IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.01.2025, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die Zitierung des Grades der Behinderung (GdB) im Spruch entfällt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, eine in Österreich aufenthaltsberechtigter serbischer Staatsangehöriger, stellte am 14.08.2024 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG). Dem Antrag legte er medizinische Unterlagen und eine Kopie seiner bis 16.06.2026 gültigen Aufenthaltskarte „Daueraufenthalt-EU mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt“ bei. Am 17.09.2024 reichte der Beschwerdeführer weitere medizinische Unterlagen nach.
Das Sozialministeriumservice holte ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.09.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 26.09.2024, ein. Darin wurde die Funktionseinschränkung „Teilamputation linker Zeigefinger“, bewertet nach der Positionsnummer 02.06.26 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „Unterer Rahmensatz bei Amputation im Bereich der Mitte der mittleren Phalanx bei unauffälligen Stumpfverhältnissen.“), eingestuft. Des Weiteren hielt die Gutachterin fest, dass eine posttraumatische Belastungsstörung bei einer kurzen Anamnese nicht das Ausmaß eines behinderungsrelevanten Leidens erreiche. In Bezug auf eine Lumbalgie seien keine behinderungsrelevanten Funktionseinschränkungen objektivierbar.
Am 26.09.2024 reichte der Beschwerdeführer weitere medizinische Unterlagen nach.
Mit Schreiben vom 01.10.2024 übermittelte das Sozialministeriumservice dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs das eingeholte Sachverständigengutachten. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.
In der Folge reichte der Beschwerdeführer am 03.10.2024, am 21.10.2024 und am 07.11.2024 weitere medizinische Unterlagen nach.
Aufgrund der neu vorgelegten medizinischen Unterlagen holte das Sozialministeriumservice in der Folge Sachverständigengutachten unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung aus den Fachgebieten der Unfallchirurgie/Allgemeinmedizin und der Neurologie/Allgemeinmedizin sowie eine auf diesen beiden Gutachten basierende Gesamtbeurteilung durch den beigezogenen Facharzt für Neurologie und Arzt für Allgemeinmedizin ein.
Die bereits zuvor im Verfahren beigezogene Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin schätzte das Leiden „Teilamputation linker Zeigefinger“ in ihrem, aufgrund der Aktenlage erstelltem Sachverständigengutachten vom 18.11.2024 im Vergleich zum Vorgutachten vom 30.09.2024 unverändert ein und führte aus, dass sich aus dem nachgereichten Befund keine Änderung ergebe, sondern dieser die getroffene Beurteilung vielmehr untermauere.
Der Facharzt für Neurologie und Arzt für Allgemeinmedizin stufte in seinem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.11.2024 erstellten Sachverständigengutachten vom 25.11.2024 die Funktionseinschränkung „Posttraumatische Belastungsstörung mit Depression“, bewertet nach der Positionsnummer 03.05.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „oberer Rahmensatz, da die Depression als reaktiv und schwergradig beschrieben, unter laufender Medikation, eine regelmäßige Psychotherapie nicht befundbelegt , kein stationärer Aufenthalt dokumentiert. Ein Berührungsschmerz am Amputationsstumpf wird hier mitbeurteilt.“), ein.
Auf Grundlage der beiden vorgenannten Gutachten schätzte der beigezogene Facharzt für Neurologie und Arzt für Allgemeinmedizin in seiner Gesamtbeurteilung vom 27.11.2024 die Funktionseinschränkungen 1. „Posttraumatische Belastungsstörung mit Depression“, bewertet nach der Positionsnummer 03.05.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „oberer Rahmensatz, da die Depression als reaktiv und schwergradig beschrieben, unter laufender Medikation, eine regelmäßige Psychotherapie nicht befundbelegt , kein stationärer Aufenthalt dokumentiert. Ein Berührungsschmerz am Amputationsstumpf wird hier mitbeurteilt.“), und 2. „Teilamputation linker Zeigefinger“, bewertet nach der Positionsnummer 02.06.26 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „Unterer Rahmensatz bei Amputation im Bereich der Mitte der mittleren Phalanx bei unauffälligen Stumpfverhältnissen.“), ein und stellte einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. fest. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde damit begründet, dass das Leiden 2. aufgrund der Geringfügigkeit nicht weiter erhöhe.
