Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2024, Zl. 1366638702/231681418, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.04.2025, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 28.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am darauffolgenden Tag durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt an, er habe im Parlament als Kellner gearbeitet. Nachdem ihn sein Chef gekündigt hätte, sei er von Al Shabaab bedroht worden. Al Shabaab habe seine Mutter getötet. Aus diesen Gründen habe er Somalia verlassen. Bei seiner Rückkehr habe er Angst um sein Leben.
3. Am 04.09.2023 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) ein Informationsersuchen nach Artikel 34 der Dublin III-Verordnung an die griechischen Behörden, woraufhin am 14.09.2023 eine Antwort einlangte. Darin wurde bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer am 21.06.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, dessen Erledigung noch ausständig sei.
4. Am 19.12.2023 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:
„[…]
LA: Sie haben nunmehr die Möglichkeit, die Gründe für die Flucht aus Ihrem Heimatland darzulegen. Bitte schildern Sie möglichst lebensnahe, also konkret und mit sämtlichen Details, sodass auch unbeteiligte Personen Ihre Darstellung nachvollziehen können, aus welchem Grund Sie aus Ihrem Heimatland weggegangen sind?
VP: Ich habe sehr lang für das Parlament und für den Präsidenten des Parlamentes als Bediener gearbeitet. Einmal wöchentlich durfte ich meine Familie besuchen. Ansonsten war ich vor Ort und habe dort auch übernachtet. Im Jahr 2022 wurden neue Parlamentsmitglieder und ein neuer Präsident gewählt. Ich war zwar nach wie vor Angestellter, hatte aber keine Tätigkeit und keine Entlohnung. Meine Entlohnung haben andere bekommen. Die Al Shabaab hat mich telefonisch mit dem Tod bedroht und mir 20 USD Gutschrift zugeschickt. In dem Text stand, dass ich mir ein Leichentuch besorgen soll. Ich habe Angst bekommen und bin nicht mehr nach Hause, sondern zu meinem Bruder nach XXXX gegangen. XXXX liegt zwischen dem Bezirk XXXX . In dieser Zeit haben die Al Shabaab meine Mutter zu Hause getötet, weil sie mich nicht vor Ort angetroffen haben. Meine Mutter hat versucht, diese Al Shabaab Männer beim Eindringen ins Haus zu verhindern und hat sie festgehalten. Dann haben sie auf meine Mutter geschossen und sie getötet. Meine Mutter ist zu Boden gestürzt und gestorben. Die Al Shabaab Männer gingen ins Haus. Meine Kinder waren schockiert und weinten laut. Es war am Abend, als ich von zu Hause angerufen wurde. Mein Bruder, der als Berufssoldat tätig ist, hat mir geraten, nicht sofort wegzugehen. Er hat mir vorgeschlagen, mit mir am nächsten Tag dorthin zu fahren. Am nächsten Tag sind wir gemeinsam mit anderen Soldaten der Regierung zu meinem Wohnsitz gefahren. Dort haben wir die Leiche meiner Mutter vorgefunden. Wir haben sie gewaschen und beerdigt. Danach habe ich meine Frau, meine Kinder sowie meinen Vater nach XXXX gebracht. Ich habe dann für mich beschlossen, aus Somalia zu flüchten, weil ich Angst hatte, von der Al Shabaab getötet zu werden. Ich habe selbst lang in Angst gelebt. Ich wollte das nicht mehr und habe für mich beschlossen, mich in ein sicheres und friedliches Land zu begeben und in weiterer Folge auch meine Familie in Sicherheit bringen. Aktuell geht es mir nicht gut, wenn ich an meine Frau und meine Kinder denke. Sie leben unter schwersten Bedingungen, sie verhungern gerade, weil nur meine Frau am Markt Gemüse verkauft und sie alleine nicht die Kinder genug versorgen kann.
[…]
LA: Wie haben Sie diesen Job als Bediener für den Parlamentspräsidenten erhalten?
VP: Mein Bruder, der als Berufssoldat tätig war, war einer der Bewacher des Parlamentspräsidenten. Weil mein Bruder wusste, dass ich als Bediener in einem Gasthaus arbeitete, hatte er bei Gelegenheit bei dem Präsidenten nachgefragt, ob ich dort als Bediener arbeiten darf. So habe ich diese Stelle bekommen.
Nachgefragt, das war der Präsident XXXX .
LA: Wie kam es dazu, dass Sie keine Entlohnung mehr erhielten?
VP: Es ist so, wenn ein neuer Parlamentspräsident kommt, hat er auch seine eigenen Leute, die er mitbringt. Auch Wachbeamte wurden ausgetauscht. Ich ging weiter hin als Bediensteter, erhielt aber keine Entlohnung und durfte auch nicht arbeiten. Ich durfte nicht einmal ins Haus kommen, weil neue Mitarbeiter angestellt waren. Zu Hause konnte ich auch nicht sein, weil ich Angst hatte, dass ich dort getötet werde.
LA: Seit wann erhielten Sie keine Entlohnung mehr?
VP: Seit Juli 2022.
LA: Wann war Ihr letzter Arbeitstag im Parlament?
VP: Im Juni 2022.
LA: Was macht Ihr Bruder nun beruflich?
VP: Er ist jetzt als Zwei-Stern Militärbediensteter und Vorgesetzter einer Soldatengruppe. Er gibt jetzt Uniformen aus und arbeitet in Villa Baydhabo in der Nähe vom Krankenhaus Medina. Dort ist eine Militärstation.
LA: Warum haben Sie sich keinen neuen Job in Somalia gesucht?
VP: Für mich gab es keine Stelle, auch wurden in meiner Zeit, wo ich arbeitslos geworden bin, keine neue Soldaten aufgenommen.
LA: Sie haben gesagt, dass Sie früher in einer Gaststätte gearbeitet haben. Warum haben Sie keinen Versuch mehr unternommen, um irgendwo eine Stelle zu bekommen?
VP: Das wäre nicht mehr möglich, weil ich als ehemaliger Regierungsmitarbeiter mich nicht mehr frei bewegen kann und nicht mehr in einer normalen Gaststätte arbeiten kann. Jeder, der einmal mit der Regierung zu tun hatte, ist nie wieder frei, er wird immer in Gefahr leben.
LA: Erzählen Sie mir von der 20 USD Gutschrift, die Sie erhalten haben.
VP: Mit dieser Gutschrift sollte ich mir ein Leichentuch besorgen. Das war im September 2022. Zu dieser Zeit wurde auch meine Mutter getötet.
LA: Wie haben Sie dieses Geld erhalten?
VP: Auf meinem Mobiltelefon mittels EVC plus.
LA: Wie bekamen Sie diese Nachricht, dass Sie ein Leichentuch besorgen sollten?
VP: Nach dem Erhalt der Gutschrift erhielt ich einen Anruf, dass ich innerhalb der nächsten 24 Stunden tot sein werde, weil sie mich töten werden, und ich soll mir mit der Gutschrift, die ich als SMS Nachricht erhalten habe, ein Leichentuch kaufen.
LA: Wann erhielten Sie den Anruf, von dem Sie soeben gesprochen haben?
VP: Nachdem ich das Geld bekommen habe, haben sie mich angerufen und mir gesagt, dass ich in den nächsten Stunden getötet werde. Innerhalb dieser 24 Stunden haben sie meine Mutter zu Hause getötet.
Nachgefragt, das war am 07.09.2022.
LA: Wieso können Sie dieses Datum so konkret nennen?
VP: Ich glaube, dass es am 07. war, an diesem Tag haben sie meine Mutter getötet. An diesem Tag war ich wirklich sehr traurig.
LA: Wer hat sie angerufen?
VP: Die XXXX .
Anmerkung: Die XXXX sind Fahnder der Al Shabaab.
LA: Woher wussten Sie, dass Sie von den XXXX angerufen wurden?
VP: Weil diese XXXX keine Angst haben und sie persönlich das am Telefon sagen, dass sie XXXX Angehörige sind. Diese XXXX haben mich früher auch angerufen und gewarnt. Sie haben mir gesagt, dass ich mit meiner Tätigkeit aufhören soll.
LA: Sie haben bis jetzt nicht erwähnt, dass Sie schon zuvor einmal von den XXXX angerufen wurden.
VP: Sie haben mich angerufen, aber ich habe davon nichts gesagt.
LA: Wie haben Sie reagiert, als sie von denen mit dem Tod bedroht wurden?
VP: Ich habe wirklich Angst bekommen, als sie mich mit dem Tod bedroht haben. Das war ja auch der Grund, warum ich nicht nach Hause, sondern zu meinem Bruder gegangen bin. Diese Leute haben oft ihre Drohungen wahr gemacht.
LA: Was haben Sie dem Anrufer geantwortet, als Sie mit dem Tod bedroht wurden?
VP: Ich sagte, der Gott kann nur entscheiden, wenn ich sterbe und ich werde nur von Gott bestimmter Seite sterben.
LA: Wie ging es in dem Telefongespräch weiter?
VP: Er drohte und sagte, ich werde sehen und legte auf.
LA: Was haben Sie dann gemacht?
VP: Ich bin zu meinem Bruder gefahren.
LA: Wie viel Zeit verging zwischen dem Anruf und als Sie zu Ihrem Bruder gegangen sind?
VP: Es war gegen Mittag und ich bin nach dem Telefonat zu meinem Bruder gefahren, der auch von seiner Arbeit zurückkam. Er sagte mir, dass ich zu Hause bleiben soll, wenn ich bedroht bin.
LA: Wie lange dauerte die Fahrt bis zu Ihrem Bruder?
VP: Ca. 15 Minuten mit dem Tuk-Tuk.
LA: Wer war sonst noch anwesend, als Ihre Mutter von den Al Shabaab Männern zu Hause aufgesucht wurde?
VP: Meine Mutter, meine Frau und meine Kinder. Mein Vater war nicht zu Hause.
Nachgefragt, mein Vater war zu dieser Zeit in der Moschee, um am Ischa-Gebet teilzunehmen.
LA: Was ist jetzt mit Ihrem zu Hause im Medina in der Ortschaft XXXX ?
VP: Wir konnten es uns nicht mehr leisten und die Miete weiter bezahlen, deswegen habe ich meine Familie nach XXXX gebracht.
