JudikaturDSB

2022-0.672.331 – Datenschutzbehörde Entscheidung

Entscheidung
Verbraucherschutzrecht
21. September 2022

Text

GZ: 2025-0.050.186 vom 21. September 2022 (Verfahrenszahl: DSB-D124.5082)

[Anmerkung Bearbeiter/in: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), statistische Angaben etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

SPRUCH

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Dr. Carlotta B*** A*** und Dr. René A*** (Beschwerdeführer) vom 2. Oktober 2021, verbessert mit Eingabe vom 25. Oktober 2021, gegen Herta N*** (Beschwerdegegnerin) wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung wie folgt:

1. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführer im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie mit der von ihr an der Adresse P***straße *46/10 in 1*** Wien betriebenen Kamera den gegenüberliegenden Wohnungseingangsbereich der Beschwerdeführer an der Adresse P***straße *46/9 in 1*** Wien in Bild und Ton erfasst.

2. Der Beschwerdegegnerin wird aufgetragen , innerhalb einer Frist von drei (3) Wochen bei sonstiger Exekution den Bild- und Tonaufnahmebereich der von ihr betriebenen Kamera derart einzuschränken , sodass weder der Wohnungseingangsbereich der Beschwerdeführer an der Adresse P***straße *46/9 in 1*** Wien, noch sonstige, über den unmittelbaren Wohnungseingangsbereich der Beschwerdegegnerin hinausgehende, Flächen der Wohnanlage in der P***straße *46 in 1*** Wien erfasst werden.

Rechtsgrundlagen: Art. 4 Z 1, 2 und Z 7, Art. 5 Abs. 1 lit. c, Art. 6 Abs. 1 lit. a und lit. f, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f, Art. 58 Abs. 2 lit. d sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1; §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.; §§ 45 und 46 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF.

BEGRÜNDUNG

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer behaupteten mit verfahrenseinleitender Eingabe vom 2. Oktober 2021, verbessert mit Eingabe vom 25. Oktober 2021, eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung und brachten zusammengefasst vor, dass die Beschwerdegegnerin an der Adresse P***straße *46/10 in 1*** Wien eine unzulässige Video- und Tonüberwachung der Wohnungstüre der Beschwerdeführer sowie des Stiegen- und Liftbereichs, welchen die Beschwerdeführer nutzen, betreibe. Die Kameraaufnahmen könnten von der Beschwerdegegnerin jederzeit auf ihrem Mobiltelefon eingesehen werden. Die Beschwerdeführer hätten der Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass sie es ausgesprochen unangenehm finden, ohne ihr Einverständnis gefilmt werden und die Beschwerdegegnerin daher auffordern, die weitere Überwachung zu unterlassen. Die Beschwerdegegnerin habe auf diese Aufforderung nicht reagiert und die Videokamera sei unverändert in Betrieb.

2. Mit Erledigung vom 30. November 2021, GZ: D124.5082 (2021-0.757.000), sowie weiterer Urgenz vom 30. Dezember 2021, GZ: D124.5082 (2021-0.916.033), forderte die Datenschutzbehörde die Beschwerdegegnerin zur Stellungnahme auf. Die Beschwerdegegnerin hat auf die Aufforderungsschreiben nicht reagiert.

3. Die Datenschutzbehörde teilte den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 9. Februar 2022, GZ: D124.5082 (2022-0.082.245), mit, dass die Beschwerdegegnerin trotz nachweislich zugestellter Aufforderungsschreiben keine Stellungnahme abgegeben hat und daher die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht geprüft wird. Die Beschwerdegegnerin hat trotz aller ergriffenen Maßnahmen keine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen erstattet.

B. Beschwerdegegenstand

Als Beschwerdegegenstand ergibt sich die Frage, ob die Beschwerdegegnerin die Beschwerdeführer im Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie an der Adresse P***straße *46/10 in 1*** Wien eine Kamera betreibt, welche den Wohnungseingangsbereich der Beschwerdeführer in Bild und Ton erfasst.