Mit Schreiben vom 02.12.2024 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs die eingeholten Sachverständigengutachten vom 18.11.2024 (Unfallchirurgie/Allgemeinmedizin) und vom 25.11.2024 (Neurologie/Allgemeinmedizin) sowie die Gesamtbeurteilung vom 27.11.2024). Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt. Der Beschwerdeführer brachte innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme ein.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 03.01.2025 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten ab und stellte fest, dass der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. In der Begründung des Bescheides verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, nach welchem der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Dem Beschwerdeführer sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Dem Bescheid wurden die Sachverständigengutachten vom 18.11.2024 (Unfallchirurgie/Allgemeinmedizin) und vom 25.11.2024 (Neurologie/Allgemeinmedizin) sowie die Gesamtbeurteilung vom 27.11.2024 angeschlossen.
Gegen diesen Bescheid vom 03.01.2025 erhob der Beschwerdeführer im Wege seines nunmehrigen Rechtsvertreters fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin brachte er zusammengefasst vor, dass es im Rahmen eines Arbeitsunfalles zu einer teilweisen Amputation des linken Zeigefingers gekommen sei. Er sei Linkshänder und bis heute würden in diesem Bereich heftige Berührungsschmerzen bestehen, welche seine Erwerbsfähigkeit weiter einschränken würden. Aufgrund des Unfallereignisses habe sich auch eine schwere Depression sowie eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Es würden Flashbacks, Schlafstörungen, Suizidgedanken, Gefühle der Anspannung und Traurigkeit, Albträume und Angstzustände auftreten und auch die kognitiven Fähigkeiten seien eingeschränkt. Er befinde sich seit dem Vorjahr in engmaschiger psychiatrischer Behandlung. Der festgestellte Grad der Behinderung von 40 v.H. sei daher nicht nachvollziehbar. Insbesondere sei unter Berücksichtigung der Bedeutung des Zeigefingers für jedwedes Hantieren, der massiven Berührungsschmerzen sowie des Umstandes, dass der Beschwerdeführer Linkshänder sei, von einer diesbezüglichen Einschränkung von zumindest 30 v.H. auszugehen. Darüber hinaus hätten die ermittelten Behindertengrade bei einer Addition sehr wohl eine Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gerechtfertigt. Die Behörde sei aber irrig davon ausgegangen, dass das Grundleiden den Grad der Behinderung der resultierenden psychischen Folgen nicht erhöhe. Dem sei nicht zu folgen, da einerseits körperliche und andererseits psychische Folgen zu beurteilen gewesen wären, welche unterschiedliche Auswirkungen hätten. Aufgrund des negativen Einflusses für die Ausübung beinahe jeder Erwerbstätigkeit könne auch keine Rede davon sein, dass im Teilverlust des Fingers eine bloß geringfügige Einschränkung liege. Im Ergebnis wäre daher von einem Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50 v.H. auszugehen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt. Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.
Die belangte Behörde legte am 06.03.2025 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Er ist in Österreich aufenthaltsberechtigt und berechtigt, einer Beschäftigung nachzugehen.
Beim Beschwerdeführer liegen folgende einschätzungsrelevante Funktionseinschränkungen vor, wobei es sich bei der Funktionsbeeinträchtigung 1. um das führende Leiden handelt:
1. Posttraumatische Belastungsstörung mit Depression
2. Teilamputation linker Zeigefinger
Das mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. einzuschätzende führende Leiden 1. wird durch das Leiden 2. aufgrund dessen Geringfügigkeit nicht weiter erhöht.
Der Gesamtgrad der beim Beschwerdeführer vorliegenden Behinderung beträgt daher 40 v.H.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit basiert auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Antragstellung, bestätigt durch einen vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer berechtigt ist, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, stützt sich auf die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Antragstellung vorgelegte Kopie seiner bis 16.06.2026 gültigen Aufenthaltskarte „Daueraufenthalt-EU mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt“.
Die Feststellungen zu den beim Beschwerdeführer vorliegenden einschätzungsrelevanten, sohin mehr als sechs Monate andauernden Funktionseinschränkungen und dem Gesamtgrad der Behinderung basieren auf der von der belangten Behörde eingeholten Gesamtbeurteilung eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.11.2024 – diese basierend auf den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Unfallchirurgie/Allgemeinmedizin vom 18.11.2024 und Neurologie/Allgemeinmedizin vom 25.11.2024 –, worin in Bezug auf das nunmehrige Leiden 2. auch die Beurteilungen in dem zuvor eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.09.2024 bestätigt werden. Die von den Sachverständigen gewählten Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechen den festgestellten Gesundheitsschädigungen und die Wahl der jeweiligen Positionsnummern ist nachvollziehbar. Die herangezogenen Rahmensätze sind schlüssig begründet.
