Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 04.11.2024, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 (vierzig) von Hundert (v.H.) beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die minderjährige Beschwerdeführerin stellte im Wege ihrer gesetzlichen Vertretung am 13.02.2024 (Datum des Einlangens) beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (in der Folge auch als „belangte Behörde“ bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Befunde einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis für Menschen mit Behinderung) sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
In der Folge holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung ein. In diesem Gutachten vom 12.08.2024 stellte der medizinische Amtssachverständige das Leiden „Zustand nach junktionaler Reentry-Tachykardie“ fest und beurteilte der medizinische Amtssachverständige den Gesamtgrad der Behinderung auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde mit 30 v.H.
Mit Schreiben vom 12.08.2024 räumte die belangte Behörde der gesetzlich vertretenen minderjährigen Beschwerdeführerin (im Weiteren nur mehr als „Beschwerdeführerin“ bezeichnet) ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 12.08.2024 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Daraufhin brachte die Beschwerdeführerin am 22.08.2024 mit undatiertem Schreiben der gesetzlichen Vertreterin unter Vorlage eines weiterer medizinischen Befundes fristgerecht eine schriftliche Stellungnahme ein, worin sie sich zusammengefasst gegen den im Gutachten erhobenen Grad der Behinderung wendet. Die Untersuchung der Beschwerdeführerin sei nicht ausreichend durchgeführt worden. Als Eltern seien sie sich der Behinderung ihrer Tochter bewusst und wüssten sie, dass die Beschwerdeführerin mindestens eine 50%ige Behinderung aufweise.
Aufgrund der erhobenen Einwendungen beauftragte die belangte Behörde den bereits befassten Gutachter mit einer ergänzenden Stellungnahme. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 02.11.2024 hielt der medizinische Amtssachverständige zusammengefasst am bereits erhobenen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. fest.
Mit Bescheid vom 04.11.2024 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Die vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften. Das Gutachten vom 12.08.2024 und die Stellungnahme vom 02.11.2024 wurden der Beschwerdeführerin als Beilagen übermittelt.
Mit Schreiben der gesetzlichen Vertreterin vom 27.11.2024 (Datum des Einlangens) erhob die Beschwerdeführerin – unter Vorlage eines weiteren medizinischen Befundes vom 19.11.2024 – fristgerecht eine Beschwerde. Im Begleitschreiben führt sie zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes um eine erneute zeitnahe Untersuchung bitte (mit näheren Ausführungen in der Beschwerde).
Aufgrund der erhobenen Einwendungen holte die belangte Behörde im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens ein weiteres Sachverständigengutachten des bereits befasst gewesenen Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde und Arztes für Allgemeinmedizin ein. In diesem Gutachten aufgrund der Aktenlage vom 14.01.2025, worin der zuletzt vorgelegte Befund vom 19.11.2024 Berücksichtigung fand, wurden die Funktionseinschränkungen zusammengefasst den Leidenspositionen
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt. Leiden 1 werde durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da sich das Zusammenwirken der beiden Leiden negativ im Alltag auswirke.
Mit Schreiben vom 15.01.2025 räumte die belangte Behörde Beschwerdeführerin auch zu diesem Gutachten ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 14.01.2025 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Mit Schreiben der gesetzlichen Vertreterin vom 24.01.2025 (Datum des Einlangens) erhob die Beschwerdeführerin ohne weitere Befundvorlage auch gegen dieses Gutachten Einwendungen. Im Begleitschreiben führt die Mutter als gesetzliche Vertreterin zusammengefasst aus, dass ihre Tochter, die erst „acht Jahre“ alt sei (Anmerkung: das tatsächliches Alter der Beschwerdeführerin ist laut dem Konventionspass 11 Jahre), bereits eine Herzoperation hinter sich habe. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen sei sie nicht in der Lage, wie andere Kinder ohne Probleme zu laufen oder Treppen zu steigen. Darüber hinaus leide sie an starken psychischen Belastungen wie Schlafstörungen, da sie sich ständig mit anderen Kindern vergleiche und sich aufgrund ihrer Einschränkungen anders fühle. Diese Umstände hätten erhebliche Auswirkungen auf ihre Lebensqualität und ihr allgemeines Wohlbefinden. Aus diesen Gründen erscheine die Festlegung von nur 40% Behinderung ungerecht. Sie ersuche daher, die Situation ihrer Tochter noch einmal zu prüfen und ihr einen Behinderungsgrad von mindestens 50 % zu zuerkennen, der ihren tatsächlichen körperlichen und psychischen Belastungen angemessen Rechnung trage.
Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 06.03.2025 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin wurde in XXXX geboren, ist staatenlos, verfügt in Österreich über den Status einer Asylberechtigten und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in Österreich.
Sie wird im Verfahren durch die Mutter als deren gesetzliche Vertreterin vertreten.
Sie brachte am 13.02.2024 (Datum des Einlangens) den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Zustand nach junktionaler Reentry-Tachykardie, kinderkardiologischer stabiler Verlauf ohne Dauertherapie bei intermittierend auftretenden Palpitationen und fallweiser Kurzatmigkeit aufgrund restriktiver Ventilationsstörung;
2. Traumatische Belastungsstörung, keine Dauermedikation und keine Behandlung trotz depressiver Zustände und selbstverletztenden Verhaltens.
Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da sich das Zusammenwirken der beiden Leiden im Alltag negativ auswirkt.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.
Es liegt ein Dauerzustand vor.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 12.08.2024, der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 02.11.2024 und dem Aktengutachten vom 14.01.2025 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich. Diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit bzw Staatenlosigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 12.08.2024, der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 02.11.2024 und dem Aktengutachten vom 14.01.2025. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und der befasste Sachverständige hat sich im Rahmen der Gutachtenserstellung auch damit auseinandergesetzt. Diese Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wurde kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
Führendes Leiden 1 der Beschwerdeführerin ist ein „Zustand nach junktionaler Reentry-Tachykardie“. Der von der belangten Behörde beigezogene Arzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde ordnete dieses Leiden zutreffend der Positionsnummer 05.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche Herzmuskelerkrankungen leichter Ausprägung betrifft. Die Einstufung des Leidens im unteren Rahmensatz („30%: Reduzierte Linksventrikelfunktion im Ultraschall, ohne wesentliche Beschwerden“) erweist sich aufgrund der vorliegenden dokumentierten normalen Links- und Rechtsherzfunktion, kinderkardiologisch stabilem Verlauf ohne Dauertherapie bei intermittierend auftretenden Palpitationen und fallweiser Kurzatmigkeit aufgrund restriktiver Ventilationsstörung (Befunde des XXXX vom 07.12.2023) als rechtsrichtig und nachvollziehbar. Eine höhere Einschätzung des Leidens, etwa im oberen Rahmensatz („40%: Deutliche Belastungsdyspnoe“), ist aufgrund des Umstandes, dass aktuell keine deutliche Belastungsdyspnoe objektiviert ist, nicht gerechtfertigt (vgl. Befundbericht des XXXX vom 07.12.2023). Die noch im Jahr 2022 bestanden habende Rhythmusstörung wurde im XXXX mittels elektrophysiologischer Therapie erfolgreich behandelt, sodass nunmehr bei der Beschwerdeführerin eine – gegenüber dem Jahr 2022 - deutlich verbesserte kardiale Situation besteht (vgl. Befundberichte vom 07.12.2023 und Stellungnahme des XXXX vom 19.11.2024 zum Zwecke der Erlangung einer größeren Wohnung).
Der Gutachter ordnete schließlich auch das Leiden 2 – „Traumatische Belastungsstörung“ – nachvollziehbar und rechtsrichtig der Positionsnummer 03.05.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche Posttraumatische Belastungsstörungen leichten Grades betrifft. Die Einstufung des Leidens im unteren Rahmensatz („30%: voll integriert, psychopathologisch stabil“) erweist sich aufgrund des Umstandes, dass trotz angegebener depressiver Zustände und selbstverletztenden Verhaltens keine Dauermedikation und keine Behandlung in Anspruch genommen wird und die Beschwerdeführerin die Volksschule besuchen kann, als rechtsrichtig und nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin hat diese Einstufung auch nicht substantiiert bestritten. In der Stellungnahme der gesetzlichen Vertreterin vom 24.01.2025 brachte die Beschwerdeführerin unsubstantiiert vor, dass die Festlegung von „nur 40% Behinderung“ ungerecht erscheine. Befunde, welche das Gutachten entkräften könnten, wurden nicht vorgelegt.