C. Sachverhaltsfeststellungen

1. Die Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin bewohnen ein Mehrparteienwohnhaus in der P***straße *46 in 1*** Wien und sind unmittelbare Nachbarn, wobei die Beschwerdeführer die Wohneinheit in der P***straße *46/9 und die Beschwerdegegnerin die gegenüber liegende Wohneinheit in der P***straße *46/10 nutzen.

Beweiswürdigung : Die Feststellung ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer und den in Vorlage gebrachten, aktenmäßig dokumentierten Bild- und Videoaufnahmen.

2. Die Beschwerdegegnerin hat an ihrer Wohnungstür nachfolgendes Kameragerät und Beschilderung angebracht ( Formatierung nicht 1:1 wiedergegeben ):

[Anmerkung Bearbeiter/in: Die an dieser Stelle im Original als grafische Dateien wiedergegebenen drei Lichtbilder wurden entfernt.]

Das Kameragerät zeichnet in Bild und Ton auf, wobei sich der Bildaufnahmebereich wie folgt gestaltet ( Formatierung nicht 1:1 wiedergegeben, Markierungen durch Datenschutzbehörde nachträglich hinzugefügt ):

[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle im Original als grafische Datei wiedergegebene Lichtbild wurde entfernt.]

Der Tonaufnahmebereich des Kamerageräts reicht zumindest bis zur Wohnungseingangstür der Beschwerdeführer.

Beweiswürdigung : Die Feststellungen zum Kameragerät und zur Beschilderung gründen auf den von den Beschwerdeführern in Vorlage gebrachten Bildaufnahmen, auf welchen die an der Wohnungstür der Beschwerdegegnerin angebrachte Videokamera samt Beschilderung ersichtlich ist. Die Feststellung zum Bild- und Tonaufnahmebereich ergeben sich aus der von den Beschwerdegegnern [Anmerkung Bearbeiter/in: gemeint wohl: Beschwerdeführern] in Vorlage gebrachten Videoaufzeichnung, auf welcher der Bildaufnahmebereich eindeutig erkennbar sowie auch hörbar ist, dass sich der Tonaufnahmebereich zumindest bis zur Wohnungseingangstür der Beschwerdeführer erstreckt, da bspw. Schrittgeräusche in diesem Bereich deutlich zu hören sind.

3. Bei der Kamera handelt es sich um ein Gerät der Reihe „Camera-***bell“ des Herstellers „K***“, mit welchem es möglich ist, die Aufnahmen ortsungebunden auf einem Mobilgerät abzurufen.

Beweiswürdigung: Bei dieser Feststellung folgt die Datenschutzbehörde dem insofern glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführer, die angeben, dass sie mehrmals erfahren haben, dass die Beschwerdegegnerin genau wusste, wie lange die Beschwerdeführer abwesend waren bzw. wann sie wieder nach Hause gekommen sind. Das Vorbringen wird auch durch die technischen Spezifikationen und Geräteeigenschaften auf der Website des Herstellers https://de.k***.com/ sowie https://de.k***.com/****/***bells gestützt, amtswegig zuletzt abgefragt am 21. September 2022. Die Ausführungen der Beschwerdeführer wurden von der Beschwerdegegnerin, trotz mehrmals eingeräumter Möglichkeit, nicht bestritten.

4. Die Aufnahmefunktion der Kamera ist nicht an das Betätigen der Türklingel oder an das Betreten des unmittelbaren Wohnungseingangsbereichs der Beschwerdegegnerin gebunden, sondern erfolgt davon unabhängig.

Beweiswürdigung : Bei dieser Feststellung folgt die Datenschutzbehörde dem glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführer, die angeben, dass die Aufzeichnung bewegungsgesteuert ausgelöst wird. Dieses Vorbringen wird durch die in Vorlage gebrachte Videoaufzeichnung gestützt, auf welcher erkennbar ist, dass bereits beim bloßen Betreten des Stiegenhauses aufgezeichnet wird, und nicht erst nach Betätigen der Türklingel der Beschwerdegegnerin oder bei Aufenthalt in deren unmittelbaren Wohnungseingangsbereich.

5. Eine Einwilligung der Beschwerdeführer in die gegenständliche Bild- und Tonaufzeichnung lag zu keinem Zeitpunkt vor.

Beweiswürdigung: Die Feststellung ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer, die angeben, in die Bild- und Tonaufzeichnung nicht eingewilligt zu haben. Die Beschwerdegegnerin hat, trotz mehrmals eingeräumter Möglichkeit, nichts Gegenteiliges vorgebracht.