Dabei wurde das führende Leiden 1. „Posttraumatische Belastungsstörung mit Depression“ von dem im Verfahren beigezogenen Facharzt für Neurologie und Arzt für Allgemeinmedizin richtigerweise nach dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 03.05.04 (Psychische Störungen – Posttraumatische Belastungsstörung PTSD [post traumatic stress disorder] –Leichten Grades) mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. eingestuft (die bezüglich der Positionsnummer 03.05.04 in der Anlage der Einschätzungsverordnung angeführten Parameter lauten: „Voll integriert, Psychopathologisch stabil“). Der beigezogene Sachverständige begründete die Wahl des Rahmensatzes damit, dass die Depression als reaktiv und schwergradig beschrieben worden sei sowie eine laufende Medikation bestehe, aber keine regelmäßige Psychotherapie befundbelegt und auch kein stationärer Aufenthalt dokumentiert seien. Ein Berührungsschmerz am Amputationsstumpf werde hier mitbeurteilt. Die vorgenommene Einstufung ist nicht zu beanstanden und trat dieser der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auch nicht ausdrücklich entgegen. Insbesondere wurde eine höhere Einstufung des Leidens im Sinne einer Zuordnung zum unteren Rahmensatz der nächsthöheren Positionsnummer 03.05.05, welche posttraumatische Belastungsstörungen mittleren Grades betrifft, eine unter Therapie bestehende psychische Instabilität erfordern. In diesem Zusammenhang ist zunächst aber festzuhalten, dass im konkreten Fall des Beschwerdeführers weitere Therapieoptionen gegeben sind. So ist ausgehend vom vorliegenden Befund eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 06.11.2024 beim Beschwerdeführer aktuell zwar eine medikamentöse Therapie mit Sertralin 100 mg (1-1-0), Mirtazapin 30 mg (0-0-1) und Trittico 150 mg (0-0- 2/3) etabliert. Darüber hinaus gab der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auch an, seit dem Vorjahr in einer engmaschigen psychiatrischen Behandlung zu stehen. Bezüglich dieser behaupteten engmaschigen Betreuung liegen allerdings keine belegenden medizinischen Unterlagen vor. Vielmehr brachte der Beschwerdeführer im Verfahren lediglich zwei Befunde des Kriseninterventionszentrums vom 02.09.2024 und vom 02.10.2024 sowie den Befund eines Facharztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin vom 06.11.2024 in Vorlage. Bezüglich des nachfolgenden Zeitraumes ab Anfang November 2024 brachte der Beschwerdeführer hingegen keine Befunde bzw. Behandlungsdokumentationen in Vorlage, insbesondere auch nicht im Rahmen seiner über drei Monate später erfolgten Beschwerdeerhebung vom 20.02.2025. Eine engmaschige psychiatrische Betreuung ist damit nicht ausreichend belegt. Abgesehen davon ist – wie der beigezogene neurologische-allgemeinmedizinische Sachverständige bereits zutreffend ausführte – auch eine regelmäßige Psychotherapie nicht befundbelegt. In den vorliegenden Befundberichten des Kriseninterventionszentrums vom 02.09.2024 und vom 02.10.2024 wird zwar eine ambulante psychotherapeutische Krisenintervention erwähnt. Nachweise bezüglich einer regelmäßigen und längerfristigen psychotherapeutischen Betreuung liegen hingegen nicht vor. Schließlich ist beim Beschwerdeführer bislang auch kein stationärer Aufenthalt erforderlich geworden, zumal er hierzu keine entsprechenden medizinischen Unterlagen vorlegte. Es wird nicht verkannt, dass im Befundbericht des Kriseninterventionszentrums vom 02.10.2024 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung empfohlen wurde, da eine ambulante Behandlung aufgrund der physischen und psychischen Verfassung als nicht ausreichend angesehen worden sei. Bislang wurde eine solche stationäre Rehabilitation von Seiten des Beschwerdeführers aber offenkundig nicht in Anspruch genommen. Schon in Anbetracht der nicht ausgeschöpften Therapieoptionen erweist sich damit eine höhere Einstufung als nicht gerechtfertigt, besonders da weitere Möglichkeiten vorliegen, um den psychischen Leidenszustand zu stabilisieren. Abgesehen davon kann unter Berücksichtigung des aktuell etablierten Therapieregimes mit einer medikamentösen Behandlung, aber ohne belegte engmaschige und regelmäßige psychiatrisch-fachärztliche sowie psychotherapeutische Betreuung und ohne einen bisher erforderlich gewordenen stationären Aufenthalt überdies auch nicht auf eine maßgebliche Instabilität des psychischen Leidenszustandes geschlossen werden, da im Falle einer höhergradigen Instabilität anzunehmen wäre, dass eine engmaschige psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung erfolgen würde sowie ein stationärer Aufenthalt erforderlich geworden wäre. Eine höhere Einstufung des Leidens erweist sich damit mangels Erfüllung der hierfür in der Anlage zur Einschätzungsverordnung genannten einschätzungsrelevanten Kriterien als rechtlich nicht möglich. Mit Blick auf die bestehenden Therapieoptionen ist damit auch der im Befundbericht des Kriseninterventionszentrums vom 02.10.2024 angeführte soziale Rückzug nicht dazu geeignet, eine höhere Einstufung zu begründen.
