JudikaturDSB

2023-0.346.325 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
09. September 2025

Text

GZ: 2023-0.346.325 vom 9. September 2025 (Verfahrenszahl: DSB-D124.0327/23)

[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), statistische Angaben etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Lisbeth A*** (Beschwerdeführerin) vom 15. Februar 2023 gegen die Oberstaatsanwaltschaft S*** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

- Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen .

Rechtsgrundlagen: §§ 1, 18 Abs. 1, 24 Abs. 1 und Abs. 5, 31, 32, 34, 36, 37 sowie 38 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF. Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Mit verfahrenseinleitender Eingabe vom 15. Februar 2023 (verbessert am 22. Februar 2023) sowie im Rahmen des gewährten Parteiengehörs behauptet die Beschwerdeführerin eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG. Zusammengefasst wird vorgebracht, dass die Beschwerdegegnerin einen an die Beschwerdeführerin gerichteten Brief vom 26. Januar 2023 statt an die persönliche Wohnadresse der Beschwerdeführerin an eine Opferschutzeinrichtung in Wien gesandt habe. Die Opferschutzeinrichtung sei in der Vergangenheit für ein bereits eingestelltes Verfahren der Beschwerdeführerin zuständig gewesen, nicht jedoch zum Zeitpunkt der Anfrage der Beschwerdeführerin an die Beschwerdegegnerin.

2. Mit Stellungnahme vom 24. April 2023 bringt die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen vor: Beim Eintragen des Falles im Oberstaatsanwaltschaftsregister sei die Staatsanwaltschaftszahl, die der Staatsanwaltschaft D*** bekannt gewesen sei, kopiert worden. Diese habe die Adresse der Opferschutzeinrichtung erfasst. Die Adresse ergebe sich auch aus aktenkundigen Polizeiberichten. Der Beschwerdegegnerin sei nicht bekannt gewesen, dass es sich nicht um die Adresse der Beschwerdeführerin, sondern um diese Adresse der vormals vertretenden Opferschutzeinrichtung handle. Außerdem sei eine auf die Adresszuordnung detaillierte Prüfung der Akten *7 St *8/22f oder Einholung einer ZMR Abfrage nicht notwendig erschienen, weil es keine Anhaltspunkte bezüglich einer falschen Adresszuordnung der Beschwerdeführerin gegeben habe. Das Antwortschreiben der Beschwerdegegnerin an die Beschwerdeführerin vom 26. Jänner 2023 sei inhaltlich nicht spezifiziert und es seien keine weitergehenden Daten offengelegt worden, sondern es sei pauschal und abstrakt das Ermittlungsverfahren, von dem die Opferschutzeinrichtung bereits Kenntnis gehabt habe, erwähnt worden.

B. Beschwerdegegenstand

Beschwerdegegenstand ist die Frage, ob die Beschwerdegegnerin das Recht der Beschwerdeführerin auf Geheimhaltung dadurch verletzt hat, indem sie ein an die Beschwerdeführerin gerichtetes Schreiben nicht an deren Privatadresse der Beschwerdeführerin, sondern an die Adresse einer Opferschutzeinrichtung gesandt hat, obwohl diese zu diesem Zeitpunkt die Beschwerdeführerin nicht mehr vertrat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Zur Beschwerdegegnerin war ein bei der Staatsanwaltschaft D*** unter der Aktenzahl *7 St *8/22f geführtes Ermittlungsverfahren anhängig, welches im Oktober 2022 eingestellt wurde. In diesem Verfahren wurde die Beschwerdeführerin als Opfer geführt und von der Opferschutzeinrichtung „V***“ (Opferschutzeinrichtung) vertreten. Im Register der Oberstaatsanwaltschaft S*** zu diesem Verfahren wurde daher die Adresse der Opferschutzeinrichtung geführt: „Opfer Lisbeth A***, J***platz 2*/4*, **** Wien, Zustelladresse/Abgabestelle, Erreichb“.

2. Diese Zustelladresse ergab sich in Bezug auf die Aktenzahl (auch) aus den aktenkundigen Polizeiberichten zu dem gegenständlichen Verfahren:

[Anmerkung Bearbeiter/in: Der an dieser Stelle im Original als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Aktenvermerk, der den Namen und die Adresse der Beschwerdeführerin angibt, kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]

3. Nach Beendigung des Verfahrens zur Aktenzahl *7 St *8/22f wurde die Zusammenarbeit zwischen der Opferschutzeinrichtung und der Beschwerdeführerin beendet.

4. Der Beschwerdegegnerin war nicht bekannt, dass es sich bei der gegenständlichen Adresse um die Adresse der Opferschutzeinrichtung gehandelt hat.

5. Die Beschwerdeführerin sandte am 24. Januar 2023 folgendes E-Mail an die Beschwerdegegnerin:

[Anmerkung Bearbeiter/in: Der an dieser Stelle im Original als grafische Datei wiedergegebene E-Mail-Text (Screenshot von einem Mobilfunkgerät), gesendet an die E-Mail-Adresse der Medienstelle der Beschwerdegegnerin und enthaltend die kurze Aufforderung, zum angeschlossenen Schreiben einer Landespolizeidirektion Stellung zu nehmen, kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]

6. Dem Brief war folgendes Schreiben der Landespolizeidirektion **** angeschlossen:

[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle im Original als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Schreiben der Landespolizeidirektion vom 17. Jänner 2023, bezugnehmend auf einen Entschädigungsantrag der Beschwerdeführerin und fehlende Befunde bzw. Gutachten aus dem Strafverfahren, kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]

7. In dem gegenständlichen Schreiben zu Punkt 5 der Sachverhaltsfeststellungen präzisierte die Beschwerdeführerin weder ihre Zustelladresse oder Aktenzahl bzw. um welches Verfahren es sich handelte, noch handelte es sich um ein konkretes Begehren.

Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus dem insofern unstrittigen Parteivorbringen und der Aktenlage.

8. Die Beschwerdegegnerin sandte am 26. Jänner 2023 folgenden Brief an die Beschwerdeführerin an die Adresse der Opferschutzeinrichtung:

[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle im Original als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Schreiben der Beschwerdegegnerin mit dem Ersuchen an die Beschwerdeführerin, ihr Anbringen (wie oben) vom 24. Jänner 2023 zu präzisieren, kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]

Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen beruhen insbesondere auf der Eingabe der Beschwerdegegnerin vom 27.4. 2023 und sind insoweit unstrittig.

9. Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin nicht dezidiert mitgeteilt, dass die Opferschutzeinrichtung sie nicht mehr vertritt.

Beweiswürdigung : Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 6. Mai 2023, auf konkrete Nachfrage der Datenschutzbehörde vom 27. April 2023.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

D.1. Allgemein

Die Zuständigkeit der Datenschutzbehörde zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde fußt auf § 24 iVm §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 Z 4, 34 Abs. 5 und 36 Abs. 1 DSG.

Auch wenn es sich bei der Beschwerdegegnerin um ein Organ der ordentlichen Gerichtsbarkeit iSd Art. 90a B-VG handelt, besteht eine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde für die Behandlung von gegen diese Organe gerichteten Beschwerden nach dem DSG (siehe dazu VfSlg. 20.656/2023).

Das in § 1 DSG verankerte Grundrecht auf Datenschutz, nach dessen ersten Absatz jedermann, insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, einen Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit daran ein schutzwürdiges Interesse besteht, beinhaltet den Schutz des Betroffenen vor der Ermittlung seiner Daten und der Weitergabe der über ihn ermittelten Daten.

Das Grundrecht auf Datenschutz gilt jedoch nicht absolut, sondern darf durch bestimmte, zulässige Eingriffe beschränkt werden. Gemäß § 1 Abs. 2 DSG sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung, soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, wobei bei Eingriffen einer staatlichen Behörde diese nur auf Grund von Gesetzen erfolgen dürfen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind.

Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) liegt der Bestimmungen des § 1 Abs. 1 DSG ein „materieller“ und demzufolge „relativer Geheimnisbegriff“ zugrunde. Geschützt sind danach nur Geheimnisse, an deren Wahrung ein schutzwürdiges Interesse besteht. Als in diesem Sinne schutzwürdig bezeichnet aber die zitierte Norm des DSG, die im Zusammenhang mit der (gleichfalls im Verfassungsrang stehenden) Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK zu sehen ist, ausdrücklich (auch) den Geheimhaltungsanspruch, der sich aus der gebotenen Achtung des Privat- und Familienlebens des Betroffenen ergibt. Die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der Interessenlage hat unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalles nach einem objektiven Maßstab zu erfolgen. Entscheidend ist dabei, ob das zu beurteilende Geheimhaltungsinteresse (als objektives Element) bei der gegebenen Fallgestaltung für jedermann und generell schutzwürdig ist (BVwG 30.06.2025, W137 2295299-1 mwN).

Im vorliegenden Fall könnte eine Verletzung des durch § 1 Abs. 1 iVm §§ 37 und 38 DSG geschützten Anspruchs auf Geheimhaltung darin erblickt werden, dass die Beschwerdegegnerin einen an die Beschwerdeführerin gerichteten Brief nicht an deren private Wohnadresse, sondern an die Adresse einer sie nicht mehr vertretenden Opferschutzeinrichtung gesandt hat.

Wie festgestellt, war die Beschwerdegegnerin aber über den Umstand, dass keine Vertretungsbefugnis mehr vorlag, gar nicht in Kenntnis.

Es hieße im gegenständlichen Fall, die die Beschwerdegegnerin treffende Verpflichtung nach § 37 Abs. 1 Z 4 DSG (Grundsatz der Datenrichtigkeit) zu überspannen, wenn man von ihr verlangte, auch ohne konkrete Anhaltspunkte, die eine Unrichtigkeit dieses Datums indizieren, zu überprüfen, ob eine aktenkundige Zustelladresse nach wie vor aktuell ist. Eine Überprüfung durch Nachschau im Zentralen Melderegister - ohne konkrete Anhaltspunkte - stünde auch im Widerspruch zum Grundsatz der Datenminimierung nach § 37 Abs. 1 Z 3 DSG.

Darüber hinaus ist der Inhalt des Schreibens der Beschwerdegegnerin nicht als derart sensibel zu werten, dass die Zustellung an eine unrichtige Abgabestelle (ein unbefugtes Öffnen des Briefes wurde von der Beschwerdeführerin nicht behauptet) per se eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung bewirkt.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.