Spruch
W271 2297980-1/12Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, weitere Verfahrensparteien: Bundesarbeitskammer und Wirtschaftskammer Österreich, gegen den Bescheid des Vorstandes der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts-und Erdgaswirtschaft („ECA“) vom 29.05.2024, Zl. XXXX , betreffend Feststellung der Kosten und des Mengengerüsts des Fernleitungsnetzbetreibers XXXX gemäß § 69 Abs. 1 Gaswirtschaftsgesetz 2011:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 41 Abs. 1 lit a) i.V.m. Abs. 6 RL 2009/73/EG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2024/1789 (ex. Art. 13 Abs. 1 VO (EU) 715/2009) dahingehend auszulegen, dass der nationale Gesetzgeber in Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 u. 6 RL 2009/73/EG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2024/1789 hinsichtlich der zu genehmigenden bzw. festzulegenden Methoden zur Berechnung der Fernleitungsnetzentgelte eindeutig zu bestimmten hat, ob entweder
a. die nationale Regulierungsbehörde (RegB) eine Methode iSd Art. 41 Abs. 1 u. 6 RL 2009/73/EG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2024/1789 ausschließlich auf entsprechenden Antrag des FNB genehmigen kann,
b. oder die RegB eine solche Methode ungeachtet eines eingereichten Antrags auch einseitig von Amts wegen festlegen kann.
2. Wenn Frage 1 dahingehend beantwortet wird, dass sich der nationale Gesetzgeber in Umsetzung des Art. 41 Abs. 1 lit. a) u. Abs. 6 lit. a) RL 2009/73/EG für eine der oben genannte Varianten a. oder b. zu entscheiden hat: Ist die Bestimmung des § 69 Abs. 2 des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 mit den oben genannten Bestimmungen des Unionsrechts in Einklang zu bringen, wenn diese anordnet, dass die RegB die vom Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) „[..] gemäß [..] eingereichten Methoden auf Antrag des Fernleitungsnetzbetreibers oder von Amts wegen periodisch mit Bescheid zu genehmigen“ hat?
3. Wenn Frage 1 so beantwortet wird, dass keine eindeutige Systementscheidung vom nationalen Gesetzgeber getroffen werden muss: Ist eine Bestimmung des nationalen Rechts mit den genannten Bestimmungen des Unionsrecht – dies vor dem Hintergrund des Art. 41 Abs. 1 lit. a) u. Abs. 6 lit. a) RL 2009/73/EG – vereinbar, die es der RegB überlässt, trotz eines vom FNB eingereichten Antrags auf Genehmigung einer Methode, eine vom Antrag des FNB abweichende Methode dennoch von Amts wegen endgültig festzulegen, dies vor dem Hintergrund, dass die RegB die vom FNB eingereichte und bereits auf Aufforderung abgeänderte Methode für nicht genehmigungsfähig hält?
4. Ist eine Bestimmung des nationalen Verfahrensrechtes (unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung) mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn diese anordnet, dass ein Gericht, das eine Entscheidung einer RegB i.S.d Art. 41 Abs. 1 u. 6 RL 2009/73/EG in einem Rechtsmittelverfahren überprüft, sowohl im Fall des Feststehens als auch des Nichtfeststehens des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen hat, was einschließt, dass das Gericht (sein) Regulierungsermessen an Stelle jenes der RegB zu setzen hat?
Text
Begründung:
I. Vorlageberechtigung und Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, bisheriger Verlauf des Ausgangsverfahrens und vom vorlegenden Gericht vorläufig ermittelter Sachverhalt
1. Dieses Vorabentscheidungsersuchen wird vom Bundesverwaltungsgericht der Republik Österreich gestellt, einem Gericht i.S.d. Art. 267 AEUV.
2. Im Beschwerdeverfahren stehen sich die nationale Regulierungsbehörde für den und Erdgasmarkt, die Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts-und Erdgaswirtschaft (in Folge Regulierungsbehörde, kurz „RegB“) und ein auf dem österreichischen Markt für Gasfernleitungen tätiger Fernleitungsnetzbetreiber (kurz: „FNB“) gegenüber.
3. Zum besseren Verständnis der gestellten Fragen ist es notwendig, hier gerafft den Gang des Ausgangsverfahrens vor der RegB, das zu vor dem vorlegenden Gericht bekämpften Bescheid geführt hat (vgl. hierzu ausführlich der angefochtene Bescheid, S. 5 ff), zu schildern:
3.a Mit (hier nicht gegenständlichem) Bescheid vom 22. April 2020 wurde eine vom FNB eingereichte Methode zur Berechnung der Zugangsentgelte von der RegB befristet bis zum 31. Dezember 2024 genehmigt. Am 3. Februar 2023 wurde der FNB durch die RegB aufgefordert, bis Ende März 2023 Wünsche oder Vorstellungen bzw. einen Erstentwurf bezüglich einer neuen Methode an die RegB zu übermitteln. Da bis zum Ende der Frist keine Unterlagen für die Methode eingereicht wurden, erneuerte die RegB ihre Aufforderung am 4. April 2023 und trug dem FNB auf, dies bis zum 14. April 2023 nachzuholen. Am 21. April 2023 übermittelte der FNB der RegB ein als „Diskussionstand“ bezeichnetes Dokumentenkonvolut, allerdings keinen Antrag auf Genehmigung einer Methode; vielmehr enthielt das Schreiben (nur) konzeptive Gedanken zur Darlegung der Ansichten des FNB.
3.b. Nach weiteren Verfahrensschritten und in Ermangelung eines Antrags auf Genehmigung einer Methode durch den FNB wurde am 8. Februar 2024 eine von der RegB amtswegig ausgearbeitete Methode sowie darauf aufbauende Kostenberechnungen in Form eines vorläufigen Ermittlungsergebnisses dem FNB und weiteren Verfahrensparteien übermittelt. Auf Ersuchen der XXXX und gemeinsamen Ansuchen der Bundesarbeitskammer (BAK) und der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) wurde die Stellungnahmefrist auf den 7. März 2024 erstreckt.
3.c In seiner Stellungnahme vom 7. März 2024 stellte der FNB nunmehr erstmals den Antrag auf Genehmigung einer von ihm erstellten und beigelegten Methode. Es folgten weitere Termine vor der RegB in denen mit allen Verfahrensparteien deren Stellungnahmen und der Antrag des FNB erörtert wurden. Auf Antrag des FNB fand am 27. März 2024 vor der RegB eine mündliche Verhandlung statt. In der mündlichen Verhandlung wurde dem Unternehmen von der RegB u.a. aufgetragen, den zuvor übermittelten Fernleitungstarifevergleich gemäß § 82 Abs. 4 GWG 2011 nicht nur in Bezug auf vier Staaten einer bestimmten Region, sondern entsprechend der Rechtsgrundlage repräsentativ für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darzustellen.
