JudikaturJustiz10ObS168/12x

10ObS168/12x – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Arnold Arnold Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Tiroler Gebietskrankenkasse, 6020 Innsbruck, Klara Pölt Weg 2, vertreten durch Ullmann Geiler und Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Kostenübernahme, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Juli 2012, GZ 25 Rs 71/12w 80, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. März 2012, GZ 48 Cgs 360/10t 73, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, die Kosten für die Anschaffung einer C Leg Kniegelenksprothese durch die Klägerin im satzungsmäßigen Umfang (§ 40 der Satzung 2011 der beklagten Partei) zu übernehmen.

Das darüber hinausgehende Mehrbegehren der Klägerin wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der Klägerin zu Handen ihrer Vertreter die mit 2.300,93 EUR (darin enthalten 383,49 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz und die mit 544,13 EUR (darin enthalten 90,69 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Beide Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 10. 9. 1954 geborene Klägerin wurde im Jahr 1972 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt, wobei sie ihr rechtes Bein verlor. Sie trägt seither eine Oberschenkelprothese, die im Laufe der Jahre immer wieder ausgewechselt wurde.

Die Klägerin ist seit 1972 als Vollzeitarbeitskraft im Bauamt einer Tiroler Gemeinde tätig, wobei sie ca 70 % ihrer Arbeit im Sitzen, ca 30 % abwechselnd im Stehen und Gehen verrichtet. Ungefähr 5 % ihrer Arbeitszeit entfallen auf Bauverhandlungen im Außendienst bzw Botengänge zwischen verschiedenen Behörden. Das Bauamt ist in einem dreistöckigen Gebäude ohne Lift untergebracht. Im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit ist die Klägerin gezwungen, mehrmals täglich zum Teil mit schweren Aktenordnern zwischen den einzelnen Stockwerken auf und abzugehen. Die Klägerin ist in den Arbeitsprozess nach wie vor voll integriert und möchte dies bis zur ihrer Pensionierung auch bleiben. Sie ist eine begeisterte Sportlerin, fährt Rad und auch Schi.

Bei der Klägerin liegt ein auf den Verkehrsunfall im Jahr 1972 zurückzuführender Zustand mit Amputation im Bereich des rechten Oberschenkels sowie plastischer Deckung mit verminderter muskulärer Funktion im Bereich der linken Wade vor. Der rechte Oberschenkel ist beim Übergang des mittleren zum körperfernen Drittel mit eher überschießenden Weichteilen und typischer fischmaulartiger blander Narbe, die über die Kuppe verläuft, amputiert. Im lateralen Anteil wird die Narbe von einer rötlich verfärbten Veränderung gekreuzt, die offensichtlich von der derzeit verwendeten Prothese stammt. Die Lendenwirbelsäule der Klägerin zeigt bereits deutliche degenerative Veränderungen. Sie weist auch einen Rundrücken mit degenerativen Veränderungen der Brustwirbelsäule und wenn auch mäßig gradige degenerative Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule bei klinisch geringgradig ausgeprägter Symptomatik auf.

Die Klägerin wurde seit dem Unfall sukzessive mit mehreren mechanische Kniegelenke aufweisenden Prothesen versorgt, weil diese Prothesen nach einiger Zeit, meistens im Abstand von fünf bis sieben Jahren, entsprechende Verschleißerscheinungen zeigten. Zuletzt erhielt sie im Jahr 2010 eine solche mechanische Prothese, wofür die beklagte Partei einen Betrag von 7.401,43 EUR aufwendete. Bei diesen sogenannten „herkömmlichen“ Prothesen handelt es sich um mechanische Kniegelenke, die im Ausmaß und in der Belastbarkeit der Beugung nicht gesteuert werden können, wodurch das Abwärtsgehen, aber auch das Gehen in der Ebene für die Klägerin schwierig ist, weil es mit deutlich mehr Ausweichbewegungen im Bereich der ohnehin schon geschädigten Lendenwirbelsäule verbunden ist. Die derzeitige Prothese der Klägerin wird zu einer weiteren Verschlechterung der Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin führen. Die C Leg Prothese weist hingegen ein elektronisch gesteuertes prothetisches Kniegelenk auf, mit dem sowohl die Schwungphase des Kniegelenks als auch dessen Bewegungsumfang je nach Bewegungsablauf und Bedarf gesteuert werden können und die Belastung des Kniegelenks miteinbezogen wird. Eine herkömmliche (mechanische) Prothese ist hingegen nicht belastbar.