LA: Unter welchen Umständen wohnen nun Ihre Frau, Ihre Kinder und Ihr Vater in XXXX ?
VP: In einer Baracke.
LA: Seit dem Ableben Ihrer Mutter haben Sie je etwas von den Mitgliedern der Al Shabaab gehört?
VP: Ich habe damals mein Mobiltelefon abgelegt und habe angefangen meine Ausreise aus Somalia zu organisieren. Wenn ich mich noch länger in Somalia aufgehalten hätte, wäre ich heute tot.
LA: Erklären Sie mir, warum Sie am nächsten Tag nach dem Tod Ihrer Mutter wieder nach Hause zurückgekehrt sind?
VP: Weil ich in Begleitung der Soldaten der Regierung sowie mein Bruder dabei war und weil wir die Leiche meiner Mutter beerdigen wollten.
LA: Warum sind Sie nicht bei Ihrem Bruder in Afisone geblieben?
VP: Es dürfen keine Leute, die nicht Militärangehörige sind, in der Station bleiben, nur Militärangehörige dürfen dort bleiben.
LA: Was befürchten Sie im Fall einer etwaigen Rückkehr nach Somalia?
VP: Dass ich getötet werde.
[…]“
5. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
6. Gegen Spruchpunkt I. des obengenannten Bescheides der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 21.03.2024, in welcher der Beschwerdeführer vorbrachte, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft sei und traf in der Beschwerde näher dargestellte Ausführungen. Er warf der belangten Behörde vor, wichtige Ermittlungsschritte unterlassen und die Fluchtgründe des Beschwerdeführers sowie die entsprechenden Länderinformationen teilweise außer Acht gelassen zu haben. Die belangte Behörde verkenne zudem die Asylrelevanz der Zivilpersonen, denen eine Nähe zur Regierung vorgeworfen werde sowie jene der Al Shabaab vollkommen entgegengesetzten politisch-weltanschaulichen Gesinnung.
7. Am 10.04.2025 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Gründen für die Ausreise aus Somalia, seinen Rückkehrbefürchtungen und seinem Leben in Somalia befragt wurde.
8. In der Stellungnahme vom 15.04.2025 verwies der Beschwerdeführer insbesondere auf die aktuelle LIB, wonach es den somalischen Streitkräften weder gelungen sei, die Gebiete zu halten, noch Al Shabaab merklich zu schwächen. Ferner auf das Risikoprofil des Beschwerdeführers, der aufgrund seiner ehemaligen Tätigkeit als Kellner im Parlament von der Al Shabaab bedroht und verfolgt werden würde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger und sunnitischer Moslem. Er gehört dem Clan der Rahanweyn, Subclan Eelaay, Sub-Sub-Clan Naasiye an. Er spricht Somali und stammt aus Mogadischu. Er besuchte vier Jahre die Grundschule sowie sechs Jahre die Koranschule.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat sieben Kinder. Seine Ehefrau, seine Kinder, sein Vater, seine Brüder sowie seine Schwestern leben nach wie vor in Somalia.
Der Beschwerdeführer ging einer Erwerbstätigkeit in Mogadischu nach.
1.1.2. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er bei einer allfälligen Rückkehr nach Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre bzw. ein besonderes Interesse an der Person des Beschwerdeführers besteht bzw. bestehen könnte.
Der Beschwerdeführer konnte insbesondere nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner Erwerbstätigkeit von Al Shabaab bedroht worden sei bzw. einer Gefährdung durch Al Shabaab im Falle einer Rückkehr nach Somalia ausgesetzt wäre.
1.2. Zum Herkunftsstaat:
Auszug Länderinformation der Staatendokumentation vom 16.01.2025 (Version 7)
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Letzte Änderung 2025-01-09 08:04
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2023). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, wird die Lage über die Kontrolle geringer Teilgebiete von Puntland von al Shabaab beeinflusst (und in noch geringeren Teilen vom sogenannten Islamischen Staat in Somalia), während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat. In Süd-/Zentralsomalia ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 7.8.2024).
[…]
Banadir Regional Administration (BRA; Mogadischu)
Letzte Änderung 2025-01-16 14:12
Die Sicherheitslage in Mogadischu ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass al Shabaab Angriffe auf Behörden und ihre Unterstützer verübt. Zugleich stecken hinter der Gewalt in der Stadt neben al Shabaab auch Regierungskräfte, der sogenannte Islamische Staat in Somalia (ISS) und Unbekannte (BMLV 7.8.2024). In der Stadt befinden sich die Polizei, die Präsidentengarde, die Bundesarmee, die National Intelligence and Security Agency (NISA), private Sicherheitskräfte und Clanmilizen in unterschiedlichem Umfang im Einsatz (Sahan/SWT 6.9.2023). Nichtstaatliche Sicherheitskräfte, darunter Clanmilizen, üben trotz wiederholter Versuche, sie auf Linie zu bringen, erheblichen Einfluss in der Stadt aus. Die Teile dieser Patchwork-Sicherheitsarchitektur konkurrieren regelmäßig um Checkpoints und den Zugang zu Ressourcen (Sahan/SWT 6.9.2023). Dabei konnten aufgrund der verbesserten Lage zuletzt etliche Checkpoints innerhalb der Stadt abgebaut werden (BMLV 4.7.2024).
Insgesamt durchläuft die Sicherheitslage Mogadischus eine positive Entwicklung (AQSOM 4 6.2024). Noch vor zehn Jahren kontrollierte al Shabaab die Hälfte der Stadt, die gleichzeitig Schauplatz heftiger Kämpfe war (BBC 18.1.2021; vgl. Sahan/SWT 18.1.2022). 2011 war Mogadischu eine halb entleerte Ruinenstadt, Einschusslöcher, zerstörte Häuser und Milizen in Kampfwagen prägten das Bild. Es gab keinerlei staatliche Dienste (Sahan/SWT 18.1.2022). Seit 2014 ist das Leben nach Mogadischu zurückgekehrt (SRF 27.12.2021) und die Stadt befindet sich unter Kontrolle von Regierung und ATMIS (PGN 28.6.2024). Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen zehn Jahren im Allgemeinen verbessert (Sahan/SWT 6.9.2023). V. a. unter der aktuellen Regierung wurde al Shabaab aus der Stadt weitgehend abgedrängt (ÖB Nairobi 11.1.2024). Immer neue Teile von Mogadischu werden wieder aufgebaut. Es herrscht große Aktivität, viel Geld wird investiert (IO-D/STDOK/SEM 4.2023) - auch in ganze neue Stadtteile an der Peripherie (AQSOM 4 6.2024). Nun ist Mogadischu eine pulsierende Stadt mit hohen Apartmentblocks und Einkaufszentren. Der berühmte Lido-Strand ist am Wochenende voll mit Familien. Historische Gebäude und Monumente wurden renoviert und sind der Öffentlichkeit zugänglich. Unzählige Kaffeehäuser sind aus dem Boden geschossen. Der private und der öffentliche Sektor sind aufgrund der relativen Stabilität der Stadt stark gewachsen. Sechs Banken und Dutzende internationaler Firmen haben in Mogadischu eine Niederlassung eröffnet. Es gibt Investitionsmöglichkeiten, und es sind neue Arbeitsplätze entstanden (Sahan/SWT 18.1.2022; vgl. TEV/Odour 24.6.2024). Händler können ihre Waren auf den Markt bringen, und überhaupt können die Menschen relativ frei zirkulieren (ÖB Nairobi 11.1.2024). Die Stimmung der Menschen in der Stadt ist laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 relativ positiv. Dies hat mit den Bemühungen der Regierung im Kampf gegen al Shabaab zu tun (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Nach der Wahl von Hassan Sheikh Mohamed hat sich die Atmosphäre in Mogadischu dramatisch verändert, die Stadt ist ruhiger geworden (Sahan/SWT 8.6.2022).
Gleichzeitig bietet die Stadt für al Shabaab alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele. Innerhalb der Stadt hat sich die Sicherheit zwar verbessert, al Shabaab kann aber nach wie vor Anschläge durchführen. In Mogadischu besteht aber kein Risiko, von der Gruppe zwangsrekrutiert zu werden. Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)Rekrutierung zu entziehen (BMLV 7.8.2024). Laut einer Quelle gibt es für normale Bewohner kein echtes Sicherheitsproblem. Dieses beschränkt sich demnach auf Ausländer, Personen, die für diese Ausländer arbeiten und allenfalls jene, die für die Regierung arbeiten (ÖB Nairobi 11.1.2024).
Noch im Jahr 2022 sind Quellen davon ausgegangen, dass Mogadischu im Falle eines Abzugs von ATMIS die Rückkehr von al Shabaab drohte (Robinson/TGO 27.1.2022; vgl. Meservey/RCW 22.11.2021). Nun aber geben mehrere Quellen an, dass diese Gefahr nicht (mehr) zu sehen ist (Sahan/SWT 1.9.2024; vgl. IO-D/STDOK/SEM 4.2023; Think/STDOK/SEM 4.2023; BMLV 7.8.2024). Eine Quelle erklärt, dass ein rascher Zusammenbruch des Staates nur noch dann zu erwarten ist, wenn jegliche externe Unterstützung eingestellt wird (BMLV 1.12.2023). Doch selbst bei einem vollständigen und ersatzlosen Abzug von ATMIS ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung Mogadischu halten wird können - wenn sie alle verfügbaren Kräfte dort zusammenzieht (BMLV 4.7.2024).
Generell haben sich seit 2014 die Lage für die Zivilbevölkerung sowie die Kapazitäten der Sicherheitsbehörden verbessert (BMLV 7.8.2024). Die Regierung hat in Maßnahmen investiert, um das Risiko komplexer Angriffe durch al Shabaab in der Stadt zu reduzieren (UNSC 28.10.2024). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt seit 2017 weiter verbessert (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle der FFM ist die Lage heute ähnlich wie 2017, jedenfalls aber besser als etwa 2012-2014 (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass sich die Sicherheitslage in Mogadischu im Jahr 2023 gegenüber 2022 verbessert hat, und auch besser ist als 2016 oder 2017 (BMLV 14.9.2023). Auch eine anonymisierte Quelle betont im März 2024, dass sich die Sicherheitslage in Mogadischu in den Vormonaten verbessert hat - gerade im Vergleich zu dem Jahrzehnt davor (AQSOM 1 3.2024). Eine weitere Quelle vom Oktober 2023 erklärt, dass sich die Sicherheitslage in der Stadt verbessert hat (RD 26.10.2023). In einem Jahresbericht zum Jahr 2023 wird vermerkt, dass sich die Lage in Mogadischu in diesem Jahr wesentlich verbessert hat (HIPS 7.5.2024). Mehrere lokale Quellen der norwegischen COI-Einheit beschrieben im Mai 2022 die Sicherheitsentwicklungen in der Stadt als positiv. Jedenfalls ist die Zahl an Vorfällen und Todesopfern in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben. Diesbezüglich muss zudem berücksichtigt werden, dass gleichzeitig die Zahl an Einwohnern deutlich gestiegen ist (Landinfo 8.9.2022). So hat UNFPA die Einwohnerzahl im Jahr 2014 mit 1,65 Millionen angegeben (UNFPA 10.2014), während die Zahl im Jahr 2022 auf fast 2,9 Millionen geschätzt wird (IPC 13.12.2022). Laut Vereinten Nationen leben in Mogadischu nun mehr als 900.000 IDPs (Sahan/SWT 6.9.2023). Eine neuere Quelle erklärt, dass sich die Sicherheitslage mit der Überdehnung der somalischen Sicherheitskräfte im Umland von Mogadischu verschlechtert hat. Mehrere Stützpunkte wurden hier von ATMIS an lokale Kräfte übergeben. Dies hat zu einem Anstieg an Angriffen und Anschlägen durch al Shabaab in Mogadischu geführt (Sahan/SWT 1.9.2024). Auch eine andere Quelle erklärt im August 2024, dass die Angriffe von al Shabaab in der Vorstadt eine alarmierende Intensität erreicht haben. Die Gruppe nützt dabei die Schwächung der äußeren Verteidigungslinien der Stadt aus (TSD 22.8.2024).
Sicherheitskräfte: Die Stadt hat 17 Bezirke und mehrere sogenannte Residential Areas, die noch nicht zu Bezirken gemacht worden sind. Mit ca. 18.000 Mann verfügt die Stadt über ausreichend Sicherheitskräfte (Sahan/SWT 7.11.2022) - davon sind 5.000-6.000 Polizisten. In jedem Bezirk gibt es eine Polizeistation (Sahan/SWT 6.9.2023). Eine weitere Quelle nennt diese Zahlen plausibel (BMLV 7.8.2024). Seit April 2023 wird eine neue paramilitärische Einheit in Mogadischu eingesetzt (BMLV 7.8.2024; vgl. RD 10.4.2023). Dabei handelt es sich um in Uganda ausgebildete Kräfte (JOWH 10.4.2023). Diese Militärpolizei - eine Einheit der Bundesarmee - wurde mit der Stabilisierung Mogadischus beauftragt (FTL 14.4.2023; vgl. JOWH 10.4.2023). Der Einsatz der 3.000-3.500 Mann der Militärpolizei ist ein massiver Beitrag für die Sicherheitslage in der Stadt. Die Einheit kümmert sich u. a. um die militärische Sicherung von Mogadischu (BMLV 7.8.2024). Truppen an Checkpoints werden nunmehr häufiger rotiert, was die Möglichkeiten von al Shabaab (Stichwort: Bestechung) reduziert (AQSOM 1 3.2024; vgl. UNSC 28.10.2024).
Allerdings reicht die gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte weiterhin nicht aus, um Aktivitäten der al Shabaab gänzlich zu unterbinden (BMLV 7.8.2024). Auch eine weitere Quelle vertritt die Ansicht, dass die somalischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, der von al Shabaab ausgehenden Bedrohung für die gesamte Region Benadir entgegenzutreten (UNSC 10.10.2022). Unter den Sicherheitskräften herrscht mangelnde Koordination und Kommunikation, dafür aber Korruption. Und gleichzeitig erschweren fehlende Personalausweise und Register (etwa für Fahrzeuge) und Adressen die Sicherheitskontrolle (Sahan/SWT 7.11.2022). Zudem ist die Polizei nicht unbedingt effizient und diszipliniert (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) und gleichzeitig überfordert. Sie musste in den vergangenen Jahren mit einem wachsenden Drogenmilieu und Bandenwesen sowie mit al Shabaab und einer zunehmenden Politisierung der Sicherheitskräfte unter dem Ex-Präsident Farmaajo kämpfen. Seit der Stationierung der o. g. von Uganda ausgebildeten Kräfte gibt es aber zunehmend Versuche, z. B. illegale Checkpoints zu räumen (Sahan/SWT 6.9.2023). Die Sicherheitskräfte können zudem nun großteils jene Gebiete kontrollieren, in welchen al Shabaab zuvor ungehindert agieren konnte. Zuvor verfügte die Bundesregierung nicht flächendeckend über ausreichend staatliche Institutionen hinsichtlich der Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums. Die diesbezügliche Lage hat sich gebessert (BMLV 7.8.2024).
Mit Stand 2020 berichtet die finnische COI-Einheit: Die Bewohner haben eine hohe Hemmschwelle, um sich an die Polizei zu wenden. Das Vertrauen ist gering (FIS 7.8.2020b). Die Fähigkeit der Behörden, bei kleineren Delikten wie etwa Diebstahl zu intervenieren, ist derart gering, dass Menschen keinen Nutzen darin sehen, Anzeige zu erstatten. Hat eine Person Angst vor al Shabaab, dann kann ein Hilfesuchen bei der Polizei - aufgrund der Unterwanderung selbiger - die Gefahr noch verstärken. Die Polizei ist auch nicht in der Lage, Menschen bei gegebenen Schutzgeldforderungen seitens al Shabaab zu unterstützen (FIS 7.8.2020b; vgl. BMLV 7.8.2024). Nach neueren Angaben ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei aufgrund der neu eingesetzten Kräfte gestiegen. Auch wenn diese streng genommen der Bundesarmee angehören, heben sie das Ansehen der Sicherheitskräfte. Sowohl Polizei als auch Bundesarmee bleiben aber weiterhin von al Shabaab unterwandert (BMLV 1.12.2023).
Al Shabaab kontrolliert in Mogadischu schon seit Jahren keine Gebiete mehr (MBZ 6.2023; vgl. AQ21 11.2023), unterhält aber ein beachtliches Netzwerk an Mitgliedern und Informanten (MBZ 6.2023). Das Ausmaß der Präsenz der Gruppe im Stadtgebiet ist sehr unterschiedlich (BMLV 7.8.2024). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 7.8.2024; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023, Landinfo 8.9.2022). In den Außenbezirken hat al Shabaab größeren Einfluss, auch die Unterstützung durch die Bevölkerung ist dort größer (BMLV 7.8.2024). Kaxda (ein neuer Bezirk am Nordrand der Stadt) gilt laut einer Quelle als Brutstätte militanter Aktivität (TSD 20.9.2023). Die Gruppe verfügt in Mogadischu über keine nennenswerte institutionelle Präsenz. Trotzdem erhebt die Gruppe den Zakat (islamische Steuer) von Unternehmen in der Stadt. Zudem macht al Shabaab ihre Präsenz insofern bemerkbar, dass sie ihre Form der "Moral" umsetzt. So tötete die Gruppe beispielsweise Anfang März 2023 zehn Personen, denen der Verkauf von Drogen in den Stadtbezirken Yaqshiid und Dayniile vorgeworfen worden war (Sahan/SWT 6.9.2023).
Bei allen Möglichkeiten, über welche al Shabaab verfügt, so hat die Gruppe in Mogadischu kein freies Spiel. Regierungskräfte sind in allen Bezirken der Stadt präsent – etwa mit Checkpoints; und es werden Razzien durchgeführt. Die Anzahl an Mitgliedern, Unterstützern und Ressourcen in Mogadischu sind begrenzt, und daher muss al Shabaab diesbezügliche Prioritäten setzen (Landinfo 8.9.2022). Quellen der FFM Somalia 2023 erklären: Al Shabaab ist weiter abgedrängt worden und daher kommen komplexe Angriffe seltener vor (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). An den Kontrollpunkten an Straßen wird ein großer Aufwand bei Durchsuchungen betrieben (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). In Dayniile sind keine Flaggen der al Shabaab mehr zu sehen. Die Polizei ist nun in der ganzen Stadt vertreten – auch an der Peripherie (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Teils antworten Menschen in der Stadt nicht mehr auf Anrufe durch al Shabaab (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Üblicherweise galt, dass al Shabaab jede Person töten konnte, die sie töten wollte. Nunmehr gilt dies laut einer Quelle nicht mehr uneingeschränkt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle erklärt, dass die Fähigkeiten von al Shabaab, sich in der Stadt zu bewegen und Menschen gezielt zu töten, durch Sicherheitsmaßnahmen eingeschränkt worden sind (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Der Austausch des Personals an den Checkpoints der Regierung hat zur Einschränkung der Fähigkeiten von al Shabaab erheblich beigetragen. Zuvor bestochene und/oder infiltrierte Checkpoints wurden so für die Gruppe wertlos. Laut Expertenmeinung herrscht ein Krieg um Mogadischu, der nicht unbedingt mit Kugeln geführt wird. Die Bundesregierung versucht al Shabaab mit Maßnahmen - Checkpoints, Einschränkung der Finanzoperationen, Bekämpfung der Justiz von al Shabaab - von ihren "steuerlichen" Pfründen in der Stadt zu entkoppeln. Al Shabaab wiederum setzt sich dagegen zur Wehr. Dieser Kampf ist noch nicht entschieden (AQ21 11.2023). So geht die Gruppe nach der Installation von Überwachungskameras nicht mehr in persona auf dem Bakara-Markt "Steuern" eintreiben; doch hat sie diese Aktivität schlicht auf elektronische Möglichkeiten und Wege ausgelagert (BMLV 4.7.2024). Allerdings geht al Shabaab seit Oktober 2024 brutal gegen Personen vor, welche Überwachungskameras des Staates installiert haben (SMN 30.11.2024; vgl. Halqabsi 29.10.2024).
Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Gruppe in Mogadischu aktiv Deserteure sucht und liquidiert (Landinfo 8.9.2022; vgl. BMLV 7.8.2024). Laut einer Quelle rekrutiert al Shabaab in der Stadt auch keine neuen Mitglieder (Landinfo 8.9.2022). Nach Angaben einer anderen Quelle ist aufgrund des massiven Bevölkerungsanstiegs und der zahlreichen Jugendlichen ohne Auskommen für al Shabaab ohnehin ein großes Rekrutierungspotenzial gegeben, das auch genutzt wird (BMLV 7.8.2024).
Die Zahl an Hit-and-Run-Angriffen auf Checkpoints der Sicherheitskräfte, die in der zweiten Jahreshälfte 2023 gestiegen ist, ist 2024 wieder gesunken. Al Shabaab ist aber nicht aus der Stadt verschwunden und verübt weiterhin gezielte Anschläge auf Regierungseinrichtungen und deren Vertreter bzw. auf Ziele im öffentlichen Raum, z. B. am 14.7.2024 auf das Top Coffee Restaurant zum Zeitpunkt des Fußball-EM-Finales mit neun Toten und mindestens 20 Verwundeten oder am 2.8.2024 am Lido Beach mit mindestens 32 Toten und 62 Verwundeten (BMLV 7.8.2024; vgl. UNSC 28.10.2024). Die Gruppe verbreitet auch weiterhin Angst (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Mogadischu ist eine Großstadt und steht zur Infiltrierung offen. Es ist schwer auszumachen, wer zu al Shabaab gehört und wer nicht (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Die Gruppe ist in der Lage, jede Person in Mogadischu ausfindig zu machen. Demnach herrscht bei den Bürgern die Angst, dass jederzeit etwas passieren könnte (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Ein Mitarbeiter einer internationalen NGO gibt an, dass er und Kollegen Drohanrufe bekommen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).
Die Gruppe kann immer noch große Anschläge in Mogadischu durchführen (UNSC 28.10.2024) oder etwa den Sitz des Präsidenten (Villa Somalia) mit Mörsern beschießen. Und es gibt auch weiterhin gezielte Attentate (IO-D/STDOK/SEM 4.2023) und Anschläge auf Regierungstruppen und ATMIS (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Mit einem komplexen Anschlag auf das SYL Hotel in der Nachbarschaft der Villa Somalia hat den Willen und die Kapazität von al Shabaab unter Beweis gestellt. Dieser Angriff hat die relative Ruhe in der Stadt beendet und geht mit den Rückschlägen der Bundeskräfte in Zentralsomalia einher (Sahan/SWT 15.3.2024).
Al Shabaab ist also auch weiterhin in der Stadt aktiv. Die Gruppe hat zahlreiche Informanten innerhalb der Sicherheitskräfte (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023), auch relevante Verwaltungsstrukturen gelten als unterwandert (Landinfo 8.9.2022; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verlangt von Geschäftsleuten in der Stadt die Zahlung von "Steuern" (Mohamed/VOA 9.11.2022; vgl. Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Zwischen Mai und Juli 2022 erhielten auch zahlreiche Besitzer von gemauerten oder mehrstöckigen Häusern eine Zahlungsaufforderung von al Shabaab. Dabei liegt die jährliche Abgabe zwischen 100 und 300 US-Dollar. Zudem wird die Errichtung von Häusern besteuert. Für Zahlungsverzögerungen drohen Strafzahlungen (Mohamed/VOA 9.11.2022). Al Shabaab ist auch im Jahr 2024 in der Lage, nahezu im gesamten Stadtgebiet verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben und die Bevölkerung einzuschüchtern (BMLV 7.8.2024).
Laut dem niederländischen Außenministerium sind folgende Personen in Mogadischu einem erhöhten Risiko von Gewalt durch al Shabaab ausgesetzt: Regierungsvertreter, Politiker und Behördenvertreter, in- und ausländische Sicherheitskräfte; die genannten Gruppen stellen die Hauptziele von Angriffen von al Shabaab dar. Daneben werden auch Wahldelegierte, Wirtschaftstreibende, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, NGO-Bedienstete und Clanälteste, die sich zur Regierung bekennen, zu Zielen (MBZ 6.2023).
Zivilisten: Die Gruppe ist weiterhin in der Lage, in Mogadischu auch größere Sprengstoffanschläge durchzuführen (BMLV 7.8.2024). Üblicherweise zielt al Shabaab mit Angriffen auf Sicherheitskräfte und Vertreter des Staates ["Officials"] (UNSC 6.10.2021; vgl. BMLV 7.8.2024). "Normale" Zivilisten stellen im Allgemeinen kein Ziel von Angriffen der al Shabaab dar (MBZ 6.2023; vgl. Landinfo 8.9.2022; BMLV 7.8.2024). Sie leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Jene, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt (BMLV 7.8.2024). Allerdings kann ein "in Verbindung stehen" auch schon gegeben sein, wenn etwa Geschäftsleute - wie von der Regierung gefordert - an ihren Geschäften Videokameras installieren. Alleine im Oktober und November 2024 sind 37 Personen in Zusammenhang mit der Installation von sogenannten CCTV-Kameras getötet worden (SMN 30.11.2024).
Das größte Risiko für Zivilisten, die nicht mit der Regierung in Verbindung stehen, besteht darin, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und damit zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (BMLV 7.8.2024; vgl. AQSOM 4 6.2024). Denn al Shabaab nimmt zivile Opfer in Kauf und greift immer wieder stark frequentierte Örtlichkeiten an (MBZ 6.2023). Dabei handelt es sich i.d.R. um solche Orte, die von Regierungsvertretern und Wirtschaftstreibenden sowie Sicherheitskräften frequentiert werden, z. B. Restaurants, Hotels oder Einkaufszentren (Landinfo 8.9.2022). Ein ausschließlich von der Durchschnittsbevölkerung frequentierter Ort ist kein Ziel der al Shabaab. Die Hauptziele der Gruppe befinden sich in den inneren Bezirken: militärische Ziele, Regierungseinrichtungen und das Flughafenareal. Die Außenbezirke hingegen werden von manchen als die sichersten Teile der Stadt erachtet, da es dort so gut wie nie zu größeren Anschlägen kommt. Allerdings kommt es dort öfter zu gezielten Tötungen (BMLV 7.8.2024). Insgesamt widmet die Gruppe Zufallsopfern aber wenig Aufmerksamkeit. Sie erachtet bei Angriffen getötete Zivilisten als Märtyrer (Landinfo 8.9.2022).
Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Am Stadtrand ist die Unterstützung größer, die meisten Bewohner haben al Shabaab gegenüber aber eine negative Einstellung. Sie befolgen die Anweisungen der Gruppe nur deshalb, weil sie Repressalien fürchten. Al Shabaab agiert wie eine Mafia: Sie droht jenen mit ernsten Konsequenzen, welche sich Wünschen der Gruppe entgegensetzen (BMLV 7.8.2024; vgl. FIS 7.8.2020b).
Auf die Frage nach den größten Gefahren im täglichen Leben in Mogadischu erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023: Erstens Erpressung durch al Shabaab; die Gruppe versucht immer, an Geld zu kommen. Daher besteht immer das Risiko, von ihr einen Drohanruf oder eine bedrohliche Textnachricht zu erhalten. Zweitens besteht für einen Durchschnittsbürger zwar kein Risiko, gezielt angegriffen zu werden; aber natürlich besteht immer das Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle nennt dieses Risiko (wrong Place, wrong Time). Demnach werden Normalbürger nicht angegriffen. Es muss immer ein bestimmtes Interesse an einer Person herrschen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle gibt zu bedenken, dass man sich in Mogadischu nicht so leicht verstecken, nicht einfach isolieren kann. Man besucht die Familie, geht auf den Markt oder ins Spital etc. Personen sind demnach einfach aufzuspüren (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Zum Ziel werden jene, die für die Regierung arbeiten. Diese Personen brauchen geeigneten Schutz. Auch Journalisten tragen ein höheres Risiko, insbesondere jene, die sich kritisch zu al Shabaab geäußert haben. Üblicherweise wird gezielt eine Person angegriffen, nicht aber deren Familienmitglieder (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).
Bewegungsfreiheit: Die Menschen wissen um die Gefahr bestimmter Örtlichkeiten und versuchen daher, diese (zu bestimmten Uhrzeiten) zu meiden (AQSOM 4 6.2024). Clanälteste, Bundes- und Bundesstaatsminister sowie Abgeordnete können sich in der Stadt nicht ohne Leibwächter frei bewegen (Gov Som 2022, S. 99).
Nach neueren Angaben gibt es nun weniger Checkpoints als früher. Präsident Hassan Sheikh Mohamud hat die Auflösung der meisten innerstädtischen Checkpoints angeordnet. Die verbliebenen befinden sich an neuralgischen Punkten der Stadt, etwa in den Bereichen wichtiger Infrastruktur wie der Villa Somalia, des Parlamentsgebäudes oder dem Flughafen. An den Einfallstraßen wird jedes Fahrzeug kontrolliert. Insgesamt wird an diesen Straßensperren professioneller vorgegangen als noch vor einigen Jahren. Größere Einschränkungen gibt es aktuell nur mehr bei besonderen Anlässen - dies wird mittlerweile aber im Vorfeld angekündigt (BMLV 7.8.2024).
Die Zugehörigkeit zu einem starken Clan oder Verbindungen zu mächtigen Personen in der Stadt können an Checkpoints oder beim Zusammentreffen mit Regierungskräften von Vorteil sein. Als starke Clans erachtet werden in Mogadischu v. a. die Hawiye / Abgaal und die Hawiye / Habr Gedir (Landinfo 8.9.2022; vgl. AQSOM 4 6.2024). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Mogadischu hinsichtlich der Clanzugehörigkeit generell als kosmopolitisch erachtet werden kann. Eine Rolle spielt der Clan allerdings bei sozialen Angelegenheiten, bei Eheschließungen, beim Ringen um Macht, in der Politik (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Insgesamt können sich Menschen in Mogadischu aber unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit frei bewegen und sich niederlassen (FIS 7.8.2020b; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) - wenn sie unbewaffnet sind (AQSOM 4 6.2024). Die Mittelschicht verwendet häufig das Service von Tuk-Tuks, die Ärmeren gehen zu Fuß oder verwenden Busse (TANA/ACRC 9.3.2023).
