JudikaturJustiz10ObS159/87

10ObS159/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Februar 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Herbst und Reinhold Ludwig als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Stefan S***, Renkovci 22, YU-69224 Turnisce, Jugoslawien, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. August 1987, GZ 31 Rs 137/87-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. Februar 1987, GZ 15 Cgs 386/86-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am 6. August 1934 geborene, aus Jugoslawien stammende Kläger hat vom 4. November 1963 bis zum Stichtag (1. Dezember 1985) in der jugoslawischen Pensionsversicherung einen Beitragsmonat, in der österreichischen Pensionsversicherung 79 Beitragsmonate und 6 Ersatzmonate, sohin insgesamt 86 Versicherungsmonate erworben. Darüber hinaus war der Kläger in der Zeit vom 1. Jänner 1974 bis 31. Dezember 1983 (120 Monate) nach dem Gesetz über die Altersversicherung der Landarbeiter und vom 1. Jänner 1984 bis 28. Februar 1986 (26 Monate) als Landwirt in der jugoslawischen Pensionsversicherung versichert. Die beklagte Partei wies mit Bescheid vom 9. Dezember 1986 den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension mit der Begründung ab, daß die Wartezeit nicht erfüllt sei.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Gewährung der Invaliditätspension ab. Versicherungszeiten in der Altersversicherung der assozierten Landarbeiter und Landwirte würden lediglich nach innerstaatlichen jugoslawischen Rechtsnormen als Pensionsanwartschaftszeiten und Versicherungszeiten angerechnet. Diese Zeiten seien nicht unter die Bestimmungen des AbkSozSi Jugoslawien zu subsumieren und müßten daher bei Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen nach österreichischen Rechtsvorschriften außer Betracht bleiben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der gerügten Nichtigkeit und der geltend gemachten Verfahrensmängel. Das AbkSozSi Jugoslawien beziehe sich österreichischerseits nur auf die Pensionsversicherung der Arbeiter, der Angestellten und der Knappschaft. Versicherungszeiten nach dem BSVG und dem GSVG, die nach der Aufhebung der innerstaatlichen Wanderversicherungsbestimmungen durch die 32. ASVG-Novelle den ASVG-Zeiten gleichgestellt worden seien, seien nach Art. VI Abs 17 der 32. ASVG-Novelle gegenüber einem Staat, mit dem ein Abkommen über soziale Sicherheit ohne Einschluß des BSVG und des GSVG bestehe, nicht anzuwenden. Für die jugoslawischen Versicherungsträger hätten Versicherungszeiten nach dem BSVG und dem GSVG (trotz ihrer Überführung in das ASVG) bei einer Teilleistungsfeststellung außer Betracht zu bleiben. Nur die ASVG-Zeiten seien zu berücksichtigen. Dies bedeute für den Fall des Klägers, daß es nicht erforderlich gewesen sei, zu prüfen, ob der Kläger und aufgrund welcher innerstaatlicher Rechtsnormen er in der Bauernaltersversicherung in Jugoslawien bzw. als Landwirt versichert gewesen sei und ob er nach dortigem Recht als invalid gelte. Dieser Zweig der jugoslawischen Sozialversicherung sei nicht Gegenstand einer das Abkommen ergänzenden Vereinbarung der Vertragsstaaten. Daher unterlägen diese innerstaatlichen jugoslawischen Rechtsnormen nicht dem AbkSozSi Jugoslawien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Vorinstanzen haben ihre Entscheidungen im wesentlichen damit begründet, daß der Zweig der Pensionsversicherung, in dem die Versicherung des Klägers in Jugoslawien begründet war, von den Bestimmungen des AbkSozSi Jugoslawien nicht umfaßt sei. Zur Entscheidung dieser Frage reichen jedoch die Aktengrundlagen nicht aus. Zur Prüfung, ob die vom Kläger in Jugoslawien erworbenen Versicherungszeiten gemäß den Bestimmungen des AbkSozSi Jugoslawien in Österreich zu berücksichtigen sind, ist es erforderlich, die genauen Rechtsgrundlagen für die Versicherung des Klägers in Jugoslawien zu erheben. Nach den vorliegenden Feststellungen war der Kläger in der Zeit vom 1. Jänner 1974 bis 31. Dezember 1983 nach dem Gesetz über die Altersversicherung der