IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerden des mj. Erstbeschwerdeführers XXXX , vertreten durch die gesetzliche Vertreterin und Zweitbeschwerdeführerin XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 10.09.2025, Zl. I-1040/1941-2025, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe::
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 19.06.2025 zeigte die erziehungsberechtigte Zweitbeschwerdeführerin erneut die Teilnahme ihre Sohnes XXXX an häuslichem Unterricht (im Folgenden als Erstbeschwerdeführer bezeichnet) im Schuljahr 2025/26 an.
Mit Schreiben vom 23.06.2025 nahm die Bildungsdirektion für Niederösterreich (belangte Behörde) dies zur Kenntnis.
Mit Schreiben vom 25.08.2025 zeigte die Zweitbeschwerdeführerin die Erfüllung der Schulpflicht des Erstbeschwerdeführers an einer im Ausland gelegenen Schule, der XXXX mit Sitz in Prag, an.
Mittels E-Mail vom 04.09.2025 holte die belangte Behörde von der tschechischen Schule Informationen über die Art des Unterrichtes ein: Die „Stellvertreterin der Direktorin“, XXXX , bestätigte am selben Tag die Aufnahme des Erstbeschwerdeführers und Teilnahme im Rahmen des „individuellen (Heim-)Unterrichts“.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 10.09.2025 wies die belangte Behörde das Ansuchen um Bewilligung des Besuches der im Ausland gelegenen Schule „ XXXX für das Schuljahr 2025/26 ab und führte zusammengefasst begründend aus, dass es sich im vorliegenden Fall um „Heimunterricht“ („Homeschooling“) und somit nicht um eine „Schule“ iSd SchPflG handle.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer am 08.10.2025 rechtzeitig das Rechtsmittel einer Beschwerde. Begründend führten sie zusammengefasst aus, dass es sich bei der besagten Schule um eine Schule mit „anstaltliche[r] Organisationsform [..] (Schulgebäude, Organisationsplan sowi Lehrer als Angestellte[…])“ handeln würde und deshalb die „Ablehnung […] auf Basis des § 13 SchPflG nicht vorgesehen und möglich“ sei. Gegen eine zusätzliche Leistungsüberprüfung hätte die Zweitbeschwerdeführerin nichts einzuwenden, „sollte das wirklich notwendig sein […], solange die Prüfungsbedingungen kindgerecht“ seien.
Mit Begleitschreiben vom 10.10.2025 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor (eingelangt am 17.10.2025) ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der minderjährige Erstbeschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger. Er ist in Österreich schulpflichtig.
Mit Schreiben vom 19.06.2025 zeigte die erziehungsberechtigte Zweitbeschwerdeführerin erneut die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2025/26 an.
Mit Schreiben vom 23.06.2025 nahm die belangte Behörde dies zur Kenntnis.
Mit Schreiben vom 25.08.2025 zeigte die Zweitbeschwerdeführerin die Erfüllung der Schulpflicht des Erstbeschwerdeführers an einer im Ausland gelegenen Schule, der XXXX mit Sitz in Prag, an.
Bei der genannten Schule handelt es sich um eine Privatschule mit Sitz in der Tschechischen Republik für „Kinder von Ausländern, die in der Tschechischen Republik leben“ ( XXXX , abgerufen am 21.10.2025) und bietet den eingeschriebenen, in Tschechien wohnhaften SchülerInnen die Möglichkeit, dem Unterricht vor Ort beizuwohnen oder – im Zweig „Hausunterricht“ bzw „individueller (Heim-)Unterricht“ – des kompletten „Homeschoolings“. SchülerInnen des Hausunterrichtes würden zu Hause von ihren Eltern unterrichtet, der Lehrplan werde per E-Mail von einem individuellen Berater übermittelt. Einmal pro Schuljahr finde ein Präsenztest statt ( XXXX , abgerufen am 21.10.2025).
Die Schule bestätigte die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers am „individuellen (Heim-)Unterricht“.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich größtenteils aus der unstrittigen Aktenlage sowie der durch das Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Abfragen aus dem Zentralen Melderegister.
