Spruch
W164 2274755-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Hauptstelle Wien vom 15.06.2023, GZ HVBA / XXXX , betreffend Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte am 25.05.2023 bei der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für Zeiten der Pflege ihrer im Antrag näher bezeichneten Schwiegermutter.
Mit Bescheid vom 15.06.2023 wurde dieser Antrag gemäß § 18b ASVG mit der Begründung abgelehnt, dass für die angegebene nahe Angehörige ein Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 3, 4, 5, 6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder eines Landespflegegeldgesetzes nicht nachgewiesen worden sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, sie pflege ihre Schwiegermutter seit dem 25.03.2022 in ihrem Haushalt (Anm.: in Österreich). Diese sei rund um die Uhr auf Unterstützung angewiesen. Die BF wende zusammengerechnet täglich fünf Stunden für die Pflege ihrer Schwiegermutter auf. Die BF legte der Beschwerde ein Schreiben der Deutschen Bahnversicherung vom 24.05.2022 bei, wonach der Medizinische Dienst eine Pflegebedürftigkeit nach dem Pflegegrad 3 festgestellt habe und ab dem 25.03.2022 Pflegegeld in Höhe von monatlich EUR 545,- zugesprochen werde.
Die PVA legte den Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlageschreiben verwies die PVA auf die Judikatur des EuGH (Urteil vom 05.03.1998, RSC-160/96, Molenaar) wonach die Tragung der Pensionsversicherungsbeiträge des Dritten, von dem sich eine pflegebedürftige Person Leistungen der häuslichen Pflege erbringen lasse, akzessorisch zum Pflegegeld sei. Die deutsche Rechtslage sehe vor, dass die Beitragszahlung als Krankenversicherungsleistung grundsätzlich exportfähig sei. Es sei somit jener Mitgliedsstaat für die Renten-/Pensionsversicherung der Pflegeperson zuständig, der für das Pflegegeld zuständig sei. Nachdem im vorliegenden Fall der pflegebedürftigen Schwiegermutter der BF das Pflegegeld aus Deutschland gewährt werde, sei auch für die Beitragszahlung zur Renten-/Pensionsversicherung der BF gemäß der VO 883/2004 Deutschland zuständig. Die PVA verwies diesbezüglich auch auf des Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2023, W209 2260886-1, wonach in einem ähnlich gelagerten Fall die Unzuständigkeit Österreichs für die Selbstversicherung für die Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen mit eigenem Pflegegeldbezug aus Deutschland, ausgesprochen worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die in Österreich wohnhafte BF stellte beim österreichischen Pensionsversicherungsträger, PVA, am 25.05.2023 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege einer nahen Angehörigen (ihrer Schwiegermutter) gemäß § 18b ASVG.
Die Schwiegermutter der BF bezieht seit 24.05.2022 Pflegegeld im Pflegegrad 3 von der Deutschen Bahnversicherung (Bahn-BKK Pflegekasse) nach deutschem Recht (dt. Sozialgesetzbuch). Seit 25.03.2022 wird die Schwiegermutter der BF in Österreich im Haushalt der BF unentgeltlich gepflegt. Die Schwiegermutter der BF bezieht keine Pensionsleistung nach österreichischem Recht.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes in Zusammenhalt mit der Beschwerde und ist, soweit entscheidungswesentlich, unbestritten. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erübrigt sich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
§ 18b bildet nach österreichischem Recht die Grundlage für die Tragung von Pensionsversicherungsbeiträgen für pflegende Angehörige. Die Anwendbarkeit des § 18b ASVG ist u.a. dadurch bedingt, dass die gepflegte angehörige Person Pflegegeld nach österreichischem Recht bezieht.
Da die gepflegte Angehörige im vorliegenden Fall Pflegegeld nach deutschem Recht bezieht, war der Fall nach den Regeln der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zu prüfen.
Nach Artikel 3 Abs. 1 lit. a der VO 883/2004 erstreckt sich der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auf alle Rechtsvorschriften, die Leistungen bei Krankheit betreffen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit dem Urteil vom 05.03.1998, Rs C-160/96, Molenaar, entschieden, dass Pflegegeld eine Geldleistung bei Krankheit im Sinne der seinerzeit in Geltung gestandenen Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, darstellt. Insofern ist das Pflegegeld auch bei einem Aufenthalt in anderen Staaten der EU und des EWR zu leisten. Diese Rechtsprechung ist auf die im vorliegenden Fall anzuwendende VO 883/2004 zu übertragen (vgl. auch OGH 28.01.2014, 10 ObS 3/14k).