3.d. In weiterer Folge wurde von Seiten des FNB keine angepasste Methode übermittelt. Es erging am 11. April 2024 seitens der RegB ein Verbesserungsauftrag gemäß § 82 Abs. 1 GWG 2011, mit welchem die Behörde dem FNB Abänderungen der am 7. März 2024 beantragten Methode auftrug. Unter einem forderte die Behörde die FNB im Sinne ihrer Mitwirkungspflicht auf, die eingereichte Methode zu den Themenpunkten Mengenrisiko, Rückabwicklung Risikoerlöse, verzinsliche Kapitalbasis (Wiederbeschaffungswertansatz), Kapitalverzinsung, OPEX, Forschungsprämie und Boni abzuändern oder neu einzureichen, da sie den gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht entspreche.
3.e Mit Schriftsatz vom 25. April 2024 hielt der FNB seine Rechtsauffassung zum Antrag vom 7. März 2024 auf Genehmigung der eingereichten Tarifmethode vollinhaltlich aufrecht, brachte jedoch einen Eventualantrag ein, der gewisse Anpassungen vorsah, jedoch nicht alle von der RegB eingeforderten Änderungen berücksichtigte.
3.f. In Folge erließ die RegB am 29.05.2024 den vor dem vorlegenden Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid, in dem sie in Spruchpunkt 1.a) den Antrag auf Genehmigung der vom FNB eingereichten Methoden vom 7. März 2024 abwies, in Spruchpunkt 1.b) den Eventualantrag vom 25. April 2024 abwies und in Spruchpunkt 1.c) von Amts wegen eine Methode gültig von 01.01.2025 bis 31.12.2027 anordnete, die dem Bescheid als Beilage angeschlossen ist. In den Spruchpunkten 1.d) und 1.e) stellte die RegB die jährlichen Kosten exkl Verdichterenergie und Kosten für CO2-Zertifikate fest.
3.g. Gegen diese Entscheidung erhob der FNB durch seine Rechtsvertretung Beschwerde, die dem vorlegenden Verwaltungsgericht zur Entscheidung übermittelt wurde. Die Fragen 1 bis 3 dieses Vorabentscheidungsersuchens sind unmittelbar für den ggst. Rechtsstreit präjudiziell, die Frage 4 ist für alle derartigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren über Beschwerden gegen Entscheidungen der RegB für den Strom- und Gasmarkt zur Festsetzung von Kosten und Mengengerüsten im Hinblick auf das regulierungsbehördliche Ermessen präjudiziell.
4. Im Fokus der Fragen 1 bis 3 steht somit gegenständlich der Umstand, wie weit die Befugnisse und das Regulierungsermessen der RegB in Bezug auf die Genehmigung bzw. Festlegung von Methoden zur Berechnung der Entgelte für den Netzzugang der Fernleitungsnetzbetreiber iSd Art. 41 Abs. 1 u. 6 RL 2009/73/EG i.V.m Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 2024/1789 reichen (müssen). Ausgangspunkt des Rechtsstreites ist die Frage, wie genau die Wendung in Art 41 Abs. 1 RL 2009/73/EG (nach 05.08.2026: Art. 78 Abs. 1 RL (EU) 2024/1788) zu verstehen ist, wonach die RegB anhand transparenter Kriterien die Fernleitungs- oder Verteilungstarife bzw. die entsprechenden Methoden festzulegen oder zu genehmigen haben und ob die vom österreichischen Gesetzgeber dementsprechend umgesetzte Regelung des § 69 Abs. 2 i.V.m § 82 Abs. 1 u. 4 des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 den unionsrechtlichen Vorgaben gerecht wird. Den Kernpunkt stellt dabei die Frage dar, ob die RegB bei der Festlegung bzw. Genehmigung der oben angesprochenen Methode an einen Antrag des FNB gebunden sein kann und nur diesen entweder genehmigen oder nicht genehmigen kann, oder andererseits auch bei Vorliegen eines Antrages auf Genehmigung einer Methode eines FNB, den die RegB aber als nicht genehmigungsfähig beurteilt, amtswegig eine eigene Methode festlegen bzw. genehmigen können muss.
5. Der Fokus der Frage 4 zielt hingegen auf verfahrensrechtliche Aspekte nationaler gerichtlicher Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen der RegB für den Strom und Gasmarkt ab, mit denen Kosten bzw. Mengengerüste und Zielvorgaben von Gas-Fernleitungsnetz- bzw. Gas-Verteilernetzbetreibern festgelegt bzw. die diesbezüglichen Methoden festgelegt oder genehmigt werden. Angesichts des auch unionsrechtlich determinierten weiten Ermessensspielraums der RegB in diesem Bereich, stellt sich für das vorlegende Gericht die verfahrensrechtliche Frage ob im Falle eines nicht vollständig geklärten und feststehenden Sachverhalts, das nachprüfende (Verwaltungs-)Gericht eine Entscheidung über das erhobene Rechtsmittel in der Sache selbst (reformatorisch) zu treffen hat und somit zumindest in Teilen anstatt der RegB deren Regulierungsermessen auszuüben hat oder ob in diesem Fall lediglich aus unionsrechtlichen Erwägungen eine kassatorische Entscheidung unter Zurückverweisung der Rechtssache zur erneuten Entscheidung an die RegB zulässig ist.
II. Standpunkte der Streitparteien zu den Fragen 1 bis 3
Zur Erläuterung der Fragen wird die jeweilige Argumentation der RegB als auch des beschwerdeführenden FNB wiedergegeben, die das unionsrechtliche Spannungsfeld im ggst. Fall aus der jeweiligen Sichtweise beleuchten:
1. Argumentation der RegB:
Selbst unter der Annahme, dass der nationale Gesetzgeber ein Regelungsregime mit besonderen Rechten für FNB im Sinn gehabt habe (vgl. „jedenfalls“ in § 82 Abs. 4 GWG 2011), finde dies seine Grenzen in den unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben. Demnach könne selbst ein „Primat der Antragstellung“ durch den FNB nicht dazu führen, dass die unionsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der RegB eingeschränkt werde. Gleichzeitig stünde es dem einfachen Gesetzgeber nicht zu, einzelnen Wirtschaftsteilnehmenden ohne sachliche Rechtfertigung besondere Rechte gegenüber anderen einzuräumen. Vor dem Hintergrund könne § 82 Abs. 4 GWG 2011 bzw. dessen unionsrechtliche Grundlage nicht als unbedingter Rechtsanspruch des FNB auf Genehmigung einer Methode interpretiert werden.
Dementsprechend sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die „Regulierung der Gas- Fernleitungstarife einerseits und der Gas Verteilernetztarife sowie der Stromnetzentgelte andererseits“, wie dies im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht werde, völlig verschiedenen Entgeltregulierungssystemen unterworfen sein sollten.
Weder dem unions- noch dem einfachen nationalen Gesetzgeber könne bei verfassungskonformer Auslegung unterstellt werden, dass für FNB und VNB „völlig unterschiedliche materielle Vorgaben“ und somit gänzlich andere Wertungen bei der Bestimmung der Kosten und Entgelte zur Anwendung kommen. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nehme diese Differenzierung nicht vor.
Nachdem der FNB bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren indirekt Bedenken gegen die Möglichkeit der RegB, die FNB-Methode von Amts wegen zu genehmigen, vorbrachte, setzte sich die RegB im bekämpften Bescheid damit auseinander (vgl. Kapitel 2.2, S. 11 ff des angefochtenen Bescheides). Aus Sicht der RegB seien die Bedenken der BF nicht berechtigt gewesen und nahm diese daher eine amtswegige Entscheidung vor.