Die C Leg Prothese ist aus orthopädischer Sicht geeignet, das Gangbild der Klägerin deutlich zu verbessern und ihre bereits deutlich vorgeschädigte Wirbelsäule zu schonen. So könnte durch eine entsprechende Gangschulung mit der C Leg Prothese das Gangbild der Klägerin bereits in zwei bis drei Wochen deutlich verbessert werden. Mit einer C Leg Prothese könnte eine höhere Geschwindigkeit in der Ebene (bis fünf Stundenkilometer) erreicht und eine größere Neigung (bis 18 %) problemlos bewältigt werden und der maximale Knieflexionswinkel sowohl an der Prothese als auch auf der gesunden Seite verbessert werden. Die Klägerin ist als uneingeschränkte Außenbereichsgeherin mit hohen Ansprüchen zu beurteilen, wobei mit der C Leg Prothese eine höhere Leistungsfähigkeit bei physiologischerem Gangbild erreicht werden kann. Die Klägerin geht unter Zuhilfenahme dieser Prothese frei und entspricht ihr Gangtempo der Norm.

Durch den Einsatz der C Leg Prothese würde die Lebensqualität der sportlichen und nach wie vor voll berufstätigen Klägerin weitgehend verbessert, die bereits vorgeschädigte Brust und Lendenwirbelsäule entlastet und das Auftreten weiterer gesundheitlicher Schäden vor allem im Bereich der Wirbelsäule hintangehalten und die bei der Verwendung der mechanischen Prothese bestehende erhöhte Sturzgefahr verringert.

Die Kosten für eine C Leg Prothese betragen derzeit ca 32.000 EUR. Diese Prothese ist in Abständen von zwei bis drei Jahren auch einer Wartung zu unterziehen, wodurch weitere Kosten in Höhe von etwa 2.500 EUR bis 3.000 EUR anfallen. Eine Möglichkeit, die Klägerin mit einer anderen gleichwertigen Konstruktion kostengünstiger zu versorgen, besteht aus orthopädischer Sicht nicht.

Nachdem die Pensionsversicherungsanstalt eine von der Klägerin beantragte Kostenübernahme für eine C Leg Prothese mit Schreiben vom 28. 4. 2006 abgelehnt hatte, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 4. 7. 2007 auch bei der beklagten Tiroler Gebietskrankenkasse die Übernahme der Kosten einer C Leg Prothese bzw für den Fall der Ablehnung die Ausstellung eines diesbezüglichen Bescheids. Die Erlassung eines Bescheids wurde von der beklagten Partei mit Schreiben vom 1. 10. sowie 29. 10. 2007 abgelehnt.

Mit der am 28. 4. 2009 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin, die beklagte Partei zur Übernahme der Kosten einer C Leg Kniegelenksprothese zu verpflichten. Sie brachte insbesondere vor, dass sie die Kostenübernahme für eine solche Prothese beim Versicherungsträger ab dem Jahr 2007 mehrmals beantragt, von der beklagten Partei jedoch die Mitteilung erhalten habe, dass die Ausstellung eines Bescheids nicht in Betracht komme, solange die Versicherte die gewünschte Prothese nicht selbst anschaffe, also vorfinanziere, und die Rechnung bei der beklagten Partei einreiche. Die Klägerin sei somit zur vorliegenden Klagsführung verhalten, zumal sie wirtschaftlich nicht im Stande sei, für die 30.000 EUR übersteigenden Kosten der gewünschten Prothese selbst aufzukommen. Ferner habe die beklagte Partei in ihrem Schreiben erklärt, dass die Versicherte mit der ihr von der beklagten Partei finanzierten mechanischen Prothese hinreichend versorgt sei und aus medizinischer Sicht keine berufliche oder sonstige Notwendigkeit für die Anschaffung einer elektronischen C Leg Prothese bestehe. Dieser Standpunkt sei unrichtig, weil die Anschaffung und Verwendung einer C Leg Prothese im Fall der Klägerin medizinisch indiziert und geeignet sei, ihr Gangbild erheblich zu verbessern, das Abwärtsgehen und Treppensteigen zu erleichtern und die durch den Einsatz der mechanischen Prothese bereits aufgetretenen massiven degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule zu lindern bzw die ansonsten vorprogrammierte Verschlimmerung dieser Leiden hintanzuhalten. Mit der Anschaffung bzw Finanzierung einer C Leg Prothese werde das Maß des medizinisch und wirtschaftlich Notwendigen nicht überschritten.

Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung der Klage mit der Begründung, eine Klage in Sozialrechtssachen sei nur aufgrund eines hier nicht vorliegenden Bescheids oder dann zulässig, wenn der Versicherungsträger nicht binnen sechs Monaten über einen Antrag bescheidmäßig entschieden habe. Die Klägerin habe diese Sechsmonatsfrist nicht abgewartet. Im Übrigen seien Leistungsklagen in Kostenerstattungssachen nur möglich, wenn die Versicherte den Kostenaufwand selbst vorfinanziere und die Erstattung des ihr bereits angefallenen Rechnungsbetrags begehre. Auch diese Voraussetzungen erfülle die vorliegende Klage nicht. Mit Klagszurückweisung sei aber auch deshalb vorzugehen, weil die gewünschte Prothese als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation schon im Grundsätzlichen nicht von der beklagten Partei, sondern von der Pensionsversicherungsanstalt zu finanzieren sei, was der Klägerin bereits mit Schreiben vom 1. 4. 2009 zur Kenntnis gebracht worden sei.

Hilfsweise beantragte die beklagte Partei die Abweisung des Klagebegehrens, weil die als aktive Geherin einzustufende Klägerin durch immer wieder ausgetauschte mechanische Prothesen ausreichend versorgt sei. Mit einer C Leg Prothese würde das Maß des Notwendigen iSd § 133 Abs 2 ASVG jedenfalls überschritten. Da die der Klägerin zuletzt im Jahr 2010 zur Verfügung gestellte herkömmliche (mechanische) Prothese 7.401,43 EUR gekostet habe, der finanzielle Aufwand für eine C Leg Prothese aber ein Vielfaches davon betrage und mit der Anschaffung einer solchen Prothese in zweijährigen Abständen noch zusätzliche Wartungskosten von 2.500 EUR bis 3.000 EUR verbunden seien, falle die zwischen den Interessen der Klägerin und der Versichertengemeinschaft anzustellende Interessenabwägung zu Lasten der Klägerin aus.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, die Kosten für eine C Leg Kniegelenksprothese zu übernehmen. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen die Ansicht, die Klage sei zulässig, weil dem eine Kostenübernahme ablehnenden Schreiben der beklagten Partei inhaltlich Bescheidqualität zukomme. Auch wenn die von der Klägerin begehrte C Leg Prothese ungefähr vier Mal so teuer sei wie eine herkömmliche mechanische Prothese, sei der Einsatz dieser Prothese im konkreten Fall notwendig und zweckmäßig, weil hiermit die Gangleistung der Klägerin deutlich verbessert, eine weitere Schädigung ihrer Wirbelsäule und die mit der herkömmlichen Prothese verbundene Sturzgefahr hintangehalten werden könne und die Klägerin in die Lage versetzt werde, den bisherigen Beruf bis zur Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters auszuüben und weiterhin ein aktives und ausgewogenes Berufs und Privatleben zu führen. Aufgrund dieser spezifischen Gegebenheiten trete das Kostenargument in den Hintergrund und es sei von einer Kostenübernahmeverpflichtung der beklagten Partei auszugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es feststellte, dass der Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme für die Anschaffung einer C Leg Kniegelenksprothese durch die beklagte Partei nach Maßgabe der Satzung zu Recht bestehe. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen die Auffassung, die vorliegende Klage stelle eine zulässige Säumnisklage iSd § 67 Abs 1 Z 2 ASGG dar. Da der Erstantrag der Klägerin auf Kostenerstattung und Bescheiderlassung für den Fall der Ablehnung bereits aus dem Jahr 2007 stamme, sei die vorliegende, am 28. 4. 2009 eingebrachte Säumnisklage auch nicht „verfrüht“.