Mit den Urteilen C-501/01, Gaumain-Cerri, RZ 27, sowie C-502/01 und C-3102 vom 08.07.2004 hat der EuGH klargestellt, dass die Tragung der Rentenversicherungsbeiträge des Dritten, von dem sich ein Pflegebedürftiger Leistungen der häuslichen Pflege erbringen lässt, selbst auch als Geldleistung der Krankenversicherung qualifiziert wird, und zum eigentlichen Pflegegeld akzessorisch ist.
Die Renten-/Pensionsversicherung der Pflegeperson ist daher akzessorisch zum Pflegegeld und wird nach denselben Grundsätzen koordiniert.
Die BF wohnt in Österreich. Sie pflegt ihre Schwiegermutter, die Pflegegeld, (somit unionsrechtlich betrachtet eine Geldleistung der Krankenversicherung) nach deutschem Recht bezieht. Die BF beansprucht mit dem Ziel, selbst angemessen pensionsversicherungsrechtlich versorgt zu sein, die Selbstversicherung nach § 18b ASVG. Unionsrechtlich handelt es sich auch hiebei um eine Geldleistung der Krankenversicherung.
Bezüglich der von der BF begehrten pensionsversicherungsrechtlichen Absicherung war daher nach den Bestimmungen der VO 883/04 zu prüfen, welcher Sozialversicherungsträger für Geldleistungen der Krankenversicherung bezogen auf die gepflegte Angehörige zuständig war.
Die Geldleistungen bei Krankheit sind in Titel III der VO 883/2004 geregelt.
Zufolge Art. 21 der VO 883/2004 hat ein Versicherter, der kein Rentner ist und seine Familienangehörigen die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen oder sich dort aufhalten, Anspruch auf Geldleistungen, die vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht werden. […]
Für Rentner und ihre Angehörigen sieht Art 29 Abs 1 VO 883/04 vor, dass Geldleistungen bei Krankheit an eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält, vom zuständigen Träger des Mitgliedstaats gewährt wird, in dem der zuständige Träger seinen Sitz hat, der die Kosten für die dem Rentner in dessen Wohnmitgliedstaat gewährten Sachleistungen zu tragen hat.
Artikel 21 gilt entsprechend.
Der zuständige Träger, der die Kosten für die dem Rentner in dessen Wohnmitgliedstaat gewährten Sachleistungen zu tragen hat, ergibt sich aus Art 23 und 24 der VO 883/2004.
Gem. Art 23 VO 883/2004 erhält eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten erhält, wovon einer der Wohnmitgliedstaat ist, und die Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hat, wie auch ihre Familienangehörigen diese Sachleistungen vom Träger des Wohnorts für dessen Rechnung, als ob sie alleine nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats Anspruch auf Rente hätte.
Gem. Artikel 24 Abs 1 VO 883/2004 eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält und keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats hat, dennoch Sachleistungen für sich selbst und ihre Familienangehörigen, sofern nach den Rechtsvorschriften des für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaats oder zumindest eines der für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaaten Anspruch auf Sachleistungen bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat wohnte. Die Sachleistungen werden vom Träger des Wohnorts für Rechnung des in Absatz 2 genannten Trägers erbracht, als ob die betreffende Person Anspruch auf Rente und Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats hätte.
Art 7 der VO 883/04 legt fest, dass Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden dürfen, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.
Geldleistungen bei Krankheit werden gemäß den Koordinierungsbestimmungen der VO 883/04 exportiert. Die Schwiegermutter der BF bezieht keine Pensionsleistung nach österreichischem Recht. Die Zuständigkeit eines österreichischen Sozialversicherungsträgers für die hier gegenständliche pensionsversicherungsrechtliche Absicherung der BF als pflegende Angehörige, kommt daher weder nach Art 21 noch nach Art 29 iVm Art 23 und 24 der VO 883/04 in Betracht. Eine Zuständigkeit der PVA iSd VO 883/04 ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben.
Angemerkt wird, dass pflegende Angehörige nach dem deutschen Sozialgesetzbuch, § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI, in der sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in ihrer häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung oder einer privaten Pflege-Pflichtversicherung hat.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.