Quellen der FFM Somalia 2023 berichten: Einige Checkpoints werden von NISA kontrolliert (z. B. am Flughafen); innerhalb der Stadt aber meist von der Polizei. Die neu eingesetzte Militärpolizei unterhält Kontrollpunkte in den Vororten und an Einfallstraßen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Für normale Bürger gibt es hinsichtlich der Bewegungsfreiheit allgemein keine Probleme in Mogadischu (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Clan oder Geschlecht spielen hier keine Rolle (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Frauen können sich auch problemlos alleine bewegen, nur spät in der Nacht könnte es hier zu Sicherheitsproblemen kommen. Insgesamt haben alle Menschen die gleichen Probleme: Die Freiheit wird manchmal durch Straßensperren massiv eingeschränkt – etwa an Feiertagen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) oder wenn wichtige Delegationen in der Stadt sind. Wenn gerade kein besonderer Anlass gegeben ist, gibt es für beide Geschlechter und alle Clans Bewegungsfreiheit (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle fragen Polizisten an Checkpoints häufig um ein Trinkgeld, um die Bezahlung ihres Essens, um Zigaretten. Tatsächlich werden aber nur Autos – und hier meist die Fahrer – kontrolliert, Fußgänger und Tuk-Tuks können passieren (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle erklärt, dass an Checkpoints Passagiere in Tuk-Tuks problemlos passieren können und - wenn überhaupt - nur der Fahrer befragt wird (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).
Gewaltkriminalität: Es gibt Bandenwesen und Straßenkriminalität. Teile von Karaan, Heliwaa und Yaqshiid bzw. alle Ränder der Stadt sind hoher Kriminalität ausgesetzt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Für Zivilisten besteht nach wie vor die Sorge vor Raubüberfällen und Gewalt, insbesondere nachts. Dabei ist die Ermordung von Raubopfern keine Seltenheit. Dies steht insbesondere im Zusammenhang mit dem Aufstieg von Jugendbanden (bekannt als "Ciyaal Weero", d. h. "aggressive Kinder") seit 2021 (Sahan/SWT 6.9.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Diese Gangs haben ursprünglich Passagiere von Tuk-Tuks (Bajaj) tyrannisiert. Sie haben geraubt, was die Menschen gerade bei sich hatten (Sahan/SWT 27.7.2022). Viele Gang-Mitglieder nehmen auch Drogen oder trinken Alkohol (Sahan/SWT 27.7.2022; vgl. Sahan/SWT 29.8.2022). Ciyaal Weero verüben Raub, Erpressung und Gewalt (HIPS 7.5.2024). Den Gangs werden auch andere Verbrechen vorgeworfen, darunter sexuelle Übergriffe (Sahan/SWT 6.9.2023; vgl. Sahan/SWT 27.7.2022), Raubüberfälle und Morde (Sahan/SWT 27.7.2022). Gleichzeitig sind Jugendgangs nach Gebieten organisiert und reklamieren verschiedene Teile der Stadt für sich (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Sahan/SWT 29.8.2022), was zu weiterer Gewalt führt (Sahan/SWT 29.8.2022). Mit zunehmender Ausbreitung haben sie begonnen, sich gegenseitig zu bekämpfen (Sahan/SWT 27.7.2022). Die Regierung hat Nachtpatrouillen eingeführt, um der Sache entgegenzutreten (HIPS 7.5.2024).
In Mogadischu kommt es mitunter auch zu Landkonflikten, z. B. im August 2023 in Xamar Weyne. Dort wurden in Folge von Gewalt auch mehrere Menschen vertrieben (Sahan/Gedo 7.8.2023).
Bei manchen Vorfällen ist unklar, von wem oder welcher Gruppe die Gewalt ausgegangen ist; Täter und Motiv bleiben unbekannt. Es kommt zu Rachemorden zwischen Clans, zu Gewalt aufgrund wirtschaftlicher Interessen oder aus politischer Motivation. Lokale Wirtschaftstreibende haben in der Vergangenheit auch schon al Shabaab engagiert, um Auftragsmorde durchzuführen (FIS 7.8.2020b).
Islamischer Staat in Somalia (ISS): Der sogenannte ISS ist in Mogadischu kaum präsent (BMLV 4.7.2024). Im Jahr 2023 bekannte sich der ISS zu folgenden gewalttätigen Aktionen in Mogadischu und Umland: am 6.1. Anschlag mit einem Sprengsatz auf einen Polizisten in Dayniile; 12.2. Anschlag mit einem Sprengsatz auf einen Behördenvertreter; 3.3. Anschlag mit einem Sprengsatz auf Polizisten; 3.4. Anschlag mit einem Sprengsatz auf ATMIS; 9.6. Anschlag mit einem Sprengsatz auf die Polizei; 27.7. Anschlag mit einem Sprengsatz auf einen Geheimdienstmitarbeiter (TSD 12.11.2023). Der ISS verfügt in Mogadischu über begrenzten Einfluss (Landinfo 8.9.2022), kann aber Schutzgeld erpressen (TSD 12.11.2023).
Vorfälle: In Benadir/Mogadischu leben nach Angaben einer Quelle 2,874.431 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2022 insgesamt 105 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "Violence against Civilians"). Bei 94 dieser 105 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2023 waren es 88 derartige Vorfälle (davon 81 mit je einem Toten) (ACLED 12.1.2024). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und Violence against Civilians ergeben sich für 2023 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): 3,06;
2023 waren besonders die Bezirke Dayniile (67 Vorfälle), Dharkenley (41), Wadajir/Medina (29), Hodan (28) und Yaqshiid (25), in geringerem Ausmaß die Bezirke und Hawl Wadaag (15), Heliwaa (13) und Karaan (13) von tödlicher Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2023 v. a. in den Bezirken Dayniile (13 Vorfälle) sowie in Dharkenley (15), Wadajir/Medina (15) und Yaqhshiid (13) von gegen sie gerichteter, tödlicher Gewalt betroffen (ACLED 12.1.2024).
Al Shabaab
Letzte Änderung 2025-01-16 14:12
Al Shabaab ist mit al-Qaida affiliiert (REU 21.11.2023; vgl. CRS 6.5.2024b; THLSC 20.3.2023) und wird als die größte und reichste zu al Qaida zugehörige Gruppe bezeichnet (CRS 6.5.2024b; vgl. Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023). Die Gruppe weist eine stärkere innere Kohärenz auf als die Bundesregierung und einige der Bundesstaaten. Al Shabaab nutzt erfolgreich lokale Missstände, um taktische Allianzen zu schmieden und Kämpfer zu rekrutieren (Sahan/SWT 27.3.2023). Die Gruppe erkennt die Bundesregierung nicht als legitime Regierung Somalias an (UNSC 10.10.2022). Al Shabaab agiert offen anti-demokratisch und erachtet Demokratie als unislamisch bzw. als jüdisch-christliches Konzept (BS 2024; vgl. Sahan/SWT 9.6.2023; MBZ 6.2023). Dies gilt entsprechend auch für die Verfassung und den Föderalismus (Sahan/Bryden 5.7.2024). Ihr Ziel ist eine Herrschaft unter Anwendung ihrer strikten Interpretation der Scharia (REU 21.11.2023) im Rahmen der Errichtung eines Kalifats in den Grenzen von Großsomalia (Somaliweyne). Dies macht die Gruppe zur Bedrohung der staatlichen Integrität nicht nur von Somalia, sondern auch für Dschibuti, Äthiopien und Kenia. Al Shabaab wendet eine Strategie des asymmetrischen Guerillakriegs an, die bisher sehr schwer zu bekämpfen war. Zudem bietet die Gruppe in den Gebieten unter ihrer Kontrolle Sicherheit und eine grundlegende Regierungsführung (Sahan/SWT 27.3.2023). Andererseits werden jene, die sich nicht ihrer puristischen Interpretation des Islam anschließen, als Ketzer gebrandmarkt (BS 2024).
Gleichzeitig ist al Shabaab eine mafiöse Organisation (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vgl. Sahan/SWT 25.8.2023), die Schutzgelder im Austausch für Sicherheits-, Sozial- und Finanzdienstleistungen verlangt. Ihre konsequente Botschaft ist, dass die Alternative - die Bundesregierung - eigennützig und unzuverlässig ist (Sahan/SWT 25.8.2023). Die Gruppe ist weiterhin eine gut organisierte und einheitliche Organisation mit einer strategischen Vision: die Eroberung Großsomalias (BMLV 7.8.2024) und die Durchsetzung ihrer eigenen extremen Interpretation des Islams und der Scharia (USDOS 15.5.2023) und der Errichtung eines islamischen Staates in Somalia (CFR 6.12.2022b).
Al Shabaab ist in fast allen Facetten der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik integriert (GITOC/Bahadur 8.12.2022) und ist gleichzeitig vermutlich die reichste Rebellenbewegung in Afrika (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 finanziert al Shabaab die al Qaida - und nicht umgekehrt (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Ausländische Kämpfer haben nur noch einen begrenzten Einfluss in der Gruppe (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BMLV 7.8.2024); und die Beziehungen zur al Qaida haben sich nachhaltig geändert (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). [Anm.: Die gewaltlose, aber ebenfalls politisch-islamistische Gruppe] Al I'tisaam gilt als ideologischer Bruder von al Shabaab (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023).