Was den Einwand der Unzuständigkeit der beklagten Partei für jene Maßnahme, hinsichtlich derer die Klägerin Kostenerstattung begehre, betreffe, sei der beklagten Partei darin beizupflichten, dass das Erstgericht eine auch die Zuständigkeitsfrage klärende rechtliche Zuordnung der von der Klägerin angestrebten Maßnahme zu den hiefür gemäß dem ASVG in Betracht kommenden, eine Kostenerstattung rechtfertigenden Leistungen unterlassen habe, eine solche Zuordnung aber zwingend notwendig sei, um den Klagsanspruch dem Grunde nach beurteilen zu können. Eine Qualifikation der C Leg Prothese als eine Maßnahme der Krankenbehandlung bildenden Heilbehelf iSd § 137 ASVG scheide aus, weil die Heilbehandlung der Klägerin nach ihrer Oberschenkelamputation im Jahr 1972 längst abgeschlossen sei und auch das Vorliegen einer akuten aktuellen aus der Amputationsverletzung an sich resultierenden Folgeerkrankung von den Parteien nicht behauptet werde. Von den Heilbehelfen zu unterscheiden seien die sogenannten „Hilfsmittel“, welche sowohl im Rahmen des § 154 ASVG als Hilfe bei körperlichen Gebrechen als auch gemäß § 154a ASVG als medizinische Maßnahmen der Rehabilitation in der Krankenversicherung vorgesehen und nach gefestigter Rechtsprechung als nach Abschluss des Heilungsprozesses zum Einsatz kommende Behelfe definiert seien. Da die medizinische Rehabilitation „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ zur Sicherung ihres Erfolgs oder zur Folgenerleichterung gewährt werde, stelle die 40 Jahre nach der Amputationsverletzung ohne Anknüpfung an eine verletzungsbedingte Heilbehandlung von der Klägerin angestrebte prothetische Versorgung auch keine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation iSd § 154a ASVG dar. Die von der Klägerin begehrte C Leg Prothese sei daher als Hilfsmittel iSd § 154 ASVG zu qualifizieren und falle somit in den Zuständigkeitsbereich des beklagten Krankenversicherungsträgers.

Bei der materiellen Prüfung des Anspruchs auf Übernahme der Kosten eines Heilmittels wie im vorliegenden Fall einer C Leg Prothese seien die allgemeinen krankenversicherungsrechtlichen Grundsätze des § 133 Abs 2 ASVG zu berücksichtigen, wonach die Leistung des Krankenversicherungsträgers ausreichend und zweckmäßig sein müsse, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfe. Auch unter Berücksichtigung dieser Kriterien und der dazu ergangenen Rechtsprechung sei eine Kostenübernahmepflicht der beklagten Partei aufgrund der festgestellten Umstände zu bejahen.

