JudikaturJustiz10ObS74/19h

10ObS74/19h – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker und Mag. Dr. Werner Hallas (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. H*****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1030 Wien, Ghegastraße 1, wegen Witwerpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2019, GZ 12 Rs 108/18s 20, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die außerordentliche Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Prozessrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

1.2 Diese Voraussetzungen zeigt der Revisionswerber nicht auf. Die Zurückweisung der außerordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

2.1 Nach § 140 Abs 5 BSVG sind der Ermittlung des Nettoeinkommens aus einem land (forst )wirtschaftlichen Betrieb 70 vH des Versicherungswerts (§ 23) dieses Betriebs zugrunde zu legen. Dieser Betrag gilt als monatliches Nettoeinkommen aus dem land (forst )wirtschaftlichen Betrieb. Der Versicherungswert ist ein Hundertsatz des Einheitswerts des landwirtschaftlichen Betriebs (§ 23 Abs 2 BSVG).

2.2 Entsprechend § 140 Abs 5 BSVG gingen die Vorinstanzen bei Berechnung der Witwerpension auf der Grundlage eines Einheitswerts von 188.900 EUR von einem anzurechnenden Nettoeinkommen aus dem land und forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers von 6.422,35 EUR monatlich aus, sodass sich (unter Einrechnung der vom Kläger bezogenen sonstigen Pensionsleistungen) sein zu berücksichtigendes monatliches Gesamteinkommen mit 12.383,89 EUR errechnete.

2.3 Auch nach Ablehnung der Behandlung seines Parteiantrags auf Normenkontrolle durch den VfGH (G 298/2018 13 vom 26. Februar 2019) behauptet der Kläger weiterhin die Verfassungswidrigkeit des § 140 Abs 5 BSVG. Die verfassungsrechtlichen Bedenken werden dabei auf jene Argumente gestützt, die bereits in dem aus Anlass der Berufung erhobenen Parteiantrag an den Verfassungsgerichtshof vorgebracht wurden. Als neues Argument wird hinzugefügt, dass die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 26. 2. 2019 zitierte Rechtsprechung VfSlg 13.634/1993, 18.093/2007 sowie VfGH 3. 10. 2018, G 189/2018 weder aktuell noch tragfähig und aussagekräftig sei.

2.4 Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits in seiner Entscheidung 10 ObS 392/97p die Anregung eines Versicherten, einen Antrag auf Gesetzesprüfung zu § 140 Abs 5 BSVG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs VfSlg 13.634/1993 als offenbar aussichtslos erachtet (RIS Justiz RS0109054). Das am Einheitswert anknüpfende System der Pauschalanrechnung sei nicht unsachlich, da es eine vertretbare Durchschnittsbetrachtung darstelle und hohen administrativen Aufwand vermeide sowie Umgehungsakte weitgehend ausschalte. Nach der Entscheidung 10 ObS 27/07d SSV NF 21/84 besteht für den Gesetzgeber ein weiter Spielraum, was er als für die Ermittlung der Hinterbliebenenpension relevantes Einkommen bezeichnet. Daher ist es dem Gesetzgeber unbenommen, zB nur Einkommen aus unselbständiger bzw selbständiger Erwerbstätigkeit anzurechnen; nichts anderes kann für die Anrechnung eines aus dem Einheitswert abgeleiteten fiktiven Betriebseinkommens gelten.

Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen dieser Rechtsprechung keine Geltung mehr zukommen sollte.

3. Ist die pauschale Einkommensanrechnung verfassungskonform, ist auch der Einwand des Revisionswerbers, landwirtschaftliches bzw forst-wirtschaftliches Einkommen dürfe ihm im Hinblick darauf nicht angerechnet werden, dass seine Betriebsergebniszahlen langjährig eine völlig andere Realität zeigen, sodass „wissend eine definitiv unrichtige Fiktion aufrechterhalten werde“, nicht zielführend.

4. Die geltend gemachten Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens wurden vom Obersten Gerichtshof geprüft, liegen aber nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

5.1 Das Unionsrecht lässt das soziale Sachrecht der Mitgliedstaaten – jedenfalls grundsätzlich – unberührt. Der Europäischen Union kommt keine allgemeine Rechtssetzungsbefugnis für das sozialrechtliche Sachrecht zu, weshalb sie auch nicht eine Harmonisierung der Sozialleistungssysteme schaffen kann (10 ObS 69/16y SSV NF 30/46 mwN).

5.2 Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass der zu beurteilende Sachverhalt einen Anknüpfungspunkt zum Unionsrecht aufweisen würde. Der Anregung des Klägers, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH mit den Fragen zu richten, ob es „zulässig“ sei, „dass ein Mitgliedstaat bei der Gewährung von Pensionsleistungen auf Einheitswerte abstellt (wenn er weiß, dass diese mit dem konkreten Betriebsergebnis im eklatanten Widerspruch stehen)“, wird daher nicht nachgekommen.