Betreffend das Leiden 2. „Teilamputation linker Zeigefinger“ nahm die im Verfahren beigezogene Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin eine ordnungsgemäße Zuordnung zur Position 02.06.26 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (Muskel-, Skelett- und Bindegewebssystem, Haltungs- und Bewegungsapparat – Obere Extremitäten – Funktionsbehinderung einzelner Finger – Funktionseinschränkung einzelner Finger) vor und bewertete die Gesundheitsschädigung nach dem unteren Rahmensatz mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H. Die Wahl des Rahmensatzes wurde damit begründet, dass eine Amputation im Bereich der Mitte der mittleren Phalanx bei unauffälligen Stumpfverhältnissen vorliege. Diese Einstufung ist nicht zu beanstanden. Nun forderte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde zwar eine Einstufung mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. und führte hierzu aus, dass der Zeigefinger für jedwedes Hantieren von Bedeutung sei, er Linkshänder sei sowie anhaltende und massive Berührungsschmerzen bestehen würden. In diesem Zusammenhang ist aber festzuhalten, dass selbst der vollständige Verlust eines Zeige-, Mittel-, Ring- oder Kleinfingers gemäß der Positionsnummer 02.06.27 der Anlage zur Einschätzungsverordnung lediglich einen Grad der Behinderung von 10 v.H. erreicht. Beim Beschwerdeführer erfolgte dahingegen eine Amputation im Bereich der Mitte der mittleren Phalanx, wobei sich die Beweglichkeit im restlichen Zeigefinger links im Rahmen der Untersuchung vom 26.09.2024 nur geringgradig eingeschränkt zeigte. Die vorgenommene Einstufung erweist sich damit als ausreichend hoch. Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers im Rahmen der Anamneseerhebung zur persönlichen Untersuchung am 08.11.2024, wonach er mit der linken Hand nichts tun könne und er sich schwer behindert fühle, vermögen nichts daran zu ändern, dass in Anwendung der Anlage zur Einschätzungsverordnung eine höhere Einstufung des Leidens rechtlich nicht möglich ist.
Hierbei wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer an Phantomschmerzen und an Gefühlsstörungen im linken Zeigefinger leidet und im Verfahren einen massiven Berührungsschmerz am Amputationsstumpf angab. Doch wurde dieser Berührungsschmerz bereits unter der Einstufung des Leidens 1. mitberücksichtigt und kann damit keine höhere Einstufung des Leidens 2. begründen.
