JudikaturJustiz10ObS88/04w

10ObS88/04w – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. März 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johannes Denk (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mihael V*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH. in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 3. Februar 2004, GZ 8 Rs 6/04w 26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom 24. Juni 2003, GZ 34 Cgs 94/02f 20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 22. 9. 1944 geborene Kläger erlernte im ehemaligen Jugoslawien den Beruf eines Maurers. Er besitzt einen Führerschein der Klasse B. In Österreich war er von 1966 bis 1978 als Maurer und Fabriksarbeiter beschäftigt. Von 1978 bis zum 20. 12. 1995 war er in Kroatien als LKW Lenker (Baustellenfahrer) tätig. Seit 20. 12. 1995 bezieht er eine kroatische und slowenische Invaliditätspension. Seitdem geht er keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nach. Im Zeitraum Jänner 1986 bis einschließlich Dezember 2000 erwarb er 119 Beitragsmonate der Pflichtversicherung als Hilfsarbeiter (Kraftfahrer). Die Tätigkeit eines LKW Lenkers kann er nicht mehr ausüben, weil er den damit verbundenen mittelschweren bis schweren körperlichen Belastungen nicht mehr gewachsen ist. Auf Grund seines medizinischen Leistungskalküls kann er noch die Tätigkeiten eines Büro /Hausboten, Geschirrabräumers, Aufsehers, Adjustierers, Parkgaragenkassiers verrichten.

Mit Bescheid vom 27. 2. 2002 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 28. 12. 2000 auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab.

Mit seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zunächst ab 1. 1. 2001 und zuletzt (AS 86) - gestützt auf § 255 Abs 4 ASVG - ab 1. 10. 2001. Der in dieser Gesetzesstelle genannte Zeitraum von 180 Kalendermonaten verlängere sich bei analoger Anwendung des § 234 Abs 1 Z 2 lit a ASVG um die Zeiten des Bezugs der kroatischen und slowenischen Invaliditätspension.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Zum Stichtag 1. 10. 2001 lägen nur 100 Beitragsmonate der Pflichtversicherung vor. Die Bestimmung, dass sich der Anrechnungszeitraum durch neutrale Monate verschiebe, gelte nur für die Wartezeit und sei für § 255 Abs 4 ASVG nicht anwendbar, weil nur die Beitragsmonate der Pflichtversicherung in den letzten 15 Jahren entscheidend seien. Eine Regelungslücke liege nicht vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die Invaliditätspension ab 1. 1. 2001 zu gewähren, ab. Der Kläger sei nicht invalid im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG. Da er am 22. 9. 2003 (richtig: 22. 9. 2001) das 57. Lebensjahr vollendet habe, sei sein Begehren auf Zuspruch der Invaliditätspension ab 1. 1. 2001 gemäß § 255 Abs 4 ASVG zu prüfen. Die in dieser Gesetzesbestimmung normierte Anspruchsvoraussetzung der Ausübung einer Tätigkeit durch mindestens 120 Kalendermonate hindurch in den letzten 180 Monaten vor dem Stichtag erfülle der Kläger nicht. Dieser Rahmenzeitraum werde durch den Bezug einer kroatischen und slowenischen Invaliditätspension nicht verlängert. § 236 Abs 3 ASVG sei weder unmittelbar noch - mangels Regelungslücke - analog anwendbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung, mit der der Kläger die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn einer Stattgebung des auf Gewährung der Invaliditätspension ab 1. 10. 2001 gerichteten Klagebegehrens beantragte, nicht Folge und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. § 255 Abs 4 ASVG, auf dessen Anwendung die Berufung ausschließlich abziele, enthalte die besondere Leistungsvoraussetzung, dass der Versicherte in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch eine Tätigkeit ausgeübt haben müsse. Es finde sich darin keine Regelung, dass neutrale Zeiten - wie der Bezug einer Invaliditätspension -, auf die die Bestimmungen über die Wartezeit (§ 236 ASVG) ausdrücklich Bezug nähmen, diesen Zeitraum verlängerten. Auch die Gesetzesmaterialien stellten ausdrücklich auf die letzten 15 Jahre vor dem Pensionsstichtag ab. Bereits die durch das SVÄG 2000 abgeschaffte vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) habe den Nachweis von 72 Beitragsmonaten innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag vorgesehen. Dieses Erfordernis sei nach ständiger Rechtsprechung nicht als Wartezeitbestimmung im eigentlichen Sinn qualifiziert, sondern als ein Erfordernis der „qualifizierten" Bruchteilsdeckung gesehen worden, sodass der darauf bezogene Rahmenzeitraum durch neutrale Zeiten nicht verlängert worden sei. Zumal der Kläger schon zum alten Stichtag lediglich 119 Beitragsmonate und zum Stichtag 1. 10. 2001 entsprechend weniger gehabt hätte, erfülle er die Voraussetzungen gemäß § 255 Abs 4 ASVG nicht.

Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der in § 255 Abs 4 ASVG vorgesehene Rahmenzeitraum als Wartezeitbestimmung, den neutrale Zeiten analog zu § 236 ASVG verlängerten anzusehen sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Kläger die Invaliditätspension ab 1. 10. 2001 zuerkannt werde.

Die beklagte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass dann, wenn eine Änderung des Gesundheitszustands, eine Gesetzesänderung oder eine sonstige Änderung der Anspruchsvoraussetzungen (etwa die Erreichung eines bestimmten Lebensjahres, wenn dies zur Anwendung geänderter Voraussetzungen für den Anspruch auf die begehrte Leistung führt) während des auf Grund des Leistungsantrags eingeleiteten Verfahrens eintritt, die sich daraus ergebenden Änderungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind. Es wird durch diese Änderungen, sofern sie für den erhobenen Anspruch von Bedeutung sind, ein neuer Stichtag ausgelöst und die Anspruchsvoraussetzungen sind zu diesem Stichtag zu prüfen (10 ObS 61/03y = SSV 17/45 mwN). Da der Kläger das 57. Lebensjahr am 22. 9. 2001 vollendete, sind die Leistungsvoraussetzungen zum Stichtag 1. 10. 2001 (§ 223 Abs 2 ASVG) (auch) nach § 255 Abs 4 ASVG zu prüfen.

Die Revisionsausführungen stellen nicht in Abrede, dass der Kläger in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag nicht 120 Kalendermonate hindurch die Tätigkeit eines LKW Lenkers ausübte und insofern die Vorausetzungen für eine Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG nicht erfüllt. Sie wiederholen nur den vom Kläger vertretenen Standpunkt, die Bestimmung des § 236 Abs 3 ASVG, wonach neutrale Zeiten die Rahmenzeiträume für die Wartezeit verlängern, sei im Fall des § 255 Abs 4 ASVG analog anzuwenden, und dies führe im Fall des Klägers dazu, dass er die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle erfülle. Die gegenteilige Auffassung erscheine verfehlt, weil sonst jemand, der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag für einen längeren Zeitraum eine Invaliditätspension bezogen habe, keine Möglichkeit mehr habe, die Voraussetzungen nach § 255 Abs 4 ASVG zu erfüllen. Auch bei der Prüfung einer Weitergewährung einer befristet zuerkannten Invaliditätspension werde vom ursprünglichen Stichtag ausgegangen und somit die Zeit des Pensionsbezugs „ausgeklammert".

Hiezu wurde erwogen:

Neutrale Zeiten sind keine Versicherungszeiten (§ 234 Abs 1 ASVG) und daher nicht leistungswirksam. Welche Zeiten als neutral anzusehen sind, legt § 234 ASVG fest. Dazu zählen Zeiten, während derer der Versicherte einen bescheidmäßigen zuerkannten Anspruch auf eine Leistung aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nach dem ASVG bzw aus dem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit nach dem GSVG oder nach dem BSVG hatte (§ 234 Abs 1 Z 2 lit a ASVG). Bei welchen Rechtseinrichtungen auf neutrale Zeiten in welcher Weise Bedacht zu nehmen ist, ordnet der Gesetzgeber ausdrücklich an. So enthält § 245 Abs 4 ASVG eine Regelung, welchen Einfluß bestimmte neutrale Zeiten bei der Feststellung der Leistungszugehörigkeit des Versicherten in der Pensionsversicherung haben. § 17 Abs 5 lit a ASVG bestimmt, dass neutrale Zeiten im Sinn des § 234 ASVG bestimmte bei der Weiterversicherung in der Pensionsversicherung maßgebliche Zeitraume und Fristen verlängern. Im § 234 ASVG als neutral erklärte Zeiten verlängern gemäß § 236 Abs 3 ASVG den Rahmenzeitraum (§ 236 Abs 2 ASVG), innerhalb dessen die Wartezeit für Leistungen aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit, aus dem Versicherungsfall des Todes oder aus einem Versicherungsfall des Alters (§ 236 Abs 1 ASVG) erfüllt sein muss, und führen damit zu einer Erleichterung bei der Erfüllung dieser Leistungsvoraussetzung (Teschner in Tomandl, SV System 16. Erg Lfg 386). Durch den Rahmenzeitraum werden nämlich die Bestimmungen über die Wartezeit verschärft. Er führt dazu, dass nicht alle erworbenen Versicherungszeiten auf die Erfüllung der Wartezeit angerechnet werden, sondern nur jene, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums liegen. Außerhalb des Rahmenzeitraums liegende Zeiten bleiben außer Betracht. Die Regelungen über den Rahmenzeitraum wollen verhindern, dass Personen in den Genuss von Leistungen kommen, die längst versicherungsfremd geworden sind, weil sie nur in länger zurückliegenden Zeiträumen in geringem Umfang Versicherungszeiten erworben haben. Nur dann wenn bereits ein durch den Erwerb eines bestimmten Mindestmaßes an Versicherungszeiten (§ 236 Abs 4 ASVG) ein qualifiziertes Naheverhältnis zur Versichertengemeinschaft hergestellt wurde, soll sich der Umstand, dass diese nicht in dem in § 236 Abs 2 ASVG festgelegten Ausmaß in dem dort bestimmten Rahmenzeitraum fallen, nicht nachteilig auswirken (10 ObS 198/04x; SSV NF 9/4 mwN ua).

Eine dem § 236 Abs 3 ASVG gleichartige Regelung findet sich in § 255 Abs 4 ASVG nicht. Eine unmittelbare Anwendung der erstgenannten Norm auf einen Fall des § 255 Abs 4 ASVG ist ausgeschlossen, weil sich schon aus dem Wortlaut des § 236 Abs 3 ASVG eindeutig ergibt, dass sich sein Regelungsinhalt ausschließlich auf den Rahmenzeitraum des § 236 Abs 2 ASVG bezieht. Davon geht offenbar auch die Revision aus, redet sie doch bloß einer analogen Anwendung das Wort.

