Spruch
W164 2268487-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und Mag. Wolfgang SCHIELER (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 19.09.2022, Zl. WF 2022-0566-0-027211, betreffend Nichtzuerkennung von Bildungsteilzeitgeld nach Durchführung einer nicht öffentlichen Beratung vom 10.01.2025 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 19.09.2022 sprach das Arbeitsmarkservice (im Folgenden: AMS) aus, dass der Antrag der Beschwerdeführerin vom 05.09.2022 auf Zuerkennung von Bildungsteilzeitgeld ab dem 14.09.2022 gemäß § 26a Abs. 1 Z 3 AlVG 1977 abgewiesen werde, da die wöchentliche Normalarbeitszeit der Beschwerdeführerin in den letzten sechs Monaten vor dem Beginn der beantragten Bildungsteilzeit nicht unverändert gleich hoch gewesen sei. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei gemäß den beim Dachverband der Sozialversicherungsträger aufscheinenden Daten erst ab dem 01.07.2022 als Angestellte mit gleichbleibender Normalarbeitszeit beim Dienstgeber XXXX beschäftigt gewesen sei. Unmittelbar davor sei die BF für denselben Dienstgeber als freie Dienstnehmerin tätig gewesen. Bei einem freien Dienstverhältnis könne nicht von einer gleichbleibenden Arbeitszeit ausgegangen werden. Die BF erfülle die Voraussetzungen des § 26 a Abs 1 Z 3 AlVG daher nicht.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte vor, sie habe ihren allerersten Arbeitsvertrag vom 01.08.2021 bereits vorgelegt. Nach einem halben Jahr, ab 01.03.2022, habe sie einen normalen Arbeitsvertrag als Angestellte bekommen. Im Anhang der Beschwerde übermittelte die Beschwerdeführerin eine Anmeldebestätigung als Angestellte ab 01.03.2022.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.11.2022 führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, sie sei bereits ab 01.03.2022 als Angestellte zur Sozialversicherung gemeldet worden. Ihr Dienstgeber habe ihr von Beginn an gesagt, dass er sie als Angestellte beschäftigen würde und sei eine Normalarbeitszeit von 36 Stunden pro Woche festgelegt worden. Zwar habe es wochenweise leichte Schwankungen gegeben, doch habe ihre Arbeitszeit im Monatsschnitt der Vereinbarung entsprochen. Nach den tatsächlichen Gegebenheiten habe ein (echtes) Dienstverhältnis vorgelegen. In eventu werde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 04.03.2011, Zl. B340/10, verwiesen, wonach es gleichheitswidrig sei, bei der Gewährung von Weiterbildungsgeld zwischen echten und freien Dienstnehmenden zu unterscheiden. Dies gelte sinngemäß auch für das Bildungsteilzeitgeld.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Bezug habenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme führte die belangte Behörde aus, dass die von der BF mit ihrer Beschwerde übermittelte Ummeldung ab 01.03.2022 sei seitens ihres Dienstgebers im Nachhinein wieder storniert worden sei. Die Beschwerdeführerin sei gemäß den aktuellen Daten des Dachverbandes bis 30.06.2022 freie Dienstnehmerin gewesen. Mangels Festsetzung einer wöchentlichen Normalarbeitszeit für freie Dienstnehmer:innen erfülle die BF damit nicht das Erfordernis einer sechs Monate lang gleichbleibenden Normalarbeitszeit. Zudem weise die zur Sozialversicherung gemeldete monatliche Beitragsgrundlage im maßgeblichen Zeitraum stark schwankende Einkünfte der Beschwerdeführerin aus. Mit 31.10.2022 sei das Beschäftigungsverhältnis durch einvernehmliche Lösung beendet worden.
