JudikaturBVwG

W284 2285749-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2025

Spruch

W284 2285761-1/9EW284 2285726-1/9EW284 2285749-1/10EW284 2285751-1/10EW284 2285753-1/10EW284 2285755-1/10EW284 2285756-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX 1967, 2. XXXX , geb. XXXX 2012, 3. XXXX , geb. XXXX 2015, 4. XXXX , geb XXXX 2004, 5. XXXX , geb. XXXX 1981, 6. XXXX , geb. XXXX 2000, 7. XXXX , geb. XXXX 2007, alle StA: Syrien, vertreten durch BBU, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl alle vom 23.10.2023, 1. Zl. 1329129206-223248535, 2. Zl. 1329012105-223248586, 3. Zl. 1329017406-223248594, 4. Zl. 1329143303-223248578, 5. Zl. 1329136505-223248543, 6. Zl. 1329139104-223248551, 7. Zl. 1329138706-223248560, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.04.2025 zu Recht:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer, geb. XXXX 1967 ist der Ehemann der Fünftbeschwerdeführerin, geb. XXXX 1981, sie sind Eltern ihrer gemeinsamen Kinder (Zweit- bis Viertbeschwerdeführer XXXX und XXXX sowie Sechst- und Siebtbeschwerdeführer XXXX und XXXX ), alle stellten am 13.10.2022 ihre vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

2. Die Beschwerdeführer wurden am 28.07.2023 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen.

3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheiden wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführer jeweils hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II. und III.).

4. Mit fristgerecht erhobener Beschwerde gegen jeweils Spruchpunkt I. der Bescheide bekämpften die Beschwerdeführer die Versagung des Asylstatus.

5. Nach Zuweisung an die erkennende Gerichtsabteilung am 14.03.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht am 15.04.2025 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und im Beisein der Vertretung der Beschwerdeführer eine öffentliche Verhandlung durch (Verhandlungsprotokoll = VP). Hierbei wurden die Erst- und Viert- bis Siebtbeschwerdeführer zu den persönlichen Lebensumständen in Syrien, den Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Die Identitäten der Eltern stehen fest, nicht dagegen die der Kinder. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Syrien, sprechen Arabisch, gehören der Volksgruppe der Araber an und bekennen sich zum islamischen Glauben.

Alle Beschwerdeführer stammen aus der Region Homs, Ortschaft XXXX , einem Vorort der Stadt XXXX . Der Herkunftsort der Beschwerdeführer steht seit Dezember 2024 bis dato unter Kontrolle der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (syria.liveuamap.com).

Abbildung 1 : https://syria.liveuamap.com/; Abgerufen am 08.05.2025

Die Beschwerdeführer hatten vor dem Verlassen Syriens an ihrem Herkunftsort keine konkrete Bedrohung durch irgendeine Gruppierung zu gewärtigen. Auch zukünftig hätten sie bei (infolge ihres subsidiären Schutzes bloß hypothetischer) Rückkehr mit keiner Bedrohung - weder durch das syrische Regime noch durch die HTS, SDF oder sonstige Gruppen - zu rechnen.

Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Fünftbeschwerdeführerin verheiratet und sie haben acht gemeinsame Kinder, wovon sich fünf Kinder (Zweit- bis Viertbeschwerdeführer und der Sechst- und Siebtbeschwerdeführer) im Bundesgebiet und drei weitere – erwachsene – Kinder in der Türkei aufhalten, wo diese geheiratet haben und nunmehr gemeinsam mit ihrer eigenen Kernfamilie in der Türkei leben (VP S. 6).

Der Erstbeschwerdeführer hat 12 Jahre lang die Schule in Syrien besucht und ist arbeitsfähig. Er hat in Syrien in einem Wasserwerk der syrischen Regierung in Homs gearbeitet. Er ist mit seiner Familie spätestens am 13.10.2022 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Die Fünftbeschwerdeführerin ist mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet und hat 9 Jahre die Schule in Syrien besucht.

Der Zweitbeschwerdeführer ist minderjährig und ledig, ebenso die Drittbeschwerdeführerin. Die Viertbeschwerdeführerin ist ledig und kinderlos. Die Sechstbeschwerdeführerin ist ledig, kinderlos und hat in Syrien 6 Jahre die Schule besucht, der Siebtbeschwerdeführer ist als Minderjähriger nach Österreich eingereist und mittlerweile volljährig, ledig und kinderlos.

Alle Beschwerdeführer sind gesund. Ihnen kommt in Österreich der Status subsidiär Schutzberechtigter zu.

1.2. Zu ihren Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführer verließen Syrien aufgrund der allgemein unsicheren Lage und des Bürgerkriegs, weshalb ihnen vom Bundesamt – zu Recht – der Status subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt wurde.