Struktur: Der Anführer von al Shabaab ist Ahmed Diriye alias Sheikh Ahmed Umar Abu Ubaidah (BBC 15.6.2023). Führung und Kontrolle sind relativ dezentral, wobei die lokalen Einheiten auf operativer Ebene eine relative Autonomie behalten. Jede Region (Waliga) hat einen ernannten Gouverneur (Wali), der den gesamten öffentlichen Dienst und die Finanzverwaltung in den von der Organisation kontrollierten Gebieten überwacht (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022) und teils auch eine wesentliche militärische Rolle spielt (BMLV 7.8.2024). Bei der Unterteilung in Waligas folgt al Shabaab dem System, das Somalia für seine Regionen anwendet. Für jene Waligas, die unter Kontrolle der Regierung stehen, unterhält die Gruppe Schattenregierungen (AQ21 11.2023). Jeder Standort verfügt über eine Hisba (Polizei). Diese ist für die Durchsetzung des strengen islamischen Kodex der Gruppe und die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung verantwortlich (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022), laut einer Quelle auch für die Durchsetzung von Steuerzahlungen. Jede Waliga verfügt über eigene Milizen von 500-600 Mann (AQ21 11.2023). Der militärische Flügel der al Shabaab (Jabhat) besteht aus geografisch gegliederten Formationen („Brigaden“), die lokalen politischen Einheiten angeschlossen sind. Die Hauptaufgabe der Jabhat besteht darin, Gebiete zu erobern und zu verteidigen. Jede Einheit, die typischerweise aus dreihundert Soldaten besteht, hat ihre eigenen Kommandeure und Stützpunkte. Der Geheimdienst (Amniyat) ist für Spezialoperationen verantwortlich, darunter Selbstmordattentate, Attentate und Angriffe auf die Zentren der Regierungsmacht. Der Amniyat hat auch die Aufgabe, Informationen zu sammeln und Kollaborateure zu identifizieren (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022). Auch die Hisba wird vom Amniyat überwacht (AQ21 11.2023). Zudem ist al Shabaab auf die Dienste vieler Mitglieder in unterstützenden Rollen angewiesen, darunter Fahrer, Lehrer und Köche (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022).
Verwaltung: Das Gebiet von al Shabaab wird als "Proto-Staat" bewertet (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022). Die Gruppe ist imstande, für die auf ihrem Gebiet lebende Bevölkerung staatsähnliche Funktionen zu erbringen - ähnlich, wie es die Hamas im Gazastreifen getan hatte. Dabei ist al Shabaab offenbar besser organisiert als die eigentlichen staatlichen Strukturen (ÖB Nairobi 10.2024). Die Gruppe hat in den von ihr kontrollierten Gebieten eine äußerst autoritäre und repressive Herrschaftsform in Zusammenhang mit einer auf der Scharia basierenden Verwaltung eingerichtet - ohne Gewaltenteilung. Sie hat eigene Gerichte geschaffen, die ihre salafistische Interpretation der Scharia durchsetzen. Viele Menschen bevorzugen diese Gerichte, da sie leicht zugänglich und mit geringen Kosten verbunden werden und gleichzeitig schnell und nach klaren Regeln erfassbare Urteile fällen. Bei der Durchsetzung ihrer Kontrolle setzt al Shabaab mitunter auf Gewalt und Einschüchterung. Drohungen und harte Strafen haben in den von ihr kontrollierten Gebieten ein allgemeines Klima der Angst geschaffen. Ziel der islamistischen Miliz ist die Kontrolle aller Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens (BS 2024). Nach anderen Angaben kontrolliert al Shabaab gegenwärtig das Sozialverhalten der Bevölkerung weniger stark als früher (AQ21 11.2023). [Zur Gerichtsbarkeit von al Shabaab siehe Rechtsschutz, Justizwesen / Süd-/Zentralsomalia, Puntland]
Al Shabaab übt über das von ihr direkt regierte Gebiet Macht (BS 2024) und alle Grundfunktionen einer normalen Regierung aus: Sie hebt Steuern ein, bietet Sicherheit bzw. sorgt für Recht und Ordnung und stellt (begrenzte) soziale Dienste bereit (Rollins/HIR 27.3.2023; vgl. Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023; TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023b; TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022). Al Shabaab ist es dort gelungen, ein vorhersagbares Maß an Besteuerung, Sicherheit, Rechtssicherheit und sozialer Ordnung zu etablieren und gleichzeitig weniger korrupt als andere somalische Akteure zu sein sowie gleichzeitig mit lokalen Clans zusammenzuarbeiten (Schwartz/HO 12.9.2021). Die Gruppe investiert daher in lokale Regierungssysteme. Al Shabaab setzt Zwang und Überredung ein, um Treue zu erzwingen. Im Gegenzug bietet die Gruppe ihre eigene Art von "Recht und Ordnung" sowie bescheidene, grundlegende Dienstleistungen (Sahan/SWT 30.6.2023). Durch das Anbieten öffentlicher Dienste - v. a. hinsichtlich Sicherheit und Justiz - genießt al Shabaab in einigen Gebieten ein gewisses Maß an Legitimität. Mit der Hisba verfügt die Gruppe über eine eigene Polizei (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Offensichtlich führt al Shabaab auch eine Art Volkszählung durch. Auf den diesbezüglich bekannten Formularen müssen u. a. Clan und Subclan, Zahl an Kindern in und außerhalb Somalias, Quelle des Haushaltseinkommens und der Empfang von Remissen angegeben werden (UNSC 10.10.2022). Völkerrechtlich kommen al Shabaab gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen als de-facto-Regime in den von ihr kontrollierten Gebieten Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung zu (AA 23.8.2024).
Die Gebiete von al Shabaab werden als relativ sicher und stabil beschrieben, bei einer Absenz von Clankonflikten und geringer Kriminalität (BMLV 7.8.2024; vgl. JF 18.6.2021). Die Herrschaft der Gruppe sorgt normalerweise für Frieden zwischen den Clans (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Die Unterdrückung von Clankonflikten ist ein Bereich, in welchem die Gruppe Erfolge erzielen konnte. Z. B. wurde ein Waffenstillstand zwischen Clans in den Bezirken Adan Yabaal und Moqokori (HirShabelle) durchgesetzt; und in Galmudug hat al Shabaab Älteste bestraft, deren Clanmitglieder sich an Clankriegen beteiligt haben (SW 3.2023). Al Shabaab duldet nicht, dass irgendeine andere Institution außer ihr selbst auf ihren Gebieten Gewalt anwendet, sie beansprucht das Gewaltmonopol für sich. Jene, die dieses Gesetz brechen, werden bestraft. Die Gruppe unterhält ein rigoroses Justizsystem, welches Fehlverhalten – etwa nicht sanktionierte Gewalt gegen Zivilisten – bestraft. Daher kommt es kaum zu Vergehen durch Kämpfer der al Shabaab. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BMLV 7.8.2024).
Hinsichtlich Korruption ist al Shabaab sehr aufmerksam (AQ21 11.2023). Insgesamt nimmt die Gruppe im Vergleich zur Regierung effizienter Steuern ein, lukriert mehr Geld, bietet ein höheres Maß an Sicherheit sowie eine höhere Qualität an Rechtsprechung (Bryden/TEL 8.11.2021). Al Shabaab hat etwa als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie Gesundheitszentren eingerichtet und führt sogar Schulen und Programme, um Mitglieder zur Ausbildung an Universitäten im Ausland zu schicken (Rollins/HIR 27.3.2023).
[…]
Gebiete: Al Shabaab kontrolliert auch weiterhin den größeren Teil Süd-/Zentralsomalias (BMLV 7.8.2024; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023) und verfügt über ein starkes Hinterland (AQ21 11.2023). Die Gruppe bleibt auf dem Land in herausragender Position bzw. hat sie dort eine feste Basis. Zudem schränkt sie in vielen Fällen regionale sowie Kräfte des Bundes auf städtischen Raum ein, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, sich zwischen den Städten frei zu bewegen. Nachdem al Shabaab in den vergangenen zehn Jahren weiter Gebiete und Städte verlustig ging, hat sich die Gruppe angepasst. Ohne Städte physisch kontrollieren zu müssen, übt al Shabaab durch eine Mischung aus Zwang und administrativer Effektivität auf Gebiete unter Kontrolle staatlicher Kräfte Einfluss und Macht aus (BMLV 7.8.2024).
Die Hochburgen von al Shabaab finden sich in den Bundesstaaten Jubaland, SWS, HirShabelle und Galmudug (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023b). Die Gruppe kontrolliert Gebiete in den Regionen Lower Juba und Gedo (Jubaland); Bakool, Bay und Lower Shabelle (SWS); Hiiraan und - in sehr geringem Maße - Middle Shabelle (HirShabelle); Galgaduud und - in sehr geringem Maße - Mudug (Galmudug). Die Region Middle Juba wird zur Gänze von al Shabaab kontrolliert (PGN 28.6.2024; vgl. BMLV 7.8.2024).
Gemeinschaften, die unter der Kontrolle von al Shabaab stehen, werden häufig vom Rest Somalias und von der internationalen Unterstützung abgekoppelt. Die Kontrollpunkte und Blockaden der militanten Gruppe schränken den Personen- und Warenverkehr ein (Sahan/SWT 15.9.2023). In Gebieten, die an von der Regierung kontrollierte und von al Shabaab unter Blockade gestellte Städte grenzen, hat die Gruppe strenge Regeln hinsichtlich ökonomischer und beruflicher Tätigkeiten eingeführt. Al Shabaab setzt diese mit Drohungen und Gewalt durch und bestraft jene, die diese Regeln brechen (UNSC 10.10.2022).
Kapazitäten: Prinzipiell hat al Shabaab wiederholt gezeigt, dass sie gegenüber Druck anpassungsfähig und in der Lage ist, sich zurückzuziehen und neu zu formieren, bevor sie zurückschlägt (Sahan/SWT 4.8.2023). Al Shabaab ist weiterhin in der Lage, komplexe Angriffe z. B. in und um Mogadischu durchzuführen. Die Fähigkeit der Gruppe, Waffen zu beschaffen und Kämpfer neu zu verteilen, bleibt weitgehend intakt (BMLV 7.8.2024; vgl. Sahan/SWT 22.5.2023). Dabei geht die Einflusssphäre der Gruppe über jene Gebiete, die sie tatsächlich unter Kontrolle hat, hinaus (UNSC 10.10.2022). Al Shabaab hat im ganzen Land Institutionen und Organe, aber auch den Privatsektor (z. B. Banken und Telekomunternehmen) unterwandert (Sahan/SWT 12.2.2024; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023). Dies gilt auch für die NISA (Geheimdienst) und die Polizei. Bis zu 30 % der Polizisten in Mogadischu sind demnach kompromittiert (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. BMLV 7.8.2024).