6. Die Beschwerdegegnerin wurde mit Schreiben der Datenschutzbehörde vom 30. November 2021, GZ: D124.5082 (2021-0.757.000), zur Beibringung einer Stellungnahme aufgefordert. Das per RSb übermittelte Aufforderungsschreiben wurde am 7. Dezember 2021 nachweislich übernommen. Mit Urgenz vom 30. Dezember 2021, GZ: D124.5082 (2021-0.916.033), wurde die Beschwerdegegnerin erneut zur Nachholung der Stellungnahme aufgefordert. Auch dieses per RSb übermittelte Urgenzschreiben wurde am 7. Jänner 2022 nachweislich übernommen. Wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht wurde amtswegig ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Beschwerdegegnerin eingeleitet und mit Strafverfügung vom 15. Juli 2022 eine Geldstrafe verhängt. Die Beschwerdegegnerin hat bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen erstattet, noch in sonstiger Weise auf die Aufforderungen der Datenschutzbehörde reagiert.

Beweiswürdigung: Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt zur GZ: D124.5082 und den dort aktenmäßig dokumentierten Rückscheinen sowie aus dem amtswegig eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren zur GZ: D550.661.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

D.1. Zu den Sachverhaltsfeststellungen und zur Beweiswürdigung

Voranzustellen ist, dass die Parteien grundsätzlich dazu verpflichtet sind, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen (vgl. VwGH 24.01.2013, 2010/07/0218). Es liegt schließlich in der Hand der Parteien selbst, effektiv am Verfahren mitzuwirken und ihr Vorbringen ehestens umfangreich und rechtzeitig zu erstatten, um allfällige Rechtsnachteile zu vermeiden.

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, wurde die Beschwerdegegnerin mehrmals erfolglos aufgefordert, die für das gegenständliche Verfahren notwendigen Stellungnahmen abzugeben. Selbst die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens und die Verhängung einer Geldstrafe wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht iSd. Art. 31 DSGVO führten zu keinerlei Reaktion der Beschwerdegegnerin.

Dort, wo der Behörde die Ermittlung von Tatsachen (einschließlich der Aufnahme von Beweisen) ohne Mitwirkung der Partei nicht möglich ist, weil sie nur dieser bekannt sind, liegt es an der Partei (hier: an der Beschwerdegegnerin), ihr Wissen einzubringen (vgl. Hengstschläger/Leeb , Verwaltungs-verfahrensrecht 6, Rz. 302 unter Verweis auf VwGH 19.12.2001, 2000/20/0318; 26.4.2016, Ra 2016/03/0038; 27.2.2018, Ro 2016/05/0009).

Die nicht gehörige Mitwirkung einer Partei im Beweisverfahren unterliegt der freien Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG (vgl. die bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I 2, S. 678, E 218 f. zu § 45 AVG wiedergegebene Rechtsprechung; vgl. auch VwGH 04.09.2013, 2011/08/0201). Nach ständiger Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofs steht es einer Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung frei, aus der mangelnden Mitwirkung der Beschwerdegegnerin im Ermittlungsverfahren eventuell auch für die Beschwerdegegnerin negative Schlüsse zu ziehen (vgl. etwa VwGH 15.05.1986, Zl. 86/03/0044, oder VwGH 11.06.1991, Zl. 90/07/0166).

Mangels jeglicher Mitwirkung der Beschwerdegegnerin war daher im vorliegenden Fall das (schlüssige) Vorbringen der Beschwerdeführer für wahr zu erachten und mit den vorgelegten Beweismitteln den Feststellungen zugrunde zu legen.

D.2. Zum Grundrecht auf Geheimhaltung (Spruchpunkt 1)

Das in § 1 Abs. 1 DSG verankerte Grundrecht auf Geheimhaltung, nach dessen ersten Absatz jedermann, insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, einen Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit daran ein schutzwürdiges Interesse besteht, beinhaltet den Schutz der betroffenen Person vor der Ermittlung ihrer Daten und der Weitergabe der über sie ermittelten Daten. Das Grundrecht auf Geheimhaltung gilt jedoch nicht absolut, sondern darf durch bestimmte, zulässige Eingriffe beschränkt werden.

