JudikaturBVwG

I421 2316641-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
04. September 2025

Spruch

I421 2316641-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter:innen Dr. Karolina HOLAUS und Florian GUGGENBICHLER als Beisitzer:innen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner, Dr. Martin Dellasega Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 23.05.2025 betreffend den Antrag auf Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG von XXXX , ABB-Nr: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Ein türkischer Staatsangehöriger (im Folgenden: Beschwerdeführer) stellte am 08.04.2025 einlangend bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte für sonstige Schlüsselkräfte“. Diesem Antrag wurden eine Arbeitgebererklärung vom 16.03.2025, eine Passkopie, zwei „Bildungszertifikate“ und ein „Diplomzeugnis“ eines türkischen Gymnasiums beigelegt. Der Antrag samt Anlagen wurde von der Bezirkshauptmannschaft an die örtlich zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: belangte Behörde) zum Zweck der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 12b Z 1 AuslBG weitergeleitet.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 23.05.2025 wurde dieser Antrag nach Anhörung des Regionalbeirates gemäß § 12b Z 1 AuslBG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass statt der erforderlichen Mindestpunktzahl von 55 nur 23 Punkte gemäß der Anlage C angerechnet werden könnten.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24.06.2025 fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass ihm auch für das Kriterium „Qualifikation“ als auch „Sprachkenntnisse – Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2)“ Punkte gebühren würden. Mit der Beschwerde wurde u.a. ein ÖSD Zertifikat A2 vom 20.05.2025 vorgelegt.

Mit Beschwerdevorlage vom 23.07.2025 wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und seitens der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass Abschlusszeugnisse türkischer Mittelschulen (Lise) – wie vom Beschwerdeführer vorgelegt – erst in Verbindung mit einer türkischen interuniversitären Hochschulaufnahmeprüfung eine Zugangsberechtigung zum Universitätsstudium darstellen würden und dem Beschwerdeführer daher in dieser Kategorie keine Punkte zu gewähren gewesen seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und im Entscheidungszeitpunkt 24 Jahre alt.

Er stellte am 08.04.2025 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte für sonstige Schlüsselkräfte“ gemäß § 12b Z 1 AuslBG, wobei er bei der E. GmbH als Produktionsmitarbeiter in der Verpackung, Produktion und Erzeugung von Brotwaren bei einer Entlohnung von EUR 3.244,15 pro Monat und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt werden sollte.

Der Beschwerdeführer hat in der Türkei vier Jahre lang das XXXX -Gymnasium in XXXX besucht und seine Ausbildung im Schuljahr 2018/19 erfolgreich abgeschlossen. Ein Nachweis über eine absolvierte türkische interuniversitäre Hochschulaufnahmeprüfung wurde nicht erbracht.

Weiters hat er in der Türkei einen Kurs „Lebensmittelsicherheit“ im Ausmaß von 120 Stunden sowie „Bäckerhandwerksausbildung (Backwarenherstellung)“ im Ausmaß von 1136 Stunden absolviert.

Der Beschwerdeführer war in Österreich von 26.03.2021 bis 19.05.2021 als Arbeiter bei B. S. sowie von 26.07.2022 bis 28.02.2023, 13.07.2023 bis 14.03.2024 und 11.06.2024 bis 21.05.2025 bei der E. GmbH als Arbeiter im Bereich Herstellung von Brot- und Backwaren beschäftigt.

Er verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in die seitens der belangten Behörde erstatteten Stellungnahme im Rahmen der Beschwerdevorlage sowie in die seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Beweismittel.

Ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt wurde eine aktuelle Auskunft aus dem Dachverband der österreichischen Sozialversicherung (AJ-WEB) eingeholt.

Aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie seines türkischen Reisepasses ergibt sich sowohl seine Staatsangehörigkeit als auch sein Alter.

Der am 08.04.2025 eingelangte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte für sonstige Schlüsselkräfte“ liegt im Verwaltungsakt ein. Der beigeschlossenen Arbeitgebererklärung vom 16.03.2025 lassen sich die Feststellungen zur angestrebten Tätigkeit, Entlohnung und wöchentlichen Arbeitszeit entnehmen.

Die Zeugnisse bzw. Zertifikate des Beschwerdeführers liegen in Kopie sowie in deutscher Übersetzung im Verwaltungsakt auf. Einen Nachweis über eine allfällig von ihm absolvierte türkische Hochschulaufnahmeprüfung hat er im Verfahren nicht erbracht. Im verfahrenseinleitenden Antrag (S 6) wurden neben der Frage „Dürfen Sie mit diesem Abschluss an einer Universität oder Hochschule studieren?“ die Kästchen „Ja“ und „Nein“ angekreuzt, sodass offenbar der Beschwerdeführer selbst nicht (zweifelsfrei) davon ausgeht, Universitätsreife zu haben.

Die vom Beschwerdeführer in Österreich ausgeübten Erwerbstätigkeiten beruhen auf der vom Bundesverwaltungsgericht amtswegig eingeholten Auskunft aus dem AJ-WEB.

