JudikaturBVwG

W217 2303172-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
15. Januar 2025

Spruch

W217 2303172-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , gegen die Höhe des als Bescheid geltenden Behindertenpasses des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX , vom 06.11.2024, OB: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Der Grad der Behinderung beträgt 60 v.H. (60%).

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (in der Folge Beschwerdeführerin) beantragte am 24.09.2024 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumsservice, in der Folge belangte Behörde genannt) die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ in den Behindertenpass. Im Zuge der Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage durch Dr.in XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50% - befristet bis 31.10.2029 – ermittelt:

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „ist Prothesenträgerin“ wurden jedoch als nicht erfüllt festgestellt.

2. Mit Schreiben vom 30.09.2024 wurde der Beschwerdeführerin eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme zum eingeholten Gutachten der genannten Allgemeinmedizinerin unter Beilage des mit 30.09.2024 vidierten Aktengutachtens eingeräumt. Hierauf gab die Beschwerdeführerin keine Stellungnahme ab.

3. Nach einer Vorankündigung, der Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% sei befristet mit 31.10.2029 auszustellen, allerdings sei der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „ist Prothesenträgerin“ abzuweisen, wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 06.11.2024 mit der angeführten „OB: XXXX “ der Behindertenpass übermittelt.

4. Mit E-Mail vom 07.11.2024, „Betreff: Neufestlegung der Behindertengrades“ brachte die Beschwerdeführerin unter Beilage neuer Befunde folgende Beschwerde ein:

„OB: XXXX

Sehr geehrte Damen und Herren!

Auf Grund meines Antrages vom 24.09.2024 wurde mir am 6.11.2024 mitgeteilt, dass das medizinische Ermittlungsverfahren einen Grad der Behinderung von 50% festgestellt wurde.

Ich ersuche in Anbetracht der vorliegenden Umstände (siehe Beilagen) vor allem im Hinblick auf die am 11.11.2014 beginnende ca. 6 Monate dauernde Chemotherapie, anschließender Strahlentherapie und einer auf die Dauer von 7 Jahren angedachten Antihormontherapie, sowie auf dringendes Anraten meiner behandelnden Ärzte um neuerliche Sachverhaltsprüfung und Neufestlegung des Behindertengrades.

Gleichzeitig ersuche ich um Feststellung, dass es mir nicht möglich ist, ein öffentliches Verkehrsmittel auf Grund meines derzeitigen und zumindest für die Dauer der Chemo- und Strahlentherapie vorliegenden Gesundheitszustandes zu benützen. Eine Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel ist weiters auch auf Grund meines Wohnortes nicht möglich, zumal es dort keines gibt.

Mit freundlichen Grüßen XXXXX“

5. Am 22.11.2024 wurde der Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Entscheidung übermittelt.

6. Das BVwG ersuchte sodann die bereits befasste Sachverständige um Erstellung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens basierend auf der Aktenlage.

6.1. Diese führt in ihrem Ergänzungsgutachten vom 12.12.2024 aus:

„(…)

Zusammenfassung der neu vorgelegten Befunde:

Befund Dr. XXXX , FÄ für Chirurgie (Gefäßchirurgie), 22.10.2024, Abl.20:

Eingeschränkt leserlich: Diagnose: N. mammae dext. Op. Tlb(m) N3a...HR pos, HER2neg, Ki67 10%

Histologischer Hauptbefund, Probenentnahme 08.10.2024, validiert am 22.10.2024, Abl.19: OP-Präp.: Lymphknoten: Mamma Sentinel rechts: Diagnose: Lymphknotenmetastasen eines invasiven Mammakarzinoms in drei Sentinel-Lymphknoten (3/3), pN1a (sn).

Histologischer Hauptbefund, Probenentnahme 08.10.2024, validiert am 22.10.2024, Abl.18:

OP-Präp.: 1) Mamma rechts und 2) Obere Extremität: Axilla: rechts:

Diagnose: 1) Invasives multizentrisches Mammakarzinom NST G2, pT1b(m) L0 V0 R0. UlCC-Stadium: zumindest Stadium IIIC.

2) Lymphknotenmetastasen eines invasiven Mammakarzinoms pN3a.