Gemäß § 1 Abs. 2 DSG sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung, soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interesseneines anderen zulässig, wobei bei Eingriffen einer staatlichen Behörde diese nur auf Grund von Gesetzen erfolgen dürfen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen notwendig sind. Beschränkungen des § 1 Abs. 1 DSG ergeben sich aus Abs. 2 leg. cit., allerdings nicht aus Art. 6 Abs. 1 DSGVO.

Die DSGVO und insbesondere auch die darin verankerten Grundsätze sind jedoch zur Auslegung des Rechts auf Geheimhaltung heranzuziehen (vgl. dazu den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 4. Juli 2019, GZ DSB-D123.652/0001-DSB/2019 mwN).

Gemäß Art. 4 Z 1 DSGVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Im Fall von Bildaufzeichnungen müssen die abgebildeten Personen zumindest erkennbar bzw. bestimmbar sein (vgl. Hödl in Knyrim [Hrsg.], DatKomm Art. 4 DSGVO Rz. 16). Gleiches gilt bei Tonaufnahmen hinsichtlich der aufgezeichneten Personen (vgl. bereits den Bescheid der ehemaligen Datenschutzkommission vom 21. Juni 2005, GZ: K503.425-090/0003-DVR/2005, wonach Tonaufzeichnungen „Daten“ iSd. RL 95/46/EG sein können; diese Überlegungen können auch auf die neue Rechtslage übertragen werden).

Im gegenständlichen Fall liegen zweifelsfrei personenbezogene Daten der Beschwerdeführer vor, da die in Rede stehende Kamera den Wohnungseingangsbereich der Beschwerdeführer sowie weitere, von diesen genutzte (Gemeinschafts-)Flächen der Wohnhausanlage in Bild und Ton hinreichend scharf aufzeichnet und die Beschwerdeführer nachvollziehbar dargelegt haben, dass sie durch die Beschwerdegegnerin (ihre Nachbarin) identifiziert werden können.

Gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO stellt eine „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten dar. Mangels Mitwirkung der Beschwerdegegnerin konnte zwar nicht eruiert werden, ob die in Rede stehende Kamera nur in Echtzeit aufnimmt oder die Aufzeichnungen darüber hinaus auch speichert. Für den Verarbeitungsbegriff ist dies jedoch insofern unerheblich, da bereits eine bloße Echtzeitaufnahme im Rahmen einer Video- bzw. Tonüberwachung unter die Definition einer Verarbeitung gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO fällt, weil auch hierbei Daten verarbeitet werden (vgl. etwa das Erkenntnis des BVwG vom 18. Dezember 2019, GZ: W211 2209492-1).

Gemäß Art. 4 Z 7 DSGVO ist „Verantwortlicher“ jene natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Gegenständlich ist anhand der Ausführungen der Beschwerdeführer – und mangels eines anderslautenden Vorbringens – die Beschwerdegegnerin als datenschutzrechtlich Verantwortliche für die in Rede stehende Kamera zu qualifizieren, insbesondere da bereits ihre Nutzung der Wohneinheit an der Adresse P***straße *46/9 [Hinweis Bearbeiter/in: gemeint vermutlich Top-/Tür-Nr. 10] eine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit für die an der Eingangstür installierte Kamera in gewissem Maße indiziert.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist eine Verarbeitung nur dann rechtmäßig, wenn mindestens eine der in lit. a bis f leg. cit. genannten Bedingungen erfüllt ist. Die Beschwerdegegnerin hat mangels jeglicher Mitwirkung kein Vorbringen erstattet, auf welche Rechtsgrundlagen iSd. Art. 6 Abs. 1 DSGVO sie die von ihr betriebene Bild- und Tonverarbeitung stützt.

Eine Einwilligung der Beschwerdeführer iSd. Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO liegt den Feststellungen zufolge nicht vor, sodass zu prüfen ist, ob ggf. andere Rechtsmäßigkeitstatbestände herangezogen werden können.

In Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten mittels Bildverarbeitungsanlagen (Videoüberwachung) durch Private hat der EuGH ausgesprochen, dass eine derartige Verarbeitung grundsätzlich auf die Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden kann, sofern die Verarbeitung zur Wahrung des berechtigten Interesses des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist (vgl. auch das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18 [ Asociaţia de Proprietari bloc M5A-ScaraA ], noch zu Art. 7 lit. f der RL 95/46/EG). Die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung ist zum einen jedoch nur solange gegeben, wie die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht überwiegen und zum anderen die Verarbeitung dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt ist (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO; vgl. dazu nochmals das zuvor zitierte Urteil vom 11. Dezember 2019, wonach zusätzlich zu einer Rechtsgrundlage nach Art. der RL 95/46/EG alle Voraussetzungen nach Art. 6, d.h. nunmehr Art. 5 DSGVO, erfüllt sein müssen).

Zusammengefasst müssen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten aufgrund berechtigter Interessen drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein, damit die Verarbeitung als zulässig zu qualifizieren ist (vgl. auch das Urteil des EuGH vom 4. Mai 2017, C‑13/16 [ Rīgas satiksme ], Rz. 28):

- Bestehen eines berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden;

- Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses; sowie

- kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person.

Zur ersten Voraussetzung, dem Bestehen eines berechtigten Interesses am Betrieb einer Videoüberwachung, kann der Schutz des Eigentums oder der Gesundheitgrundsätzlich ein berechtigtes Interesse darstellen (vgl. nochmals das bereits zitierte das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18, Rz. 42). Somit kann auch im gegenständlichen Fall ein solches berechtigtes Interesse der Beschwerdegegnerin angenommen werden, da die Installation der in Rede stehenden Videokamera grundsätzlich ein geeignetes Mittel darstellt, um bspw. potentielle Gefahren vor dem Öffnen der Türe zu erkennen (vgl. hierzu das bereits zitierte Erkenntnis des BVwG vom 18. Dezember 2019, GZ: W211 2209492-1).

Zur zweiten Voraussetzung, der Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten für die Verwirklichung des wahrgenommenen berechtigten Interesses, hat der EuGH jedoch darauf hingewiesen, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (vgl. nochmals das Urteil des EuGH vom 4. Mai 2017, C‑13/16, Rz. 30 mwN.). So impliziert die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche prüfen muss, ob z.B. Bilder, die in Bereichen aufgezeichnet wurden, in denen die Überwachung nicht erforderlich ist, blockiert oder unscharf eingestellt werden (vgl. erneut das Urteil des EuGH vom 11. Dezember 2019, C-708/18, Rz. 51).

Auch der Oberste Gerichtshof sprach in diesem Zusammenhang aus, dass der Schutz der Privatsphäre von Mietern (hier: der Beschwerdeführer) nicht an der inneren Wohnungstür endet und ein durchaus berechtigtes Interesse daran zuzubilligen ist, dass das Betreten oder Verlassen einer Wohnung durch Mieter bzw. ihre Mitbewohner oder Gäste nicht lückenlos überwacht und aufgezeichnet wird (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 17. Dezember 2013, 5 Ob 69/13b).

Im gegenständlichen Fall mangelt es der von der Beschwerdegegnerin betriebenen Bild- und Tonverarbeitung nach Ansicht der Datenschutzbehörde bereits an der Erforderlichkeit, da nicht ersichtlich ist, inwieweit die Erfassung des Wohnungseingangsbereichs der Beschwerdeführer sowie des gesamten Stiegen-, Gang- und Lifteingangsbereichs im betreffenden Wohnobjekt mittels Bild und Ton erforderlich ist, um die von der Beschwerdegegnerin allenfalls verfolgten Zwecke zu erreichen. Vielmehr wäre es der Beschwerdegegnerin bspw. möglich, den Bild- und Tonaufnahmebereich der Videokamera entsprechend einzuschränken, sodass (lediglich) die in ihrem unmittelbaren Wohnungseingangsbereich befindliche Personen erfasst werden, ohne jedoch den Wohnungseingangsbereich der Beschwerdeführer sowie das gesamte Stiegenhaus und den Liftbereich mitaufzunehmen.