Der beklagten Partei sei aber darin beizupflichten, dass sowohl das die Kostenerstattungspflicht betreffende Leistungsbegehren der Klägerin als auch der im Sinne einer Leistungsverpflichtung formulierte Urteilsspruch des Erstgerichts verfehlt seien. Nach ständiger Rechtsprechung sei nämlich eine Leistungsklage auf Kostenerstattung nur für die Vergangenheit zulässig, was voraussetze, dass die Versicherte das Hilfsmittel bis (spätestens) Schluss der Verhandlung erster Instanz bereits selbst angeschafft und die diesbezüglichen Kosten bereits selbst aufgewendet haben müsse. Sei das Hilfsmittel von der Versicherten wie hier aber noch nicht bezogen und bezahlt worden, komme eine Leistungsklage nicht in Betracht und es sei vielmehr nur eine auf den Grund des Anspruchs beschränkte Feststellungsklage möglich. Dazu komme, dass für notwendige Hilfsmittel nach § 154 ASVG (im Gegensatz zu den § 154a ASVG unterfallenden Hilfsmitteln) nur satzungsgemäße Zuschüsse zu den Anschaffungskosten gewährt werden müssten und die Zuschüsse für Körperersatzstücke wie Prothesen gemäß § 40 Abs 1 Z 3 der Satzung der beklagten Partei in maßgeblicher Fassung maximal das Dreifache der Höchstbeitragsgrundlage betragen könnten. Es sei daher das Ersturteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Urteilsspruch auf die Feststellung zu lauten habe, dass der Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung für die Anschaffung einer C Leg Kniegelenksprothese nach Maßgabe der Satzung der beklagten Partei zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich bei seiner Einzelfallentscheidung auf klare Rechtsgrundlagen und eine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur stützen konnte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen Nichtigkeit des Berufungsurteils, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem primären Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird von der Klägerin ein weiterer Abänderungs und ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zwar zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

1. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nur vor, wenn die Fassung des Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, wenn das Urteil mit sich selbst in Widerspruch ist oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. In den Revisionsausführungen der Klägerin wird keiner der drei genannten Tatbestände dieser Gesetzesstelle (vgl dazu E. Kodek in Rechberger , ZPO³ § 477 Rz 12 mwN), sondern bloß eine angebliche nicht ausreichende Bestimmtheit des Urteilsspruchs releviert. Dazu wird bei der Behandlung der Rechtsrüge der Klägerin Stellung genommen werden.

2. Auch die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO liegt, wie der erkennende Senat geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

3. In ihrer Rechtsrüge macht die Klägerin geltend, die C Leg Prothese diene nach den Feststellungen zur Verhinderung einer weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustands und sei daher als eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation iSd § 154a ASVG im Anschluss an eine Krankenbehandlung anzusehen. Unter dem für das Vorliegen einer medizinischen Maßnahme der Rehabilitation in der Krankenversicherung geforderten Tatbestandsmerkmal, dass diese Maßnahme „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ zu gewähren sei, sei nicht nur der unmittelbare (zeitliche) Anschluss zu verstehen, sondern es genüge vielmehr, dass wie bei der Klägerin grundsätzlich zuvor eine Krankenbehandlung stattgefunden habe und die medizinische Rehabilitation diesen Behandlungserfolg sichern bzw das Leben mit dem regelwidrigen Körperzustand im Sinne der Selbsterhaltungsfähigkeit erleichtern und gewährleisten solle.

3.1 Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass die Krankenversicherungsträger nach § 154a Abs 1 ASVG, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder die Folgen der Krankheit zu erleichtern, „im Anschluss an die Krankenbehandlung“ nach pflichtgemäßem Ermessen und nach Maßgabe des § 133 Abs 2 ASVG medizinische Maßnahmen der Rehabilitation gewähren, und zwar mit dem Ziel, den Gesundheitszustand der Versicherten und ihrer Angehörigen soweit wiederherzustellen, dass sie in der Lage sind, in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen.

