JudikaturJustiz11Os173/08p

11Os173/08p – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Dezember 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinrich E***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 6. Mai 2008, GZ 20 Hv 36/08w-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Kies zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtunterstellung der Beischlafshandlungen des Angeklagten mit seiner Tochter unter § 211 Abs 1 StGB, demzufolge im Strafausspruch (nicht hingegen im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Heinrich E***** hat durch das in den Schuldsprüchen A. und C. angeführte wiederholte Einführen seines Penis in die Vagina der mit ihm in gerader Linie verwandten Christine E***** mit dieser den Beischlaf vollzogen und dadurch die Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB begangen.

Hiefür sowie für die ihm nach den unberührt gebliebenen Schuldsprüchen zur Last liegenden Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A.), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B.), der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 1 StGB (C.) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (D.), wird er unter Anwendung des § 28 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 (vier) Jahren verurteilt.

Die weitere Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthaltenden - Urteil wurde Heinrich E***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A.), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B.), der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 1 StGB (C.) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (erg: Z 1) erster Fall StGB (D.) schuldig erkannt und - soweit hier von Relevanz - vom Vorwurf der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB freigesprochen.

Danach hat er in Amstetten

A. zwischen 2004 bis 16. August 2005 mit der am 16. August 1991 geborenen, sohin unmündigen Christine E***** den Beischlaf oder dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er in einer Vielzahl von Angriffen regelmäßig seinen Finger und seinen Penis in ihre Vagina einführte sowie einen Geschlechtsverkehr vollzog und mehrmals auch seinen Penis in den Anus einführte;

B. zwischen 2004 bis 16. August 2005 außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 16. August 1991 geborenen, sohin unmündigen Christine E***** vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen, indem er in einer Vielzahl von Angriffen regelmäßig ihre nackte Scheide und ihre entblößte Brust betastete sowie von ihr seinen Penis in die Hand nehmen und manipulieren ließ;

C. in der Zeit von 17. August 2005 bis zuletzt im Sommer 2007 (vor dem 16. August 2007) an der am 16. August 1991 geborenen Christine E*****, sohin einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und die aufgrund einer Störung der Intelligenzfunktionen noch nicht reif genug war, nach der Einsicht über die Bedeutung des Vorgangs zu handeln, unter Ausnützung dieser mangelnden Reife sowie seiner altersbedingten Überlegenheit geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen, indem er auch nach dem 14. Geburtstag in einer Vielzahl von Angriffen regelmäßig seinen Finger und seinen Penis in die Vagina des Mädchens einführte sowie einen Geschlechtsverkehr und einen Analverkehr durchführte, ihre Scheide und entblößte Brust betastete sowie von ihr Handverkehr an seinem Penis durchführen ließ;

D. zwischen 2004 bis 16. August 2007 durch die zu A., B. und C.) geschilderten Handlungen mit seiner am 16. August 1991 geborenen leiblichen Tochter Christine E*****, sohin mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen.

Das Schöffengericht verhängte über Heinrich E***** unter Anwendung des § 28 StGB nach § 206 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wendet sich gegen den auch prozessual verfehlten (Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1) Freispruch vom Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB und reklamiert eine Unterstellung der Taten des Einführens des Penis des Angeklagten in die Vagina des Opfers (A., C.) auch unter diese Norm. Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte seit dem Jahr 2004 bis vor dem 16. Geburtstag seiner leiblichen Tochter im Sommer 2007 in einer Vielzahl von Angriffen - ohne Anwendung des Nötigungsmittels der Gewalt - mit seinem erigierten Glied in deren Scheide eindrang. Konstatierungen dahingehend, dass er sein Opfer zum Beischlaf verführt habe, konnte es nicht treffen (US 10 ff). Es folgerte daraus, dass der Angeklagte das Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB nicht verwirklicht habe (US 17 f).

Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtsmittel darauf hin, dass - den getroffenen Feststellungen folgend - jedoch eine Unterstellung der Taten (auch) wegen der sowohl zu § 206 Abs 1 StGB (A.) als auch zu § 207b Abs 1 StGB (C.) und § 212 Abs 1 Z 1 StGB (D.) echt konkurrierenden Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB zu erfolgen hat, weil einerseits das Unrecht des Vollzugs des Beischlafs mit einer in gerader Linie verwandten Person - mangels Tatbestandsvoraussetzung eines solchen Verwandtschaftsverhältnisses - nicht durch die Unterstellung der Taten als schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen (§ 206 Abs 1 StGB) bzw sexueller Missbrauch von Jugendlichen (§ 207b Abs 1 StGB) abgegolten ist und andererseits - mangels Verführung zum Beischlaf (§ 211 Abs 2 StGB, vgl RIS-Justiz RS0091123) - zwischen § 211 Abs 1 StGB und § 212 Abs 1 StGB echte Idealkonkurrenz vorliegt (Schick in WK² § 211 Rz 11 mwN, RIS-Justiz RS0095144).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte - das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der Nichtunterstellung der Beischlafshandlungen des Angeklagten mit seiner Tochter unter § 211 Abs 1 StGB, demzufolge im Strafausspruch (nicht hingegen im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft) aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Bei der Strafneubemessung war erschwerend das Zusammentreffen zahlreicher Verbrechen mit zahlreichen Vergehen über einen langen Tatzeitraum, mildernd hingegen der bisherige ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, die ihm attestierte Persönlichkeitsstörung und das abgelegte Geständnis.

Vier Jahre Freiheitsstrafe sind bei Bedacht auf die aktuelle, von Minderbegabungen der Eltern und dem Alkoholabusus der Mutter geprägte Familiensituation und die besondere, mit Ausnahme der Missbrauchshandlungen durchaus positiv zu beurteilende Täter-Opfer-Konstellation eine unrechts- und schuldangemessene Entsprechung für das Fehlverhalten des Angeklagten, das im auffallenden Gegensatz zu den meisten anderen derartigen Fällen ohne spezifische Folgen für das Opfer blieb (US 9 sowie Gutachten ON 31, va S 27 ff).

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.