Der Erstbeschwerdeführer, 58 Jahre alt, wechselte im Verfahren seinen Fluchtgrund aus. Ursprünglich bezog er sich auf die Furcht, den Reservemilitärdienst für das Regime ableisten zu müssen. Später bezog er sich – stattdessen – darauf, dass „in Homs Kämpfe“ (VP S. 11) stattfinden und er sich in Syrien „ungerecht behandelt“ gefühlt hat, zumal er seine Arbeit verloren hat (VP S. 11). Vor einer Angst wegen Rekrutierung nahm er im Laufe des Verfahrnes ausdrücklich Abstand, nicht aber davon, dass Homs unsicher ist (VP S. 13).

Die Fünftbeschwerdeführerin, Ehefrau des Erstbeschwerdeführers und Mutter der Kinder, hat Syrien wegen des Krieges verlassen. Ihrer Ansicht nach wurde Syrien durch den Sturz Assads „befreit“ (vgl. VP).

Die Zweit-, Dritt und Viert- und Sechstbeschwerdeführer brachten keine eigenen Gründe vor bzw. bezogen sie sich im Verfahren vordergründig auf den Krieg in Syrien. Auch der Siebtbeschwerdeführer, der als Minderjähriger nach Österreich eingereist und mittlerweile volljährig ist, wäre bei Rückkehr keiner Bedrohung ausgesetzt, wenngleich er, anders als seine Mutter, die jetzige Regierung als nicht vertrauenswürdig, gar schlecht ansieht.

Die Beschwerdeführer sind keine politisch interessierten Menschen. Sie waren weder politisch aktiv noch Mitglied einer politischen Organisation/Partei.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformation der Staatendokumentation Syrien, nunmehr Version 12 vom 08.05.2025 (vgl. hierzu VP S. 5 noch Version 11 vom 27.03.2024, ergänzt am 10.12.2024), auszugsweise wiedergegeben:

[…]

Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a).

Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).

Die Karte zeigt die Aufteilung Syriens unter den bewaffneten Gruppierungen Ende Februar 2025:

TWI 28.2.2025

In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby 16.12.2024). Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).

Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).

Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten (LTO 9.12.2024). Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert (SYRDiplQ1 5.2.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung – die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat – steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach (AC 23.1.2025). Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war (AlMon 11.12.2024). Ash-Shara' und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt (ISW 19.12.2024). Al-Bashir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden (AJ 15.12.2024a). Ash-Shara', sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Kameraden, die der HTS oder anderen Gruppierungen angehören, sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren (Akhbar 31.12.2024). Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (AC 23.1.2025).

Die Regierung hat keinen Zeitplan für die Durchführung von Wahlen festgelegt. Ash-Shara' stellte am 16.12.2024 fest, dass Syrien nicht bereit für Wahlen sei. Die Amtszeit der Übergangsregierung wurde bis März 2025 festgesetzt (ISW 16.12.2024). Am 29.3.2025 ernannte der Präsident die neue syrische Regierung. Diese besteht aus Technokraten, ethnischen Minderheiten und mehreren engen Vertrauten ash-Shara's. Fast die Hälfte der Ernannten steht in keiner Verbindung zur HTS. Unter den Ernannten ist eine Frau, ein Angehöriger der drusischen Minderheit, ein Kurde und ein Alawit (FT 30.3.2025). Das einzige weibliche Kabinettsmitglied ist katholische Christin (VN 1.4.2025). Keiner davon erhielt ein wichtiges Ressort. Syrien-Experte Fabrice Balanche erklärte, dass wichtige Ressorts an „ehemalige Mitstreiter vergeben wurden, die bereits Teil der Syrischen Heilsregierung in der Provinz Idlib“ im Nordwesten Syriens waren (AlMon 30.3.2025). Der Verteidigungsminister und der Außenminister der Übergangsregierung behielten ihre Ämter. Innenminister Khattab war zuvor Leiter des Geheimdienstes (Independent 29.3.2025). Auch Außenminister ash-Shaibani behielt sein Amt (AlMon 30.3.2025). Mehrere der neuen Minister waren unter dem Assad-Regime tätig. Zu den ehemaligen Assad-Beamten gehören Yarab Badr, der neue Verkehrsminister, und Nidal ash-Sha'r, der zum Wirtschaftsminister ernannt wurde (NYT 30.3.2025). Die Mitglieder sind für fünf Jahre bestellt (FT 30.3.2025). Das Kabinett hat keinen Premierminister, da gemäß der vorläufigen Verfassung die Regierung einen Generalsekretär haben wird (Independent 29.3.2025). Ein neues Gremium, das Ende März per Dekret bekannt gegeben wurde, das Generalsekretariat für politische Angelegenheiten, gewährte ash-Shara's Stellvertreter, Außenminister ash-Shaibani, weitreichende Befugnisse über die Führung von Ministerien und Regierungsbehörden – ähnlich der Rolle eines Premierministers (FT 30.3.2025).

