JudikaturJustiz10ObS279/88

10ObS279/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Robert Renner (Arbeitgeber) und Dipl.-Ing. Herbert Ehrlich (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hata S***, Hausfrau, YU-73245 Prelovo, Mala Gostilja, vertreten durch Dr. Günter Langhammer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A*** (Landesstelle Wien),

1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 1988, GZ 31 Rs 100/88-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. August 1987, GZ 18 Cgs 1131/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 13. Februar 1987 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Ibro S***, des am 24. Februar 1986 verstorbenen Ehegatten der nach § 408 ASVG fortsetzungsberechtigten Klägerin, vom 23. Mai 1985 auf Invaliditätspension wegen Nichterfüllung der Wartezeit ab.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Klage, in der die Klägerin unter anderem behauptet, ihr Ehegatte habe vom 1. August 1983 bis 30. September 1985 die freiwillige Versicherung bei der S*** P*** Filiale Sarajevo, Geschäftsstelle Visegrad eingezahlt. Sie begehrte deshalb erkennbar die von der beklagten Partei abgelehnte Leistung.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete im wesentlichen ein, Ibro S*** habe vom 10. August 1948 bis 5. Dezember 1962 74 jugoslawische, vom 3. Juli 1967 bis 11. April 1969 20 österreichische und vom 24. Mai 1969 bis 13. Mai 1980 89 deutsche, insgesamt 183 Versicherungsmonate erworben. Die vom 1. August 1983 bis 30. September 1985 erworbenen weiteren Versicherungsmonate könnten nicht berücksichtigt werden, weil es sich dabei laut Mitteilung des zuständigen jugoslawischen Versicherungsträgers um in der freiwilligen Versicherung der Landwirte erworbene Versicherungszeiten handle.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es stellte im wesentlichen fest: Die Klägerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, war mit dem am 5. Mai 1930 geborenen, am 24. Februar 1986 verstorbenen Ibro S***, der am 23. Mai 1985 eine Invaliditätspension beantragt hatte, verheiratet. Ibro S*** erwarb (als unselbständig Erwerbstätiger) in Österreich vom 3. Juli 1967 bis 1. März 1968, 8. April bis 30. November 1968 und 3. Februar bis 11. April 1969 20 Versicherungsmonate, in der Bundesrepublik Deutschland vom 24. Mai 1969 bis 22. November 1974, 20. Jänner bis 21. Juni 1975 und 23. Juni 1975 bis 13. Mai 1980 89 Versicherungsmonate und in Jugoslawien vom 10. August 1948 bis 14. Juni 1961 sowie vom 26. Juli bis 5. Dezember 1982 74 Versicherungsmonate, insgesamt also 183 Versicherungsmonate. Darüber hinaus erwarb er vom 1. August 1983 bis 30. September 1985 in Jugoslawien in der freiwilligen Versicherung der Landwirte 26 Versicherungsmonate.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes seien die letztgenannten Versicherungszeiten vom im folgenden nur mit Abk abgekürzten Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 19. November 1965 BGBl. 1966/289 nicht umfaßt und daher weder auf die Wartezeit noch - im Fall der nach Art. IV Abs. 4 der 40. ASVGNov. 1984/484 erforderlichen Prüfung, ob der Versicherte nach den am 31. Dezember 1984 in Geltung gestandenen Bestimmungen über die allgemeinen Voraussetzungen Anspruch auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw des Alters gehabt hätte - auf die Dritteldeckung anrechenbar, so daß die allgemeine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt sei. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung durch Nichtberücksichtigung der in Jugoslawien in der freiwilligen Versicherung der Landwirte erworbenen Versicherungsmonate erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Das Abk beziehe sich nicht auf die vom Kläger (richtig Ehegatten der Klägerin) als Landwirt (= Bauer) in der ab 1. Jänner 1980 geltenden Bauerninvaliden- oder Altersversicherung erworbenen Versicherungszeiten.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs. 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Nach Art. 2 Abs. 1 des Abk bezieht sich dieses in Österreich auf die Rechtsvorschriften über die Pensionsversicherung der Arbeiter, die Pensionsversicherung der Angestellten und die knappschaftliche Pensionsversicherung (Z 1 lit. b), also nur auf die Pensionsversicherung unselbständig Erwerbstätiger, in Jugoslawien auf die Rechtsvorschriften über die Pensionsversicherung (Alters- und Hinterbliebenenversicherung) (Z 2 lit. b) und die Invalidenversicherung einschließlich der Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (Z 2 lit. c). Nach Abs. 2 des zitierten Artikels bezieht sich das Abkommen, soweit die Absätze 3 und 4 nichts anderes bestimmen, auch auf alle Rechtsvorschriften, welche die in Abs. 1 bezeichneten Rechtsvorschriften zusammenfassen, ändern oder ergänzen. Nach Abs. 3 des zitierten Artikels bezieht sich das Abkommen auch auf Rechtsvorschriften über ein neues System oder einen neuen Zweig der Sozialversicherung sowie auf Rechtsvorschriften, die das bestehende Recht auf neue Personengruppen ausdehnen, wenn die Vertragsstaaten dies vereinbaren. Nach Abs. 4 dieses Artikels findet dieses Abk auf die Änderungen der in Abs. 1 bezeichneten Rechtsvorschriften, die sich aus zwischenstaatlichen Abkommen im Bereiche der Sozialen Sicherheit ergeben, nur Anwendung, wenn beide Vertragsstaaten dies vereinbaren. Der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 Z 2 lit. b und c, der keine Einschränkungen enthält, steht daher der Anwendung des Abk auf alle jugoslawischen Zweige der Pensionsversicherung nicht entgegen. Art. VI Abs. 17 der 32. ASVGNov. BGBl. 1976/704, wonach die Bestimmungen des § 251a Abs. 7 Z 1 ASVG idF dieser Novelle gegenüber einem Staate, mit dem ein Abkommen über Soziale Sicherheit ohne Einschluß des GSPVG und des B-PVG besteht (worunter auch Jugoslawien fällt), nicht anzuwenden ist, zeigt, daß es im innerstaatlichen Rechtsbereich einer positiv-gesetzlichen Regelung bedurfte, um eine Berücksichtigung solcher Zeiten im zwischenstaatlichen Bereich durch ausländische Sozialversicherungsträger auszuschließen. Wie in Jugoslawien erworbene Zeiten dieser Art in Österreich zu behandeln sind, ergibt sich daraus aber nicht.