Zusammenfassend war für die RegB aus § 69 Abs. 2 GWG 2011 keine Subsidiarität einer amtswegigen Methodengenehmigung zu erkennen, da auch das Wort „Genehmigung“ hier in systematischer und unionsrechtskonformer Interpretation nicht allein auf einen Antrag abstelle. Im Hinblick auf die EuGH-Rsp., zuletzt im Urteil vom 2. September 2021, C-718/18, Kommission/Deutschland (KOM/DE), sei die Unabhängigkeit der RegB nach Art. 39 Abs. 4 lit. a und Abs. 5 lit. a der Gasbinnenmarkt-RL 2009/73/EG (kurz: „GBM-RL 2009“) auch in ihrem sachlichen Entscheidungsspielraum zu wahren. Die strenge Bindung an einen Antrag eines FNB auf Genehmigung einer Methode stünde hiermit nicht im Einklang. Jedenfalls dann nicht, wenn – wie im gegebenen Fall – die Festlegung der FNB-Methode gemäß Art. 41 Abs. 10 GBM-RL 2009 notwendig sei, um eine zeitgerechte Festlegung der FNB-Entgelte zu ermöglichen.
Zum Argument, der Mitgliedstaat (MS) hätte es in der Hand, in Umsetzung des GBM-RL 2009 zwischen einer Festlegung der Tarife durch die RegB und einer bloßen Genehmigung von Anträgen der FNB zu wählen, sei aus Sicht der RegB zunächst festzuhalten, dass diese Frage vom EuGH bisher nicht explizit beantwortet worden sei. Ob den MS ein entsprechender Freiraum überhaupt zukomme, sei im Hinblick auf die Ziele der GBM-RL 2009 (und des gesamten dritten Binnenmarktpakets) zumindest zweifelhaft. So war ein maßgebliches Ziel der GBM-RL 2009 die Stärkung der Unabhängigkeit der nationalen RegB „damit der Erdgasbinnenmarkt ordnungsgemäß funktionieren kann“ (ErwG 30). Die mangelnde Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsstellen sei damals sogar auf höchster politischer Ebene als Hemmschuh der Regulierungseffektivität angesehen (vgl. ErwG 29 sowie ErwG 31-34) worden. Der hier maßgebliche Art. 41 Abs. 1 lit. a GBM-RL 2009 sei daraufhin neu eingeführt worden, und hatte keine Entsprechung in der Vorgänger-RL 2003/55/EG. Die Stärkung der organisatorischen Unabhängigkeit der RegB wurde durch Ausgliederung und maßgebliche Erweiterung des Art. 25 Abs. 1 der RL 2003/55/EG in Art. 39 GBM-RL 2009 vorgenommen.
Bei historischer und teleologischer Interpretation der Bestimmung sei ein (uneingeschränktes) Wahlrecht des MS damit keineswegs naheliegend. Ganz im Gegenteil, erscheine es ebenso denkmöglich und im Lichte der Zielsetzung weitaus naheliegender, dass es sich hierbei um ein Wahlrecht der RegB handelt, einen Vorschlag der Netzbetreiber zu genehmigen, und diesen ggf. auch einzufordern oder aus eigener Initiative tätig zu werden. Das Wahlrecht des Mitgliedstaats beliefe sich dann – wenn überhaupt – darauf, festzulegen, ob die Regulierungsbehörde die Tarife (einschließlich der Methode zu deren Ermittlung) oder lediglich die Methoden dafür festlegt, während die zahlenmäßige Festlegung dem Netzbetreiber überlassen ist. Entsprechend der Anforderung, dass die RegB vollkommen unabhängig von Marktinteressen handeln kann (Art. 39 Abs. 4 lit. b GBM-RL 2009) habe der MS es demnach (nur) in der Hand, vorzugeben, wer die zahlenmäßige Festlegung der Netztarife übernimmt – die RegB oder der FNB bzw. VNB.
Eine Auslegung dieser Bestimmung, welche von einer „Mischform“ in Folge eines Primats der Antragstellung für die FNB-Methode mit einer Pflicht zur Tariffestlegung durch Verordnung der RegB ausginge, brächte die RegB in eine mit der Unabhängigkeit sowie den weiteren unionsrechtlichen Vorgaben zur Bestimmung der Netzentgelte (insb. Art. 13 GBM-VO 2009 sowie Art. 32, 40 und 41 Abs. 6 lit. a GBM -RL 2009) schwer in Einklang zu bringenden Situation: Einerseits solle sie gemäß § 69 Abs. 2 iVm § 82 GWG 2011 dazu verpflichtet sein, Anträge zur Festlegung der FNB-Methode abzuwarten bzw. diese (betriebswirtschaftlich, volkswirtschaftlich, technisch und rechtlich komplex) zu prüfen und andererseits benötige sie eine solche, mit Bescheid genehmigte Methode, sowie die auf dieser Basis festgestellten Kosten und Mengen gemäß § 70 Abs. 1 GWG 2011 zur Verordnung der Systemnutzungsentgelte der Fernleitungsnetze. Damit wäre die RegB hier einerseits stets getrieben, ihrer Verpflichtung zur Feststellung rechtsgültiger (d.h. auf einer genehmigten Methode beruhenden) Netzentgelte nachzukommen, während sie andererseits bei der Bestimmung deren Grundlagen auf ein Tätigwerden der FNB angewiesen sein soll. Hinzu kommt, dass das Gesetz hier keinerlei Fristen o.dgl. vorsieht, welche die Mitwirkungspflicht der Unternehmen (über die bloße Verfahrensförderungspflicht hinaus) konkretisieren.
Damit hätten es die FNB nach den verfahrensrechtlichen Vorgaben in der Hand, ihre Anträge – so wie im gegenständlichen Verfahren – bis spät im Verfahren abzuändern bzw. Eventualanträge einzubringen. Eine umfängliche und transparente Konsultation der Fernleitungsentgelte bzw. der Referenzpreismethode (RPM) werde so in offenkundigem Widerspruch zu Art. 41 Abs. 1 lit. a GBM-RL 2009 und Art. 4 iVm 30 ff VO (EU) 2017/460 (TAR NC) (insb. Art. 30 Abs. 1 lit. b. (i) TAR NC) bei Meinungsverschiedenheiten zwischen FNB und RegB ebenso wie eine umfassende Abwägung der verschiedenen Regulierungsziele iZm der Methodengenehmigung praktisch verunmöglicht. Diese Ausgestaltung könne daher nicht im Sinne der unionsrechtlichen Vorgaben sein.
