JudikaturJustiz10R84/04m

10R84/04m – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 2005

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten als Rekursgericht hat durch den Präsidenten HR Dr. Leitzenberger (Vorsitzender), den Richter Dr. Brenner und die Richterin Dr. Jungblut in der Verlassenschaftssache nach Barbara K*****, Pensionistin, zuletzt wohnhaft ***** Amstetten, *****, verst. am 23.1.2004, über den Rekurs der G***** Gen.m.b.H., *****, ***** Amstetten, vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Amstetten vom 29.10.2004, 1 A 55/04a-24, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird F o l g e gegeben und der angefochtene Beschluss

dahingehend abgeändert, dass die Punkte 2. bis 4. zu lauten haben wie

folgt:

„2. Der geringfügige Nachlass, bestehend aus

Baukostenbeitrag bei der G*****

***** genossenschaft

***** € 2.476,04

Geschäftsanteil Nr. 8530 bei der G*****

***** genossen-

schaft ***** € 73,--

insgesamt sohin € 2.549,04

ist durch Aufrechnung mit der Forderung der G ***** *****genossenschaft ***** Amstetten, *****, auf nach dem Tod der Verstorbenen angefallenes Nutzungsentgelt in Höhe von € 3.031,02 verbraucht und erloschen.

3. Die Gebühr des Gerichtskommissärs Mag. Erwin K*****, öffentl.

Notar, ***** Amstetten, ***** wird für die Vorbereitung der

kridamäßigen Verteilung einschließlich der Barauslagen und der

Umstatzsteuer bestimmt

mit € 360,--

4. Die Entschädigung der Verlassenschaftskuratorin, Mag. Nina H*****,

Notariatskandidatin, ***** Amstetten, *****, wird bestimmt

mit € 65,--"

Der Wert, über den das Verlassenschaftsgericht entschieden hat,

übersteigt nicht € 20.000,--.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist z u -

l ä s s i g .

Text

Begründung:

Barbara K***** verstarb am 23.1.2004. Gesetzliche Erben sind nicht vorhanden. Mit Testament vom 9.12.2000 bzw. 9.10.2001 (das Dokument weist zwei Daten auf) setzte die Verstorbene Herrn Peter Spendou zum Universalerben ein.

Der Nachlass besteht lediglich aus einem Rückzahlungsanspruch der Verstorbenen gegen die Rekurswerberin gem. § 17 WGG in Höhe von €

2.476,04 und einem Geschäftsanteilsguthaben von € 73,--, sowie weiters wertlosen Einrichtungsgegenständen und ebenfalls wertloser Bekleidung. Dem stehen an Forderungen gegen den Nachlass gegenüber die von Herrn Peter S***** bezahlten Begräbniskosten in Höhe von €

1.419,10, eine Sozialhilfeforderung der Bezirkshauptmannschaft A***** von € 2.678,76, eine Forderung der Sparkasse ***** A***** zu Girokonto Nr. 0601-004179 von € 112,83, eine Forderung der C ***** an Kostenbeiträgen für eine Hauskrankenhilfe von € 422,19, die Kosten des Gerichtskommissärs von € 360,-- und die Kuratorsentschädigung von € 65,--, sowie die Forderung der Rekurswerberin aus Nutzungsentgelten von Februar bis August 2004 von insgesamt € 3.031,02. Der Testamentserbe Peter S***** erklärte, keine Erbserklärung abzugeben, sondern lediglich die Begräbniskosten als Forderung gegen den Nachlass geltend zu machen (ON 20) und beantragte die kridamäßige Verteilung des Nachlasses (ON 15).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht das Inventar mit Aktiven von € 2.549,04 und Passiven in Höhe von €

7.663,90, somit einer Überschuldung von € 5.114,86 fest und verteilte den geringfügigen Nachlass, der an werthaltigen Elementen nur den Baukostenbeitrag bei der G ***** genossenschaft ***** sowie den Geschäftsanteil bei derselben Genossenschaft enthält, kridamäßig in der Form, dass die Gebühr des Gerichtskommissärs, die Entschädigung der Verlassenschaftskuratorin und die Begräbniskosten zur Gänze befriedigt wurden und der verbleibende Betrag von € 704,94 auf die übrigen Gläubiger verteilt wurde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig erhobene Vorstellung, in eventu Rekurs der G ***** genossenschaft *****., mit dem erkennbaren Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass zufolge einer sich aus dem Nutzungsvertrag ergebenden Aufrechnungsvereinbarung der Nachlass zur Gänze der Rekurswerberin zukomme.

Ohne dass dies in einem entsprechenden Rekursantrag klar ausgedrückt wäre, richtet sich damit der Rekurs im Ergebnis gegen die in den Punkten 2. bis 4. beinhalteten Anordnungen des angefochtenen Beschlusses, während die Punkte 1., 5. und 6. vom Rekurs nicht betroffen sind.

Mit Beschluss vom 19.11.2004, 1 A 55/04a-26, hat das Bezirksgericht Amstetten die Vorstellung gemäß § 12 RpflG als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Gleichschrift des Rekurses wurde allen Parteien, die aus dem angefochtenen Beschluss Rechte ableiten können, zugestellt; Rekursbeantwortungen wurden jedoch nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt Berechtigung zu.