Am 13.3.2025 unterzeichnete ash-Shara' die angekündigte Verfassungserklärung (NYT 14.3.2025). Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln (AlHurra 14.3.2025). Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor (BBC 14.3.2025). Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden (NYT 14.3.2025). Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC 14.3.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT 14.3.2025). Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara' neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra 14.3.2025). Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Shara'-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As'ad ash-Shaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab (ISW 13.3.2025). Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“ (AlMon 30.3.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT 14.3.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra 14.3.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT 14.3.2025). Aussagen eines Mitglieds des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle (BBC 14.3.2025). Diese temporäre Verfassung konzentriert viel Macht in den Händen des Präsidenten. So werden dem Präsidenten die Exekutivgewalt und die Befugnis, den Ausnahmezustand zu erklären, gewährt (NYT 14.3.2025). Das Parlament ist nicht befugt, den Präsidenten anzuklagen, Minister zu ernennen oder zu entlassen oder die Exekutive zu kontrollieren (HRW 25.3.2025). Immerhin spricht die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Befugnis ab, allgemeine Amnestiegesetze zu erlassen, die al-Assad zuvor für sich monopolisiert hatte (AlHurra 14.3.2025). In der Verfassung ist Syrien als „arabische“ Republik definiert mit Arabisch als einziger Amtssprache (LSE 28.3.2025). Sie löste innerhalb Syriens viele Diskussionen aus. Umstritten sind insbesondere jene Passagen, die dem Präsidenten ein Machtmonopol einräumen (AlHurra 14.3.2025). Der Syrische Demokratische Rat, der politische Arm der kurdisch geführten Kräfte, die den Nordosten Syriens kontrollieren, erklärte, das neue Dokument sei „eine neue Form des Autoritarismus“ und kritisierte die seiner Meinung nach unkontrollierten Exekutivbefugnisse (NYT 14.3.2025). Das International Centre for Dialogue Initiatives schreibt, dass diese Reformen einseitig von einem ebenfalls vom Präsidenten ernannten Verfassungsausschuss ausgearbeitet wurden, der dann behauptete, ihre Legitimität stamme aus einem Dialogprozess. Die sogenannte Nationale Dialogkonferenz wurde so zu einem politischen Deckmantel für vorab festgelegte Verfassungsänderungen, die unter dem Deckmantel der Reform die autoritäre Herrschaft festigten (ICDI 4.4.2025). Trotz der weitverbreiteten Kritik an der aktuellen Verfassung ist keine kurzfristige Überarbeitung vorgesehen. Die vorliegende Fassung ist das Ergebnis eines beschleunigten Verfahrens, das unmittelbar nach der Nationalen Dialogkonferenz im Februar 2025 in Gang gesetzt wurde. Ein siebenköpfiges Gremium erarbeitete die Verfassung in kürzester Zeit und wird in ihrer aktuellen Form noch nicht ihren Ansprüchen für einen pluralistischen, freien und gerechten Staat gerecht (AdRev 3.4.2025).

Als Reaktion auf die neue Verfassung gründeten 34 verschiedene syrische Parteien und Organisationen am 22.3.2025 eine Allianz, die Allianz für gleiche Staatsbürgerschaft in Syrien (Syrian Equal Citizenship Alliance bzw. Tamasuk). Zu den Organisationen der Allianz gehört der Syrische Demokratische Rat (ISW 24.3.2025), die Partei des Volkswillens, die Demokratische Ba'ath-Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei (TNA 23.3.2025) sowie andere kurdische, christliche und drusische Gruppierungen (ISW 24.3.2025). Das Bündnis bezeichnet sich selbst nicht als Opposition und verlangt eine dezentrale Machtverteilung (TNA 23.3.2025).

Trotz der Kritik ergab eine im März 2025 im Auftrag von „The Economist“ durchgeführte Umfrage, an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, dass 81 % die Herrschaft von ash-Shara' befürworten. Nur 22 % sind der Meinung, dass seine Vergangenheit als al-Qaida-Führer ihn für eine Führungsrolle disqualifiziert. Eine große Zahl der Befragten gibt an, dass sie seine neue Ordnung als sicherer, freier und weniger konfessionell geprägt empfinden als das Regime von al-Assad. Etwa 70 % sind optimistisch, was die allgemeine Richtung des Landes angeht. Die zufriedenste Provinz ist Idlib, ash-Shara's ehemaliges Machtgebiet, wo 99 der 100 Befragten sich optimistisch äußern. Tartus, wo Anfang März 2025 mehrere Massaker an der alawitschen Minderheit stattgefunden haben, ist die pessimistischste Provinz. Selbst dort gaben 49 % an, optimistisch zu sein, während 23 % sich pessimistisch äußerten. (Economist 2.4.2025).