Insofern der FNB vorbringe, dass bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das Wort „Genehmigung“ eine Bindung an den Antrag nach sich ziehe, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass EU-Rechtsakte in allen Amtssprachen verbindlich sind und die für die politischen Verhandlungen idR maßgeblichen englischen („fix or approve“) sowie französischen Fassungen („fixer ou approuver“) hier ein Verb gewählt haben, welches jedenfalls auch die unilaterale „Genehmigung“ miteinschließt. Daneben ist „Genehmigung“ für die amtswegige Entscheidung keineswegs ungebräuchlich (insb. bei Kollegialorganen wie sie die RegB ausschließlich aufweist). Schließlich müssen auch diese zumindest behördenintern vorbereitet werden. Somit könne auch eine amtswegige Entscheidung vom Begriff „Genehmigung“ umfasst sein. Dass das Begriffsverständnis der BF nicht überzeugen würde, zeige auch eine systematische Interpretation der Rechtsvorschriften. So spreche bereits Art. 13 GBM-VO 2009 lediglich von „genehmigten Tarifen oder Methoden zu ihrer Berechnung“ was bei systematischer Interpretation somit eine amtswegige Genehmigung miteinschließen müsse.
Vor dem Hintergrund könne dem gesetzlichen Wortwahl auch keineswegs entnommen werden, dass damit lediglich eine Preiskontrollkompetenz der RegB einhergehe. Ein derart eingeschränkter Entscheidungsspielraum, der noch dazu einen Genehmigungsanspruch des FNB miteinschließen soll, verneine die einschlägige Rechtsprechung des EuGH (Verweis auf Rs. C-718/18, Kommission/Deutschland) in diesem Zusammenhang gänzlich.
Zwar sprächen die unionsrechtlichen Vorgaben regelmäßig nur von „Fernleitungs- oder Verteilungstarifen bzw. die entsprechenden Methoden“, allerdings wirkten sich die Entscheidungen gemäß § 69 Abs. 1 und 2 GWG 2011 unmittelbar auf die Festlegung der Netztarife aus, da diese zumindest der Höhe nach bestimmen, welche Kosten durch die Systemnutzungsentgelte (auf Basis welcher Mengenprognosen) abzudecken sind bzw. bei der Bestimmung des Referenzpreises und weiterer Entgelte gemäß TAR NC zu berücksichtigen seien. Folglich seien die Vorgaben zu den Fernleitungstarifen stets bei der Bestimmung der FNB-Methode und den weiteren Feststellungen im Bescheid gemäß § 69 Abs. 2 GWG 2011 „mitzudenken“.
Hinzu komme, dass die Ausweitung der Unabhängigkeit der RegB, welche 2009 auf Unionsebene verabschiedet wurde, – wie bereits ausgeführt – das Ziel hatte, das ordnungsgemäße Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes sicherzustellen. Die dabei von der RegB zu verfolgenden Ziele sind insb. auch in Art. 40 GBM-RL 2009 (umgesetzt in § 4 E-ControlG) festgehalten. Zentrale Voraussetzung für das Funktionieren eines wettbewerblichen Marktes sind insb. gleiche Ausgangsbedingungen für die Marktteilnehmer und damit auch das Quersubventionierungs- und Diskriminierungsverbot von FNB (vgl. Art. 13 und 41 Abs. 1 lit. b und f GBM-RL 2009). So soll das vertikal integrierte Unternehmen (VIU) aus seiner Beteiligung am FNB keinen Wettbewerbsvorteil ziehen können.
Diese Zielsetzungen würden damit bei Annahme eines bloßen behördlichen Genehmigungsvorbehalts bzw. „Ausnutzen der Ermessensspielräume“ durch den FNB – wider Gesetzessystematik, Erwägungsgründen und Zweck – wesentlich erschwert. Die Regulierungsziele in Art. 40 GBM-RL 2009 blieben ohne jede Anwendung. Gerade im Bereich der für das Funktionieren des Binnenmarktes maßgeblichen Regulierung der Netzkosten von FNB könne dieser Inhalt dem Unionsrecht nicht unterstellt werden.
Es ist demnach nach der Rsp. des EuGH im Lichte der Unabhängigkeit unionsrechtlich unzulässig, die Behörde bei der Festlegung der Netzentgelte, der damit verbundenen Kosten und ihrer Berechnungsmethoden national (durch gesetzgeberisches oder verwaltungsbehördliches Handeln des Mitgliedstaats) an besondere inhaltliche Vorgaben zu binden als auch formelle Vorgaben zu machen, die verhindern, dass die RegB ihre Entscheidungen autonom erlassen kann. Damit solle ermöglicht werden, die öffentlichen (Regulierungs-)Ziele der Energieunion langfristig zu verfolgen.
Wenn es schon unionsrechtlich unzulässig sei, die RegB an inhaltliche Vorgaben des Mitgliedstaats bei der Kosten-/Tariffestlegung zu binden, dann muss es umso mehr unzulässig sein, dass das regulierte Unternehmen selbst durch seine Anträge bestimmt, wie die Kosten und Tarife gestaltet sind (vgl. die obigen Ausführungen zur Unabhängigkeit gegenüber Wirtschaftsteilnehmern). Andernfalls wären – in Verkehrung der Art. 39 ff der ErdgasbinnenmarktRL 2009/32/EG nicht die öffentlichen (Regulierungs-)Ziele der Richtlinien, sondern primär die privaten Interessen des Unternehmens (des FNB) maßgeblich.
Damit sei dem FNB entgegenzutreten, wenn dieser behaupte, das Ermessen in der Ausgestaltung der FNB-Methode käme ausschließlich ihm selbst zu. Wie schon im Bescheid dargelegt (S. 13 f.) würde das zum abwegigen Ergebnis führen, dass nicht einmal der nationale Gesetzgeber in materieller Hinsicht auf die RegB in Tarifsachen einwirken könne, ein (auch mit politischer Macht verbundenes) Unternehmen hingegen schon. Wie der EuGH schon dargelegt habe, könne nur das Gegenteil richtig sein: weil bereits der nationale Gesetzgeber nicht auf die RegB in materieller Hinsicht einwirken dürfe, gelte dies umso mehr für die regulierten Unternehmen.
Gleichzeitig habe der EuGH im Urteil in der Rs. C-718/18 ab Rz. 118 auch klargestellt, dass die MS die Unabhängigkeit der RegB auch bei der Gestaltung der nationalen Verwaltungsverfahren zu beachten haben. Die Unabhängigkeit der RegB gehe somit dem Grundsatz der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie vor. Wenn hingegen das Ermessen – wie vom FNB ggst. vorgebracht – allein von ihm selbst wahrgenommen werden könnte, dann könnte sie diese autonome Zuständigkeit nicht wahrnehmen.