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens gewährte das Bundesverwaltungsgericht der BF unter Beilage der verfahrensgegenständlichen Bescheinigung zum Nachweis einer vereinbarten Bildungsteilzeit gem. § 11a AVRAG im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs die Möglichkeit, die im Zeitraum 01.08.2021 bis 31.10.2022 mit dem im Antrag angeführten Dienstgeber geschlossenen schriftlichen Arbeitsverträge vorzulegen, ferner Aufzeichnungen über ihre tatsächlich absolvierte Arbeitszeit und Belege über Ihren Lohn. Darüber hinaus erhielt die BF Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen, aus welchen Gründen die Beschäftigung am 31.10.2022 beendet wurde, nachdem laut der vorgelegten Vereinbarung über die Bildungsteilzeit (Beilage) für die Zeit von 14.09.2022 bis 28.06.2024 Bildungsteilzeit vereinbart worden war. Sollte keine Stellungnahme erfolgen, werde aufgrund der Aktenlage entschieden. Die BF beantwortete dieses Schreiben nicht.
Das AMS gab auf schriftliche Nachfrage bekannt, dass ihm seitens der BF mit dem Antrag kein Arbeitsvertrag vorgelegt worden sei. Mit der Beschwerde sei lediglich die bereits genannte Anmeldung zur Sozialversicherung per 01.03.2022 vorgelegt worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin war von 01.08.2021 bis 31.10.2022 beim Dienstgeber XXXX als Pflegeassistentin beschäftigt, wobei sie im Zeitraum 01.08.2021 bis 30.06.2022 als freie Dienstnehmerin und ab 01.07.2022 als Angestellte zur Sozialversicherung gemeldet war.
Die Beschwerdeführerin vereinbarte mit ihrem Dienstgeber die Inanspruchnahme von Bildungsteilzeit nach § 11a AVRAG für die Dauer von 14.09.2922 bis 28.06.2024 zur Absolvierung einer Ausbildung zur Fachsozialbetreuerin Behindertenbegleitung mit Deutsch-Förderung bei der XXXX .
Per 05.09.2022 beantragte die BF bei der belangten Behörde Bildungsteilzeitgeld, für den Zeitraum 14.09.2022 bis 28.06.2024.
In der Zeit von 01.03.2022 bis 31.08.2022 wurden für die BF folgende Beitragsgrundlagen zur Sozialversicherung gemeldet: 01.03.2022 bis 31.03.2022: € 2.403,49; 01.04.2022 bis 30.04.2022: € 2.086,83; 01.05.2022 bis 31.05.2022: € 2.086,83; 01.06.2022 bis 30.06.2022: € 2.086,83; 01.07.2022 bis 31.07.2022: € 2.300,00; 01.08.2022 bis 31.08.2022: € 1.666,29.
Am 31.10.2022 endete die Beschäftigung der BF bei XXXX .
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, durch Abhaltung eines schriftlichen Parteiengehörs und Einsichtnahme in die aktuell für die BF beim Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten.
Die BF hat von der ihr nachweislich gewährten Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme und Vorlage maßgeblicher Unterlagen, keinen Gebrauch gemacht. Der Sachverhalt war daher als geklärt zu beurteilen. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erscheint nicht geboten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter:innen angehören, je eine:r aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen und eine:r aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.
Zu A)
Gemäß § 26a Abs 1 AlVG gebührt Personen, die eine Bildungsteilzeit gemäß § 11a AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, für die vereinbarte Dauer ein Bildungsteilzeitgeld bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen:
1. Die Teilnahme an einer im Wesentlichen der Dauer der Bildungsteilzeit entsprechenden Weiterbildungsmaßnahme ist nachzuweisen. Das Ausmaß der Weiterbildungsmaßnahme muss mindestens zehn Wochenstunden betragen. Umfasst die Weiterbildungsmaßnahme nur eine geringere Wochenstundenanzahl, so ist nachzuweisen, dass zur Erreichung des Ausbildungszieles zusätzliche Lern- und Übungszeiten in einem Ausmaß erforderlich sind, dass insgesamt eine vergleichbare zeitliche Belastung besteht. Eine praktische Ausbildung darf nicht beim selben Arbeitgeber stattfinden, es sei denn, dass die Ausbildung nur dort möglich ist.
2. Innerhalb einer Rahmenfrist von vier Jahren kann insgesamt längstens zwei Jahre Bildungsteilzeitgeld bezogen werden. Wenn die Weiterbildungsmaßnahme in Teilen stattfindet, kann das Bildungsteilzeitgeld innerhalb einer Rahmenfrist von vier Jahren fortbezogen werden. Wurde innerhalb der Rahmenfrist bereits Weiterbildungsgeld bezogen, so ist der Zeitraum, in dem Weiterbildungsgeld bezogen wurde, doppelt auf die Bezugsdauer für Bildungsteilzeitgeld anzurechnen. Die Anwartschaft ist nur bei der ersten Inanspruchnahme von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld innerhalb des Vierjahreszeitraumes zu erbringen.
