JudikaturJustiz11Os122/99

11Os122/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Harm als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz K***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit (richtig: des sexuellen Missbrauchs von) Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Mai 1999, GZ 4d Vr 6985/97-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil zur Gänze aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz K***** des Verbrechens der Unzucht mit (richtig: des sexuellen Missbrauchs von) Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und des in Tateinheit dazu begangenen Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er von Anfang März 1997 bis 29. Mai 1997 in Wien seine am 2. August 1993 geborene unmündige Tochter Ananda K***** dadurch, dass er sie entkleidete, auf seinen Schoß setzte, sein Glied zwischen die Beine des Mädchens gab, ejakulierte und sein Geschlechtsteil auch in ihren Mund steckte sowie Ananda K***** auf ihr Geschlechtsteil küsste, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Bereits der Verfahrensrüge (Z 3), mit welcher der Beschwerdeführer die Unterlassung der Belehrung von Zeugen über ihr Entschlagungsrecht moniert, kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

In der Tat nämlich wurden die Zeugen Walter Z***** und Waltraud A*****, die Geschwister der geschiedenen Ehegattin des Angeklagten, in der Hauptverhandlung vom 12. Mai 1999 als Zeugen vernommen, ohne über ihr Entschlagungsrecht als Angehörige des Angeklagten belehrt worden zu sein (S 323, 326), welches durch die Eheschliessung ihrer Schwester begründet wurde und durch deren Scheidung nicht verloren ging (§ 152 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 72 Abs 1 StGB).

Gleiches gilt für die Vernehmung der Zeugin Dr. T*****, die zur psychologischen Betreuung des (angeblichen) Tatopfers beigezogen worden war, ungeachtet des daraus erfliessenden Entschlagungsrechtes nach § 152 Abs 1 Z 5 StPO darüber aber nicht belehrt worden ist (S 307).

Weil diese Zeugen, obgleich der Grund für die Zeugnisbefreiung dem Schöffengericht unzweifelhaft bekannt war (s zB S 323: "Ex-Schwager"; S 326: "Ex-Schwägerin"), nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls demgemäß auf ihr Entschlagungsrecht nicht ausdrücklich verzichtet haben (§ 152 Abs 5 StPO), die Tatrichter die den Schuldspruch tragenden Feststellungen aber auch auf die Aussagen dieser Zeugen stützten (US 10 f, 14 f, 17 ff, 24) und damit evident ist, dass die gerügten Verfahrensverletzungen das angefochtene Urteil beeinflussten, war das Urteil bereits in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben und eine neue Hauptverhandlung anzuordnen (§ 285e StPO), ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Dessen ungeachtet werden im erneuerten Verfahren auch die gegen die Beweisführung durch Sachverständige erhobenen Beschwerdeeinwendungen zu beachten sein.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.