Der beigezogene Facharzt für Neurologie und Arzt für Allgemeinmedizin begründete in seiner Gesamtbeurteilung vom 27.11.2024 weiters auch den Gesamtgrad der Behinderung nachvollziehbar damit, dass das mit 40 v.H. eingeschätzte führende Leiden 1. durch das Leiden 2. aufgrund dessen Geringfügigkeit nicht erhöht wird. Diese Ausführungen sind für das Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar und stehen mit § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung in Einklang. Das Vorliegen einer maßgeblich ungünstigen wechselseitigen Leidensbeeinflussung wurde im Übrigen auch vom vertretenen Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt. Nun führte der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde zwar aus, dass einerseits körperliche und andererseits psychische Folgen zu beurteilen wären, welche gänzlich unterschiedliche Auswirkungen hätten. Hierzu wird aber festgehalten, dass der bestehende Berührungsschmerz am Amputationsstumpf bereits vollumfänglich unter der Einstufung des Leiden 1. mitberücksichtigt wurde und damit zu keiner weiteren Erhöhung des Leidens 1. führen kann. Das weiters bestehende Bewegungsdefizit des verbleibenden linken Zeigefingers stellt sich – wie oben ausgeführt – nur als geringgradig dar und führt damit ebenfalls zu keiner Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung. Mit Blick auf den Umstand, dass der Berührungsschmerz bereits unter dem Leiden 1. berücksichtigt wurde, geht überdies auch der Beschwerdeeinwand des Beschwerdeführers, wonach aufgrund des negativen Einflusses auf die Ausübung beinahe jeder Erwerbstätigkeit keine Rede davon sein könne, dass im Teilverlust des Fingers bloß eine „geringfügige“ Einschränkung gelegen sei, ins Leere, zumal aus dem Teilverlust des Fingers und dem bestehenden geringgradigen Funktionsdefizit des restlichen Fingers für sich gesehen – ohne dabei den Berührungsschmerz im Blick zu haben – keine maßgebliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit nachvollzogen werden kann. Insofern der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde schließlich aber noch vermeint, dass die ermittelten Grade der Behinderung der Leiden 1. und 2. zu addieren gewesen wären, so wird auf die Bestimmung des § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung verwiesen, wonach bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren sind. Vielmehr sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend. Auch der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers vermag daher nicht zum Erfolg zu führen.
Was nun aber die vom Beschwerdeführer im Rahmen der unfallchirurgischen-allgemeinmedizinischen Begutachtung am 26.09.2024 angeführten Schmerzen in der Lendenwirbelsäule betrifft, so ist hierzu auf die Ausführungen der Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin in ihrem Gutachten vom 30.09.2024 zu verweisen, wonach die Lumbalgie keinen Grad der Behinderung erreiche, da in diesem Zusammenhang keine behinderungsrelevante Funktionseinschränkung objektivierbar sei. So zeigte sich im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 26.09.2024 im Bereich der Wirbelsäule zwar ein mäßiger Hartspann und ein Klopfschmerz über der unteren Lendenwirbelsäule. Die Wirbelsäule war aber in allen Segmenten frei beweglich und auch das Lasegue-Zeichen war beidseits negativ. Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer in Bezug auf die Wirbelsäule im gesamten Verfahren auch keine medizinischen Befunde oder Behandlungsdokumentationen in Vorlage. In Gesamtschau ist damit kein Funktionsdefizit im Bereich der Wirbelsäule in einem einschätzungsrelevanten Ausmaß objektivierbar. Dasselbe gilt auch für die im Rahmen der persönlichen Untersuchung vom 26.09.2024 weiters angegebenen Schmerzen in der linken Schulter, zumal sich auch die linke Schulter in der Begutachtung frei beweglich darstellte.
Der vertretene Beschwerdeführer legte im Rahmen des gesamten Verfahrens keine weiteren medizinischen Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen, die allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher insgesamt keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Gesamtbeurteilung eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.11.2024 – diese basierend auf den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Unfallchirurgie/Allgemeinmedizin vom 18.11.2024 und Neurologie/Allgemeinmedizin vom 25.11.2024 –, worin in Bezug auf das nunmehrige Leiden 2. auch die Beurteilungen in dem zuvor eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.09.2024 bestätigt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Begünstigte Behinderte im Sinne des BEinstG sind gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. Österreichischen Staatsbürger sind folgende Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. gleichgestellt:
1. Unionsbürger, Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, Schweizer Bürger und deren Familienangehörige,
2. Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind,
3. Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, soweit diese Drittstaatsangehörigen hinsichtlich der Bedingungen einer Entlassung nach dem Recht der Europäischen Union österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen sind.
Gemäß § 2 Abs. 2 BEinstG gelten nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 behinderte Personen, die
a) sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder
b) das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht in Beschäftigung stehen oder
c) nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen oder
d) nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und infolge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) nicht in der Lage sind.
Behinderung im Sinne des BEinstG ist gemäß § 3 BEinstG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt gemäß§ 14 Abs. 1 BEinstG die letzte rechtskräftige Entscheidung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 v.H.
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.
Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden.
Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.
