JudikaturBVwG

W604 2284151-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
08. Januar 2025

Spruch

W604 2284151-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herbert PLESCHBERGER als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag.a Ulrike Scherz und den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzende über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Landesstelle XXXX ) vom 19.12.2023, GZ. XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass gemäß §§ 41, 43 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides abgeändert, sodass er wie folgt zu lauten hat:

Dem Antrag der XXXX , geboren am XXXX , auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass vom 12.07.2023 wird stattgegeben.

Der Grad der Behinderung beträgt sechzig (60) von Hundert (vH).

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die belangte Behörde, das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice) hat der Beschwerdeführerin am 26.05.2021 einen bis 31.10.2024 befristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH eingetragen.

2. Am 12.07.2023 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass.

3.Mit Bescheid vom 19.12.2023 hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass auf Grund des weiterhin in Höhe von 50 vH festgestellten Grades der Behinderung gem. §§ 41, 43 und 45 BBG abgewiesen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit Einlangen am 04.01.2024 erhobene Beschwerde, mittels welcher die Beschwerdeführerin eine unzutreffende Darstellung der erfolgten Untersuchung im Gutachten sowie eine mangelhafte Einstufung ihrer Behinderung moniert.

5. Zur Überprüfung der medizinischen Gegebenheiten holte das Bundesverwaltungsgericht Gutachten eines medizinischen Sachverständigen auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 27.03.2024 mit dem Ergebnis ein, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH zu bewerten sei. Nach erfolgter Erstattung von Einwendungen holte das Bundesverwaltungsgericht darüber hinaus Gutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie auf Basis einer weiteren persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.09.2024 mit dem Ergebnis ein, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH zu bewerten sei. Einwendungen wurden im Rahmen des neuerlich veranlassten Parteiengehörs nicht erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin, XXXX , geboren am XXXX , hat ihren Wohnsitz im Inland. Mit Einlangen bei der belangten Behörde am 12.07.2023 beantragte sie die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass. Die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen mit Einlangen am 04.01.2024 erhobene Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Erledigung vom 11.01.2024, eingelangt am 12.01.2024, vorgelegt. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 27.03.2024 und mit Eingabe vom 12.06.2024 wurden von der Beschwerdeführerin weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 vH.

Die Beurteilung der Funktionseinschränkungen gestaltet sich wie folgt:

Das führende Leiden unter Punkt 1.2.1 wird aufgrund der funktionellen Relevanz durch das Leiden unter 1.2.2. wegen negativer wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht. Die Leiden unter Punkten 1.2.3 bis 1.2.13 heben den Grad der Behinderung wegen Geringfügigkeit nicht weiter an.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität der Beschwerdeführerin, deren inländischer Wohnsitz sowie die zum Verfahren getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Aktenunterlagen. Die Antragstellung ist zweifelsfrei dokumentiert, ebenso die Erhebung der Beschwerde und deren Vorlage wie auch die Beweismittelnachreichungen.

2.2. Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen und dem daraus resultierenden Grad der Behinderung ergeben sich aus dem durch das Bundesverwaltungsgericht erhobenen Sachverständigenbeweis in Zusammenschau mit den aktenkundigen Beweismitteln.

Die eingeholten, auf persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 27.03.2024 und 24.09.2024 basierenden medizinischen Gutachten der Sachverständigen Dr XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, und XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch ist dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.

