JudikaturJustiz10ObS308/98m

10ObS308/98m – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Anton Degen (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermine P*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Mai 1998, GZ 8 Rs 59/98z-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15. Oktober 1997, GZ 7 Cgs 77/97w-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 15. 9. 1923 geborene Klägerin bezieht nach ihrem verstorbenen Gatten seit Juni 1975 von der beklagten Partei eine Witwenpension. Mit Schenkungsvertrag vom 1. 12. 1966 erhielt sie von ihren Eltern die Liegenschaft EZ 728 Grundbuch KG F***** mit den Grundstücken Nr 959 und 960 je Acker im Ausmaß von zusammen knapp mehr als zwei Hektar. Das Recht des Fruchtgenusses auf dieser Liegenschaft hatte zunächst für die Dauer von fünf Jahren ihr Bruder. Anschließend (ab 1972) verpachtete die Klägerin diese Äcker an ihren Bruder. 1979 verkaufte sie die Grundstücke um S 200.000,-- an eine dritte Person. Die Klägerin befand sich damals in Geldschwierigkeiten und benützte den erzielten Kauferlös für die Sanierung ihres Wohnhauses (insbesondere die Ölzentralheizung). Der Einheitswert für die zunächst verpachtete, dann verkaufte Liegenschaft betrug laut Einheitswertbescheid vom 31. 1. 1972 mit Wirksamkeit ab 1. 1. 1971 S 34.000,--. Die Klägerin hat die bezeichneten Liegenschaften nie selbst bewirtschaftet.

Mit Bescheid vom 21. 1. 1997 wurde der Antrag der Klägerin vom 2. 1. 1997 auf Gewährung der Ausgleichszulage zu ihrer Pension abgelehnt.

Mit ihrer Klage stellte sie das Begehren auf Zuerkennung der Ausgleichszulage ab Antragstellung im gesetzlichen Ausmaß.

Das Erstgericht wies dieses Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß die beklagte Partei zurecht in Anwendung der Bestimmung des § 292 Abs 8 ASVG in ihrem Bescheid ein fiktives Einkommen aus übergebener Landwirtschaft angenommen und der Ausgleichszulagenberechnung zugrundegelgt habe. Da der Richtsatz von S 7.887,-- monatlich durch die Summe aus Witwenpension von S 6.713,50 und zurecht angerechnetem Einkommen aus übergebenem Grundbesitz in Höhe von S 1.891,--, zusammen sohin S 8.604,50, überschritten werde, bleibe für die Zuerkennung einer Ausgleichszulage kein Raum.

Das Berufungsgericht gab der hiegegen ausschließlich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin ab 1. 1. 1997 eine Ausgleichszulage von S 1.173,50 monatlich zu bezahlen. Abweichend vom Erstgericht beurteilte es den (unbekämpft gebliebenen) Sachverhalt dahin, daß § 292 Abs 8 ASVG als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen sei. Dies führe zum Ergebnis, daß diese Bestimmung nur dann zur Anwendung kommen könne, wenn der Pensionist den landwirtschaftlichen Betrieb - innerhalb des Beobachtungszeitraumes von 10 Jahren (nach der Rechtslage zum Stichtag 1. 6. 1975: 15 Jahre) - selbst bewirtschaftet habe. Im vorliegenden Fall sei die der Klägerin geschenkte Liegenschaft von Anfang an mit einem Fruchtgenußrecht ihres Bruders belastet gewesen; auch nach Ablauf der Fruchtgenußberechtigung habe dieser Bruder die Liegenschaften allein weiter bewirtschaftet, bis sie 1979 verkauft worden seien. Die Klägerin sei daher gar nicht in der Lage gewesen, die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes aufzugeben oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung zu überlassen, weil sie ja selbst eine solche Bewirtschaftung niemals vorgenommen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig und auch berechtigt.

