JudikaturJustiz11Os21/08k

11Os21/08k – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. April 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer, in der Strafsache gegen Siegfried Z***** wegen des Vergehens der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 11 Hv 44/05t des Landesgerichts Wels, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. August 2005, GZ 11 Hv 44/05t 37, und das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. März 2006, AZ 9 Bs 15/06d (ON 45 der Hv Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, des Verurteilten und dessen Verteidigers Dr. Rainer zu Recht erkannt:

Spruch

Es verletzen das Gesetz

1. das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. August 2005, GZ 11 Hv 44/05t 37, im Teilfreispruch des Siegfried Z***** von Punkt II. des wider ihn erhobenen Strafantrags, er habe von einem noch festzustellenden Zeitpunkt bis zumindest 23. September 2004 einem gesetzlichen Verbot zuwider eine Mitteilung über den Inhalt einer Verhandlung vor einem Gericht, in der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, auf solche Weise veröffentlicht, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich geworden sei, indem er auf der von ihm betriebenen Homepage http:***** das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 12. Jänner 1998 vor dem Landesgericht Wels, AZ 25 Hv 11/97, in der nach der Verlesung der Anklageschrift bis zur Urteilsverkündung die Öffentlichkeit ausgeschlossen gewesen war, veröffentlichte, in der Bestimmung des § 301 Abs 1 StGB;

2. das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 15. März 2006, AZ 9 Bs 15/06d (ON 45), im Freispruch des Siegfried Z***** von dem wider ihn erhobenen Strafantrag, er habe am 5. März 2005 in Bad Goisern pornographische Darstellungen einer minderjährigen Person (§ 207a Abs 4 StGB) dadurch einem anderen überlassen oder sonst zugänglich gemacht, dass er die Adresse der von ihm betriebenen Internetseite, auf welcher er die im Punkt I. des Strafantrags (ON 25) beschriebenen Bilder veröffentlicht hatte, per E Mail an Martina O***** übermittelte, in der Bestimmung des § 207a Abs 1 Z 3 fünfter Fall StGB.

Text

Gründe :

Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. August 2005, GZ 11 Hv 44/05t 37, wurde Siegfried Z***** des Vergehens der pornographischen Darstellung mit Unmündigen nach § 207a Abs 1 Z 2 dritter Fall StGB „aF" (Punkt I.) sowie des Vergehens der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 3 dritter und fünfter Fall StGB (Punkt II.) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Bad Goisern

I. am 17. April 2004 bildliche Darstellungen einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person sowie einer unmündigen Person an sich selbst bzw an einer anderen Person, deren Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, dass es bei ihrer Herstellung zu einer solchen geschlechtlichen Handlung gekommen ist, und zwar ein Bild zweier unmündiger Burschen, auf dem diese jeweils ihre erigierten Glieder in der Hand halten, sowie ein Bild dieser Burschen, auf dem einer das erigierte Glied des anderen in der Hand hält, anderen überlassen, indem er eine die Bilder enthaltende CD an Peter S***** übergab;

II. zumindest am 5. März 2005 pornographische Darstellungen einer minderjährigen Person dadurch einem anderen überlassen und zugänglich gemacht, dass er die im Punkt I. beschriebenen Bilder auf einer von ihm betriebenen Internetseite veröffentlichte und darüber hinaus den Inhalt dieser Seite per E Mail an Martina O***** übermittelte.

Hingegen wurde Siegfried Z***** (von der Staatsanwaltschaft unbekämpft) von dem weiters gegen ihn erhobenen Vorwurf (Punkt II. im Strafantrag ON 25), er habe in Bad Goisern von einem noch festzustellenden Zeitpunkt bis zumindest zum 23. September 2004 einem gesetzlichen Verbot zuwider eine Mitteilung über den Inhalt einer Verhandlung vor einem Gericht, in der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, auf solche Weise veröffentlicht, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde, indem er auf der von ihm betriebenen Homepage http:***** das Protokoll der Hauptverhandlung vom 12. Jänner 1998, AZ 25 Hv 11/97 des Landesgerichts Wels, veröffentlichte, in der nach Verlesung der Anklageschrift bis zur Urteilsverkündung die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, gemäß § 259 Z 3 StPO, freigesprochen. In der Begründung verwies die Einzelrichterin darauf, dass das gegenständliche Protokoll im Verfahren AZ 12 Hv 20/98 des Landesgerichts Wels öffentlich verlesen worden war (US 9).

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. März 2006, AZ 9 Bs 15/06d (ON 45 der Hv Akten), erfolgte in teilweiser Stattgebung der Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und Schuld gegen das dargestellte Urteil des Landesgerichts Wels ein weiterer Teilfreispruch vom Vorwurf der Übermittlung pornographischer Darstellungen Minderjähriger per E Mail an Martina O*****. Im Übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben.