Al Shabaab hat jedoch nicht genügend Kapazitäten, um ständig und überall präsent zu sein. Das Einsatzgebiet der Gruppe ist fast so groß wie Deutschland. In diesem weitläufigen und infrastrukturell wenig erschlossenen Gebiet muss die Gruppe mit ca. 10.000 bewaffneten Kämpfern auskommen. Das bedeutet, dass al Shabaab zu keinem Zeitpunkt eine permanente Kontrolle über alle strategisch wichtigen Punkte ausüben kann. Die Gruppe kann nicht alle wichtigen Straßen kontrollieren, kann nicht in allen Orten des Hinterlandes mit permanenter Präsenz aufwarten, kann sich nicht um alle Konflikte vor Ort gleichzeitig kümmern (ACCORD 31.5.2021). Gemäß einer Quelle verfügt al Shabaab bei Clans über Verbindungsleute (Kilmurry/RUSI 1.4.2022); laut einer anderen Quelle hält al Shabaab in ihrem Gebiet vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert die Gruppe in kleinen, mobilen Gruppen und zielt damit in erster Linie auf das Einheben von Steuern ab und übt Einfluss aus (Landinfo 21.5.2019a). Nach anderen Informationen sieht die Strategie von al Shabaab unterschiedliche Taktiken vor. In jenen Gebieten, in welchen die Gruppe über das größte Maß an Einfluss und Präsenz verfügt, gibt es entwickelte Verwaltungsstrukturen. Dadurch, dass al Shabaab dort für Sicherheit und Ordnung sorgt und gleichzeitig Konflikte zwischen rivalisierenden Clans beigelegt hat, erhält die Gruppe die Zustimmung der dort lebenden Bevölkerung. In jenen Gebieten aber, die entweder unter Kontrolle der Regierung stehen oder die umstritten sind, unterwandert al Shabaab bestehende Strukturen und übt mit Zwang Einfluss aus. Der Staat wird dort durch Drohungen und Gewalt untergraben. Die Gruppe kann durch geheimdienstlich eingeholte Informationen Drohungen gezielt einsetzen, Steuern eintreiben und ganz allgemein Einfluss auf das Verhalten von Zivilisten nehmen, ohne dass eine nennenswerte territoriale Präsenz oder Einfluss besteht (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass, auch wenn es dort keine permanenten Stationen gibt, die Polizei von al Shabaab regelmäßig auch entlegene Gebiete besucht. Nominell ist die Reichweite von al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuzuschlagen, bzw. kann sie sich auch in vielen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (BMLV 7.8.2024). Al Shabaab funktioniert in nahezu ganz Südsomalia als Schattenregierung bzw. -Verwaltung (GITOC/Bahadur 8.12.2022).
„Kontrolliert“ wird - wie es ein Experte ausdrückt - durch „exemplarische Gewalt“, etwa durch Körperstrafen; durch das Streuen von Gerüchten; durch terroristische Anschläge zur Einschüchterung der Bevölkerung. All das erfolgt aber nur so intensiv und so oft, wie es nötig ist, um die lokale Bevölkerung zu erschrecken und dafür zu sorgen, dass ein Großteil der Menschen sich tatsächlich - zwangsläufig - mit der Herrschaft von al Shabaab arrangiert (ACCORD 31.5.2021). Dort wo die Strukturen von al Shabaab vollumfänglich zum Einsatz kommen - wo also die Kontrolle der Gruppe unbestritten ist - dort schafft sie ein strenges, aber stabiles Umfeld, in welchem sie Steuern einzieht, für Sicherheit sorgt und Streitigkeiten zwischen Clans und Einzelpersonen beilegt. Unternehmen, die Steuern zahlen und sich an die Regeln von al Shabaab halten, können mit einem höheren Maß an Vorhersehbarkeit und Stabilität arbeiten, da Gerichte Verträge durchsetzen. In ihrer „Hauptstadt“ Jilib ist aber auch die Überwachung stärker ausgeprägt. So müssen die Bewohner etwa melden, wenn ein Verwandter von Außen zu Besuch kommt (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Dort wo al Shabaab nicht in der Lage ist, ein angemessenes Maß an Gewaltandrohung glaubhaft darstellen zu können, sind die Erpressungsversuche auch weniger erfolgreich. So lehnen etwa Wirtschaftstreibende, die ausschließlich in Baidoa und Kismayo agieren, Zahlungsforderungen mitunter ab (Williams/ACSS 27.3.2023). Andererseits schreckt al Shabaab auch nicht vor Zwang und Gewalt, vor direkten Angriffen oder der Zerstörung lokaler Ressourcen zurück, um ihre Ansprüche durchzusetzen (HI 4.2023; vgl. UNSC 6.10.2021). Zudem hat die Gruppe aus vergangenen Fehlern gelernt und so die Kontrolle über einige Gebiete zurückerlangt, die sie 2022 verloren hatte. Einige Übereinkommen mit Clans in Zentralsomalia wurden wiederaufgenommen. Al Shabaab hebt weiter illegale Steuern ein, ohne dabei so weit zu gehen, lokale Clans zu gewalttätigem Widerstand zu provozieren. Die Gruppe ist nun darauf bedacht, die Gemeinschaften, von denen sie abhängig ist, nicht zu sehr auszubeuten (Sahan/SWT 12.6.2023).
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vordieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Religion, Clanzugehörigkeit, Sprachkenntnissen, Herkunft, Familienmitgliedern sowie der Bildung gründen sich im Wesentlichen auf die nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde und in dem Beschwerdeschriftsatz. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Die Feststellung zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers beruht auf seinen diesbezüglichen Angaben im Verfahren. Mangels Glaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringens, wie unter Punkt 2.2. näher erläutert, konnte jedoch die konkret ausgeübte Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.
2.2. Zum Fluchtgrund des Beschwerdeführers:
2.2.1. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes konnte der Beschwerdeführer insbesondere aufgrund der in zentralen Punkten seines Fluchtvorbringens grob widersprüchlichen und unplausiblen sowie teils gesteigerten Angaben zu den Gründen für seine Ausreise betreffend die ihm drohende Verfolgung durch Al Shabaab keine aktuelle Gefährdung seiner Person im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat glaubhaft machen.
2.2.2. So ist eingangs anzumerken, dass sich der Beschwerdeführer über das gesamte Verfahren in unauflösbare Widersprüche und Unplausibilitäten verstrickte. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zwar oberflächliche Angaben zu seiner vermeintlichen Tätigkeit im Parlament machte, jedoch kaum nachvollziehbare Details zu konkreten Situationen machen konnte. So gab er beispielsweise im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde zwar an, welche Gerichte dem Präsidenten zu welcher Mahlzeit serviert worden seien und korrigierte bei der Befragung, er sei nur der Bediener, nicht der Koch gewesen (AS 56). Er konnte jedoch kaum präzise Informationen über seine Kollegen bzw. die Belegschaft im Parlamentsgebäude nennen. Sie seien sieben Bediener gewesen, mehrere Reiniger und mehrere Köche, eine genaue Anzahl könne er nicht nennen. Bediener hätten immer ein weißes Hemd und eine schwarze Hose tragen müssen (AS 58). Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte er auf Nachfrage des erkennenden Richters die Mitarbeiteranzahl im Parlamentsgebäude nicht schätzen (S 6 in OZ 4). Darüber hinaus, befragt zu seinen Vorgesetzten, Kollegen und zu etwaigen Bedrohungsszenarien diesen Personen gegenüber, gab er lediglich oberflächliche, allgemeine Antworten und nannte weder Namen noch Daten.
Auffallend ist weiters, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde angab, sein Bruder habe als Bewacher des Präsidenten gearbeitet. Er sei Berufssoldat gewesen und habe den Präsidenten nach einer Stelle für den Beschwerdeführer gefragt (AS 58f). Der Beschwerdeführer habe im Jahr 2017 begonnen für den Präsidenten zu arbeiten (AS 55). Auch vor dem erkennenden Gericht gab er an, er habe die Arbeit durch seinen Bruder bekommen (S 4 in OZ 4). Er verstrickte sich doch bereits in der Einvernahme in Widersprüche, da er einerseits, wie oben erwähnt, angab, für den Präsidenten gekocht zu haben, nur um sich später wieder zu korrigieren und anzugeben, er sei nicht der Koch gewesen, sondern nur der Bediener (AS 56). Während er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erneut angab, neben seiner Tätigkeit als Kellner, auch für den Präsidenten gekocht zu haben (S 7 in OZ 4). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer eine vermeintlich fünf Jahre lang ausgeübte Tätigkeit nicht stringent und widerspruchsfrei im gesamten Verfahren angeben kann, würde es sich hierbei um seine tatsächliche Erwerbstätigkeit handeln. Zumal sich sein gesamtes Fluchtvorbringen auf den Beruf als Kellner im Parlament stützt, wäre es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, diesbezüglich nachvollziehbare und übereinstimmende Angaben zu machen und ist seine Glaubwürdigkeit schon deshalb in Zweifel zu ziehen.
2.2.3. Selbst unter Wahrunterstellung seines vorgebrachten Dienstortes bzw. Dienstgebers, dem Parlament, weist das Fluchtvorbringen teils gravierende Widersprüche sowie Unplausibilitäten auf und konnte der Beschwerdeführer eine Bedrohungssituation durch Al Shabaab demnach nicht glaubhaft machen. Eine Verfolgung der Kollegen des Beschwerdeführers erwähnte er erstmals in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und steigerte damit auch sein Vorbringen. Er gab an, es seien fast alle der sieben Kellner gekündigt worden, manche davon seien aus Somalia geflüchtet. Eine Sicherheitsperson sei von Al Shabaab getötet worden (S 6f in OZ 4). Zumal der Beschwerdeführer darüber hinaus keine Details mehr hinsichtlich seiner Kollegen nannte, konnte er, mangels konkreter Ausführungen, auch keine Bedrohungssituation seiner Kollegen und damit auch seine eigene vermeintliche Bedrohungslage nicht glaubhaft machen. Seine diesbezüglichen Angaben waren lediglich vage und oberflächlich und somit unglaubhaft.
