 1 StGB im nachfolgenden Rechtsgang verhindernde ne bis in idem Wirkung, bleibt erneut (vgl das diesen Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis 11 Os 100/12h im gegenständlichen Verfahren mit Hinweis auf Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 24 Rz 147) ohne methodisch fundierte Bezugnahme auf das Gesetz und verlässt daher den Anfechtungsrahmen des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes. Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in einer Finanzstrafsache (12 Os 32/00) dazu nichts beiträgt, weil sich insoweit die Annahme eines limitierten Prozessgegenstands aus der unbekämpft gebliebenen Abstandnahme von der Verurteilung einzelner Taten (zum finanzstrafrechtlichen Tatbegriff vgl Lässig in WK 2 Vor FinStrG Rz 7 ff) und nicht aus einer anderen Subsumtion in einem vorhergehenden Rechtsgang ergab.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).