Syrien steht auf der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen und HTS wird von der Europäischen Union, der Türkei und den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft (AJ 15.12.2024a). HTS wurde im Mai 2014 auf die Terrorliste der UN gesetzt, als der Sicherheitsausschuss zu dem Schluss kam, dass es sich um eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur al-Qaida handelt. Sie unterliegen drei Sanktionsmaßnahmen: Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbot und Waffenembargo. Das bedeutet, dass international von allen Mitgliedstaaten erwartet wird, dass sie diese Maßnahmen einhalten. Um HTS nicht mehr als Terrororganisation zu listen, müsste ein Mitgliedstaat die Streichung von der Liste vorschlagen, und dieser Vorschlag würde dann an den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrats weitergeleitet. Der Ausschuss, der sich aus Vertretern aller 15 Länder zusammensetzt, die den Sicherheitsrat bilden, müsste dann einstimmig beschließen, den Vorschlag zu genehmigen (UN News 12.12.2024). Die internationale Gemeinschaft akzeptierte in bilateralen und multilateralen Formaten, dass HTS, trotz ihrer Einstufung als terroristische Vereinigung, einen Platz am Verhandlungstisch benötigt (MEI 9.12.2024).

Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums (TWI 28.2.2025). Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert (MEI 19.12.2024). Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht (TWI 28.2.2025). Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert (MEI 19.12.2024). Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert (Al-Monitor 8.12.2024). Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara' bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017–2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte (TWI 28.2.2025). Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert (MEI 19.12.2024). Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen (TWI 28.2.2025). Anfang Jänner 2025 hinderten lokale Gruppierungen, die in der Provinz Suweida operieren, einen Militärkonvoi der DMO an der Einfahrt in die südsyrische Provinz. Quellen erklärten gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung auf Anweisung des geistlichen Oberhaupts der monotheistischen Gemeinschaft der Drusen, Hikmat al-Hijri, getroffen wurde, der betonte, dass keine militärische Präsenz von außerhalb der Provinz erlaubt sei. Die Quellen erklärten, dass der Militärkonvoi in die mehrheitlich drusische Provinz Suweida kam, ohne sich vorher mit den lokalen Gruppierungen in der Provinz abzustimmen (AJ 1.1.2025a). Etana zufolge soll die HTS zunehmend versucht haben, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte. In intensiven Verhandlungen im Gebäude des Gouvernements Dara'a wurde die Auflösung sowohl des 5. Korps als auch der Gruppen von Ahmad al-'Awda (die einst die 8. Brigade des 5. Korps bildeten) sowie anderer ehemaliger Oppositionsgruppen aus der Stadt Dara'a und at-Tafas angestrebt. Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al-'Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte (Etana 17.1.2025). Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben (National 14.4.2025), schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt (Etana 16.4.2025). [Weitere Informationen zu den Gruppierungen in Südsyrien sowie zu ihrer Entwaffnung finden sich in den Kapiteln Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Ash-Shara's politisches Projekt eines zentralisierten Syriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die „Nation“ spalten könnte – eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht (TWI 28.2.2025).

Als Teil des Übergangs von der Revolution zum Staatsaufbau arbeitet die neue syrische Regierung daran, diesen Aufbau zu stärken und zu konsolidieren, indem sie eine nationale Armee aufbaut, die alle militärischen Formationen und Gruppierungen umfasst, die sich aufgrund bestimmter Umstände und Fakten während der syrischen Revolution gebildet haben (AJ 29.1.2025). [Details zum Aufbau dieser Armee finden sich in den Kapiteln Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).]

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Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei (Leb24 13.2.2025). Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt (VB Amman 9.2.2025). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln (ÖB Amman 6.2.2025). Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu kontrollieren (AlHurra 6.2.2025a). Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen (VB Amman 9.2.2025). Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden (Standard 23.1.2025). Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt (Etana 22.2.2025). Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen (UN News 12.2.2025).

Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).

Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). [Weitere Informationen zu "Versöhnungszentren" finden sich auch in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den "Versöhnungszentren" in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen "Versöhnungsprozessen" entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI 13.3.2025).

Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy 3.2.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya 6.1.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) (MAITIC 9.1.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC 7.1.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla 24.1.2025). Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. (AlHurra 12.2.2025). [Details zur neuen syrischen Armee und der Entwaffnung bewaffneter Gruppierungen finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) Anm.]

Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC 7.1.2025).

Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet (NPA 17.3.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW 16.4.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD 28.1.2025).

Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (Syria TV 26.2.2025).

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2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, in den Gerichtsakt sowie in die vorgelegten Urkunden, weiters durch Befragung der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, wodurch die Richterin insbesondere einen persönlichen Eindruck der Parteien gewinnen konnte. Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln (VP = Verhandlungsprotokoll; AS = Aktenseite).