Ambulanzbrief UK XXXX , 1. Medizinische Abteilung 30.10.2024, Abl.17:

Diagnose: Mammakarzinom rechts ED 9/2024, - St.p. US-gezielter Biopsie am 13.9.2024: NST G2, ER

90%, PR 50%, HER-2-low (ICH-Score 2+, SISH neg.); Ki67 10%, - st.p. Ablatio rechts+ SLNE+

Axillendissektion am 8.10.2024: NST G2, pT1 pN3a (24/25) V0 R0); UlCC Stadium IIIc, ER 90%, PR 15%, HER-2-low (ICH-Score 2+, SISH neg.); Ki67 10%;

St.p. lobuläres Mammakarzinom links 2003 AKH XXXX , - St.p. neoadjuvanter Chemotherapie mit 6x

Epirubicin- Taxan/Taxol, - St.p. MRM+ Axillendissektion, - St.p. Zoladex+ Arimidex über mind. 3 Jahre; Genetische Testung 2022 erfolgt- negativ; Bosniak I Zyste rechts; kleine Umbilikalhernie;

Kurzbericht UK XXXX , Abteilung für Chirurgie, 07.10.-12.10.2024, Abl.15:

Aufnahmegrund: Mammakarzinom rechts

Diagnosen bei Entlassung: Multicentrisches Mamma Ca rechts

Vorerkrankungen: St.p. Ablatio mammae li 2003, St.p. AE und TE als Kind, Art. Hypertonie, Hypercholesterinämie;

Durchgeführte Maßnahmen: Radikale Mastektomie mit Axillendissektion rechts am 08.10.24 in AN.

Frage 1.)

1. Brustkrebs rechts ED 09/2024, Entfernung der rechten Brust PosNr.: 13.01.03 GdB 60% Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Lymphknotenmetastasen.

2. Brustkrebs links ED 2003 PosNr.: 13.01.01 GdB 20% Oberer Rahmensatz, berücksichtigt die Entfernung der linken Brust.

3. Bluthochdruck PosNr.: 05.01.01 GdB 10% Fixer Richtsatz.

4. Nabelbruch PosNr.: 07.08.01 GdB 10% Unterer Rahmensatz ohne Hinweis auf Komplikationen.

Frage 2.)

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 v.H.

Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 bis 4 nicht weiter erhöht, da keine maßgeblich wechselseitig negative Beeinflussung vorliegt.

Frage 3.)

Bezugnehmend auf die Einwendungen, welche die Höhe des Grades der Behinderung betreffen (Abl. 21) ist festzuhalten: Aufgrund der neu vorgelegten Befunde erfolgt eine neuerliche Einschätzung des führenden Leidens sowie eine Ergänzung der Leiden 3 und 4. Leiden 2 erhält eine eigene Postionsnummer. Der GdB erhöht sich im Vergleich zum Vorgutachten um eine Stufe durch die Neueinschätzung des führenden Leidens bei Absiedlungen in den Lymphknoten der rechten Axilla.

Bezugnehmend auf die Einwendungen, welche die Zusatzeintragung „Prothesenträgerin" betreffen (Abl.25) ist festzuhalten: Die Zusatzeintragung „Prothesenträgerin" kann erfolgen aufgrund der Beantragung „Brustprothese links nach Mammakarzinom 2003".

Bezugnehmend auf die Einwendungen, welche die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel betreffen (Abl.21) ist festzuhalten: Es ist keine erhebliche Einschränkung der Mobilität und damit Verunmöglichung des Zurücklegens einer kurzen Wegstrecke ohne fremde Hilfe befundlich dokumentiert. Es ist kein Immundefekt befundlich dokumentiert, im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten.

Frage 4.)

Eine Nachuntersuchung ist nach Ablauf der Heilungsbewährung — 10/2029 indiziert.“

6.2. Gegen dieses Gutachten wandte die Beschwerdeführerin in der Folge ein, der Schlussfolgerung, dass das führende Leiden 1 (Brustkrebs rechts) durch das Leiden 2 (Brustkrebs links 2003) nicht weiter erhöht werde, könne sie nicht folgen. Mit der Entfernung der rechten Brust und der gesamten Lymphbahn rechts sei es nicht mehr möglich, Infusionen und dergleichen in die rechte Hand verabreicht zu bekommen. 2003 sei mit der Entfernung der linken Brust auch die gesamte Lymphbahn links entfernt worden, womit es bereits seit 2003 nicht mehr möglich gewesen sei, Infusionen, etc. linksseitig zu verabreichen. Auf Grund dieser Tatsache seien Infusionsgaben nur noch in Venen der Beine bzw. in den mittlerweile implantierten Port-a-Cath möglich. Diese Maßnahme sei schließlich nur dem Umstand geschuldet, dass bereits 2003 die Lymphbahn linksseitig mit der gesamten linken Brust entfernt werden musste.