§§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:
„Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.“
„Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“
Auszugsweise aus der Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012:
„02 Muskel - Skelett - und Bindegewebssystem
Haltungs- und Bewegungsapparat
Allgemeine einschätzungsrelevante Kriterien:
Beweglichkeit und Belastbarkeit - den allgemeinen Kriterien der Gelenksfunktionen, der Funktionen der Muskel, Sehen, Bänder und Gelenkskapsel sind gegenüber den alleinigen Messungen des Bewegungsradius eine stärkere Gewichtung zu geben.
Entzündungsaktivität (Schmerzen, Schwellung).
Bei radiologischen Befunden ist die Korrelation mit der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant.
Ausmaß der beteiligten Gelenke, Körperregionen und organische Folgebeteiligung.
[…]
02.06 Obere Extremitäten
[…]
Funktionsbehinderung einzelner Finger
Versteifung eines Daumengelenkes in günstiger Stellung: 10 %.
Versteifung beider Daumengelenke in günstiger Stellung: 20 %.
Versteifung eines Fingers in günstiger Stellung: 10 %.
02.06.26 Funktionseinschränkung einzelner Finger 10 – 30 %
Verlust eines Fingers
Verlust eines Daumenendgliedes oder mindestens 4 bis 5 Fingerendgliedern: 10 %
Der Verlust einzelner Fingerendgliedern außer Daumen gehen mit keiner funktionellen Einschränkung einher und sind daher nicht als Behinderung einzuschätzen.
02.06.27 Zeige-, Mittel-, Ring- oder Kleinfinger 10 %
[…]
03 Psychische Störungen
[…]
03.05.04 bis 03.05.06 Posttraumatische Belastungsstörung PTSD
(post traumatic stress disorder)
Neben dem Vorliegen eines traumatisierenden Ereignisses müssen Symptome aus drei anderen Kategorien vorliegen:
- Intrusion (unvermeidliche belastende Erinnerungen)
- Vermeidung
- Übererregung
03.05.04 Leichten Grades 30 – 40 %
Voll integriert
Psychopathologisch stabil
[…]“
Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH vom 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).
Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH vom 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023). Gemäß § 3 Abs. 2 dritter Satz der Einschätzungsverordnung sind Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in§ 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten. Die Behörden sind iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung nach dem BEinstG verpflichtet, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtungen bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, wird der gegenständlichen Entscheidung die von der belangten Behörde eingeholte Gesamtbeurteilung eines Facharztes für Neurologie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.11.2024 – diese basierend auf den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Unfallchirurgie/Allgemeinmedizin vom 18.11.2024 und Neurologie/Allgemeinmedizin vom 25.11.2024 –, worin in Bezug auf das nunmehrige Leiden 2. auch die Beurteilungen in dem zuvor eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.09.2024 bestätigt werden, zugrunde gelegt. Der beim Beschwerdeführer vorliegende Gesamtgrad der Behinderung wurde in Anwendung der Einschätzungsverordnung nachvollziehbar und schlüssig mit 40 v.H. eingeschätzt. Ein höherer Grad der Behinderung ist derzeit nicht gerechtfertigt.
Beim Beschwerdeführer liegt somit kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor. Im gegenständlichen Fall sind daher die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z 1 und 3 BEinstG, wonach begünstigte Behinderte österreichische Staatsbürger und Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. sind, nicht gegeben.
Was den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Grad der Behinderung des Beschwerdeführers spruchgemäß mit 40 v.H. festgestellt hat, so ist auf den ausdrücklichen Wortlaut des § 14 Abs. 2 1. Satz BEinstG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dem Gesetz nicht entnommen werden kann, dass der Grad der Behinderung auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG, also wenn der Grad der Behinderung mit weniger als 50 v.H. eingeschätzt wird, bescheidmäßig festzustellen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.04.2012, Zl. 2010/11/0173).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Es wird darauf hingewiesen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung in Betracht kommt (vgl. VwGH 20.11.2012, 2011/11/0118).
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 14 Abs. 5 BEinstG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist (vgl. zu der im Bundesbehindertengesetz gleichlautenden Regelung: VwGH 16.09.2008, 2008/11/0083).
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten und der Gesamtbeurteilung, welche vom erkennenden Gericht als nachvollziehbar und schlüssig gewertet wurden und vom vertretenen Beschwerdeführer nicht entkräftet werden konnten. Die von den Sachverständigen gewählten Positionsnummern und Rahmensätze wurden nicht substantiiert bestritten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung – trotz eines entsprechenden Antrages in der Beschwerde – eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
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