Im gegebenen Fall trete außerdem noch der Aspekt hinzu, dass der Beschluss zur Festlegung der ggst. FNB Methode sowie den Kosten unaufschiebbar waren, um unverzüglich den Beschluss der Novelle zu jener Verordnung, mit der die Entgelte für die Systemnutzung in der Gaswirtschaft (Gas-Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2013, GSNE-VO 2013) und mit der die Referenzpreismethode (RPM) und die Fernleitungsnetzentgelte 2025 bestimmt werden, am 31. Mai 2024 zu ermöglichen. Gemäß Art. 29 iVm 32 TAR NC waren nämlich diverse Informationen, darunter auch der anzuwendende Reservepreis und dessen Multiplikatoren spätestens 30 Tage vor der jährlichen Auktion für die Jahreskapazität 2025 (welche am 1. Juli
2024 eingeleitet wurde) zu veröffentlichen. Daher sei im gegebenen Fall somit auch Art. 41 Abs. 10 GBM-RL 2009 einschlägig. Gemäß der leg. cit. ist die RegB befugt, vorläufig geltende Fernleitungsnetztarife oder die entsprechenden Methoden festzulegen oder zu genehmigen, wenn sich die Festlegung der Tarife verzögern sollte. Damit war die RegB – unbeschadet des bisherigen Vorbringens – jedenfalls im gegebenen Fall zur amtswegigen Genehmigung der FNB-Methode und Feststellung der darauf basierenden Kosten und Mengen berechtigt (vgl. Bescheid, S. 14), da diese unmittelbar erforderlich für die zeitgerechte Veröffentlichung der Entgelte iSd Art. 32 Abs. 1 GBM-RL 2009 und der Art. 29 und 32 TAR NC war.
2. Argumentation des beschwerdeführenden FNB:
Der FNB wendet dagegen im Wesentlichen ein, dass das GWG 2011 in Bezug auf die Fernleitungsentgelte eine sog. „Methodengenehmigung“ vorsehe. Art 41 Abs 1 lit a RL 2009/73/EG sehe die Möglichkeiten vor, dass die Regulierungsbehörde die entsprechenden Methoden „festzulegen oder zu genehmigen“ hätte. Der nationale Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, dass der Fernleitungsnetzbetreiber die Tarifmethode zu bestimmen und bei der Regulierungsbehörde zur Genehmigung einzureichen habe (vgl. Beschwerde, Seiten 5 ff). Das Ermessen zur Bestimmung der Methoden bestünde zugunsten der FNB. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestünde entsprechend der nationalen Rechtslage ein Rechtsanspruch auf Genehmigungserteilung. Die Genehmigung durch die Behörde könne sich immer nur auf eine vom FNB eingereichte Methode beziehen. Vorstellbar sei lediglich, dass ein FNB keine oder keine genehmigungsfähige Methode einreichen würde, die Tarifmethode von Amts wegen festzulegen. Die amtswegige Genehmigung sei klar subsidiär zu einem Antrag des Netzbetreibers.
Die Entscheidung des EuGH in der Rs C-718/18 ändere daran nichts. Der EuGH habe nur entschieden, dass dem nationalen Gesetzgeber Grenzen gesetzt würden, die unionsrechtlichen Determinanten für die Bestimmung der Netztarife bzw. von deren Methoden näher zu konkretisieren; das den nationalen Regulierungsbehörden solcherart eingeräumte Ermessen dürfe durch den nationalen Gesetzgeber nicht näher determiniert werden. Daraus lasse sich nichts für eine Verlagerung von Ermessensspielräumen bei der Bestimmung der Tarifmethode iSd § 82 GWG 2011 vom FNB hin zur Regulierungsbehörde gewinnen. Eine unionsrechtswidrige Bindung an zusätzliche formale Vorgaben finde nicht statt, weil der Gesetzgeber die Ermächtigung des Art 41 Abs 1 lit a RL 2009/73/EG in Anspruch nehme, ein Genehmigungsmodell (auf Initiative des FNB) vorzunehmen; eine Bindung an inhaltliche Vorgaben finde nicht statt, weil das nationale Gesetz keine eigenen Kriterien für die Genehmigung vorsehe, sondern auf das Unionsrecht (Art 13 VO (EG) 715/2009) verweise.
III. Rechtlicher Rahmen:
Maßgebliche Bestimmungen des Unionsrechts
1. Die Erwägungsgründe der RICHTLINIE 2009/73/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. L 211/94 vom 14.8.2009, lauten auszugsweise:
„…
(30) Damit der Erdgasbinnenmarkt ordnungsgemäß funktionieren kann, müssen die Energieregulierungsbehörden Entscheidungen in allen relevanten Regulierungsangelegenheiten treffen können und völlig unabhängig von anderen öffentlichen oder privaten Interessen sein. Dies steht weder einer gerichtlichen Überprüfung, noch einer parlamentarischen Kontrolle nach dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten entgegen. Außerdem sollte die Zustimmung des nationalen Gesetzgebers zum Haushaltsplan der Regulierungsbehörde die Haushaltsautonomie nicht beeinträchtigen. Die Bestimmungen bezüglich der Autonomie bei der Ausführung des der Regulierungsbehörde zugewiesenen Haushalts sollten in den Rechtsrahmen der einzelstaatlichen Haushaltsvorschriften und -regeln aufgenommen werden. Die Bestimmungen über die Autonomie bei der Durchführung des der Regulierungsbehörde zugewiesenen Haushalts sollten in den Rechtsrahmen der einzelstaatlichen Haushaltsvorschriften und -regeln aufgenommen werden. Die Mitgliedstaaten tragen zur Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde von jeglicher Einflussnahme aus Politik oder Wirtschaft durch ein geeignetes Rotationsverfahren bei, sollten aber die Möglichkeit haben, der Verfügbarkeit personeller Ressourcen und der Größe des Gremiums gebührend Rechnung zu tragen.
(32) Die nationalen Regulierungsbehörden sollten die Möglichkeit haben, die Tarife oder die Tarifberechnungsmethoden auf der Grundlage eines Vorschlags des Fernleitungsnetzbetreibers, des oder der Verteilernetzbetreiber oder des Betreibers einer Flüssiggas-(LNG)-Anlage oder auf der Grundlage eines zwischen diesen Betreibern und den Netzbenutzern abgestimmten Vorschlags festzusetzen oder zu genehmigen. Dabei sollten die nationalen Regulierungsbehörden sicherstellen, dass die Tarife für die Fernleitung und Verteilung nichtdiskriminierend und kostenorientiert sind und die langfristig durch Nachfragesteuerung vermiedenen Netzgrenzkosten berücksichtigen.“
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der RICHTLINIE 2009/73/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl. L 211/94 vom 14.8.2009 idF der VO (EU) 2022/869 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 30. Mai 2022, lauten auszugsweise:
„Artikel 39
Benennung und Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden
(1) Jeder Mitgliedstaat benennt auf nationaler Ebene eine einzige nationale Regulierungsbehörde.
(2) Absatz 1 des vorliegenden Artikels lässt die Benennung anderer Regulierungsbehörden auf regionaler Ebene in den Mitgliedstaaten unberührt, sofern es für Vertretungszwecke und als Ansprechpartner auf Gemeinschaftsebene innerhalb des Regulierungsrates der Agentur gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 einen einzigen ranghohen Vertreter gibt.
(3) Abweichend von Absatz 1 des vorliegenden Artikels kann ein Mitgliedstaat Regulierungsbehörden für kleine Netze in einer geografisch eigenständigen Region benennen, deren Verbrauch im Jahr 2008 weniger als 3 % des gesamten Verbrauchs des Mitgliedstaats, zu dem sie gehört, betragen hat. Diese Ausnahmeregelung lässt die Benennung eines einzigen ranghohen Vertreters für Vertretungszwecke und als Ansprechpartner auf Gemeinschaftsebene innerhalb des Regulierungsrates der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 713/2009 unberührt.