Die Sachverständigengutachten gelangen hinsichtlich der Beurteilung des Leidens „Posttraumatische Belastungsstörung“ und daraus resultierend auch hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin zu unterschiedlichen Ergebnissen. Es wird hinsichtlich der Beurteilung des psychiatrischen Leidens den gutachterlichen Schlussfolgerungen und Einschätzungen der Sachverständigen Univ. Prof.in Dr.in XXXX gefolgt, da diese – als Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vor dem Hintergrund der aktenkundigen medizinischen Beweismittel und der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin mit ihrer einschlägigen Fachexpertise überzeugt. Besagte Sachverständige stellt schlüssig dar, dass auf Grund des jahrelangen Verlaufes der neurologisch/psychiatrischen Gesundheitsschädigung, deren ständiger Therapie, der Ängste, der Panik und der Anpassungsprobleme aus medizinischer Sicht eine Einschätzung mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH zu erfolgen habe, was insgesamt auch zur Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung gegenüber dem allgemeinmedizinischen Gutachten Dr. XXXX führt. Abseits des psychiatrisch-neurologischen Leidensgeschehens wird im Gutachten Dris. XXXX das Leiden „Small Airways Disesase –SAD“ in der Diagnoseliste geführt, welches im Gutachten Dris. XXXX nicht erwähnt wird. Der allgemeinmedizinischen Beurteilung wird insoweit gefolgt, zumal dieses Leiden Deckung innerhalb der aktenkundigen Befundlage findet. Eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung resultiert aus der zusätzlichen Aufnahme dieses Leidens wegen Geringfügigkeit nicht.

Hinsichtlich der weiteren Leiden sind die Gutachten vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und Widerspruchsfrei. Es wurde auf die Art der einschätzungsrelevanten Leiden und deren Ausmaß eingegangen. Die getroffene Einschätzung des Behinderungsgrades, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entspricht unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Besagte Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befassten Sachverständigen haben sich damit auseinandergesetzt. Die aktenkundigen Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen des erhobenen Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt und enthalten sie auch keine unberücksichtigt gebliebenen fachärztlichen Aspekte. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin findet sich differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander und wird von den Sachverständigen dazu nachvollziehbar Stellung genommen. Die dokumentierten Gesundheitsschädigungen werden in Zusammenschau mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchungen erhobenen Status vollumfänglich berücksichtigt, woraus auch die Anhebung des Grades der Behinderung auf 60 vH resultiert.

Die Parteien sind der gutachterlichen Beurteilung zuletzt weder hinsichtlich der gewählten Positionen der Einschätzungsverordnung noch des konstatierten Gesamtgrades der Behinderung entgegengetreten und wurde auch die fachliche Eignung der befassten Sachverständigen zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen.

2.2.1. Die Gesundheitsschädigung „Posttraumatische Belastungsstörung“ wird durch die fachärztlich neurologisch/psychiatrische Sachverständige Univ. Prov.in Dr.in XXXX im Einklang mit der Einschätzungsverordnung beurteilt, welche Richtsatzposition 03.05.02 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH für posttraumatische Belastungsstörungen mittleren Grades vorsieht, wenn affektive, somatische und kognitive Störungen sowie eine ernsthafte Beeinträchtigung der meisten sozialen Bereiche vorliegen, phasenweise Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bestehen, Behandlungen zu intermittierender Stabilisierung führen, wiederholt Leistungsknicks auftreten und eine zunehmende Chronifizierung besteht. Die Sachverständige begründet ihre Beurteilung insoweit schlüssig, als sie einen Suizidversuch der Beschwerdeführerin und den Suizid deren Vaters sowie eine seit Jahrzehnten bestehende Belastungsstörung mit deutlichen sozialen Ängsten und Panikattacken beschreibt, woraus bei der Beschwerdeführerin die Notwendigkeit der ständigen psychiatrischen Betreuung und wiederkehrender stationärer Behandlung gegeben sei.

2.2.2. Die Beurteilung des Leidens „Verlust beider Ovarien“ erfolgt im Einklang mit den Vorgaben der Einschätzungsverordnung, welche Richtsatzposition 08.03.05 für den Verlust beider Ovarien bis zum vollendeten 65. Lebensjahr mit einem fixen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorsieht.

2.2.3. Die Beurteilung der „Vorbeschriebenen Multiplen Sklerose“ erfolgt in den eingeholten Gutachten schlüssig unter Richtsatzposition 04.08.01, welche für demyelinisierende Erkrankungen heranzuziehen ist. Demnach hat ein Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH zur Anwendung zu gelangen, wenn eindeutige MS Kriterien vorliegen, aber keine anhaltende klinische Symptomatik besteht. Die befassten Sachverständigen führen zur Wahl der Richtsatzposition im Einklang mit den vorliegenden Befunden nachvollziehbar aus, dass entsprechende radiologische ZNS Veränderungen bestünden, die Krankheit sich aber in Remission befinde. Eine Höherbeurteilung ist daher nicht möglich.

2.2.4. Der „Diabetes mellitus nicht insulinpflichtig“ wurde unter Richtsatzposition 09.02.01 im Hinblick auf die lediglich orale Therapie unter Berücksichtigung der leichten symptomatischen Polyneuropathie schlüssig mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH beurteilt, da keine relevanten Folgeerkrankungen dokumentiert sind.

2.2.5. Die Beurteilung des Zustandes nach Verlagerungsoperation des Neruvs ulnaris erfolgte im Einklang mit der Einschätzungsverordnung unter Richtsatzposition 04.05.05 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH, da keine motorischen Defizite objektiviert werden konnten.

2.2.6. Die Beurteilung der Schmerzen bei unspezifischer Myopathie erfolgte unter Richtsatzposition 04.11.01 als chronisches Schmerzsyndrom - dem Ausmaß der zeitweiligen Schmerzen entsprechend - bei nur leicht erhöhten CK – Werten mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH.

2.2.7. Zur Beurteilung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Gelenksveränderungen wird im Einklang mit der Einschätzungsverordnung Richtsatzposition 02.02.01 herangezogen, welche für generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit geringen funktionellen Auswirkungen zur Anwendung zu kommen hat. Die Beschwerdeführerin leidet nachvollziehbar an geringen, belastungsabhängigen Beschwerden, welche jedoch nur geringe Funktionseinschränkungen zur Folge haben. Die Beurteilung dieses Leidens kann sohin lediglich in Höhe von 10 vH erfolgen, wobei die durch Mehrphasenknochenscan dokumentierten Knochenumbauveränderungen ohne Hinweise auf florides Geschehen in dieser Beurteilung mitberücksichtigt werden.

2.2.8. Das Heterogene Faktor 5 Leiden wurde lebensnahe unter Richtsatzposition – 10.01.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH beurteilt, da es lediglich einen Thrombose-Risikofaktor darstellt, klinisch aber nicht von Relevanz ist.

2.2.9. Die Beurteilung der „Entfernung der Gebärmutter“ erfolgte im Einklang mit der Einschätzungsverordnung, welche Richtsatzposition 08.03.02 mit einem fixen Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH für dieses Leiden vorsieht.

2.2.10. Die bei der Beschwerdeführerin bestehende „Hypertonie“ wurde nach Maßgabe der Vorgaben der Einschätzungsverordnung - der leichten Ausprägung entsprechend - unter Richtsatzposition 05.01.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH beurteilt.

2.2.11. Die Heranziehung von Richtsatzposition 02.06.26 für die Einschätzung des „Zustandes nach Ringbandspaltung am Daumen“ erfolgt wiederum im Einklang mit den Vorgaben der Einschätzungsverordnung, welche diese Richtsatzposition mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH zur Beurteilung der Versteifung eines Daumengelenkes in günstiger Stellung festschreibt.

2.2.12. Der Leidenszustand „Karpaltunnelsyndrom bds.“ erfolgt unter Bedachtnahme auf das Ausmaß der Funktionseinschränkungen unter Richtsatzposition 04.05.06- mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH, da gute postoperative Verhältnisse bei zeitweiligen Parästhesien vorliegen, im Rahmen der klinischen Untersuchung motorische Defizite aber nicht objektiviert werden konnten.

2.2.13. Das Leiden „Small Airways Disease“ wird nun mehr neu in die Diagnoseliste aufgenommen und im Einklang mit der Einschätzungsverordnung unter Richtsatzposition 06.05.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH beurteilt, da die Vitalkapazität und die Einsekunden-Kapazität nur geringgradig eingeschränkt sind und eine Bedarfstherapie etabliert ist. Einwendungen wurden hinsichtlich der Beurteilung dieses Leidens im Rahmen des erteilten Parteiengehörs nicht erhoben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Nach § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1. Zu Spruchpunkt A):

3.1.1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören (§ 40 Abs. 1 BBG).

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt (§ 41 Abs. 1 BBG).

Nach § 35 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Der Behindertenpass ist ein amtlicher Lichtbildausweis und hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum und den festgestellten Grad der Behinderung zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten (§ 42 Abs. 1 BBG). Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen (§ 43 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind nach Maßgabe der Einschätzungsverordnung als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen festgelegt (§ 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung).

Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (§ 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung).

Nach dem feststehenden Sachverhalt liegen die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 BBG hinsichtlich des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland vor, auch die grundsätzliche Behinderung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 1 Abs. 2 BBG ist angesichts der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen unzweifelhaft.

Im Mittelpunkt des Beschwerdeverfahrens steht die abweisungsbedingende und auf sachverständiger Expertise beruhende erstbehördlich erzielte Einschätzung des Grades der Behinderung von 50 vH. Im Rahmen des im Beschwerdeverfahren erhobenen Sachverständigenbeweises wird die Posttraumatische Belastungsstörung in Abweichung zu den von der belangten Behörde erzielten Ermittlungsergebnissen nunmehr in Höhe von 50 vH beurteilt, woraus im Zusammenwirken der Leiden insgesamt die Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung auf 60 vH resultiert. Nach dem feststehenden Sachverhalt liegt unter Zugrundelegung der vor dem Bundesverwaltungsgericht erzielten Beweisergebnisse damit ein Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH vor, weshalb dem verfahrenseinleitenden Antrag auf Neufestsetzung zu entsprechen und der Beschwerde stattzugeben ist.

3.1.2.Zum Neuerungsverbot nach dem BBG:

Im Hinblick auf das abgeführte Beschwerdeverfahren ist angesichts der aktenkundigen Befundlage auf die geltende Gesetzeslage hinzuweisen, wonach in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen (§ 46 BBG). Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 12.01.2024 vorgelegt worden ist, sind nach diesem Zeitpunkt nachgereichte Beweismittel von dieser Einschränkung betroffen und haben die von der Beschwerdeführerin nachträglich vorgelegten medizinischen Beweismittel bei der Beurteilung sohin außer Betracht zu bleiben.

3.1.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann u.a. entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (u.a. VwGH 01.09.2022, Ra 2021/03/0163 unter Verweis auf EGMR 18.7.2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff; EGMR 08.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä/Estland).

Maßgebend für die gegenständliche Beschwerdeentscheidung über den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und die vorgelagerte Frage nach dem Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des diesbezüglichen Sachverhaltes hat das Bundesverwaltungsgericht vom Sachverständigenbeweis Gebrauch gemacht und auf persönlicher Untersuchung basierende fachärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Dem Beschwerdevorbringen und den bis 12.01.2024 vorgelegten Beweismitteln wurde im Rahmen der sachverständigen Expertise Rechnung getragen und resultiert daraus der aktuell gegebene Gesamtgrad der Behinderung.

Im Rahmen des gerichtlich veranlassten Parteiengehörs haben die Verfahrensparteien vom zugrunde gelegten Sachverständigenbeweis vollinhaltlich Kenntnis erlangt, bei dieser Gelegenheit aber zuletzt keine Einwendungen erhoben oder ein entgegenstehendes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet. Das vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeführte Ermittlungsverfahren hat in Entsprechung der von der Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebrachten Intention einen anspruchsbegründenden Grad der Behinderung in Höhe von 60 vH an die Oberfläche gefördert, sodass Bestreitungen der entscheidungswesentlichen Tatsachen oder der diese stützenden beweiswürdigenden Erwägungen damit nicht länger zu sehen sind. Im Ergebnis ist der Sachverhalt geklärt und lässt die Aktenlage mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen erkennen, dass eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Erörterung nicht zu erwarten ist. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann daher unterbleiben (vgl. zum Entfall der mündlichen Verhandlung u.a. VwGH 20.02.2023, Ra 2022/11/0144; zu den verfassungsgesetzlichen Implikationen vgl. etwa VfGH E 1873/2020; VfGH 09.06.2017, E 1162/2017).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision in Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, die vorliegende Entscheidung hängt von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art der Leiden und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige, jeweils in Klammern zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.