2.1 Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Identitäten der Erst- und Fünftbeschwerdeführer konnten nach Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente festgestellt werden: Zum Erstbeschwerdeführer liegt ein syrischer Personalausweis (Original), Nr.: XXXX , ausgestellt am XXXX 2004, Vorlage Bundesamt am 28.07.2023, im Akt ein; weiters ein syrischer Familienregisterauszug (Kopie), Nr.: XXXX , ausgestellt am XXXX 2022, Vorlage Bundesamt am 28.07.2023, sowie sein syrisches Militärbuch (Original), Nr.: XXXX , ausgestellt am XXXX 1986, Vorlage Bundesamt am 28.07.2023 und ein Mobilmachungsschein Militär (Kopie), Nr.: XXXX , Vorlage Bundesamt am 28.07.2023; zur Fünftbeschwerdeführerin ist ihr syrischer Personalausweis (Original), Nr.: XXXX , ausgestellt am XXXX 2003, Vorlage Bundesamt am 28.07.2023, aktenkundig.

Die Identitäten der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer und der Sechst- und Siebtbeschwerdeführer konnten mangels Vorlage gültiger Identitätsnachweise keiner positiven Feststellung zugeführt werden, erscheinen aber vor dem Hintergrund der belegten biografischen Daten ihrer Eltern und den zeitlich kompatiblen Angaben der einzelnen Familienmitglieder plausibel. Die Feststellung zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer basiert auf den diesbezüglich glaubhaften und nachvollziehbaren Eigenangaben sowie aus dem Umstand, dass keine medizinischen Dokumente vorgelegt wurden, denen sich Gegenteiliges entnehmen lässt.

Ihre Angaben zu Staats-, Volksgruppen-, und Religionszugehörigkeit, dem Familienstand und der Muttersprache der Beschwerdeführer blieben im Verfahren gleich und waren somit festzustellen.

Die Feststellungen zum Geburts- und Wohnort der Beschwerdeführer und zur Kontrolle über den Geburts- und Wohnort beruhen ebenso auf den gleichbleibenden Angaben bzw. der Einsichtnahme in die Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien (LIB), https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-january-7-2025 sowie der tagesaktuellen Syrien-Karte unter https://syria.liveuamap.com. Hierbei hat sich zudem ergeben, dass es sich bei XXXX , ihrem Herkunftsort, um denselben Ort wie XXXX handelt, wobei dieser umbenannt wurde. Ihren Herkunftsort haben die Beschwerdeführer sohin gleichbleibend angegeben.

https://www.understandingwar.org/sites/default/files/Syria%20CoT%20Map%20January%207%2C%202025.png

Abbildung 2 : https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-january-7-2025

Die Beschwerdeführer verbrachten ihr ganzes Leben bis zur Ausreise am Herkunftsort in Syrien – ohne Probleme (VP S. 7), worin bereits ein erster Indikator dafür zu erblocken ist, dass sie keiner konkreten Bedrohungssituation ausgesetzt waren oder wären.

Die Feststellungen zu Sprachkenntnissen, Schulbildung und Berufserfahrung sowie zur familiären Situation beruhen auf ihren schlüssigen und stringenten Angaben hierzu im Laufe des Verfahrens.

Fest steht, dass es sich beim Erstbeschwerdeführer um einen mittlerweile 58-jährigen Syrer handelt, der in XXXX (AS 35) geboren wurde und gemeinsam mit seiner Familie zuletzt in XXXX (AS 21), einem Vorort der Stadt XXXX gelebt hat, ehe er mit den weiteren Beschwerdeführern seinen Wohnort und Syrien im Jahr 2012 verlassen hat (AS 4). Fest steht auch, dass es sich bei der Fünftbeschwerdeführerin um die 44-jährige, in XXXX (AS 19) geborene, Ehefrau des Erstbeschwerdeführers handelt und in der Heimat alle Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Die Stadt XXXX , steht seit dem Sturz des Assad-Regimes unter Kontrolle der HTS.

Die Kinder haben mit ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt in XXXX gelebt und waren bei der Ausreise im Jahr 2012 noch minderjährig.

Dass den Beschwerdeführern in Österreich der Status subsidiär Schutzberechtigter zukommt, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Bescheide des Bundesamtes. Aus diesem Grund wurden auch die Feststellungen zur aktuellen Sicherheitslage bloß überblicksartig wiedergegeben, genießen die Beschwerdeführer doch diesen Schutzstatus nach wie vor.