3.2 Die medizinische Rehabilitation ist somit im Anschluss an eine Krankenbehandlung zur Sicherung ihres Erfolgs oder zur Folgenerleichterung derart zu gewähren, dass der Versicherte durch Verbesserung seines Gesundheitszustands in die Lage versetzt wird, einen angemessenen Platz in der Gemeinschaft möglichst dauernd und ohne Betreuung und Hilfe einzunehmen. Die zeitliche Aneinanderreihung von Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation wurde für nötig erachtet, um Leistungsvoraussetzungen zu schaffen und ein Unterlaufen der Vorschriften über den Arzneimittel Erstattungskodex, Kostenbeteiligungen und kassenfreien Raum im Kurativbereich zu verhindern. Es muss also die Krankenbehandlung abgeschlossen sein, ehe die medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation beginnen. Andererseits muss aber zwischen der Krankenbehandlung und der Rehabilitation ein entsprechender zeitlicher Konnex bestehen (vgl Binder in Tomandl , SV System 21. ErgLfg 264/47 mwN). Die medizinische Rehabilitation schließt optimalerweise an die akutmedizinische Versorgung an und steht mit dieser im ursächlichen zeitlichen Zusammenhang. Die Gewährung von ärztlicher Hilfe, Heilmittel, Heilbehelf als Rehabilitationsmaßnahme kommt daher nur im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenbehandlung in Betracht (vgl in diesem Sinne auch die Bestimmung des § 154a Abs 2 Z 3 ASVG; Kindermann , Kann die medizinische Rehabilitation eine Pflichtleistung der Krankenversicherung werden?, SozSi 1992, 547 f).

3.3 Das Berufungsgericht ist somit zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Klägerin 40 Jahre nach ihrer Amputationsverletzung ohne Anknüpfung an eine verletzungsbedingte Heilbehandlung angestrebte prothetische Versorgung wegen des fehlenden engen zeitlichen Zusammenhangs keine medizinische Maßnahme der Rehabilitation in der Krankenversicherung nach § 154a ASVG darstellt.

4. Die von der Klägerin begehrte Kostenübernahme für eine C Leg Prothese ist daher als Kostenübernahmebegehren für ein Hilfsmittel iSd § 154 ASVG anzusehen.

4.1 § 154 Abs 1 ASVG bestimmt, dass die Satzung bei Verstümmelungen, Verunstaltungen und körperlichen Gebrechen, welche die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit oder die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, wesentlich beeinträchtigen, Zuschüsse für die Anschaffung der notwendigen Hilfsmittel vorsehen kann. Hilfsmittel sind Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Verstümmelung, Verunstaltung oder einem Gebrechen verbundene körperliche oder psychische Beeinträchtigungen zu mildern oder zu beseitigen.

4.2 Nach dem Wortlaut des § 154 Abs 1 ASVG werden Hilfsmittel nicht im Rahmen bzw als Teil einer Krankenbehandlung iSd ASVG in der Form von Sachleistungen erbracht, sondern es kann unter den in diesem Gesetz umschriebenen Voraussetzungen die Satzung eines Krankenversicherungsträgers Zuschüsse für die Anschaffung der notwendigen Hilfsmittel sowie für deren Instandsetzung vorsehen. Es handelt sich dabei um satzungsmäßige Mehrleistungen iSd § 121 Abs 3 ASVG, also um Pflichtleistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, dessen Durchsetzung auf dem Rechtsweg im Verfahren vor dem Arbeits und Sozialgericht möglich ist (vgl Schober in Sonntag , ASVG³ § 121 Rz 3 ff und 9).

4.3 Für Hilfsmittel, die im Rahmen der Hilfe bei körperlichen Gebrechen gewährt werden, sind daher lediglich satzungsmäßige Zuschüsse vorgesehen. Bei der Festsetzung der Höhe der Zuschüsse gilt die für die Heilbehelfe maßgebende Kostenbeteiligungsregelung des § 137 Abs 2, 4 und 5 ASVG sinngemäß. Es ist daher auch der dort vorgesehene Höchstbetrag anzuwenden. Bei Körperersatzstücken und Krankenfahrstühlen darf sich der durch die Satzung des Versicherungsträgers für den Kostenzuschuss festzusetzende Höchstbetrag allerdings auf das 25 fache der Höchstbeitragsgrundlage (§ 108 Abs 3 ASVG) erhöhen (vgl § 154 Abs 1 ASVG).