Hinsichtlich der begehrten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ brachte sie vor, die nächste Bushaltestelle befinde sich 1 km (dort verkehrten lediglich Schulbusse zu den Schulzeiten) bzw. 3 km (mit eingeschränktem Busverkehr) entfernt. Es sei daher unumgänglich, ihr Privat-KFZ zu verwenden und mit diesem sollte es ihr zumindest ermöglicht werden, auf Parkplätzen für Behinderte parken zu dürfen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren, ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz in Österreich.

1.2. Die Beschwerdeführerin begehrte am 24.09.2024 bei der belangten Behörde einlangend die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ in den Behindertenpass. Der Behindertenpass wurde ihr mit Schreiben vom 06.11.2024 mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50%, befristet zum 31.10.2029, zugestellt.

Gegen die Höhe des Grades der Behinderung wurde von der Beschwerdeführerin am 07.11.2024 Beschwerde eingebracht. In diesem E-Mail begehrte die Beschwerdeführerin erstmals die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, worüber die belangte Behörde noch zu entscheiden hat.

1.3. Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, vor:

1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt ab Antragstellung 60 v.H.

Eine Nachuntersuchung ist Ende Oktober 2029 indiziert.

III. Beweiswürdigung:

Zu 1.1) Die getroffenen Feststellungen gründen auf dem diesbezüglich unbedenklichen Eintrag im Zentralen Melderegister und stehen überdies im Einklang mit den Angaben der Beschwerdeführerin.

Zu 1.2) Die Feststellung hinsichtlich der Antragsstellung auf Ausstellung eines Behindertenpasses gründet auf dem diesbezüglich schlüssigen Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin am 07.11.2024 in ihrer Beschwerde erstmals die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass begehrte, ergibt sich ebenfalls aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Fremdakt.

Zu 1.3) bis 1.4) Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung und zur Art und zum Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen auf dem vom BVwG eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 12.12.2024, basierend auf der Aktenlage.

In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und im Einklang mit der medizinischen Wissenschaft und den Denkgesetzen eingegangen, wobei die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde und Beweismittel im Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme umfassend Berücksichtigung gefunden haben. Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin wurde mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. eingeschätzt.

Schlüssig und nachvollziehbar erläuterte die Sachverständige den nun festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 60%: Aufgrund der neu vorgelegten Befunde erfolgt eine Neueinschätzung des führenden Leidens 1 („Brustkrebs rechts ED 09/2024, Entfernung der rechten Brust“, Pos.Nr. 03.01.03, 60% GdB) sowie eine Ergänzung der Leiden 3 („Bluthochdruck“) und 4 („Nabelbruch“). Leiden 2 („Brustkrebs links ED 2003“) erhält eine eigene Positionsnummer, nämlich 13.01.01 und wird mit dem oberen Rahmensatz von 20% eingestuft, wobei die Entfernung der linken Brust mitberücksichtigt wurde.

Der GdB erhöht sich im Vergleich zum Vorgutachten schlüssig und nachvollziehbar um eine Stufe durch die Neueinschätzung des führenden Leidens bei Absiedlungen in den Lymphknoten der rechten Axilla. So begründete die Sachverständige die Neueinstufung von Leiden 1 mit „einer Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Lymphknotenmetastasen“.

Somit wurden auch die von der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 20.12.2024 vorgebrachten Erschwernisse in der Erkrankung, Infusionsgaben seien nun nur noch in Venen der Beine bzw. in den mittlerweile implantierten Port-a-Cath möglich, da bereits 2003 die Lymphbahn linksseitig mit der gesamten linken Brust entfernt habe werden müssen, durch den hohen Prozentsatz von Leiden 1 (60% GdB) sowie der erstmaligen Aufnahme von Leiden 2 abgedeckt und vollumfänglich berücksichtigt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit dieses Gutachtens vom 12.12.2024. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Es steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Zur Entscheidung in der Sache

Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs. 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen ist, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung:

§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war.

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 12.12.2024 zu Grunde gelegt. Daraus ergibt sich der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin von 60 v.H.

In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Sachverständige setzte sich mit den vorgelegten Befunden, die in dem Gutachten angeführt sind, sowie auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden objektivierten Gesundheitsschädigungen auseinander.

Da eine Nachuntersuchung nach Ablauf der Heilungsbewährung – Ende Oktober 2029 - indiziert ist, ist der Behindertenpass befristet bis 31.10.2029 auszustellen.

Die belangte Behörde wird der Beschwerdeführerin somit in der Folge einen (weiterhin) bis 31.10.2029 befristeten Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 60 v.H. auszustellen haben.

Weiters hat die belangte Behörde noch über den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abzusprechen haben.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.