Voraussetzung einer ergänzenden Rechtsfindung ist das Vorliegen einer Gesetzeslücke. Bei der hier in Frage kommenden „teleologischen" („unechten") Lücke (dazu JBl 1953, 129) fordert die - mit Hilfe der Interpretationsregeln ermittelte - ratio legis (bzw das höhere Rechtsprinzip) in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz die Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung (bzw der Wertetendenz) einer gesetzlichen Norm (oder auch mehrerer Vorschriften) auf den gesetzlich nicht unmittelbar geregelten Fall. Denn es trifft zwar nicht der Wortlaut des Gesetzes, wohl aber die ihm zugrundeliegende Wertung bzw Zwecksetzung auf den offenen Fall zu (SSV NF 2/45; F. Bydlinski in Rummel³, ABGB § 7 Rz 2). Die analoge Anwendung eines Tatbestands ist ausgeschlossen, wenn ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen eines geregelten Tatbestands erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzgebers entspricht. Diese Feststellung bezeichnet man als Umkehrschluss, der den Analogieschluss hindert (SSV NF 2/45; F. Bydlinski aaO § 7 Rz 2 u 3). Wie sich aus dem Wortlaut des § 235 Abs 1 ASVG ergibt, ist im Leistungsrecht der Pensionsversicherung die Erfüllung der Wartezeit (§ 236 ASVG) eine allgemeine Anspruchsvoraussetzung, die zu den in den Abschnitten II bis IV des Vierten Teils des ASVG normierten besonderen Voraussetzungen hinzutritt. Der im II. Abschnitt des Vierten Teil des ASVG angesiedelte § 254 Abs 1 ASVG normiert in den Z 1 und 2 - neben einer hier nicht interessierenden weiteren Voraussetzung (Z 3 der Bestimmung) - als Voraussetzungen für den Anspruch auf Invaliditätspension, dass die Invalidität (§ 255 ASVG) voraussichtlich sechs Monate andauert oder andauern würde und - insofern § 235 Abs 1 ASVG wiederholend - die Wartezeit (§ 236 ASVG) erfüllt ist. § 255 ASVG enthält Definitionen des Begriffs der Anspruchsvoraussetzung „Invalidität". Schon aus der Gesetzessystematik ist ersichtlich, dass die Anordnung in § 255 Abs 4 ASVG, wonach für die Bejahung des Vorliegens von Invalidität nach dieser Gesetzesstelle ua erforderlich ist, dass der Versicherte eine Tätigkeit innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, keine Wartezeitregelung im Sinn des Gesetzes ist. Im Leistungsrecht der Pensionsversicherung werden die einzelnen Leistungsvoraussetzungen detailliert und streng voneinander getrennt geregelt. Wie schon dargelegt, ordnet der Gesetzgeber ausdrücklich an, bei welchen Rechtseinrichtungen auf neutrale Zeiten Bedacht zu nehmen ist. Daraus ist zu schließen, dass die Berücksichtigung von neutralen Zeiten bei den Voraussetzungen für Leistungen aus der Pensionsversicherung bezogen auf die allgemeine Voraussetzung der Erfüllung der Wartezeit abgeschlossen normiert wird. In einem derartigen Fall ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Bestimmungen, die ausdrücklich nur für eine bestimmte Leistungsvoraussetzung vorgesehen wurden, nur für diese angewendet wissen wollte (vgl SSV NF 2/45). Dies trifft für die Erfüllung der Wartezeit (§ 236 ASVG) einerseits und den § 255 Abs 4 ASVG andererseits zu. Diesen Befund bestätigt auch die Entstehungsgeschichte der letztgenannten durch das SVÄG 2000, BGBl I 2000/43, mit Wirksamkeit 1. 7. 2000 eingeführten Norm. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, AB 187 BlgNR 21. GP 3 f) soll die Neuregelung als flankierende Maßnahme zur Abfederung von Härten infolge der Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§ 253d ASVG) der Berufsschutz für Personen, die das 57. Lebensjahr bereits vollendet und durch 10 Jahre während der letzten 15 Jahre vor dem Pensionsstichtag eine bestimmte Tätigkeit ausgeübt haben, verbessert werden. Ursprünglich war für die Neuregelung als Anspruchsvoraussetzung sogar die Ausübung einer Tätigkeit 144 Kalendermonate (= 12 Jahre) hindurch im Beobachtungszeitraum der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag vorgesehen, wobei dieses Erfordernis schließlich auf 120 Kalendermonate (= 10 Jahre) verringert wurde, um Saisonarbeiter vom neuen Berufsschutz nicht von vornherein auszuschließen (SSV NF 17/74 mwN). § 255 Abs 4 ASVG unterscheidet sich von der aufgehobenen Bestimmung des § 253d ASVG ua darin, dass die Tätigkeit durch mindestens 120 Kalendermonate (innerhalb der letzten 180 Kalendermonate) ausgeübt worden sein muss, während nach 253d Abs 1 Z 2 und 3 ASVG innerhalb der letzten 180 Kalendermonate mindestens 72 Beitragsmonate vorliegen mussten, wovon in mindestens der Hälfte eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit ausgeübt wurde. § 255 Abs 4 ASVG ist enger gefasst als die aufgehobene vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (SSV NF 16/136; 17/56 je mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verlängerten neutrale Zeiten den Rahmenzeitraum des § 253d Abs 1 Z 2 ASVG, in dem eine Bruchteilsdeckung vorliegen musste, nicht (SSV NF 14/81; 11/6; 10/88 ua). Angesichts dessen und der dargelegten Regelungstechnik bei den Leistungsvoraussetzungen im Pensionsrecht und bei der Berücksichtigung neutraler Zeiten ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Verlängerung des im § 255 Abs 4 ASVG normierten Beobachtungszeitraum um neutrale Zeiten bewusst nicht anordnete. Fehlt es daher an einer Gesetzeslücke, ist eine analoge Anwendung des § 236 Abs 3 ASVG auf § 255 Abs 4 ASVG ausgeschlossen. Der Kläger ist nicht invalid im Sinn des § 255 Abs 4 ASVG, weil er in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag nicht 120 Kalendermonate hindurch eine Tätigkeit ausübte.

Dass im Übrigen das Vorliegen der Invalidität beim Kläger nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen ist und dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, stellt die Revision nicht in Abrede.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.