3. Vor der Herabsetzung der Arbeitszeit muss die jeweilige wöchentliche Normalarbeitszeit ununterbrochen sechs Monate, bei einem befristeten Arbeitsverhältnis in einem Saisonbetrieb ununterbrochen drei Monate lang gleich hoch gewesen sein. Das aus dem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt muss in dieser Zeit sowie während der Bildungsteilzeit über der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG liegen. Zeiten, die gemäß § 14 Abs. 4 und 5 auf die Anwartschaft anzurechnen sind, sind wie Zeiten arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung mit unveränderter Normalarbeitszeit zu werten.
Im vorliegenden Fall stützt sich die angefochtene Entscheidung unter Zugrundelegung der Daten des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger darauf, dass die BF während der letzten 6 Monate vor Beginn der beantragten Bildungsteilzeit kein Dienstverhältnis mit gleichbleibender Wochenarbeitszeit hatte. Die BF bringt rechtlich sinngemäß vor, in der maßgeblichen Zeit vereinbarungsgemäß und tatsächlich mit einer gleichbleibenden wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt gewesen zu sein.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind bei Fehlen einer rechtskräftigen Entscheidung über die Pflichtversicherung im Verfahren nach dem AlVG selbst brauchbare Tatsachenfeststellungen über alle relevanten Umstände der in Frage kommenden Erwerbstätigkeit(en) zu treffen. Eine Bindung an die beim Dachverband (vormals: Hauptverband) der Sozialversicherungsträger geführten Versichertendaten besteht nicht (vgl. VwGH 20.2.2020, Ra 2019/08/0156).
Im vorliegenden Fall wurde der BF Gelegenheit gegeben, Beweismittel zum Nachweis der mit ihrem Dienstgeber getroffenen Vereinbarungen und der tatsächlichen Ausgestaltung ihrer in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung ausgeübten Erwerbstätigkeit vorzulegen und dazu Stellung zu nehmen, weshalb das Dienstverhältnis bereits per 31.10.2022 beendet wurde. Die BF hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes korrespondiert die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Feststellung des Sachverhalts stets (also auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung) mit einer Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Die Parteien sind verpflichtet, die ihnen zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen eingeräumten prozessualen Mitwirkungsrechte wahrzunehmen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Die Offizialmaxime befreit die Partei nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Eine solche Mitwirkungspflicht ist etwa dann anzunehmen, wenn der behördlichen Ermittlung faktische Grenzen gesetzt sind, die Behörde/das Verwaltungsgericht also nicht (mehr) in der Lage ist, sich ohne Mitwirkung der Partei amtswegig relevante Daten zu verschaffen. (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG, Manz, Wien 2005, RZ 9 und 10 zu § 39 AVG mit Hinweisen auf die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).
Im vorliegenden Fall hat die BF von der Möglichkeit, die von ihr behauptete Vereinbarung einer gleichbleibenden Wochenarbeitszeit und die von ihr behauptete einer solchen Vereinbarung entsprechende tatsächliche Ausgestaltung der hier maßgeblichen Erwerbstätigkeit -etwa durch Vorlage von Arbeitsverträgen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Lohnzetteln- glaubhaft zu machen, keinen Gebrauch gemacht. Ohne eine solche Mitwirkung am Verfahren kann aber nicht geprüft werden, ob die beim Dachverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten zutreffen oder nicht.
Die BF ist damit ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verankerten Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, was im Rahmen der Beweiswürdigung zu ihrem Nachteil gewertet werden muss. Es waren die beim Dachverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Daten der vorliegenden Beurteilung zu Grunde zu legen. Diese weisen im maßgeblichen Zeitraum ein freies Dienstverhältnis mit schwankenden Beitragsgrundlagen aus.
Unter Zugrundelegung dieses Beweisergebnisses hat die belangte Behörde den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Bildungsteilzeit gemäß § 26a AlVG zu Recht abgelehnt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.