Dass es sich bei dem gewählten Zweig der angezeigten Schule um eine Fernschule handelt und der Erstbeschwerdeführer daher im Schuljahr 2025/26 nicht am Unterricht einer Schule in der Tschechischen Republik vor Ort teilnimmt, sondern häuslich unterrichtet wird, ergibt sich einerseits konsequent aus den Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin, wonach kein Umzug ins Ausland behauptet wird, und andererseits aus den Ausführungen auf der Homepage der bekanntgegebenen „ XXXX “ (Nachschau am 21.10.2025 unter XXXX ): Dort wird ausgeführt, dass der angebotene Hausunterricht „Flexibilität beim Lernen“ biete und es den Schülern ermögliche, „in ihrem eigenen Tempo und bequem von zu Hause aus“ zu lernen. Weiters bestätigte die Schule die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers am „individuellen (Heim-)Unterricht“.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Rechtsgrundlagen:
Die maßgebliche Bestimmung des Schulpflichtgesetzes 1985 (SchPflG) lauten (auszugsweise):
„§ 1. (1) Für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, besteht allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
(2) Unter Kindern im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Minderjährige zu verstehen, die nach Maßgabe dieses Abschnittes schulpflichtig oder zum Besuch einer allgemeinbildenden Pflichtschule berechtigt sind.“
…
„Besuch von im Ausland gelegenen Schulen
§ 13. (1) Mit Bewilligung des Landesschulrates können schulpflichtige Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft die allgemeine Schulpflicht auch durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Das Ansuchen um die Bewilligung ist von den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes bei der Bildungsdirektion einzubringen. Die Bewilligung ist jeweils für ein Schuljahr zu erteilen, wenn der Unterricht an der ausländischen Schule jenem an einer der im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig und kein erziehungs- und bildungsmäßiger Nachteil für das Kind anzunehmen ist.
….“
3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
3.2.1. Der Erstbeschwerdeführer ist aufgrund seines ständigen Hauptwohnsitzes in Österreich unstrittig schulpflichtig nach dem SchPflG.
Seine erziehungsberechtigte Mutter (und Zweitbeschwerdeführerin) zeigte der belangten Behörde zunächst die Teilnahme an häuslichem Unterricht und mittels Schreiben vom 25.08.2025 an, dass der Erstbeschwerdeführer beabsichtige das Schuljahr 2025/26 an der XXXX zu absolvieren.
Nach der im bekämpften Bescheid vertretenen Ansicht der belangten Behörde handelt es sich bei dem Zweig, in welchem die Erstbeschwerdeführerin an der genannten Schule eingeschrieben ist, um keine Schule im Sinne des § 13 SchPflG, sondern um „Heimunterricht“ („Homeschooling“).
Im Rahmen ihrer Beschwerde brachten die Beschwerdeführer insbesondere vor, dass die besagte Schule die Eigenschaften einer Privatschule mit „anstaltliche[r] Organisationsform [..] (Schulgebäude, Organisationsplan sowi Lehrer als Angestellte[…])“ erfüllen würde und deshalb die „Ablehnung […] auf Basis des § 13 SchPflG nicht vorgesehen und möglich“ sei.
„Einzelne Elemente“ seien „ähnlich dem häuslichen Unterricht“, da der Sohn „teilweise auch selbst“ unterrichtet werde, jedoch gäbe es „eine engere Zusammenarbeit und Begleitung durch die Schule“; die Schule unterstütze „in der individuellen Begleitung“ ihres Sohnes.
Dass der Unterricht von zu Hause aus und nur online erfolgen würde, wurde nicht bestritten.
3.2.2. Gegenständlich stellt sich daher zunächst die Frage, ob der beabsichtigte Schulbesuch des Beschwerdeführers an der XXXX als Besuch einer im Ausland gelegenen Schule im Sinne des § 13 Abs. 1 SchPflG gewertet werden kann.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Begriff der „Schule“ bereits mit Erkenntnis vom 27.03.1985, Zl. 84/09/0215, ausgeführt, dass darunter Einrichtungen zu verstehen sind, die vom gesetzlichen oder von anderen Schulerhaltern errichtet und erhalten werden und in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wobei iZm der Vermittlung von allgemein-bildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird. Dies erfülle eine Fernschule nicht.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich seit der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes die technischen Möglichkeiten vollkommen gewandelt haben und ein Online-Unterricht zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorstellbar war.
Es liegt aber auch neuere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die (ausschließliche) Teilnahme via Fernunterricht tatsächlich als „Besuch einer im Ausland gelegenen Schule“ einzuordnen ist, vor (vgl. zu den folgenden Ausführungen VwGH 24.01.2023, Ra 2021/10/0123). Zwar enthält das SchPflG keine eigene Definition des Begriffs „Schule“, doch kann diesbezüglich auf die Schuldefinition des Privatschulgesetzes zurückgegriffen werden, zumal Privatschulen gemäß § 2 Abs. 3 PrivSchG Schulen sind, die von anderen als den gesetzlichen Schulerhaltern errichtet und erhalten werden. Gemäß § 2 Abs. 1 Privatschulgesetz (PrivSchG) in seiner Stammfassung BGBl. Nr. 244/1962 sind Schulen im Sinne des PrivSchG Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wenn im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird. Eine Schule im Sinne des PrivSchG ist jedenfalls dann gegeben, wenn eine anstaltliche Organisationsform vorliegt, somit ein Schulgebäude (Schulräume), ein Organisationsplan sowie Lehrer als Angestellte vorhanden sind (vgl. Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht14 [2015], FN 2 zu § 2 Abs. 1 PrivSchG).