2.2.4. Festzuhalten ist ferner, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch in einem zweiten Punkt gesteigert hat. Während er vor der belangten Behörde durchwegs von einer einzigen Bedrohungssituation, nämlich am 07.09.2022, durch Al Shabaab sprach, brachte er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor, mehrfach von Al Shabaab bedroht worden zu sein (S 5 in OZ 4). Er gab an, Al Shabaab hätte zwar nicht sofort nach Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 2017 erfahren, wer sein Dienstgeber sei, sie seien jedoch „irgendwann auf mich gekommen, dass ich jetzt als Kellner im Parlament arbeite und haben mich aufgefordert damit aufzuhören und mich mit dem Tod bedroht“ (S 8 in OZ 4). Er hätte sich jedoch während seiner Tätigkeit keine großen Sorgen gemacht, da er überwiegend im Parlamentshaus gewesen sei, erst nach seiner Kündigung hätte er nicht mehr gewusst, wie er Al Shabaab entkommen hätte sollen (S 8 in OZ 4). Er gab nur an, ungefähr vier Mal, während seiner Arbeit, aufgefordert worden zu sein, mit dieser Tätigkeit aufzuhören (S 9 in OZ 4). Der Beschwerdeführer machte betreffend die vor 07.09.2022 vermeintlich vorgefallenen Bedrohungsszenarien jedoch keinerlei konkretere Angaben und schilderte weder Zeit- noch Ortsangaben, sodass einer mehrfachen Bedrohung kein Glaube geschenkt werden kann. Zudem erscheint es lebensfremd, den Teil seines Vorbringens, unter Umständen Jahre lang bedroht worden zu sein, im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde zu vergessen, würde es sich dabei um tatsächlich Erlebtes handelt.
2.2.5. Insbesondere betreffend seine Angaben zur konkreten Bedrohungssituation am 07.09.20222 verstrickte sich der Beschwerdeführer in Widersprüche.
Im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde schilderte der Beschwerdeführer, er sei nach der Wahl der neuen Parlamentsmitglieder sowie des neuen Präsidenten zwar nach wie vor Angestellter gewesen, habe aber weder eine Tätigkeit gehabt, noch eine Entlohnung erhalten. Er habe eine Gutschrift von Al Shabaab erhalten, mit der er sich ein Leichentuch kaufen hätte sollen und sei telefonisch mit dem Tod bedroht worden. Er habe große Angst bekommen und sei daher nicht nach Hause gegangen, sondern zu seinem Bruder, der als Berufssoldat tätig sei (AS 58ff). Auf Nachfrage, was der Beschwerdeführer geantwortet habe, als er mit dem Tod bedroht worden sei, gab er an: „Ich sagte, der Gott kann nur entscheiden, wenn ich sterbe und ich werde nur von Gott bestimmter Seite sterben“ und der Anrufer hätte darauf lediglich geantwortet, er werde sehen und hätte aufgelegt (AS 61). Widersprüchlich dazu erläuterte er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf Nachfrage, was er Al Shabaab geantwortet hätte: „Ich erlitt einen Schock. Ich hatte große Angst und Sorgen um mein Leben. An diesem Tag habe ich wirklich Angst bekommen und habe gedacht, dass ich wirklich sterben werde. Ich habe meinen Bruder angerufen und ihn um Hilfe ersucht. Mein Bruder sagte mir, dass ich sofort zu ihm kommen soll“. Auf weitere Nachfrage des erkennenden Richters, ob das bedeute, er habe Al Shabaab keine Antwort gegeben, gab der Beschwerdeführer an: „Nein, ich war unter Schock, ich habe gezittert, ich habe kein Wort aus dem Mund bekommen.“ (S 9 in OZ 4). Diese groben widersprüchlichen Angaben betreffend eine vermeintliche konkrete Bedrohungssituation sind nicht nachvollziehbar und konnte der Beschwerdeführer auch keinerlei schlüssige Erklärung für seine nicht übereinstimmenden Angaben liefern.
2.2.6. Darüber hinaus kann im gegenständlichen Fall aufgrund der Schilderungen des Beschwerdeführers nicht angenommen werden, dass er tatsächlich derart von Al Shabaab bedroht worden sei bzw. im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung drohen würde. Seinem Vorbringen zufolge, sei es erklärtes Ziel der Al Shabaab gewesen, den Beschwerdeführer zu einer Beendigung der Arbeit für die Regierung zu zwingen. Auffallend ist, dass der Beschwerdeführer dieser Forderung, zumindest in indirekter Weise, aufgrund seiner vermeintlichen Kündigung, nachgekommen sei. Weshalb eine weitere Verfolgung des Beschwerdeführers bzw. sogar die vermeintliche Tötung seiner Mutter durch Al Shabaab notwendig gewesen sei, ist nicht nachvollziehbar.
2.2.7. Ferner konnte der Beschwerdeführer auch nicht schlüssig erklären, wie es ihm möglich gewesen sei, sich weitere sechs Monate ohne weitere Vorfälle in Mogadischu, nahe seines bisherigen Wohnortes, aufzuhalten.
2.2.8. Im Übrigen konnte der Beschwerdeführer auch hinsichtlich seiner Familienangehörigen und deren Aufenthaltsort keine schlüssigen Angaben machen. Vor der belangten Behörde brachte der Beschwerdeführer vor, seine Familie würde erst seit seiner Ausreise, im März 2023, in XXXX leben (AS 55). Er widersprach sich einige Fragen später selbst, indem er angab, am Tag nach der Ermordung seiner Mutter, seine Familie nach Khada gebracht zu haben (AS 58). Ferner gab er an, mit seiner Frau telefonisch in Kontakt zu stehen. Auf Nachfrage, was seine Frau bei gemeinsamen Telefonaten erzählen würde, gab er an, sie würden ein schweres Leben führen, es gebe Probleme betreffend die Ernährung der Kinder. Diese würden auch nicht die Schule besuchen, da kein Geld vorhanden sei (AS 57). Später in der Einvernahme vor der belangten Behörde gab er zudem an, die Familie hätte sich das Haus in XXXX nicht mehr leisten können, daher hätte er seine Familie nach XXXX gebracht (AS 61). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, er sei am Tag nach der Ermordung seiner Mutter mit seinem Bruder und weiteren Soldaten in das Haus der Familie gefahren, um die Mutter zu beerdigen. Anschließend seien sie in die Militäreinrichtung zurückgekehrt. Die Frage des erkennenden Richters, ob sich all dies an einem Tag abgespielt hätte, bejahte der Beschwerdeführer und führte zudem aus, „Mein Vater und die restliche Familie zogen von XXXX nach XXXX “ (S 11 in OZ 4). Darüber hinaus gab er konträr zu seinen Aussagen vor der belangten Behörde an, seine Kinder würden derzeit aus Angst vor Al Shabaab keine Schule besuchen und seine Frau sei die einzige, die das Haus verlassen würde. Von Al Shabaab sei die Familie jedoch seit dem Umzug nicht bedroht worden (S 13 in OZ 4). Aufgrund der divergierenden Angaben, wann seine Familie umgezogen sei und aus welchen Gründen die Kinder keine Schule besuchen würden, war die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers weiter in Zweifel ziehen und wäre ihm ein stringentes Vorbringen betreffend seine Angehörigen jedenfalls zumutbar gewesen.
2.2.9. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auch hinsichtlich des Zeitpunktes, in dem er seinen Ausreiseentschluss gefasst habe und betreffend die Organisation seiner Ausreise, grob widersprüchliche Angaben machte. Einerseits gab er bereits in der Erstbefragung an, seinen Ausreiseentschluss im März 2023 gefasst zu haben und sich seine Ausreise in weiterer Folge selbst organisiert zu haben. Er habe sich ein Visum für die Türkei bestellt und sei von dort selbstständig weitergereist (AS 26ff). Andererseits nannte er aus Zeitpunkt für den Ausreiseentschluss vor dem erkennenden Gericht den 07.09.2022 und gab auf Vorhalt dieses Widerspruches lediglich an, es müsse sich um ein Missverständnis handeln (S 4 in OZ 4). Hinsichtlich der Organisation der Ausreise nannte der Beschwerdeführer seine Geschwister als diejenigen, die die Ausreise organisiert und bezahlt hätten. Nach Vorlage des Widerspruchs zu den Angaben in der Erstbefragung, antwortete der Beschwerdeführer er habe mit „organisieren“ gemeint, er habe aus Angst weggehen wollen und seine Geschwister um Hilfe gebeten (S 14 in OZ 4). Vor dem Hintergrund der oben ins Treffen geführten Aussage, er habe sich die Reise selbst organisiert, scheint dieser Widerspruch unauflösbar.
2.2.10. Abschließend ist festzuhalten, dass die in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Fotos des Beschwerdeführers mit seinen vermeintlichen Kollegen bzw. Vorgesetzten keinen Beweis für die Art der ausgeübten Tätigkeit oder seinen Arbeitsort bzw. Dienstgeber darstellen, da weder ersichtlich ist, wo diese Fotos aufgenommen worden seien, noch die Erwerbstätigkeiten der auf den Fotos sichtbaren Personen daraus hervorgehen. Auch die vor der belangten Behörde in Kopie vorgelegten Unterlagen waren nicht geeignet, seine Ausführungen zur behaupteten Erwerbstätigkeit zu belegen, zumal es sich lediglich um Handyfotos von vermeintlichen Ausweisen handelt, denen mangels Überprüfbarkeit keine Beweiskraft zukommt.
2.2.11. Aufgrund der dargelegten Diskrepanzen zu der von ihm behaupteten Bedrohungslage, gelang es dem Beschwerdeführer im Ergebnis nicht, eine Gefährdung durch Al Shabaab glaubhaft zu machen.
2.2.12. Abschließend bleibt lediglich der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass allfälligen dem Beschwerdeführer drohenden, nicht asylrelevanten Gefährdungen durch die bereits von der belangten Behörde erfolgte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ausreichend Rechnung getragen wurde.
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Es wurde vor allem Einsicht genommen in folgende Erkenntnisquellen des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers:
Länderinformation der Staatendokumentation „Somalia“ vom 16.01.2025 (Version 7)
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).
„Glaubhaftmachung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248; 23.01.1997, 95/20/0303) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).
3.2. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt (vgl. oben, 2.2.), kommt dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines Vorbringens zur Verfolgungsgefahr keine Glaubwürdigkeit zu. Zudem konnte entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser nach einer allfälligen Rückkehr nach Somalia Verfolgungshandlungen bzw. Bedrohungssituationen ausgesetzt wäre.
3.3. Daher ist die gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erhobene Beschwerde abzuweisen.
Da sich die vorliegende Beschwerde ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet, sind die Spruchpunkte II. und III. bereits in Rechtskraft erwachsen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.