4.4 Nach § 40 Abs 1 Z 3 der maßgebenden Satzung 2011 der beklagten Partei leistet die Kasse für die Anschaffung eines notwendigen Hilfsmittels und für dessen Instandsetzung, wenn diese zweckentsprechend und wirtschaftlich ist, einen Zuschuss, wenn die Kosten höher sind als 20 % der Höchstbeitragsgrundlage (§ 108 Abs 3 ASVG). Der Zuschuss beträgt 90 % der Anschaffungskosten, höchstens jedoch 1. bei orthopädischen Maßnahmen ..., 2. bei Anti Varus Schuhen ... und 3. bei allen übrigen Hilfsmitteln das Dreifache der Höchstbeitragsgrundlage (§ 108 Abs 3 ASVG), wobei vom Versicherten/von der Versicherten (Angehörigen) jedenfalls 20 % der Höchstbeitragsgrundlage (§ 108 Abs 3 ASVG) zu tragen sind.

4.5 Das Ausmaß der von der Krankenkasse für Hilfsmittel zu übernehmenden Kosten darf somit die satzungsmäßige Höchstgrenze nicht übersteigen, es sei denn, diese Hilfsmittel werden als Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation gewährt, was hier jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall ist. Für Körperersatzstücke liegt der Höchstbetrag des Zuschusses der beklagten Partei somit nach der eindeutigen Regelung in der Satzung beim Dreifachen der Höchstbeitragsgrundlage nach § 108 Abs 3 ASVG. Es handelt sich dabei um die tägliche Höchstbeitragsgrundlage, die im Jahr 2012 141 EUR beträgt (vgl § 1 Z 2 Kundmachung veränderlicher Werte, BGBl II 2011/398). Die satzungsmäßige Höchstgrenze für den Zuschuss der beklagten Partei für eine C Leg Kniegelenksprothese beträgt somit für das Jahr 2012 423 EUR.

4.6 Der Rechtsansicht der Klägerin, die Regelung des § 40 Abs 1 Z 3 der Satzung der beklagten Partei und somit auch der Urteilsspruch des Berufungsgerichts sei unklar, weil es neben der täglichen auch eine monatliche und jährliche Höchstbeitragsgrundlage gebe, kann nicht gefolgt werden, da in der erwähnten Satzungsregelung ausdrücklich und unmissverständlich auf die in § 108 Abs 3 ASVG für den Kalendertag festgesetzte Höchstbeitragsgrundlage Bezug genommen wird.

5. Schließlich wendet sich die Klägerin in ihren Revisionsausführungen noch gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts über eine notwendige Umformulierung des Klagebegehrens in ein Feststellungsbegehren und vertritt demgegenüber die Ansicht, dass ihr Leistungsbegehren auf Übernahme der Kosten einer C Leg Kniegelenksprothese durch die beklagte Partei zulässig sei, auch wenn sie die diesbezüglichen Kosten des Hilfsmittels noch nicht selbst aufgewendet habe.

5.1 Dazu ist auszuführen, dass aus den Bestimmungen des § 82 ASGG hervorgeht, dass in Sozialrechtssachen die Klage ein unter Bedachtnahme auf die Art des erhobenen Anspruchs hinreichend bestimmtes Begehren zu enthalten hat. Das von einem Versicherten erhobene Klagebegehren ist aber auch dann hinreichend bestimmt, wenn es auf Leistungen „im gesetzlichen Ausmaß“ gerichtet ist. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass das von einem Versicherten erhobene Klagebegehren, wenn es auf Leistung gerichtet ist, einen bestimmten Geldbetrag anführt. Unter diesen Gesichtspunkten ist auch ein Klagebegehren, den beklagten Krankenversicherungsträger schuldig zu erkennen, einen Kostenzuschuss „im gesetzmäßigen und satzungs bzw richtlinienmäßigen Umfang“ zu leisten, nicht zu beanstanden (vgl RIS Justiz RS0085906). Wird ein solches Begehren nur dem Grunde nach bestritten, ist auch nur ein urteilsmäßiger Ausspruch über den Anspruchsgrund erforderlich, weil es hinsichtlich der Höhe des gebührenden Kostenzuschusses gesetzliche, satzungsmäßige oder richtlinienmäßige Bestimmungen gibt. Nur im Falle des Fehlens entsprechender gesetzlich, satzungsmäßig oder richtlinienmäßig festgelegter Kostensätze werden die Höhe dieser Kosten im Urteilsspruch betragsmäßig festzustellen sein (vgl 10 ObS 58/03g, SSV NF 18/32; 10 ObS 361/01p, SSV NF 15/142; 10 ObS 315/00x, SSV NF 15/57 ua). In diesem Sinne wurde in der Rechtsprechung beispielsweise entschieden, dass ein Zuspruch von Kosten für ein bestimmtes Heilmittel oder für eine Lesebrille „im gesetzlichen Ausmaß“ oder von Fahrtkosten „in gesetzlicher Höhe“ nicht in Betracht kommt, weil es über die Höhe der Kosten eines bestimmten Heilmittels oder einer Lesebrille bzw über die Höhe der Fahrtkosten keine entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen gibt (vgl 10 ObS 52/96, SSV NF 10/30; 10 ObS 2363/96i, SSV NF 10/120; RIS Justiz RS0083912).