Mit der Beschwerde wurde ein „ÖSD Zertifikat“ vom 20.05.2025 vorgelegt, welches Deutsch-Kenntnisse des Beschwerdeführers auf dem Niveau A2 belegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören. Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei fachkundigen Laienrichter:innen und einem Berufsrichter zu entscheiden.

Zu A)

Der mit „Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen“ titulierte § 12b AuslBG lautet in seinen wesentlichen Auszügen wie folgt:

„§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie

1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder

2. […]“

Die in der Anlage C angeführten Kriterien stellen sich dar wie folgt:

Anlage C

Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1

Gegenständlich ist strittig, ob der Beschwerdeführer die in § 12b Z 1 AuslBG normierten Kriterien zur Erlangung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Schlüsselarbeitskraft erfüllt und die dafür erforderliche Mindestpunkteanzahl erreicht.

Diesbezüglich ist auszuführen wie folgt:

In Hinblick auf das Alter des Beschwerdeführers unter 30 Jahren sind ihm 15 Punkte anzurechnen.

Mit der Beschwerde legte er ein ÖSD-Zertifikat Niveau A2, datiert mit 20.05.2025, vor, weshalb für „Sprachkenntnisse - Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2)“ 10 Punkte vergeben werden.

Weiters war der Beschwerdeführer in Österreich zusammengerechnet knapp über zwei Jahre berufstätig, sodass ihm 8 Punkte für „ausbildungsadäquate Berufserfahrung – Berufserfahrung in Österreich (pro Halbjahr)“ anerkennt werden.

Damit erreicht der Beschwerdeführer 33 von 55 erforderlichen Punkten. Weitere Punkte sind ihm nicht anzurechnen.

Hinsichtlich seines vorgelegten Abschluss-Zeugnisses eines türkischen Gymnasiums ist den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Stellungnahme vom 23.07.2025 beizutreten, dass ein Abschlusszeugnis einer türkischen Sekundarschule (Lise) nicht allein zur Zulassung zu einer österreichischen Universität berechtigt, sondern in der Türkei zusätzlich eine gesamtstaatliche Hochschulzugangsprüfung verlangt wird. Dies bestätigt die ENIC NARIC AUSTRIA, eine Einrichtung innerhalb des Bundesministeriums für Frauen, Wissenschaft und Forschung, welche das österreichische Zentrum des internationalen ENIC (European Network of Information Centres)- und NARIC (National Academic Recognition Information Centres)-Netzwerks darstellt, in ihrem Dokument „Türkei, Zulassung zum Studium in Österreich mit türkischen Sekundarschulabschlüssen (Zulassungsempfehlung Türkei)“ vom November 2023 (https://oead.at/fileadmin/Dokumente/oead.at/OeAD_Hauptmenueseiten/Studieren_Forschen_Lehren/ENIC_NARIC_PDFs/Tuerkei__Zulassung.pdf, aufgerufen am 22.08.2025, sowie „Empfehlung zur Beurteilung des Hochschulzugangs mit ausländischen Qualifikationen“ vom März 2025 (https://oead.at/fileadmin/Dokumente/oead.at/OeAD_Hauptmenueseiten/Studieren_Forschen_Lehren/ENIC_NARIC_PDFs/Auslaendische_Qualifikationen__Hochschulzugang.pdf, aufgerufen am 22.08.2025).

Einen Nachweis über eine derartige, allenfalls von ihm absolvierte Hochschulzugangsprüfung hat der Beschwerdeführer nicht erbracht und können ihm daher – lediglich aufgrund des vorgelegten Sekundarschulzeugnisses – keine Punkte hinsichtlich des Kriteriums „Qualifikation allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120“ angerechnet werden.

Der Beschwerdeführer erreicht damit die in Anlage C angeführte erforderliche Mindestpunkteanzahl nicht.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die in § 12b Z 1 AuslBG enthaltenen Tatbestandselemente "Mindestpunktezahl" und "Mindestbruttoentgelt" kumulativ erfüllt sein müssen und zwingende Voraussetzungen für die Zulassung als Schlüsselkraft sind (vgl. VwGH 26.01.2012, 2011/09/0207). Da schon das Tatbestandselement „Mindestpunktezahl“ im gegenständlichen Fall vom Beschwerdeführer nicht erfüllt wird, kann eine Auseinandersetzung damit, ob die von der E. GmbH gebotene Entlohnung von monatlich EUR 3.244,15 (zumal die in der Arbeitgebererklärung vorgegebene Wortfolge „ohne Zulage“ händisch durchgestrichen wurde) den in §12b Z 1 AuslBG iVm § 108 Abs. 3 ASVG normierten Erfordernissen entspricht.

Die Beschwerde war daher im Ergebnis spruchgemäß abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Der tatsächlich entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unstrittig. In der gegenständlichen Entscheidung war nur über eine Rechtsfrage abzusprechen. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt näher zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.