Nach der Rechtsprechung kommen Begräbniskostenforderungen erst nach Berichtigung der Masseforderungen, zu denen auch die nach dem Tod des Erblassers entstehenden Mietzinsschulden gehören, zum Zug (5 Ob 549/84). Bei der kridamäßigen Aufteilung des Nachlasses sind Mietzinse für die Wohnung der Erblasserin nach ihrem Tod bis zur Beendigung des Mietverhältnisses sowie die den Vermietern zwecks Durchsetzung ihres Räumungsanspruches gegenüber der Verlassenschaft auflaufenden Kosten als Masseforderungen zu behandeln (RIS-Justiz RS 0007658). Durch die Berücksichtigung der Nutzungsentgelte im Rang erst nach den Masseforderungen ist die Rekurswerberin daher jedenfalls beschwert; nach den zitierten Entscheidungen hätten die Mietzinsforderungen sogar vor den Begräbniskosten Befriedigung finden müssen (und diese damit ausgeschlossen, da der Nachlass dadurch erschöpft worden wäre).

Offen bleibt somit nur die Frage, ob durch die von der Rekurswerberin behauptete Aufrechnungsvereinbarung die Aktiva der Verlassenschaft, die ausschließlich in Forderungen der Verlassenschaft gegen die Rekurswerberin bestehen, bereits zur Gänze aufgezehrt sind, oder ob es noch zu einer kridamäßigen Verteilung zwischen der Rekurswerberin, dem Gerichtskommissär und der Verlassenschaftskuratorin zu kommen hat. Im Nutzungsvertrag ist in § 3 Abs. 3 letzter Absatz ausdrücklich festgehalten: „Das Mitglied erklärt sich damit einverstanden, dass im Falle seines Ausscheidens aus der Genossenschaft sämtliche aus diesem Vertrag noch bestehenden geltlichen Verpflichtungen gegen das rückzuzahlende Geschäftsguthaben aufgerechnet werden."

Ihrem Wortlaut nach bezieht sich die Aufrechnungsvereinbarung damit nur auf das Geschäftsguthaben von € 73,--, nicht auch auf den Anspruch auf Rückersatz des noch nicht abgewohnten Finanzierungsbeitrages gemäß § 17 WGG.

Die Frage der Aufrechnung ergibt sich aber nicht nur aufgrund der Vertragssituation, sondern insbesondere auch aufgrund allgemeiner konkursrechtlicher Überlegungen. § 73 AußStrG enthält keine näheren Ausführungen dazu, wie die kridamäßige Verteilung des Nachlasses zu erfolgen hat. Es hat zur sinngemäßen Anwendung der Bestimmungen der Konkursordnung zu kommen. Gemäß § 19 KO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs nicht geltend gemacht werden. Fraglich ist, welcher Zeitpunkt bei einem Vorgehen nach § 73 AußStrG als Zeitpunkt der Konkurseröffnung anzusehen ist; hier wird aber letztlich wohl nur der Zeitpunkt des Beschlusses erster Instanz in Betracht kommen. Die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Nutzungsentgelte zehren aber die Forderungen der Verlassenschaft gegen die Rekurswerberin zur Gänze auf. Das Gegenüberstehen einer aufrechenbaren Forderung bewirkt im Ergebnis im Konkurs und damit auch in der Verteilung des Nachlassvermögens gemäß § 73 AußStrG, dass dem Gläubiger ein besonderer Befriedigungsfonds zur Verfügung steht, gleich einem Absonderungsrecht im Sinne des § 48 KO. Daraus ergibt sich ein vorrangiger Befriedigungsanspruch, der selbst sonstige Massekosten ausschließt.

Die Rekurswerberin macht daher zu Recht geltend, dass sie nicht dazu verhalten ist, die in ihrer Verfügung befindlichen, durch Gegenforderungen jedoch überschrittenen Vermögenswerte des Nachlasses herauszugeben. Dem Rekurs war daher Folge zu geben. Im Hinblick darauf können die Gebühren des Gerichtskommissärs und der Verlassenschaftskuratorin nur bestimmt werden, finden aber im Nachlass aufgrund der durch die Gegenforderung aufgewogenen Nachlassaktiva keine Rechnung mehr.

In Anbetracht des Gesamtwertes der Verlassenschaft übersteigt der Wert, über den das Rekursgericht entschieden hat, nicht € 20.000,--. Zur Rechtsfrage, ob eine Wohnungsgenossenschaft ungeachtet ihr zustehender, als Massekosten vorrangiger Forderungen auf Nutzungsentgelte vom Todestag bis zur Beendigung der Verlassenschaft verpflichtet ist, Finanzierungsbeiträge gemäß § 17 WGG oder Genossenschaftsanteile an die Verlassenschaft herauszugeben, oder ob ihr an diesen Ansprüchen ein vorrangiges Befriedigungsrecht zusteht, liegt, soweit für das Rekursgericht erkennbar, bislang keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor. Dabei handelt es sich jedoch um eine Rechtsfrage von grundlegender, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung in Anbetracht der Vielzahl genossenschaftlicher Wohnverhältnisse. Der ordentliche Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ist daher zulässig. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6