(4) Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde und sorgen dafür, dass diese ihre Befugnisse unparteiisch und transparent ausübt. Hierzu stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Regulierungsbehörde bei der Wahrnehmung der ihr durch diese Richtlinie und zugehörige Rechtsvorschriften übertragenen Regulierungsaufgaben
a) rechtlich getrennt und funktional unabhängig von anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen ist,
b) und sicherstellt, dass ihr Personal und ihr Management
i) unabhängig von Marktinteressen handelt und
ii) bei der Wahrnehmung der Regulierungsaufgaben keine direkten Weisungen von Regierungsstellen oder anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen einholt oder entgegennimmt. Eine etwaige enge Zusammenarbeit mit anderen zuständigen nationalen Behörden oder allgemeine politische Leitlinien der Regierung, die nicht mit den Regulierungsaufgaben und -befugnissen nach Artikel 41 zusammenhängen, bleiben hiervon unberührt.
(5) Zur Wahrung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde stellen die Mitgliedstaaten insbesondere sicher,
a) dass die Regulierungsbehörde unabhängig von allen politischen Stellen selbständige Entscheidungen treffen kann und ihr jedes Jahr separate Haushaltsmittel zugewiesen werden, damit sie den zugewiesenen Haushalt eigenverantwortlich ausführen kann und über eine für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben angemessene personelle und finanzielle Ressourcenausstattung verfügt; und [..]
Artikel 41
Aufgaben und Befugnisse der Regulierungsbehörde
(1) Die Regulierungsbehörde hat folgende Aufgaben:
a) Sie ist dafür verantwortlich, anhand transparenter Kriterien die Fernleitungs- oder Verteilungstarife bzw. die entsprechenden Methoden festzulegen oder zu genehmigen.
b) Sie gewährleistet, dass Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber — gegebenenfalls auch Netzeigentümer — sowie Erdgasunternehmen ihren aus dieser Richtlinie und anderen einschlägigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften erwachsenden Verpflichtungen nachkommen, auch in Bezug auf Fragen grenzüberschreitender Natur.
[..]
(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Regulierungsbehörden mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet werden, die es ihnen ermöglichen, die in den Absätzen 1, 3 und 6 genannten Aufgaben effizient und rasch zu erfüllen. Hierzu muss die Regulierungsbehörde unter anderem über folgende Befugnisse verfügen: Zu diesem Zweck muss die Regulierungsbehörde unter anderem über folgende Befugnisse verfügen:
a) Erlass von Entscheidungen, die für Gasunternehmen bindend sind;
b) Durchführung von Untersuchungen zum Funktionieren der Erdgasmärkte und Entscheidung über und Verhängung von notwendigen und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Förderung eines wirksamen Wettbewerbs und zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Marktes. Die Regulierungsbehörde erhält gegebenenfalls auch die Befugnis zur Zusammenarbeit mit der nationalen Wettbewerbsbehörde und Finanzmarktregulierungsbehörden oder der Kommission bei der Durchführung einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung;
c) Anforderung der für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben maßgeblichen Informationen bei den Erdgasunternehmen, einschließlich Begründungen für Verweigerungen des Zugangs Dritter und sonstiger Informationen über Maßnahmen zur Stabilisierung der Netze;
d) Verhängung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen gegen Erdgasunternehmen, die ihren aus dieser Richtlinie oder allen einschlägigen rechtsverbindlichen Entscheidungen der Regulierungsbehörde oder der Agentur erwachsenden Verpflichtungen nicht nachkommen, oder Vorschlag an ein zuständiges Gericht, derartige Sanktionen zu verhängen. Dies schließt die Befugnis ein, bei Nichteinhaltung der jeweiligen Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie gegen den Fernleitungsnetzbetreiber bzw. das vertikal integrierte Unternehmen Sanktionen in Höhe von bis zu 10 % des Jahresumsatzes des Fernleitungsnetzbetreibers bzw. des vertikal integrierten Unternehmens zu verhängen oder vorzuschlagen, und
e) ausreichende Untersuchungsrechte und entsprechende Anweisungsbefugnisse mit Blick auf die Streitbeilegung gemäß den Absätzen 11 und 12.
[..]
(6) Den Regulierungsbehörden obliegt es, zumindest die Methoden zur Berechnung oder Festlegung folgender Bedingungen mit ausreichendem Vorlauf vor deren Inkrafttreten festzulegen oder zu genehmigen:
a) Anschluss und Zugang zu den nationalen Netzen, einschließlich Fernleitungs- und Verteilungstarife, und Bedingungen und Tarife für den Zugang zu LNG-Anlagen. Diese Tarife oder Methoden sind so zu gestalten, dass die notwendigen Investitionen in die Netze und LNG-Anlagen so vorgenommen werden können, dass die Lebensfähigkeit der Netze und LNG-Anlagen gewährleistet ist; [..]
(10) Die Regulierungsbehörden sind befugt, falls erforderlich von Betreibern von Fernleitungsnetzen, Speicheranlagen, LNG-Anlagen und Verteilernetzen zu verlangen, die in diesem Artikel genannten Bedingungen, einschließlich der Tarife, zu ändern, um sicherzustellen, dass sie angemessen sind und nichtdiskriminierend angewendet werden. Wird die Regelung für den Zugang zu Speicheranlagen gemäß Artikel 33 Absatz 3 festgelegt, so ist die Überprüfung der Tarife nicht Bestandteil dieser Aufgabe. Verzögert sich die Festlegung von Übertragungs- und Verteilungstarifen, sind die Regulierungsbehörden befugt, vorläufig geltende Übertragungs- und Verteilungstarife oder die entsprechenden Methoden festzulegen oder zu genehmigen und über geeignete Ausgleichsmaßnahmen zu entscheiden, falls die endgültigen Übertragungs- und Verteilungstarife oder Methoden von diesen vorläufigen Tarifen oder Methoden abweichen.“
3. Die maßgeblichen Bestimmungen der VERORDNUNG (EU) 2024/1789 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juni 2024 über die Binnenmärkte für erneuerbares Gas, Erdgas sowie Wasserstoff, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1227/2011, (EU) 2017/1938, (EU) 2019/942 und (EU) 2022/869 sowie des Beschlusses (EU) 2017/684 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 715/2009, ABl. L, 2024/1789 vom 15.7.2024 lauten wie folgt:
„Artikel 17
Entgelte für den Netzzugang
(1) Die von den Regulierungsbehörden gemäß Artikel 78 Absatz 7 der Richtlinie (EU) 2024/1788 genehmigten Netzentgelte oder Methoden zu ihrer Berechnung, die die Fernleitungsnetzbetreiber anwenden, sowie die gemäß Artikel 31 Absatz 1 der genannten Richtlinie veröffentlichten Netzentgelte müssen transparent sein, der Notwendigkeit der Netzintegrität und deren Verbesserung Rechnung tragen und die Ist-Kosten widerspiegeln, soweit diese Kosten denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen, transparent sind und gleichzeitig eine angemessene Investitionsrendite umfassen. Die Netzentgelte oder die Methoden zu ihrer Berechnung werden auf nichtdiskriminierende Weise angewandt.