Das Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 12.08.2024 samt der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 02.11.2024 und das Aktengutachten vom 14.01.2025 sind auch nicht zu beanstanden, wenn sie im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung insofern als gegeben erachten, als das führende Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird, da sich das Zusammenwirken der beiden Leiden im Alltag negativ auswirkt.
Sämtliche von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgebrachten medizinischen Unterlagen wurden in Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 12.08.2024, der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 02.11.2024 und dem Aktengutachten vom 14.01.2025 berücksichtigt.
Die Beurteilung des Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde für den nunmehr von ihm gewählten Gesamtgrad der Behinderung (40 v.H.) ist unter Berücksichtigung der Art und Schwere der bei der Beschwerdeführerin objektivierten Leiden schlüssig und richtig.
Zusammenfassend ist daher vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde, sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse, nicht ersichtlich, dass der Gutachter in seinem Sachverständigengutachten vom 12.08.2024, der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 02.11.2024 und dem Aktengutachten vom 14.01.2025 die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätte. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist somit im Ergebnis nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen.
Die Beschwerdeführerin ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es der Antragstellerin, so sie der Auffassung ist, dass ihre Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 12.08.2024, der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 02.11.2024 und des Aktengutachtens vom 14.01.2025. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 in der Fassung des BGBl. I Nr. 98/2024, lauten auszugsweise:
„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
…
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
…
§ 42. (1) Der Behindertenpass ist ein amtlicher Lichtbildausweis und hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum und den festgestellten Grad der Behinderung zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des Menschen mit Behinderungen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
…
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3), der Behindertenpass gemäß § 43 Abs. 1 oder der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1a eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. Der Behindertenpass ist kein Nachweis im Sinne des § 14 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.11.2024 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit nicht die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass bzw. für die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (Parkausweis für Menschen mit Behinderung), sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.
Wie oben unter Punkt II.2 eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 12.08.2024, die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 02.11.2024 und das Aktengutachten vom 14.01.2025 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin nunmehr 40 v.H. beträgt. Das vorliegende Gutachten ist – wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde – widerspruchsfrei, vollständig und schlüssig. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Die Beschwerdeeinwendungen wurden im Beschwerdeverfahren ordnungsgemäß und nachvollziehbar berücksichtigt, jedoch waren die erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden Gutachten zu entkräften. Auch wurden von der Beschwerdeführerin keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, die Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schließlich ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Da die nunmehrige Berücksichtigung des Leidens 2 zwar die Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung auf 40% rechtfertigt, jedoch die Voraussetzung eines Grades der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% für die Ausstellung eines Behindertenpasses weiterhin nicht erfüllt ist, war spruchgemäß zu entscheiden. Die Zulässigkeit der Feststellung des – nunmehr erhöhten - Gesamtgrades der Behinderung im Spruch dieser Entscheidung ist mit Blick auf das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes und das rechtliche Interesse der Beschwerdeführerin (die Feststellung des Grades der Behinderung kann als Nachweis für die erfolgreiche Geltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 und damit von "Rechten und Vergünstigungen" iSd § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG 1990 erforderlich sein) nicht zu bezweifeln (vgl. VwGH vom 11.11.2015, Ra 2014/11/0109).
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung von einem ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurden die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde, insbesondere das Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom 12.08.2024, die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 02.11.2024 und das Aktengutachten vom 14.01.2025, von der Beschwerdeführerin, wie beweiswürdigend bereits ausgeführt, nicht ausreichend substantiiert bestritten, weswegen im gegenständlichen Fall aufgrund der Aktenlage entschieden werden konnte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Zudem stellten beide Verfahrensparteien keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.