2.2 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Dass den Beschwerdeführern vom Bundesamt der Status subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt wurde, ergibt sich, wie eben angeführt, aus dem behördlichen Akt. Dies erhellt sich auch daraus, dass die Beschwerdeführer im Verfahren vor der Behörde keine Fluchtgründe monierten, sondern sich durchgehend auf die schlechte Sicherheitslage und die Kriegssituation in Syrien bezogen. Dem trug die Behörde durch Einräumung des gewährten Schutzes auch Rechnung. Es ist kein Grund erkennbar, an den hierauf bezogenen bzw. durch die Beschwerdeführer diesbezüglich getätigten, glaubhaften Eigenangaben zu zweifeln, wobei beispielhaft auf folgende Aussagen der Beschwerdeführer aus ihren Einvernahmen vor der Behörde verwiesen wird:

Der Erstbeschwerdeführer gab befragt zu seinem Fluchtgrund wörtlich an, „ich will meine Fluchtgründe ändern. … Syrien habe ich mit meiner Familie im Jahr 2012 verlassen, weil das Dorf jeden Tag bombardiert wurde. Mein Cousin, der mein Nachbar war, ist dabei ums Leben gekommen. Mehrere Offiziere von unserem Gebiet sind desertiert, deshalb wurden alle Einwohner des Gebietes gesucht von der Regierung. Nachdem ich die Arbeit am 02.02.2012 verlassen habe, habe ich an mehreren Demos teilgenommen. … Ich wurde auch zum Reservemilitärdienst einberufen.“ Die Viertbeschwerdeführerin gab zum Fluchtgrund befragt an, das Land verlassen zu haben, „weil es dort Krieg gab und weil mein Vater [für den Militärdienst] gesucht wurde“, das seien alle Gründe. Die Fünftbeschwerdeführerin gab zum Fluchtgrund befragt an: „Ich habe mit meiner Familie Syrien verlassen, weil es Krieg gab, unser Dorf wurde täglich bombardiert, seitdem hat meine Tochter eine Phobie vor dem Krieg. Um unser Leben zu retten, sind wir ausgereist“. Die Sechstbeschwerdeführerin gab zum Fluchtgrund befragt an: „Syrien habe ich mit meiner Familie verlassen, weil es Krieg gab und unser Dorf wurde mehrmals bombardiert. Wir haben Syrien mit der Hoffnung verlassen, dass wir wieder einmal nach Syrien zurückkehren können, aber es kam anders“. Der Siebtbeschwerdeführer gab schließlich zum Fluchtgrund befragt an: „Syrien haben wir aufgrund des Krieges verlassen. Mein Vater war damals auch gesucht. … ich würde dort eingezogen werden“.

In den Angaben der Beschwerdeführer spiegelte sich somit übereinstimmend wieder, dass die Sicherheitslage an ihrem Herkunftsort (welches bis 2018 als Oppositionsgebiet verzeichnet ist; FSA), den sie 2012 verließen und der vor dem Sturz Assads noch als Regime-Gebiet (2018-2024) ausgewiesen wurde, prekär war und sie, mit den allgemeinen Lebenserfahrungen vereinbar, Syrien wegen des Bürgerkrieges verlassen haben.

Dass die Beschwerdeführer Syrien weder aus Furcht vor sie persönlich treffenden Eingriffen verlassen haben, sondern wegen der allgemein unsicheren Lage und des Bürgerkriegs, ergibt sich sohin aus den Eigenangaben der Beschwerdeführer im Verfahrens selbst, andererseits aus folgenden Überlegungen:

Eine politische Haltung hat sich bei den Beschwerdeführern nicht ergeben. Im Gegenteil, politisches Interesse wurde negiert bzw. eine Verfolgung wegen einer politischen Gesinnung ausdrücklich verneint (Erstbeschwerdeführer– AS 23; Fünftbeschwerdeführerin – AS 22).

Die gesamte Familie stützte sich vielmehr auf das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers, weshalb dieses näher beleuchtet werden muss. Zum Vorbringen, wonach der Erstbeschwerdeführer an ca. 40 Demonstrationen gegen das syrische Regime im Zeitraum Februar 2012 bis August 2012 teilgenommen hätte und er aufgrund dieser Teilnahmen von der staatlichen Seite gesucht wurde bzw. aktuell noch gesucht werden würde, ist anzuführen, dass er die behauptete „Verfolgung“ zum ersten Mal in der Einvernahme vor dem Bundesamt darlegte. Dass es sich bei den Demonstrationen nach Eigenangaben um friedliche Kundgebungen gehandelt hat, er nicht als Teilnehmer identifiziert wurde und es im Zeitraum der Teilnahmen von Februar 2012 bis August 2012 auch zu keinen Vorfällen gegenüber dem Erstbeschwerdeführer gekommen ist, gestand er selbst zu und erschütterte bereits dadurch eine Bedrohungssituation. Ergänzend ist anzuführen, dass sich nach Eigenangaben zufolge das Wohngebiet im Jahr 2012 unter Kontrolle der Freien Syrischen Armee befunden hat und somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass die syrischen Behörden ihn, als sie dort nicht die Kontrolle hielten, namentlich erfassen hätten. Selbst wenn der Beschwerdeführer an Demonstrationen im Zuge des arabischen Frühlings teilgenommen hat – war keine individuell-konkrete Bedrohung daraus ableitbar und verneinte selbst der Erstbeschwerdeführer eine solche schließlich ausdrücklich (AS 23).