Nach den zum Teilfreispruch vom Berufungsgericht nach Beweiswiederholung ergänzend getroffenen Konstatierungen verschickte Siegfried Z***** am 5. März 2005 an Martina O***** eine E Mail, welche lediglich einen (Hyper )Link zu der von ihm betriebenen Homepage, nicht jedoch die beiden in Rede stehenden kinderpornographischen Darstellungen enthielt. Das Oberlandesgericht Linz vertrat die Ansicht, trotz des über den angeführten Link ermöglichten unmittelbaren Zugriffs auf die private Homepage des Angeklagten und damit auf die dort veröffentlichten Lichtbilder sei in der Übermittlung der E Mail weder ein Überlassen iSd § 207a Abs 1 Z 3 dritter Fall StGB noch ein über die ohnedies schon inkriminierte Veröffentlichung der in Rede stehenden kinderpornographischen Darstellungen im Internet hinausgehendes Zugänglichmachen iSd § 207 Abs 1 Z 3 fünfter Fall StGB zu erblicken (US 4 in ON 45).

Rechtliche Beurteilung

Die Teilfreisprüche des Siegfried Z***** durch das Landesgericht Wels von Punkt II. des Strafantrags ON 25 sowie durch das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Das Vergehen der verbotenen Veröffentlichung nach § 301 Abs 1 StGB verwirklicht, wer einem gesetzlichen Verbot zuwider eine Mitteilung über den Inhalt einer Verhandlung vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde, in der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise veröffentlicht, dass die Mitteilung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichts erfüllt eine Verlautbarung einem gesetzlichen Verbot zuwider auch dann das Tatbild, wenn ihr eine quantitativ unspezifische Veröffentlichung der gleichen Vorgänge bereits vorausgegangen ist. Die Verlesung eines Protokolls über eine teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführte Hauptverhandlung, dessen öffentliche Bekanntmachung insoweit gemäß § 230a Satz 1 StPO untersagt ist, in einer öffentlichen Hauptverhandlung bewirkt nicht die Zugänglichkeit für eine breite Öffentlichkeit und schließt demnach die spätere Verwirklichung des Vergehens nach § 301 Abs 1 StGB durch Veröffentlichung (überdies nicht bloß einzelner Inhalte, die auch der Verlesung in der öffentlichen Hauptverhandlung entnommen hätten werden können, sondern eines Faksimiles des geschützten Protokolls [US 5, S 283 ff/I]) im Internet nicht aus.

§ 207a Abs 1 Z 3 StGB ist als alternatives Mischdelikt konzipiert ( Schick in WK² § 207a Rz 18; allgemein zusätzlich Fuchs AT I6 10/56; Kienapfel/Höpfel AT12 Z 9 Rz 39 ff; Leukauf/Steininger Komm³ Vorbem § 1 Rz 48; Ratz , WK StPO § 281 Rz 573 und 575 sowie Ratz in WK² Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 2 und 81). Es sollen im Sinne eines umfassenden Rechtsgutschutzes alle Handlungen umfasst werden, durch die das verpönte Material zur Kenntnis Dritter gelangen kann, vor allem die Verbreitung im Wege aktueller Informationstechnologie ( Schick in WK² § 207a Rz 1, 5, 18, 19; Hinterhofer BT II4 § 207a Rz 9; Kienapfel/Schmoller BT III § 207a Rz 18). Wer also etwa einschlägige Inhalte auf einer einschränkungslos erreichbaren Internetseite abrufbar macht, handelt tatbildlich iSv § 207a Abs 1 Z 3 StGB, wobei die in der Literatur unterschiedlich vorgenommene Einordnung wegen der rechtlichen Gleichwertigkeit der Begehensweisen dahinstehen kann.

Durch die Veröffentlichung der Bilder auf der verfahrensgegenständlichen Website wurden die pornographischen Darstellungen allerdings lediglich einem bewusst auf die Website zugreifenden Personenkreis zugänglich gemacht. Das Versenden eines Hyperlinks dieser Homepage an eine weitere Person verwirklicht den empfängerorientierten (arg „einem anderen") Tatbestand des § 207a Abs 1 Z 3 StGB neuerlich - wegen des quantitativ und qualitativ höheren Unrechtgehalts in echter Realkonkurrenz.

Bleibt prozessual anzumerken: Die Staatsanwaltschaft verfolgte zwei historische Sachverhalte, nämlich das Veröffentlichen der kinderpornographischen Bilder auf der Internetseite des Angeklagten „und darüber hinaus" das Übermitteln „des Inhalts dieser Seite" per E Mail (S 178 f/II). Prozessual korrekt wurde vom zweitgenannten Vorwurf formell freigesprochen - verfehlt war allerdings der Freispruch von der rechtlichen Kategorie (US 2; ebenso im Urteil des Landesgerichts Wels US 3; vgl Lendl , WK StPO § 259 Rz 1).

Rechtssätze
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