Der Verwaltungsgerichtshof verweist weiters in der oben genannten Entscheidung vom 24.01.2023 darauf, dass beispielsweise der häusliche Unterricht gem. Art. 17 Abs. 3 StGG sowie Fernlehrinstitute, nicht unter den Begriff der „Schule“ im Sinne des PrivSchG fallen würden, da bei ihnen das Merkmal des gemeinsamen Unterrichts, das heißt die gleichzeitige Anwesenheit von Lehrern und Schülern, nicht gegeben sei (vgl. Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht14 [2015], FN 5 zu § 2 Abs. 1 PrivSchG unter Verweis auf ErläutRV 735 BlgNR 9. GP 9). Dieses Begriffsverständnis liege auch dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.06.1987, 86/13/0184, zur Frage der Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Fernstudium als Werbungskosten zugrunde, wonach die Tätigkeit eines Fernlehrinstitutes mit der Unterrichtstätigkeit einer öffentlichen Schule schon deshalb nicht verglichen werden könne, weil weder das Merkmal des gemeinsamen Unterrichts einer Mehrzahl von Schülern, noch auch die für die Durchführung eines normalen Schulbetriebes erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen (Schulräume etc.) gegeben seien. Entsprechend definiert auch Art. 14 Abs. 6 B-VG mit der Novelle BGBl. I Nr. 31/2005 „Schulen“ als „Einrichtungen, in denen Schüler gemeinsam nach einem umfassenden, festen Lehrplan unterrichtet werden und im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinen oder allgemeinen und beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten ein umfassendes erzieherisches Ziel angestrebt wird [...]“.
Dass ein „ortsungebundener Unterricht“ dem Schulbegriff gerade nicht innewohnt, zeigt sich auch daran, dass der österreichische Gesetzgeber im Rahmen der Corona-Pandemie mit § 82m SchUG erst eine gesetzliche Grundlage für das „homeschooling“ schaffen musste – welche mit 30.11.2023 wieder außer Kraft trat. Diese Sonderform des Unterrichts wurde zeitlich befristet als Maßnahme zur Bekämpfung von COVID-19 in Form einer Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung eingeführt.
Im Rahmen der Corona-Pandemie äußerte sich auch der Verfassungsgerichtshof zum ortsungebundenen Unterricht und erklärte: „Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass die Organisation des Unterrichts in ortsungebundener Form zu großen Belastungen für die Schüler, die Erziehungsberechtigten und das Lehrpersonal führt. Insbesondere kann eine solche Form des Unterrichts den verfassungsgesetzlich verankerten Bildungsauftrag der Schule gemäß Art. 14 Abs. 5a B-VG, wonach Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen ist, auf Dauer nicht verwirklichen. Die Intensität der Belastungen für die Betroffenen steigt umso mehr, je länger und häufiger ortsungebundener Unterricht angeordnet wird.“ (VfGH 10.03.2021, V 574/2020).
3.2.3. Aufgrund dieser höchstgerichtlichen Erwägungen ist festzuhalten, dass durch eine Teilnahme am Unterricht einer Fernschule – sei es auch in Form eines als reine Fernschule geführten Zweiges einer bestehenden Privatschule im Ausland – die in Österreich bestehende Schulpflicht nicht erfüllt wird. In der Beschwerde wurde nicht angeführt, dass eine Wohnsitzänderung geplant sei, zudem bestätigte die Schule die Teilnahme des Erstbeschwerdeführers am „individuellen (Heim-)Unterricht“.
Es ist daher der belangten Behörde zu folgen, wenn sie davon ausgeht, dass der Besuch einer Schule im Fernstudium - hier des Zweiges „Hausunterricht“ bzw „individueller (Heim-)Unterricht“ der in der Tschechischen Republik gelegenen XXXX - nicht den Voraussetzungen des § 13 SchPflG entspricht, weil bei dieser Form der Unterrichtsteilnahme kein Besuch einer „Schule“ im dargelegten Sinn vorliegt, zumal der Zweig, in welchem der Erstbeschwerdeführer an der genannten Schule eingeschrieben ist, keinerlei Unterrichtsstrukturen im Sinne eines gemeinschaftlichen Unterrichts aufweist. Der Beschwerdeführer kann demnach durch die Teilnahme im Zweig „Hausunterricht“ bzw „individueller (Heim-)Unterricht“der XXXX die in Österreich bestehende Schulpflicht nicht erfüllen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Eine Verhandlung konnte sowohl gemäß § 24 Abs 2 Z 1 als auch gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2.2 dargestellten –Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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