Bereits im Zuge der Verhandlung wurde seitens der erkennenden Richterin darauf hingewiesen, dass die Angaben des Erstbeschwerdeführers zur allgemeinen Sicherheitslage vom bereits vom Bundesamt erteilten subsidiären Schutz erfasst sind, wobei er insbesondere sein (auch) postuliertes Reservedienst-Vorbringen wiederum einschränkte (VP S. 13: „BF1: Vor der Rekrutierung habe ich keine Angst. Ich habe Angst, durch die Hisbollah und die Befürworter der ehemaligen Regierung getötet zu werden. Homs ist immer noch unsicher, gleich wie Tartus. … R: Deswegen haben Sie subsidiären Schutz.“).

Da das syrische Regime mit dem Sturz Assads im Dezember 2024 zerschlagen wurde, ließe sich eine noch anhaltende Bedrohung, so müssen auch die aktualisierten Länderfeststellungen (zugunsten der Beschwerdeführer) verstanden werden, nur dann ableiten, sollten die Beschwerdeführer bereits zuvor durch Befürwortung des Regimes aufgefallen sein. Dies hat sich aber gerade nicht ergeben, zumal der Beschwerdeführer behauptete, gegen das Regime aufgetreten zu sein. Sohin konnte aber auch keine Bedrohung für die Beschwerdeführer erkannt werden. Den aktualisierten Länderberichten ist in diesem Zusammenhang nämlich zu entnehmen, dass Assad-Unterstützer, zur Rechenschaft gezogen werden können. In einem solchen Fall müsste eine mögliche Verfolgung jedenfalls eingehend geprüft werden. Bei den vorliegenden Beschwerdeführern, insbesondere dem Erstbeschwerdeführer, handelt es sich jedoch um Kritiker des Assad-Regimes, die somit durch die jetzige Regierung in Syrien nichts zu befürchten haben. In diesem Punkt sind die aktualisierten Länderinformationen auch eindeutig, legen sie doch unmissverständlich dar, dass eine Verfolgung von Personen aufgrund kritischer Äußerungen gegenüber dem Assad-Regime „nicht mehr gegeben“ ist.

Bereits für den Zeitraum vor der grundlegenden Änderung der (Macht-)Verhältnisse in Syrien Anfang Dezember 2024, hat sich keine konkrete Bedrohung der Beschwerdeführer ergeben. An dieser Beurteilung ist umso mehr nach dem Sturz Assads und der Machtübernahme durch die HTS festzuhalten.

Soweit in der durchgeführten Verhandlung (vgl. VP) bereits die Frage aufgeworfen wurde, ob nicht die Fluchtgründe der Beschwerdeführer, nunmehr, da das Regime gefallen ist und die HTS die Kontrolle übernommen haben, obsolet wären, fiel auf, dass der Erstbeschwerdeführer, mit dem Wegfall des Fluchtgrundes konfrontiert, versuchte, einen neuen „Verfolger“ anzugeben, indem er sich plötzlich auf die „Hisbollah“ bezog. Die Mutter gestand dagegen den Wegfall ihrer Fluchtgründe ein, eines der Kinder versuchte die HTS als neuen bedrohlichen Akteur darzustellen. Ein stimmiges Bild konnten die Beschwerdeführer sohin von der sie in Syrien (hypothetischen) Rückkehrsituation damit keineswegs zeichnen. Dadurch, dass der mittlerweile volljährige Siebtbeschwerdeführer vage und nicht konkretisiert behauptet, die „neue Regierung“ sei „nicht vertrauenswürdig und schlecht“, das habe er auf YouTube gesehen (VP S. 15), gelang es ihm ebenso wenig eine persönliche Bedrohung aufzuzeigen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr muss grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH).

Hervorzuheben ist zudem, dass die Beschwerdeführer bis zur Ausreise im Jahr 2012 gemeinsam als Familie in einem Gebiet gelebt haben, wo ein Zugriff des Regimes damals unwahrscheinlich war (VP 12: „R: Zum Zeitpunkt Ihres Verlassens des Herkunftsgebietes stand dieses nicht unter Regimekontrolle? BF1: Korrekt.). Erst von 2018 bis 2024, hielt an ihrem Herkunftsort das nunmehr gestürzte Regime die Kontrolle – da waren die Beschwerdeführer jedoch bereits viele Jahre nicht mehr im Land aufhältig.

Dass der Siebtbeschwerdeführer bei seiner Ausreise noch minderjährig und somit nicht vom Wehrdienst erfasst sein konnte, muss vollständigkeitshalber ebenfalls festgehalten werden.