Wie sich aus Art. 2 Abs. 3 ergibt, sollte das Abk aber nur die Versicherungszweige und die Gruppen von Versicherten erfassen, die bei seinem Zustandekommen bereits bestanden bzw schon damals in die Versicherung einbezogen waren.

Im vorliegenden Fall ist daher entscheidungswesentlich, ob der Versicherungszweig, in dem der Ehegatte der Klägerin seine Versicherungszeiten in Jugoslawien erworben hat, zur Zeit des Zustandekommens des Abk bereits bestand. Wenn dies der Fall wäre, dann böte Art. 2 Abs. 1 Z 2 lit. b und c des Abk die Grundlage, die in Jugoslawien erworbenen Versicherungszeiten auch in Österreich zu berücksichtigen (so auch 9. Februar 1988 10 Ob S 159/87). Die in Jugoslawien und in Bosnien und Hercegowina für Landwirte geltenden Rechtsvorschriften über die Pensions- und Invalidenversicherung sind dem erkennenden Senat nach der zit Entscheidung bekannt geworden (§ 271 ZPO).

Zum Zweck der Vereinheitlichung der Rechtsgrundlage und zur materiellen und sozialen Absicherung eines möglichst großen Personenkreises wurde durch Verfassungsbestimmung festgelegt, daß die Grundlagen der Pensions- und Invalidenversicherung auf Bundesebene geregelt werden.

In Ausführung dessen wurde das seit 1. Juli 1983 anzuwendende Bundesgesetz über die Grundrechte aus der Pensions- und Invalidenversicherung erlassen, in dem auch die Frage der obligatorischen Pensions- und Invalidenversicherung der selbständig Erwerbstätigen einschließlich der "assoziierten" Landwirte geregelt wurde. Nur die Versicherung der selbständigen Landwirte blieb weiterhin Angelegenheit der Republiken und autonomen Gebiete. Bis zu diesem Bundesgesetz war die Pensions- und Invalidenversicherung für alle Landwirte ausschließlich durch Gesetze der Republiken und autonomen Gebiete geregelt.

Nach Inkrafttreten des erwähnten Bundesgesetzes haben alle Republiken und autonomen Gebiete Jugoslawiens Ausführungsgesetze betreffend die Pensions- und Invalidenversicherung für die "assoziierten" Landwirte und Vorschriften für die anderen Landwirte erlassen.

In der für Ibro S*** zuständigen Republik Bosnien und Hercegowina ist die Pensions- und Invalidenversicherung für "assoziierte" Landwirte seit 1979 obligatorisch und für die anderen Landwirte seit 1983 freiwillig.

Der Versicherungszweig, in dem Ibro S*** ab 1. August 1983 weitere jugoslawische Versicherungsmonate erworben hat, nämlich die freiwillige Pensions- und Invalidenversicherung für die selbständigen Landwirte, besteht in der maßgeblichen Teilrepublik Bosnien und Hercegowina also erst seit 1983 und hat daher zur Zeit des Zustandekommens des Abk noch nicht bestanden. Im letztgenannten Zeitpunkt hat auch in keiner anderen Teilrepublik und in keinem autonomen Gebiet Jugoslawiens für "assoziierte" oder andere Landwirte eine Pensions- oder Invalidenversicherung bestanden. Das angefochtene Urteil war daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs. 3 und § 54 Abs. 1 ZPO (keine Verzeichnung der Kosten in der Rechtsmittelschrift).