Die Netzentgelte können auch mittels marktorientierter Verfahren wie Versteigerungen festgelegt werden, vorausgesetzt, dass diese Verfahren und die damit verbundenen Erlöse von der Regulierungsbehörde genehmigt werden.
Die Netzentgelte oder die Methoden zu ihrer Berechnung müssen den effizienten Erdgashandel und Wettbewerb erleichtern, während sie gleichzeitig Quersubventionen zwischen den Netznutzern vermeiden und Anreize für Investitionen und zur Aufrechterhaltung oder Herstellung der Interoperabilität der Fernleitungsnetze bieten.
Die Netzentgelte für die Netznutzer sind nichtdiskriminierend und werden pro Einspeisepunkt in das Fernleitungsnetz oder pro Ausspeisepunkt aus dem Fernleitungsnetz getrennt voneinander festgelegt. Kostenverteilungsmechanismen und Ratenfestlegungsmethoden bezüglich der Einspeise- und Ausspeisepunkte werden von den Regulierungsbehörden gebilligt. Die Regulierungsbehörden stellen sicher, dass keine Netzentgelte auf der Grundlage von Vertragspfaden berechnet werden.“
Maßgebliche Bestimmungen des nationalen Rechts
3. Die für das vorlegende Gericht im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Erdgaswirtschaft erlassen werden (Gaswirtschaftsgesetz 2011 – GWG 2011) kundgemacht durch BGBl. I Nr. 107/2011 i.d.F. BGBl. I Nr. 74/2024, lauten auszugsweise samt Überschriften:
„Feststellung der Kostenbasis
§ 69.(1) Die Regulierungsbehörde hat die Kosten, die Zielvorgaben und das Mengengerüst von Verteilernetzbetreibern von Amts wegen periodisch mit Bescheid festzustellen.
(2) Die Regulierungsbehörde hat die vom Fernleitungsnetzbetreiber gemäß § 82 eingereichten Methoden auf Antrag des Fernleitungsnetzbetreibers oder von Amts wegen periodisch mit Bescheid zu genehmigen. Die Genehmigung ist zu befristen.
(3) Der Wirtschaftskammer Österreich, der Landwirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund ist vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Regulierungsbehörde hat deren Vertretern Auskünfte zu geben und Einsicht in den Verfahrensakt zu gewähren. Wirtschaftlich sensible Informationen, von denen die Vertreter bei der Ausübung ihrer Einsichtsrechte Kenntnis erlangen, sind vertraulich zu behandeln. Die Wirtschaftskammer Österreich sowie die Bundesarbeitskammer können gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde gemäß Abs. 1 und 2 wegen Verletzung der in § 73 bis § 82 geregelten Vorgaben Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie in weiterer Folge gemäß Art. 133 B-VG Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben.
[..]
Kosten- und Mengenermittlung für Fernleitungsnetzbetreiber
§ 82. (1) Die Ermittlung der Tarife des Fernleitungsnetzbetreibers erfolgt auf Basis einer von der Regulierungsbehörde mit Bescheid zu genehmigenden Methode, die den Anforderungen des Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 zu entsprechen hat. Die der Berechnung der Tarife zugrundeliegenden Kosten und Mengengerüste sind in den Bescheid aufzunehmen. Dabei ist sicher zu stellen, dass für die Fernleitungsnetzbetreiber Anreize bestehen, die Effizienz zu steigern und notwendige Investitionen angemessen durchführen zu können. Die Behandlung von Erlösen aus marktorientierten Kapazitätsvergabeverfahren sind bei der Erstellung der Methode zu berücksichtigen. § 80 ist sinngemäß anzuwenden. Die Methode ist über Aufforderung der Regulierungsbehörde abzuändern oder neu zu erstellen. Die aus der genehmigten Methode resultierenden Tarife sind durch Verordnung der Regulierungsbehörde festzulegen und im Internet zu veröffentlichen.
(2) Das Mengengerüst ist auf Basis der vertraglich kommittierten Kapazitäten zu ermitteln und der maximalen technischen Kapazität gegenüberzustellen.
(3) Die durch Anwendung der Methode durch den Fernleitungsnetzbetreiber ermittelte Höhe der Kosten ist der Regulierungsbehörde nachzuweisen und durch die Vorlage sämtlicher Kalkulationsgrundlagen zu belegen. Das Mengengerüst ist nachzuweisen und durch die Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen. Die Höhe der Kosten und das Mengengerüst sind mit Bescheid zu genehmigen, wenn bei der Ermittlung der Kosten sowie des Mengengerüsts die Vorgaben der Methode eingehalten wurden. Die Regulierungsbehörde hat die Kosten neu festzusetzen, wenn der Fernleitungsnetzbetreiber bei der Ermittlung der Kosten die Vorgaben der Methode nicht eingehalten hat.
(4) Die Genehmigung hat jedenfalls durch Bescheid zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 und 2 erfüllt sind und die aus diesen Methoden resultierenden Tarife nicht wesentlich über dem Durchschnitt veröffentlichter Fernleitungstarife (Fernleitungsentgelte), die der Regulierungsbehörde gleichzeitig mit der zu genehmigenden Methode vorzulegen sind, für vergleichbare Transportleistungen auf vergleichbaren Leitungssystemen in der Europäischen Union liegen.“
IV. Erläuterungen zu den Fragen:
1. Zu den Fragen 1 bis 3
1.1 Hinsichtlich der Fragen 1 bis 3 ist grundsätzlich auf die zuvor in Kapitel II. ausführlich wiedergegeben Standpunkte der Streitparteien im ggst. Beschwerdeverfahren zu verweisen. Sowohl die Regulierungsbehörde als auch der beschwerdeführende FNB haben ihre Standpunkte, die das unionsrechtliche Spannungsfeld beleuchten, umfangreich dargetan, weshalb das vorlegende Gericht hierzu nichts weiter ergänzen könnte und aus diesem Grund auf eine eigene Erläuterung der Fragen 1 bis 3 verzichtet.
2. Zur Frage 4
2.1 Die vierte Frage ist für das gegenständliche sowie letztlich für alle verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde für den Strom- und Gastmarkt relevant, mit denen Fernleitungs- oder Verteilungstarife bzw. die entsprechenden Methoden festlegt oder genehmigt werden (Art. 41 Abs. 1 lit. a) und Abs. 6 lit. a) RL 2009/73/EG). Typisch für diese Verfahren vor der RegB sind umfangreiche Sachverhaltsermittlung zur Feststellung der Kostenbasis und des Mengengerüsts der Verteilernetzbetreiber auf deren Basis im Anschluss die Systemnutzungsentgelte berechnet und per Verordnung von der RegB festgesetzt werden.
2.2. Der RegB ist in Vollziehung dieser Aufgaben vollständig unabhängig und kommt ihr in diesem Zusammenhang wie bereits zu den Fragen 1 bis 3 thematisiert ein weites Regulierungsermessen zu, wie sich insb. auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Rs. C-718/18, Kommission/Deutschland ergibt. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil ab Rz. 118 auch klargestellt, dass die Mitgliedsstaaten die Unabhängigkeit der RegB auch bei der Gestaltung der nationalen Verwaltungsverfahren zu beachten haben. Für das vorlegende Gericht wirf dies eine Frage auf, wie eine Bestimmung des nationalen Verfahrensrechtes der Verwaltungsgerichte im Rechtsmittelverfahren gegen derartige Entscheidungen der RegB unionsrechtskonform auszulegen ist.
