JudikaturJustiz10ObS144/88

10ObS144/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. November 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner (Arbeitgeber) und Hermann Wachtberger (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ante B***, Ljubuski, YU-88323 Studenci, vertreten durch Dr. Roland Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

P*** DER A***, Roßauer Lände 3, 1090 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Jänner 1988, GZ 33 Rs 5/88-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. Juli 1987, GZ 11 Cgs 1054/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1986 lehnte die beklagte Partei den (neuerlichen) Antrag des Klägers vom 24. Juni 1985 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension mangels Erfüllung der Wartezeit ab.

Der am 18. Dezember 1924 geborene Kläger, ein jugoslawischer Staatsbürger, erwarb folgende Versicherungszeiten:

1. In der jugoslawischen Pensionsversicherung

a) als unselbständig Erwerbstätiger während der Zeit vom 28. September 1955 bis 10. November 1960 10 Versicherungsmonate,

b) als assoziierter (vereinigter) Landwirt während der Zeit vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1985 60 Versicherungsmonate.

2. In der deutschen Rentenversicherung während der Zeit vom 29. Juli 1969 bis 30. November 1977 63 Versicherungsmonate.

3. In der österreichischen Pensionsversicherung während der Zeit vom 8. September 1965 bis 8. Dezember 1968 23 Beitragsmonate. Der Kläger bezieht von der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz auf Grund des Bescheides vom 7. November 1981 mit Wirkung ab 1. Mai 1981 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für 52 Pflichtbeitragsmonate und 11 Monate freiwilliger Versicherung. Das Erstgericht wies das auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. Juli 1985 gerichtete Klagebegehren ab. Die vom Kläger als selbständiger Landwirt in Jugoslawien während der Zeit vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1985 erworbenen

60 Versicherungsmonate seien nach den Bestimmungen des AbkSozSi-Jugoslawien nicht anzurechnen. Der Beobachtungszeitraum der letzten 192 Kalendermonate vor dem Stichtag verlängere sich um die Zeit des deutschen Rentenbezuges vom 1. Mai 1981 bis 30. Juni 1985 im Ausmaß von 50 Monaten als neutrale Zeiten bis zum 1. Mai 1965. In dieser Zeit habe der Kläger nur 63 deutsche Versicherungsmonate und 23 österreichische Beitragsmonate erworben, insgesamt somit 86 anstelle der erforderlichen 96 Versicherungsmonate. Die allgemeine Anspruchsvoraussetzung der Wartezeit sei damit nicht erfüllt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Die in Jugoslawien vom 28. September 1955 bis 10. November 1960 erworbenen 10 Versicherungsmonate seien bei Prüfung der Erfüllung der Wartezeit nicht zu berücksichtigen, weil der Beobachtungszeitraum nur bis zum 1. Mai 1965 zurückreiche. Werte man die Zeiten des deutschen Rentenbezuges nicht als neutrale Zeiten, könnten zum Nachteil des Klägers die in der österreichischen Pensionsversicherung erworbenen 23 Beitragsmonate nicht erfaßt werden, weil dann der Beobachtungszeitraum nur bis zum 1. Juli 1969 zurückreiche. Die entscheidende Frage aber, daß die vom Kläger als selbständiger Landwirt erworbenen Versicherungszeiten vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1985 nach den maßgeblichen Bestimmungen des AbkSozSi-Jugoslawien vom österreichischen Versicherungsträger nicht als gleichgestellte Zeiten zu berücksichtigen seien, habe das Erstgericht richtig gelöst. Die nach den Bestimmungen der 40. ASVG-Novelle erforderliche Wartezeit sei daher nicht erfüllt.

In seiner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision wendet sich der Kläger nur mehr gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, seine als selbständiger Landwirt in Jugoslawien erworbenen Versicherungszeiten seien nach dem Abkommen nicht zu berücksichtigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß Art. 2 AbkSozSi-Jugoslawien bezieht sich das Abkommen im Bereich der Pensionsversicherung in Österreich auf die Pensionsversicherung der Arbeiter, die Pensionsversicherung der Angestellten und die knappschaftliche Pensionsversicherung, in Jugoslawien auf die Pensionsversicherung (Alters- und Hinterbliebenenversicherung) und die Invalidenversicherung. Gemäß Art. 2 Abs. 2 bezieht sich das Abkommen auch auf alle Rechtsvorschriften, welche die in Abs. 1 bezeichneten Rechtsvorschriften zusammenfassen, ändern oder ergänzen. Die Bestimmungen des Abkommens beziehen sich daher im Bereich der Pensionsversicherung in Österreich nur auf Zeiten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für den jugoslawischen Rechtsbereich wird aber die Anwendbarkeit generell für den Bereich der Pensionsversicherung und Invalidenversicherung statuiert. Da eine weitere Einschränkung nicht getroffen wurde, stünde der Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 Z 2 lit. b und c Abk einer Anwendung der Bestimmungen des Abkommens auf alle Zweige der Pensionsversicherung in Jugoslawien nicht entgegen.

Art. 2 Abs. 3 Abk bestimmt, daß sich das Abkommen auch auf Rechtsvorschriften über ein neues System oder einen neuen Zweig der Sozialversicherung sowie auf Rechtsvorschriften bezieht, die das bestehende Recht auf neue Personengruppen ausdehnen, dies allerdings nur, wenn die Vertragsstaaten dies vereinbaren. Daraus ergibt sich, daß vom Abkommen nur die Versicherungszweige und die Gruppen von Versicherten umfaßt sein sollten, die im Zeitpunkt des Zustandekommens des Abkommens bereits bestanden bzw. die zu diesem Zeitpunkt in die Versicherung einbezogen waren.

Entscheidend ist daher, ob der Versicherungszweig, in dem der Kläger seine Versicherungszeiten in Jugoslawien erwarb, zu dem Zeitpunkt, in dem das Abkommen zustandekam, d.i. der 19. Jänner 1965, bereits bestand (10 Ob S 159/87).

Zum Zwecke der Vereinheitlichung der Rechtsgrundlagen und zur materiellen und sozialen Absicherung eines möglichst großen Personenkreises wurde in Jugoslawien durch Verfassungsbestimmung festgelegt, daß die Grundlagen der Pensions- und Invalidenversicherung auf Bundesebene geregelt werden. In Ausführung dazu wurde das seit 1. Juli 1983 anzuwendende Bundesgesetz über die Grundrechte aus der Pensions- und Invalidenversicherung erlassen, in dem auch die Frage der obligatorischen Pensions- und Invalidenversicherung der selbständig Erwerbstätigen einschließlich der "assoziierten" Landwirte geregelt wurde. Nur die Versicherung der selbständigen Landwirte blieb weiterhin Angelegenheit der Republiken und autonomen Gebiete. Bis zu diesem Bundesgesetz war die Pensions- und Invalidenversicherung für alle Landwirte ausschließlich durch Gesetze der Republiken und autonomen Gebiete geregelt. Die früheste Versicherung für selbständige Landwirte wurde - allerdings nur zur Erlangung einer Alterspension - mit 1. Jänner 1972, für assoziierte Landwirte die Alters- und Invaliditätsversicherung ab 1973 für Slowenien eingeführt; andere Teilrepubliken folgten später nach.

Der Versicherungszweig, in dem der Kläger weitere jugoslawische Versicherungsmonate erwarb, hat daher zur Zeit des Zustandekommens des Abkommens in keinem autonomen Gebiet Jugoslawiens bestanden, sodaß eine Berücksichtigung dieser Zeiten auf Grund des Abkommens nicht möglich ist. Das angefochtene Urteil war daher zu bestätigen. Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.