Spruch
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX ., StA. von Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2025, Zl. XXXX beschlossen:
A)Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und das Verfahren zurückverwiesen.
B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
Die BF, eine volljährige Staatsangehörige von Syrien, hat ihr Heimatland gemeinsam mit Verwandten bereits im Jahr 2017 verlassen und sich fortan bis zum Jahr 2024 in der Türkei aufgehalten. Spätestens am 15.10.2024 reiste die BF von der Türkei nach Griechenland ein, wo sie sich in der Folge etwa 5 Monate aufgehielt. In Griechenland hat die BF am 17.10.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, bevor sie sich letztlich am 09.03.2025 nach Österreich begeben hat, wo sie am 11.03.2025 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Zur Person der BF liegen Eurodac-Treffermeldungen für Griechenland vom 15.10.2024 und 17.10.2024 wegen erkennungsdienstlicher Behandlung und Asylantragsstellung vor.
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Zuge ihrer Erstbefragung bei der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 11.03.2025 gab die BF an, dass ihr Vater und eine Schwester nach wie vor in Syrien leben würden; ihre Mutter und ein Bruder befänden sich in der BRD. In Österreich habe sie ihren Ehegatten XXXX . In Griechenland seien ihr die Fingerabdrücke abgenommen worden, sie habe dort aber keinen Asylantrag gestellt. Sie habe auch in keinem anderen Land um Asyl angesucht. Sie wolle nicht nach Griechenland zurückkehren, sondern hier in Österreich verbleiben.
Im Zuge eines Informationsersuchens des BFA vom 03.04.2025 an Griechenland gemäß Art. 34 Dublin III-VO teilte Griechenland in der Folge mit Schreiben vom 08.05.2025 mit, dass der BF mit Entscheidung vom 26.11.2024 in Griechenland der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei. Die BF seit im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gültig bis 25.11.2027, zudem sei sie im Besitz eines Reisedokumentes gültig bis 09.12.2029.
Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 26.05.20254 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte die BF im Wesentlichen vor, dass sie am Handy eine Übersetzung einer Heiratsurkunde aus Syrien habe. Sie sei seit Juni 2022 standesamtlich mit ihrem Ehegatten verheiratet, sie habe keine Kinder und sei auch nicht schwanger. Sie habe 2 bis 3 Jahre lang die Schule besucht, sie habe noch nie gearbeitet. Ihr Ehegatte sei ihr Cousin. Sie befänden sich seit 6 oder 7 Jahren in einer Liebesbeziehung, im Juni 2022 hätten sie in der Türkei zusammen gelebt, ihr Ehegatte sei dann Ende 2022 nach Europa gereist. Seitdem sie sich in Österreich befinde, lebe sie auch mit ihrem Ehegatten zusammen. Befragt nach einer finanziellen oder sonstigen Abhängigkeit gab die BF an, dass ihr Ehegatte „alles bezahle“, Essen, Gewand, die Wohnung, ihr Mann arbeite in Österreich. Befragt nach sonstigen Verwandten gab sie an, dass sie solche nicht im Bundesgebiet habe, ihre Mutter und ein Bruder würden in Deutschland leben. In Griechenland habe sie keine Verwandten mehr. In Griechenland habe sie sich 5 Monate lang aufgehalten, sie sei mit ihrer Familie (Mutter, Bruder inklusive dessen Familie) in Griechenland zusammen gewesen, wo sie in einem kleinen Haus gewohnt hätten. Sie seien dann gemeinsam weitergereist. Sie habe sich nach Österreich begeben und der Rest dieser Familie sei nach Deutschland gefahren. Das Leben in Griechenland habe sie finanziert, indem ihre Familie für sie gesorgt habe und manchmal auch ihr Ehegatte Geld überwiesen habe. Nach Vorhalt, dass sie in Griechenland Asyl erhalten habe, gebe sie an, dass sie nicht nach Griechenland zurückkehren könne, weil ihr Mann in Österreich lebe - ihr ganzes Leben sei von ihm abhängig. Unterlagen über Griechenland wolle sie nicht ausgehändigt bekommen; sie wolle auch keine Stellungnahme dazu abgeben.
Mit Bescheid vom 04.07.2025 wies das BFA den Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 idgF als unzulässig zurück und sprach aus, dass sich die BF nach Griechenland zurück zu begeben hätte (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt II.), gegen die BF die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge ihre Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.).
In seiner Begründung legte das BFA seiner Entscheidung Feststellungen zur allgemeinen Lage von Schutzberechtigten in Griechenland zugrunde, die vom Jänner 2023 (!) stammen.