2.3. Das nationale Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, die iSd Art. 47 GRC sowohl Tatsachen- als auch Rechtsinstanz sind, enthält in § 28 Abs. 2 u. 4 VwGVG Sonderbestimmungen für Verfahren, in denen die bescheiderlassende Behörde Ermessensentscheidung zu treffen hatte. Ungeachtet der Frage, ob eine Ermessensentscheidung von der Behörde zu treffen war, verpflichtet diese Bestimmung in Zusammenhalt mit der (nicht zu derartigen regulierungsbehördlichen Verfahren ergangenen) Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshof als Höchstgericht das Verwaltungsgericht jedoch ebenso, im Wege eines Primats der Sachentscheidung in der Sache selbst, also reformatorisch über die Beschwerde des Rechtsmittelwerbers zu entscheiden und hierbei das der RegB zukommende Ermessen an dieser statt auszuüben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes tritt in diesem Fall an die Stelle der Entscheidung der RegB. Das Verwaltungsgericht kann von diesem Primat der Sachentscheidung grds. nur dann abgehen, wenn zwei kumulative Vorrausetzungen vorliegen:
der für die Entscheidung in der Sache selbst maßgebliche Sachverhalt seht noch nicht fest und ist qualifiziert ergänzungsbedürftig und
die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst ist nicht im Interesse der Raschheit oder der (erheblichen) Kostenersparnis gelegen.
In diesem Fall ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, die Entscheidung der RegB aufzuheben und das Verfahren zur Ergänzung hinsichtlich weiterer Sachverhaltsermittlungen an die RegB zur Erlassung einer neuen Entscheidung zurückzuverweisen.
2.4. Die letztgenannte Variante, nämlich jene eines ergänzungsbedürftigen Sachverhalts, der das Gericht zur Zurückverweisung der Ermessensentscheidung der RegB an diese berechtigt, liegt jedoch faktisch nie vor, da jene Rechtsprechung der nationalen Höchstgerichte 1 , die diese Bestimmung konkretisieren äußerst hohe Anforderungen an die „Mangelhaftigkeit“ der Sachverhaltsermittlung der Behörden stellen. So ist – auch bei regulierungsbehördlichen Ermessensentscheidungen – der dem Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt erst dann „qualifiziert mangelhaft“, wenn die Behörde überwiegend kaum oder gar keine Ermittlung getätigt hat bzw. nur „ansatzweise“ ermittelt hat. Eine Zurückverweisung des Verfahren an die RegB zum Erlass einer neuen Entscheidung wäre daher nur bei nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken zulässig. Im Rahme der hier ggst. Kosten- und Entgeltverfahren der RegB für den Strom- und Gasmarkt bei FNB und VNB kommt dies faktisch niemals vor, da die RegB letztlich immer umfangreich ermittelt.
2.5 Kommen nun im Beschwerdeverfahren vor dem vorlegenden Verwaltungsgericht bspw. weitere Sachverhaltselemente hervor, die in der Entscheidung der RegB keine Berücksichtigung finden konnten und hinsichtlich der Ausübung des Regulierungsermessens durch die RegB ebenso wenig berücksichtigt werden konnten, ist dennoch nach diesen Rechtssätzen das Verwaltungsgericht zur reformatorischen Entscheidung in der Sache selbst verpflichtet 2 , dies deshalb, da die Notwendigkeit zur bloßen Ergänzung der Sachverhalts keine Zurückverweisung rechtfertigt. Im Hinblick auf die in der zitierten Rechtsprechung des Gerichthofes ausdrücklich der Regulierungsbehörde garantierten Unabhängigkeit einschließlich ihres weitgehenden Regulierungsermessens stellt sich die Frage, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass das Verwaltungsgericht durch die (nationale) Pflicht zur Sachentscheidung, obwohl es von anderen Sachverhaltsprämissen ausgehen muss als die RegB, das dem Grunde nach Letzerer zustehendes Regulierungsermessen auszuüben hat und seine Entscheidung an die Stelle der Entscheidung der RegB tritt.
2.6. Auch im Fall der anderslautenden Beurteilung von Rechtsfragen ggü der Rechtsansicht der RegB ist das Verwaltungsgericht grds. zur Entscheidung in der Sache selbst verpflichtet, dies auch dann, wenn durch diese andere rechtliche Beurteilung zusätzliche und umfangreiche Sachverhaltsermittlungen notwendig werden. So führt bspw. eine andere Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes über die Anerkennungsfähigkeit von bestimmten Kosten eines Verteilernetzbetreibers als nicht vermeidbare Kosten in einem Rechtsmittelverfahren wie dem ggst. dazu, dass das umfangreiche Kostenermittlungen durchzuführen wären und die dann vom Verwaltungsgericht an Stelle der RegB zu treffende Entscheidung wiederum von völlig anderen Sachverhaltsprämissen ausgeht, als jene der RegB selbst. Das Verwaltungsgericht hätte aufgrund des Primats der Sachentscheidung diesfalls auf Basis der neuen Sachverhaltsprämissen auch anstatt der RegB das Regulierungsermessen auszuüben. Auch hier stellt sich die Frage, ob dies mit der unionsrechtlich determinierten Unabhängigkeit der RegB insb. im Hinblick auf das ihr zukommende Regulierungsermessen vereinbar ist.
2.7. Mit der Frage 4 möchte das vorlegende Verwaltungsgericht daher wissen, ob im skizzierten Fall, dass es eine Entscheidung der RegB für den Strom- und Gasmarkt zu überprüfen hat, bei der der RegB weitreichende unionsrechtlich determinierte Unabhängigkeit im Rahmen der Ausübung des Regulierungsermessens zukommt, in unionsrechtskonformer Interpretation des nationalen Verfahrensrechts der Verwaltungsgerichte lediglich eine aufhebende und zurückverweisende Entscheidung treffen kann, wenn es von anderen Sachverhaltsprämissen ausgeht als jene, die der Entscheidung der RegB zu Grunde lagen.
Konkret hätte dies zur Folge, dass das Verwaltungsgericht diesfalls in jenen Fällen, in denen der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt (gleich in welchem Umfang oder aus welchem Grund auch immer) nicht entscheidungsreif feststeht, nur eine kassatorische Entscheidung i.S.e. Zurückverweisung samt Pflicht der RegB zur Erlassung einer neuen Entscheidung in Bindung an die vom Verwaltungsgericht als maßgeblich erachteten Sachverhaltsprämissen bzw. in Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, treffen kann. Diesfalls wäre sichergestellt, dass die RegB jedenfalls basierend auf den vom Verwaltungsgericht (nunmehr) als maßgeblich erachteten Sachverhaltsprämissen bzw. Rechtsansicht, ihr Regulierungsermessen im Rahmen der neuen Entscheidung ausüben kann.