Dass ihm als mittlerweile Volljähriger eine (zwangsweise) Rekrutierung durch andere (am Bürgerkrieg beteiligte) Gruppierungen im Herkunftsstaat bei einer Rückkehr drohen würde, brachte der Zweitbeschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht vor. Dazu passt, dass die HTS, die nunmehr die Kontrolle über die Herkunftsregion der Beschwerdeführer und überhaupt über weite Teile Syriens ausübt, den Zivilisten in den von ihr kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auferlegt und auch keine Zwangsrekrutierungen durchführt, wie die Länderinformationen zeigen. Wenngleich die Umstrukturierung des syrischen Militärs gerade erst begonnen hat, versprach die neue Führung, die Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, nicht zuletzt um die Professionalität derselben zu fördern und sich von der unter Assad vorherrschenden Wehrpflichtpolitik zu entfernen. Für alle Militärangehörigen, die während Assads Herrschaft zum Dienst verpflichtet wurden, kündigte die HTS außerdem eine Generalamnestie an. Den Wehrpflichtigen wird Sicherheit garantiert, Übergriffe auf sie wurden untersagt (https://orf.at/stories/3378405/ [16.12.2024]).

Zusammenfassend ist festzuhalten:

Sohin hat sich ergeben, dass der Erstbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung versuchte, sein ursprünglich großteils gleichlautendes Fluchtvorbringen zum Bürgerkrieg und Reserve-Militärdienst (seitens des Assad Regimes) gegen neue Akteure (Hisbollah; HTS) auszutauschen. Die Zweit- bis Viert- und Sechst- bis Siebtbeschwerdeführer brachten keine eigenen Fluchtgründe vor, sondern stützen sich auf jene ihrer gesetzlichen Vertretung. Die Fünftbeschwerdeführerin folgt den Fluchtgründen des Erstbeschwerdeführers und gestand ausdrücklich zu, dass die Fluchtgründe durch die Befreiung von Assad weggefallen sind (VP S. 8).

2.3. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur aktuellen Lage in Syrien stützen sich im Wesentlichen auf die aktuellen Länderinformationen vom 08.05.2025 (Version 12), dei Länderinformationen vom 27.03.2024 (Version 11), ergänzt am 10.12.2024 (vgl. VP S. 5) und die abgefragten Karten betreffend die Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure im Herkunftsgebiet der Beschwerdeführer in Syrien. Somit hat sich ergeben, dass XXXX seit Dezember 2024 unter der Kontrolle der HTS steht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1.1. Rechtliche Grundlagen

§ 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes rechtfertigt für sich allein grundsätzlich nicht die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling. Der Verwaltungsgerichtshof geht von einer asylrechtlich relevanten Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen aus, in denen die Einberufung aus einem der in Art 1 Abschn A Z 2 FlKonv angeführten Gründen erfolgt, in denen der Asylwerber damit rechnen müsste, dass er hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während des Militärdienstes aus diesen Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde, oder in denen davon auszugehen ist, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsangehörigen härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung droht (VwGH 11.10.2000, 2000/01/0326).

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht. Vgl. mwN VwGH 31.10.2024, Ra 2023/14/0250. Zur Thematik einer etwaigen Zwangsrekrutierung ist anzumerken, dass von der – nicht asylrelevanten – Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei jene Verfolgung zu unterscheiden ist, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird; vgl. VwGH mwN z. B. VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0089.

Im Lichte dieser Rechtsprechung ist eine asylrelevante Verfolgung im Zusammenhang mit einem (allfälligen) Wehrdienst und einer (allfälligen zwangsweisen) Rekrutierung zu verneinen: Dass der Erstbeschwerdeführer, noch vor dem Fall Assads, einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, konnte ausgeschlossen werden, weil bei ihm keine Gründe zutage getreten sind, weshalb er vom Regime als Oppositioneller angesehen hätte werden sollen. Dass sich unter den neuen Machthabern eine Verfolgungssituation ergeben hat, konnte ebenfalls nicht erkannt werden: Die aktuellen Machthaber erlegen keine Wehrdienstpflicht auf, führen keine Zwangsrekrutierungen durch und haben Rückkehrern mit Blick auf behauptete Wehrdienstverweigerung eine Generalamnestie zugesagt. Weder ergab sich eine (auch nur unterstellte) konkrete und glaubhafte oppositionelle oder politische Einstellung der Beschwerdeführer gegen das ehemalige syrische Regime, die nunmehr (nach Sturz des Regimes) einer Überprüfung auf ihre Aktualität hin standhalten müsste - noch gegen die nunmehrige Regierung unter Führung der HTS.

Eine Verfolgungsgefahr aus einem anderen Grund oder in einem anderen Zusammenhang haben alle Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Da eine aktuelle oder zum Zeitpunkt der Ausreise – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst – insbesondere unter Bedachtnahme auf die Länderinformationen – im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder gerichtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass den Beschwerdeführern keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat; vgl. mwN VwGH 21.11.1995, 95/20/0329.

Da somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nicht gegeben sind, war die gegen Spruchpunkt I. der im Kopf genannten jeweiligen Bescheide erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.