Die Datenschutzbehörde übersieht nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht das Erfassen von Wohnungseingangstüren durch sog. „digitale Türspione“ im Falle einer zeitlich beschränkten Echtzeitüberwachung als zulässig erachtet hat (vgl. erneut das Erkenntnis des BVwG vom 18. Dezember 2019, GZ: W211 2209492-1). Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch insofern, da nicht nur eine zehnsekündige Aufnahme in Echtzeit bei Knopfdruck erfolgt. Denn aus der von den Beschwerdeführern vorgelegten Videoaufzeichnung geht hervor, dass gegenständlich bereits vor Betätigen der Türklingel aufgezeichnet wird. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall die Möglichkeit zur ortsungebundenen Betrachtung der Kameraübertragung einen deutlich intensiveren Eingriff in die Rechtsposition der Beschwerdeführer darstellt, als dies bei einer bloß lokalen Betrachtungsmöglichkeit (bspw. auf einem in der Wohnung der Beschwerdegegnerin fest angebrachten Bildschirm) der Fall wäre. Dasselbe gilt für die zusätzlich stattfindende Tonaufnahme, weil dadurch bspw. (Privat-)Gespräche der Beschwerdeführer in ihrem Wohnungseingangsbereich mitverfolgt werden können.

Aufgrund der fehlenden Verhältnismäßigkeit iSd. § 1 Abs. 2 DSG bzw. Erforderlichkeit iSd. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO sowie mangels anderer in Frage kommender Rechtsmäßigkeitstatbestände erweist sich die von der Beschwerdegegnerin mittels Kamera vorgenommene Bild- und Tonverarbeitung als unrechtmäßig, weshalb eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung festzustellen und der Beschwerde stattzugeben war.

D.4. Zum amtswegigen Leistungsauftrag betreffend die Einschränkung des Bild- und Tonaufnahmebereichs der Kamera (Spruchpunkt 2)

Bei diesem Spruchpunkt handelt es sich um ein amtswegiges Vorgehen der Datenschutzbehörde gemäß Art. 58 Abs. 2 lit. d DSGVO, wonach die Datenschutzbehörde über Abhilfebefugnisse verfügt, die es ihr gestatten, einen Verantwortlichen anzuweisen, Verarbeitungsvorgänge auf eine bestimmte Weise zu ändern bzw. durchzuführen.

Da der Bild- und Tonaufnahmebereich der von der Beschwerdegegnerin betriebenen Kamera Flächen erfasst, welche über den unmittelbaren Eingangsbereich ihrer eigenen Wohnung hinausgehen, war der Beschwerdegegnerin aufzutragen, den Bild- und Tonaufnahmebereich entsprechend einzuschränken, sodass weder der Wohnungseingangsbereich der Beschwerdeführer, noch sonstige, über den unmittelbaren Wohnungseingangsbereich der Beschwerdegegnerin hinaus gehende Flächen im betreffenden Wohnobjekt (bspw. Liftbereich, gesamtes Stiegenhaus) erfasst werden.

Zur Auslegung des „unmittelbaren Wohnungseingangsbereichs der Beschwerdegegnerin“ ist auf die Rechtsprechung der Datenschutzbehörde zu verweisen, wonach die Zulässigkeitsgrenze der Erfassung von Flächen, welche außerhalb der eigenen Grundstücksgrenze liegen, bei maximal 50 cmliegt (vgl. den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 5. Dezember 2017, GZ: DSB-D216.405/0006-DSB/2017) [Anmerkung Bearbeiter/in: Es handelt sich dabei streng genommen um eine Empfehlung gemäß früherem § 30 Abs. 6 DSG 2000, die heute in Bescheidform ergehen würde.].

Die Art und Weise, wie die Zweitbeschwerdegegnerin den Leistungsauftrag umsetzt, bleibt ihr überlassen. In Frage kommt bspw. ein „physisches Umstellen“ der Kamera, oder die systemseitige Einrichtung sog. „Privatzonen“.

Die hierfür gesetzte Frist von drei Wochen scheint angemessen, um dem Leistungsauftrag nachzukommen.

D.5. Ergebnis

Unter Zugrundelegung der obenstehenden Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden.