JudikaturBVwG

W217 2313168-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 2025

Spruch

W217 2313168-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 28.04.2025, OB: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bescheid wird bestätigt mit der Maßgabe, dass die Zurückweisung infolge Fehlens eines verfahrenseinleitenden Antrages gemäß § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung erfolgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer verfügte über einen Behindertenpass auf Grund eines Grades der Behinderung von 80%. Dabei wurden von Dr.in XXXX (Ärztin für Allgemeinmedizin) folgende Funktionseinschränkungen erhoben:

Das führende Leiden 1 werde durch die übrigen Leiden um zwei Stufen erhöht, da der Gesamtzustand wesentlich negativ beeinflusst werde,

2. Am 03.04.2022 beantragte der Beschwerdeführer in seinem E-Mail mit dem Betreff „Erweiterung Behindertenpass“ die Anpassung des Behindertenpasses entsprechend seiner im Anhang beigefügten Befunde.

Mit Bescheid vom Sozialministeriumservice vom 08.11.2022 wurde der Grad der Behinderung mit 40% neu festgesetzt.

In der Folge beschloss das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Erledigung der gegen den Bescheid vom 08.11.2022 erhobenen Beschwerde, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückzuverweisen, da die Herabsetzung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten nicht nachvollziehbar sei.

Mit Bescheid vom 07.11.2023 wurde der Grad der Behinderung von der belangten Behörde erneut mit 40% festgesetzt.

Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 24.09.2024, Zl. W218 2264472-2/12E, als unbegründet abgewiesen. Das BVwG stellte fest, dass der Beschwerdeführer an folgenden Funktionseinschränkungen leidet:

1. Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Hüfttotalendoprothese links, Polyneuropathie beider unterer Extremitäten, Pos.Nr.: 02.02.02, Grad der Behinderung 30%

2. Obstruktives Schlaf Apnoe Syndrom, Pos.Nr.: 06.11.02, Grad der Behinderung 30%

3. Chronische Pankreatitis, Pos.Nr.: 07.07.01, Grad der Behinderung 30%

4. Zustand nach Duodenalhämatomausräumung, Pos.Nr.: 07.04.04, Grad der Behinderung 20%

5. Hypertonie, Pos.Nr.: 05.01.02, Grad der Behinderung 20%

6. Zustand nach mehrmaligen Insulten (dokumentiert 2017 rechtshirnig, 2018 linkshirnig, passagere Symptomatik re Körperhälfte 11/21) mit geringen Restsymptomen (motorisch re, Senisbilitätsstörungen li), Pos.Nr.: 04.01.01, Grad der Behinderung 20%

Die schwerwiegenden Leiden „Stuhlinkontinenz bei Sphinterschwäche“, welches mit einem Grad der Behinderung von 50 vH eingestuft war sowie „rezidivierende Depressio, Zustand nach mehrmals Alkoholentzug, multipler Substanzgebrauch“, welches mit einem Grad der Behinderung von 40 vH eingestuft war, waren nicht mehr objektivierbar.

Mit Bescheiden vom 02.10.2024 stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. Parkausweises erfülle und der Behindertenpass sowie Parkausweis einzuziehen und unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen seien. Die beiden Ausweise wurden der belangten Behörde sodann vom Beschwerdeführer retourniert.

3. Der Beschwerdeführer begehrte in der Folge am 16.04.2025 bei der belangten Behörde die „Zurücksendung“ seines Behindertenpasses und seiner Parkkarte, die die belangte Behörde im November 2024 eingezogen habe, da er seit 01.05.2024 in Berufsunfähigkeitspension sei, zudem beziehe er seit 01.08.2019 Pflegegeld der Stufe 1. Hierzu brachte der Beschwerdeführer vor,

„(…) Ich bitte Sie mir meine Behindertenpass und die Parkkarte die Sie im November eingezogen haben wieder zurückzusenden. Sehen Sie dieses Schreiben nicht wie schon einmal geschehen als Antrag zur Neufestlegung des Behindertengrades.

Eine weitere Untersuchung durch Ihren anscheinend einzigen Sachverständigen der mich schon 3 mal gesehen hat würde wohl nichts bringen da er voreingenommen ist.

Das letzte Mal wollte ich das ein Eintrag wegen meines Darmes im Behindertenpass vorgenommen wird und Sie haben mir den Behindertenpass eingezogen. (…)“

Mit Bescheid vom 28.04.2025 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 16.04.2025 auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) zurück, weil eine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigungen vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft geltend gemacht worden sei.

Mit Schreiben vom 12.05.2025 erhob der Beschwerdeführer – unter Vorlage eines nervenfachärztlichen Gutachtens vom 31.01.2025 sowie eines Schreibens der PVA vom 20.12.2024 fristgerecht Beschwerde. Das Gutachten belege, dass der Gutachter vom Sozialministeriumservice voreingenommen sei. Die PVA bestätige, dass er die 80 Stunden Pflege auch weiter unverändert benötige.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 22.05.2025 die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Er war Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 80 v.H. Mit Erkenntnis vom 24.09.2024 stellte das BVwG fest, dass beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. vorliegt und wies die Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.11.2023 als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer begehrte in der Folge am 16.04.2025 bei der belangten Behörde lediglich die „Zurücksendung“ seines Behindertenpasses und seiner Parkkarte, die im November 2024 eingezogen wurden. Ausdrücklich betonte der Beschwerdeführer in seinem Antrag, dass die belangte Behörde dieses Schreiben nicht - wie schon einmal geschehen - als Antrag zur Neufestlegung des Behindertengrades sehen solle.

Der Beschwerdeführer hat einen Antrag auf Zurücksendung des ihm im November 2024 eingezogenen Behindertenpasses gestellt.

In der Folge wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 28.04.2025 allerdings einen Antrag des Beschwerdeführers vom 16.04.2025 auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) zurück, weil eine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigungen vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft geltend gemacht worden sei.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug.

Die Feststellungen zum Vorverfahren und zur gegenständlichen Antragstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Mit dem im Antragsschreiben vom 16.04.2025 unmissverständlichen Satz „Ich bitte Sie mir meine Behindertenpass und die Parkkarte die Sie im November eingezogen haben wieder zurückzusenden. Sehen Sie dieses Schreiben nicht wie schon einmal geschehen als Antrag zur Neufestlegung des Behindertengrades“ hat der Beschwerdeführer klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, keinen Antrag auf Neufestsetzung des Behindertengrades stellen zu wollen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Der Beschwerdeführer hat am 16.04.2025 keinen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt. Vielmehr hat er einen Antrag auf Zurücksendung des ihm im November eingezogenen Behindertenpasses gestellt.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteienerklärungen und Anbringen der Parteien nach dem objektiven Erklärungswert auszulegen (VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; 3.10.2013, 2012/06/0185; 23.5.2014, 2012/02/0188).

Aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut „Sehen Sie dieses Schreiben nicht wie schon einmal geschehen als Antrag zur Neufestlegung des Behindertengrades“ ergibt sich, dass der Beschwerdeführer, bei dem zuletzt ein Grad der Behinderung in Höhe von lediglich 40% festgestellt wurde, keinen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt hat, zumal hierfür die Neufeststellung des Behindertengrades zwingend erforderlich wäre.

Dennoch hat die belangte Behörde die nicht beantragte Ausstellung eines (neuen) Behindertenpasses wegen des innerhalb der Jahresfrist gestellten neuen Antrages zurückgewiesen.

In einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren ist eine behördliche Entscheidung nur aufgrund eines diesbezüglichen Antrages zu treffen, andernfalls wäre von einer mangelnden Zuständigkeit der Behörde auszugehen. Eine Behörde, welche einen antragsbedürftigen Bescheid erlässt, obwohl kein diesbezüglicher Antrag der Partei vorliegt, verletzt nämlich auf einfachgesetzlicher Ebene das Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung (vgl. VwGH 16.11.1983, 83/01/0243; 9.7.1985, 83/07/022725; 23.2.1996, 93/17/0200), auf Verfassungsebene das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (vgl. VfGH 20. 6. 1964, Slg. Nr. 4730, 19. 3 1968, Slg. Nr. 5685).

Der Beschwerdeführer begehrte einzig die Rücksendung seines im November eingezogenen Behindertenpasses. Dieser Antrag findet jedoch keine Deckung im Bundesbehindertengesetz (BBG). Die Zurückweisung des Antrages vom 16.04.2025 durch die belangte Behörde erfolgte sohin zu recht, wenngleich die Zurückweisung falsch begründet wurde.

Damit erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die vorliegende Beschwerde und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Dem Beschwerdeführer steht es frei, sollte er aus neuen Befunden einen höheren Grad der Behinderung vermeinen, nach Maßgabe der Bestimmung des § 41 BBG einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.