5.2 Im vorliegenden Fall gibt es jedoch in der Satzung der beklagten Partei eine wie bereits dargelegt eindeutige Bestimmung über die Höhe eines der Klägerin für die Beschaffung einer C Leg Kniegelenksprothese gebührenden Kostenzuschusses. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von dem notwendigerweise auch ziffernmäßig zu präzisierenden Begehren auf Kostentragung für In vitro Fertilisationsversuche, auf Übernahme der Kosten für ein Heilmittel sowie auf Übernahme von Fahrtkosten (vgl Neumayr in ZellKomm² § 82 ASGG Rz 6 mwN). Da somit ein Klagebegehren auf Übernahme der Kosten für ein bestimmtes Heilmittel nicht in Betracht kommt, eine Leistungsklage auf Kostenerstattung für ein bestimmtes Heilmittel aber voraussetzt, dass die Kosten vorher vom Versicherten (oder Anspruchsberechtigten) getragen wurden (Vorfinanzierung), hat der erkennende Senat in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 ObS 21/10a (SSV NF 24/19) für den Fall, dass eine auf Kostenerstattung gerichtete Leistungsklage (noch) nicht in Betracht kommt, weil der Versicherte das ihm vom Arzt verordnete Heilmittel nicht bezogen (und bezahlt) hat, ausgesprochen, dass bei Ablehnung durch den Krankenversicherungsträger eine Feststellungsklage des Versicherten darüber, dass eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers besteht, zulässig sei.

5.3 Im vorliegenden Fall bedarf es jedoch dieser (subsidiären) Feststellungsklage nicht, weil eine Entscheidung über das von der Klägerin erhobene Leistungsbegehren in der Form möglich ist, dass die beklagte Partei gegenüber der Klägerin verpflichtet wird, die Kosten für eine C Leg Kniegelenksprothese im satzungsmäßigen Umfang (§ 40 der Satzung 2011 der beklagten Partei) zu übernehmen. Auch einer solchen rechtskräftigen Entscheidung kommt bei unveränderter Sach und Rechtslage Bindungswirkung zwischen den Parteien für einen allfälligen Nachfolgeprozess wegen Kostenerstattung zu. Erst in einem solchen Verfahren auf Kostenerstattung wäre das Gericht verpflichtet, ein auf die Gewährung eines Kostenzuschusses bzw Kostenerstattung „im gesetz und satzungs bzw richtlinienmäßigen Umfang“ für erbrachte Leistungen gerichtetes Klagebegehren in einen ziffernmäßig bestimmten und damit erst exekutionsfähigen Titel zu kleiden und entsprechend ziffernmäßig zu präzisieren (vgl 10 ObS 250/98g, SSV NF 12/104).

Aus den dargelegten Erwägungen war der Revision der Klägerin im Ergebnis ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren mit der vorgenommenen Maßgabe zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Die beklagte Partei als Versicherungsträger iSd § 77 Abs 1 Z 1 ASGG hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens selbst zu tragen.