Landwirte und vom 1. Jänner 1984 bis 28. Februar 1986 als Landwirt versichert. Gemäß Art. 2 AbkSozSi Jugoslawien bezieht sich das Abkommen im Bereich der Pensionsversicherung in Österreich auf die Pensionsversicherung der Arbeiter, die Pensionsversicherung der Angestellten und die Knappschaftliche Pensionsversicherung, in Jugoslawien auf die Pensionsversicherung (Alters- und Hinterbliebenenversicherung) und die Invalidenversicherung. Gemäß Art. 2 Abs 2 bezieht sich das Abkommen auch auf alle Rechtsvorschriften, welche die in Abs 1 bezeichneten Rechtsvorschriften zusammenfassen, ändern oder ergänzen. Die Bestimmungen des Abkommens beziehen sich daher im Bereich der Pensionsversicherung in Österreich nur auf Zeiten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (Pensionsversicherung der Arbeiter, der Angestellten und Knappschaftliche Pensionsversicherung); für den jugoslawischen Rechtsbereich wird aber die Anwendbarkeit generell für den Bereich der Pensionsversicherung und Invalidenversicherung statuiert. Da eine weitere Einschränkung nicht getroffen wurde, steht der Wortlaut des Art. 2 Abs 1 Z 2 lit b und c AbkSozSi Jugoslawien einer Anwendung der Bestimmungen des Abkommens auf alle Zweige der Pensionsversicherung in Jugoslawien nicht entgegen. Art. 2 Abs 3 AbkSozSi Jugoslawien bestimmt, daß sich das Abkommen auch auf Rechtsvorschriften über ein neues System oder einen neuen Zweig der Sozialversicherung sowie auf Rechtsvorschriften bezieht, die das bestehende Recht auf neue Personengruppen ausdehnen, dies allerdings nur, wenn die Vertragsstaaten dies vereinbaren. Daraus ergibt sich, daß vom Abkommen nur die Versicherungszweige und die Gruppen von Versicherten umfaßt sein sollten, die im Zeitpunkt, in dem das Abkommen zustandekam, bereits bestanden bzw. die zu diesem Zeitpunkt in die Versicherung einbezogen waren. Entscheidend ist daher vorerst, ob der Versicherungszweig, in dem der Kläger seine Versicherungszeiten in Jugoslawien erwarb, im Zeitpunkt, in dem das Abkommen zustandekam, bereits bestand, was bisher nicht geklärt ist. War dies der Fall, so bieten Art. 2 Abs 2 Z 2 lit b und c jedenfalls die Grundlage für die Berücksichtigung der vom Erstgericht erworbenen Zeiten auch für den österreichischen Rechtsbereich.

Aus der Argumentation des Berufungsgerichtes, das seine Ausführungen auf Art. VI Abs 17 der 32. ASVG-Novelle stützt, läßt sich für die Entscheidung des vorliegenden Falles nichts ableiten. Daraus ergibt sich nur, daß jugoslawische Pensionsversicherungsträger im zwischenstaatlichen Bereich Zeiten, die in Österreich nach dem GSVG oder dem BSVG erworben wurden, auch wenn sie in Österreich nach den Bestimmungen über die Wanderversicherung ASVG-Zeiten gleichgestellt sind, nicht zu berücksichtigen haben. Wie Zeiten dieser Art, wenn sie in Jugoslawien erworben wurden, in Österreich zu behandeln sind, ergibt sich hieraus nicht. Die Regelung zeigt jedoch, daß es im innerstaatlichen Rechtsbereich in Österreich einer positiv-gesetzlichen Regelung bedurfte, um eine Berücksichtigung derartiger Zeiten im zwischenstaatlichen Bereich durch ausländische Sozialversicherungsträger auszuschließen. Welche gesetzlichen und sonstigen allgemein rechtssetzenden Akte (Art. 1 Z 3 AbkSozSi Jugoslawien) diesbezüglich in Jugoslawien bestehen, steht nicht fest. Es wird daher zu klären sein, wann das System über die Altersversicherung der Landarbeiter und der Landwirte in Jugoslawien geschaffen wurde, sowie, wenn dies nach Zustandekommen des Abkommens erfolgt sein sollte, wie dieser neue Versicherungszweig in das System der Sozialversicherung in Jugoslawien eingegliedert wurde bzw. welche Vorbehalte dabei allenfalls für den zwischenstaatlichen Bereich getroffen wurden. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, kann beurteilt werden, ob im Hinblick auf die Bestimmungen des Abkommens die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der vom Kläger in Jugoslawien erworbenen Zeiten für den österreichischen Rechtsbereich gegeben sind.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.