Maßgebliche Norm ist § 292 Abs 8 ASVG. Danach (erster und zweiter Satz) ist bei Ermittlung des (ausgeichszulagenrelevanten) Einkommens des bisherigen Eigentümers (Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen vom Einheitswert der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung überlassenen land(forst)wirtschaftlichen Flächen auszugehen, wenn die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen wurde, sofern die Übergabe (Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als 10 Jahre gerechnet vom Stichtag, zurückliegt; bei einer solchen Übergabe vor dem Stichtag ist von dem durchschnittlichen Einheitswert, in allen übrigen Fällen von dem auf die übergebenen Flächen entfallenden Einheitswert im Zeitpunkt der Übergabe auszugehen. Der Verfassungsgerichtshof hat Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung - wie sie auch in der Entscheidung des Berufungsgerichtes anklingen - dahin, daß hiedurch eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, nämlich Bauern, anders als alle anderen Pensionisten gezwungen würden, ihr Vermögen fruchtbringend zu verwerten, verworfen (VfSlg 13.634); der Oberste Gerichtshof hat seither in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung zu haben (SSV-NF 8/16, 10 ObS 2368/96z, 10 ObS 392/97p). Zutreffend verweist nun die Revisionswerberin darauf, daß entgegen den Annahmen des Berufungsgerichtes die Klägerin zwar nie selbst (persönlich) eine Bewirtschaftung der ihr mit Schenkungsvertrag der Eltern zugekommenen Liegenschaften (Äcker) durchführte, sie diese jedoch sehr wohl (nach Ablauf des Fruchtgenußrechtes durch ihren Bruder) verpachtete (SSV-NF 10/80; ohne daß es hiebei einen Unterschied macht, ob diese an eine fremde Person oder - wie hier - abermals an den Bruder erfolgte) und später überhaupt veräußerte. Nach den sehr ausführlich formulierten Vorstellungen des Gesetzgebers (RV 404 BlgNR 13. GP, 110 ff zu 29. Novelle zum ASVG) kommt es freilich gar nicht entscheidend darauf an, ob ein solcher Betrieb tatsächlich selbst bewirtschaftet wurde, sondern hat die Pauschalanrechnung ihre Grundlage vielmehr darin, daß im landwirtschaftlichen Bereich "die Gepflogenheit weit verbreitet ist, daß der Übergeber eines Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhält", also die Übergabe gegen Zusicherung eines solchen ausbedungenen Ausgedinges erfolgt, mit dem dann die Kosten des Lebensunterhalts (zumindest teilweise) gedeckt werden können. Die Pauschalanrechnung (Hinzurechnung des Pauschalbetrages) nach dieser Gesetzesstelle hat demnach "ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang solche Leistungen im Einzelfall tatsächlich empfangen werden", und ohne daß es auch auf die (oftmals "faktisch unmöglich" zu ermittelnden) Motive - etwa für eine gänzliche Verpachtung ohne selbständige Eigenbewirtschaftung - ankommt (RV aaO 111), zu erfolgen, wobei es "im Wesen einer solchen Pauschalierung begründet ist, daß in Einzelfällen Härten auftreten können, die als ungerecht empfunden werden" (RV aaO 112). Dafür, daß diese Pauschalanrechnung nur dann stattzufinden habe, wenn zuvor eine Pflichtversicherung nach dem BSVG vorlag, finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Schließlich hat der Senat bereits in der Entscheidung SSV-NF 4/44, der ein durchaus vergleichbarer Sachverhalt (zunächst Bewirtschaftung durch den Bruder der Eigentümerin, später Veräußerung der gesamten Liegenschaft) zugrundelag, ausdrücklich ausgesprochen, daß es keinen (für § 292 Abs 8 ASVG maßgeblichen) Unterschied mache, ob die Liegenschaft in den letzten zehn Jahren (vor dem Stichtag, am Stichtag oder nach dem Stichtag) nicht oder überhaupt nie selbständig bewirtschaftet wurde; entscheidend ist vielmehr, daß innerhalb dieser Zehnjahresfrist Verfügungen über die Liegenschaft getroffen wurden (vorerst Verpachtung, dann Verkauf), bei denen jeweils die grundsätzliche Möglichkeit bestanden hätte, Ausgedingeleistungen zu vereinbaren (RV aaO). Daß dem zwingende, der Einflußnahme der Ausgleichszulagenwerberin entzogene Gründe (im Sinne des § 292 Abs 9 ASVG) entgegengestanden wären, hat die Klägerin nicht einmal stichhaltig behauptet. Ein solcher freihändiger Verkauf (wozu hier aber auch noch die vormalige Verwertung bis zu diesem Datum durch Verpachtung kommt) vermag jedoch nach der Rechtsprechung des Senates ohne derartige zwingende Gründe (Härteklausel) die Voraussetzungen für die Begünstigung der genannten Gesetzesstelle nicht zu erfüllen (SSV-NF 8/117; 10 ObS 2149/96v). Da für die betroffenen Liegenschaften auch (unstrittig) ein Einheitswert festgestellt wurde, handelt es sich hiebei um einen vom Gesetz umfaßten landwirtschaftlichen Betrieb (Gründler, Die Pension**2, 227; 10 ObS 392/97p).

Daraus folgt aber - zusammenfassend - daß die Anspruchsvoraussetzungen bei der Klägerin für eine Ausgleichszulage - ausgehend von den vom Erstgericht hiezu festgestellten und bereits im Berufungsverfahren unstrittig gebliebenen Zahlen - nicht vorliegen.

Soweit in der Revision (abschließend) ein Verfahrensmangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens (allenfalls) darin erblickt wird, daß das Berufungsgericht in nichtöffentlicher Sitzung anstatt nach amtswegiger Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung entschieden hat, ist dieser Rechtsmittelgrund nicht erfüllt (§ 510 Abs 3 3. Satz ZPO).

Der Revision war damit Folge zu geben und das klageabweisliche Ersturteil wieder herzustellen.

Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil sich die Klägerin mangels Erstattung einer Revisionsbeantwortung am Revisionsverfahren nicht beteiligte und ihr Kosten daher nicht erwachsen sind.

Rechtssätze
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