G304 2305750-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde des rumänischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2024, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 22.07.2024 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA oder belangte Behörde) darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer (kurz: BF) aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr erfüllt, da er im Ausland wegen sexueller Nötigung zu einer 7-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
2. Dem BF wurde vom BFA mit Schreiben vom 19.09.2024 ein Parteiengehör eingeräumt, der BF hat sich zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht geäußert.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.12.2024 erließ das BFA gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein mit 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat (Spruchpunkt II.).
4. Der BF brachte im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht eine Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides ein.
5. Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 14.01.2025 mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der BF ist ein am XXXX geborener rumänischer Staatsangehöriger.
2. Der BF war im Bundesgebiet in der Zeit von 27.01.2021 bis 08.08.2022 und ab dem 13.10.2022 durchgehend mit Wohnsitz gemeldet. Weiters war er im Zeitraum von 01.10.2020 bis 26.07.2024 mit tage- bis wochenweisen Unterbrechungen als Arbeitnehmer registriert.
3. Am 09.07.2024 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung.
4. Der BF weist folgende strafgerichtliche Verurteilung im Ausland auf:
Berufungsgericht XXXX (IT) vom 01.10.2019 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und einem Schadenersatz in der Höhe von 30.000,00 Euro.
5. Eine inländische Verurteilung des BF scheint im Strafregister nicht auf.
6. In Österreich sind keine Angehörigen des BF aufhältig.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Sozialversicherungsdatenauszug und der Vollzugsinformation.
Die Feststellungen zu der vom BF begangenen Straftat und zu seiner Verurteilung in Italien basieren auf dem ECRIS-Auszug und dem Strafrechtsurteil des italienischen Gerichtes. Demzufolge hat der BF in Zusammenwirken mit zwei anderen Tätern eine Frau mit Gewalt und unter Drohung mit einer Waffe (Machete) zur Vornahme von sexuellen Handlungen gezwungen, wobei das Opfer bis zur Ohnmacht geschlagen wurde und ein Polytrauma erlitten hat.
Der BF hatte die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben – von dieser Möglichkeit hat der BF nicht Gebrauch gemacht. Er hat sich im Beschwerdeverfahren zum Ergebnis der Beweisaufnahme geäußert und sein Vorbringen erstattet. Er brachte nicht vor, dass Angehörige in Österreich aufhältig sind und es konnten vom BVwG auf keine dahingehenden Hinweise erhoben werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A):
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.1.1. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet in Abs. 1 und Abs. 2 wie folgt:
„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.“
Wird durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
3.1.2 Der BF fällt aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich von § 67 FPG, er erfüllt jedoch nicht die Voraussetzung eines ununterbrochenen rechtmäßigen fünf- oder zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet.
Es kommt daher nicht der erhöhte, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG, wonach für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefordert wird, zur Anwendung.
Der BF wurde mit Urteil eines italienischen Strafgerichtes vom XXXX .2019 wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt.
Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).
Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. etwa VwGH 26.11.2020, Ra 2020/21/0104, Rn. 16, mwN).
Aus dem Strafrechtsurteil ergibt sich, dass der BF gemeinsam mit zwei anderen Tätern eine Frau mit Gewalt und unter Verwendung mit einer Waffe (Machete) zur Vornahme von sexuellen Handlungen gezwungen hat, wobei das Opfer bis zur Ohnmächtigkeit geschlagen wurde und Verletzungen (ua Polytrauma) erlitt.
Das vom BF gezeigte Verhalten ist nicht nur maßgeblichen strafgerichtlichen Normen massiv zuwidergelaufen, sondern erweist sich darüber hinaus auch als öffentliche Interessen gefährdend. Das Verhalten des BF, vor allem das Zusammenwirken mit anderen Tätern, die Verwendung einer Waffe durch einen Mittäter und die Anwendung erheblicher Gewalt gegen das weibliche Opfer, um dieses zu sexuellen Handlungen zu zwingen, zeugt von einer erheblichen kriminellen Energie und lässt zudem ein Persönlichkeitsbild erkennen, welches durch das Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten, insbesondere der sexuellen Integrität, geprägt ist. Auch das Strafausmaß von 7 Jahren Freiheitsstrafe lässt erkennen, dass das Strafgericht von einer besonders schweren Straftat ausging.
Zur Klarstellung sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall nicht die strafrechtliche, sondern ausschließlich die fremdenrechtliche Betrachtungsweise zum Tragen kommt. Der Judikatur zufolge ist auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH vom 22.3.2011, 2008/21/0246 mwN, auch Erk. vom 16.11.2012, 2012/21/0080).
Angesichts des in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung des sich ergebenden Persönlichkeitsbildes ist – selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der BF „nur“ einmal strafrechtlich verurteilt wurde - davon auszugehen, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG dem Grunde nach zulässig ist, ist es doch zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten.
Der BF weist keine familiären Bezugspunkte in Österreich auf. Er war in den letzten Jahren zwar beruflich in Österreich verankert und der BF hat durch eine Einstellungszusage ein Interesse an einem weiteren Verbleib hier. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonders tiefgreifenden Integration des BF in Österreich konnten nicht festgestellt werden.
Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten.
Unter Berücksichtigung der vom BF ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, des Persönlichkeitsbildes des BF und dem vom Gericht verhängten Strafausmaß erscheint eine zeitliche Dauer des Aufenthaltsverbotes mit 5 Jahren als angemessen, sodass der zeitliche Rahmen nicht zu beanstanden ist.
Es war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides als unbegründet abzuweisen.
4. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
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