Ein Eingehen auf die aktuelle Lage von Schutzberechtigten in Griechenland, wie sie für das BFA in Form einer aktualisierten Länderinformation von Dezember 2024 seit Monaten verfügbar ist, ist damit in keinster Weise erfolgt.
Gegen diesen am 09.07.2025 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher die BF im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen zum Aufenthalt ihres Ehegatten in Österreich wiederholte, allgemeine Kritik am griechischen Versorgungssystem für Schutzberechtigte geltend machte, und zudem monierte, dass die von der Behörde herangezogenen Länderfeststellungen unvollständig seien.
Mit Vorlagebericht vom 17.07.2025 wurden seitens des BFA der Verwaltungsakt und die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.
Zudem wird festgestellt, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung völlig veraltete Länderfeststellungen betreffend die Allgemeinsituation von Schutzberechtigten in Griechenland zugrundegelegt hat, sodass sowohl eine erstinstanzliche als auch eine nachprüfende Beurteilung, ob die BF im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland in ihren Rechten gemäß Art. 3 EMRK verletzt werden könnte, aufgrund des völlig mangelhaften Sachverhaltes nicht erfolgen konnte und kann.
Im angefochtenen Bescheid führte das BFA - vor dem Hintergrund dieser veralteten Länderfeststellungen - im Wesentlichen aus, dass die BF in Griechenland als Flüchtling anerkannt worden sei und kein Grund bestehe, daran zu zweifeln, dass Griechenland seine sich aus der GFK und der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen nicht erfülle. Es sei daher davon auszugehen, dass die BF dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zur Asylantragstellung der BF und deren Schutzstatus in Griechenland ergeben sich aus dem Akt des BFA, insbesondere aus der griechischen Mitteilung über deren Schutzstatus.
Die Feststellung, dass dem angefochtenen Bescheid Länderfeststellungen zugrundegelegt worden sind, die bereits über 2½ Jahre alt und damit nicht mehr aktuell sind, was insofern in keinster Weise nachvollzogen werden kann, da notorisch ist, dass es mittlerweile aktualisierte Länderinformationen zu Griechenland vom Stand Dezember 2024 gibt, die selbstverständlich beim BFA verfügbar sind und auch regelmäßig seit Monaten seitens des BFA verwendet werden, ergibt sich aus dem im Akt befindlichen angefochtenen Bescheid, konkret Aktenseiten 128 bis 140, der einen Beurteilungsstand vom 16.01.2023 ausweist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
Gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Bei § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG handelt es sich um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen einen im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Mit einer solchen Entscheidung geht die Rechtsfolge der Zulassung des Asylverfahrens einher und diese Sonderbestimmung gelangt für sämtliche Beschwerden im Zulassungsverfahren zur Anwendung (vgl. VwGH 08.07.2021, Ra 2021/20/0074).
Es entspricht jahrelanger Judikatur der Höchstgerichte, dass Asylbehörden verpflichtet sind, ihren Entscheidungen aktuelle Länderinformationen zugrundezulegen, um die individuelle Situation von Asylwerbern vor den aktuellen Gegebenheiten im betrachteten Zielstaat zu beleuchten.
Aufgrund der in casu eklatant mangelhaften Sachverhaltsgrundlage - obwohl aktuelle Länderinformationen beim BFA verfügbar sind und regelmäßig verwendet werden (!) – kann im gegenständlichen Fall sohin nicht abschließend beurteilt werden, ob im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Griechenland die reale Gefahr einer Verletzung ihrer gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte bestünde.
Im fortgesetzten Verfahren bedarf es daher einer Abklärung zum aktuell bestehenden Angebot an Programmen, die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte anbieten, und zu deren Umfang (siehe dazu auch VfGH 25.06.2021, E 599/2021, Rz 21), sowie insbesondere zum Vorhandensein von griechischen Hilfsorganisationen, wozu das BFA die aktuellsten Länderinformationen betreffend Griechenland, jedenfalls aber solche, die ab Dezember 2024 Gültigkeit haben, ins Verfahren wird einfließen lassen müssen.
Der vorliegende Sachverhalt erweist sich damit als im Sinne des § 21 Abs. 3, zweiter Satz BFA-VG als derart mangelhaft, dass grundlegende ergänzende Ermittlungen und damit einhergehend eine mündliche Verhandlung notwendig erschienen, sodass eine Zurückverweisung im Sinne dieser Bestimmung zu erfolgen hatte.
Gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden
Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In casu liegt die Entscheidung allein in der Bewertung, ob der im Aufnahmestaat schutzberechtigte BF dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat und nicht in seinen Rechten gem. Art 3 und 8 EMRK bedroht ist.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben.