JudikaturBVwG

W237 2303726-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
27. Dezember 2024

Spruch

W237 2303726-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin WERNER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Armin KLAUSER und Mag.a Elke DE BUCK-LAINER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX gegen die Erledigung des Arbeitsmarktservice Wien Jägerstraße vom 25.10.2024 betreffend Einstellung des Bezugs der Notstandshilfe ab 01.08.2024 beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

1. Feststellungen:

Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 25.10.2024 (im Folgenden auch: Bescheid) sprach das Arbeitsmarktservice Wien Jägerstraße (im Folgenden: AMS) gegenüber der Beschwerdeführerin aus, dass ihr „die Notstandshilfe ab 01.08.2024 eingestellt“ werde.

Der Bescheid wurde elektronisch erstellt. Die im Verwaltungsakt befindliche Urschrift des Bescheids weist auf der dritten und letzten Seite die folgende Fertigung auf:

„Für die Leiterin

XXXX Service für Arbeitskräfte

Abteilungsleiterin“

Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthält die Urschrift nicht. Weder das im Akt befindliche Urschrift-Exemplar der Erledigung noch die für den Versand an die Beschwerdeführerin abgefertigte Ausfertigung sind mit einer Amtssignatur versehen, ebenso wenig weisen diese Schriftstücke eine handschriftliche Abzeichnung eines genehmigenden Organs oder einen Beglaubigungsvermerk der Kanzlei der Behörde auf.

Das AMS adressierte diese Erledigung an die Beschwerdeführerin persönlich, die dagegen Beschwerde erhob. Die Beschwerde sowie den Bezug habenden Verwaltungsakt legte das AMS dem Bundesverwaltungsgericht am 03.12.2024 zur Entscheidung vor.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt bzw. der darin aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).

Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

Folglich haben sogenannte sonstige Ausfertigungen – d.h. konventionelle Papierausfertigungen – entweder die eigenhändige Unterschrift des bzw. der Genehmigenden zu enthalten oder die Beglaubigung der Kanzlei, dass die Ausfertigung mit der Erledigung (der Urschrift) übereinstimmt und die Erledigung gemäß § 18 Abs. 3 AVG genehmigt wurde. Ein Fehlen der Unterschrift bewirkt die absolute Nichtigkeit der Ausfertigung der Erledigung (vgl. VwSlg. 6856 A/1966; 13. 10. 1994, 93/09/0302; VfSlg. 12.139/1989; vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 18 Rz 23 ff).

2. Gemäß § 47 Abs. 1 fünfter Satz AlVG 1977, BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. I Nr. 38/2017, bedurften Ausfertigungen, die im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung erstellt wurden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung. Dies stellte eine von den Vorschriften über schriftliche Ausfertigungen abweichende Regelung im Sinne des Art. 11 Abs. 2 B-VG dar und war als solche an den in dieser Verfassungsbestimmung normierten Anforderungen zu messen.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 09.03.2023, G 295/2022, wurde § 47 Abs. 1 fünfter Satz leg. cit. – mit Inkrafttreten mit Ablauf des 31.03.2024 – als verfassungswidrig aufgehoben. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass das Arbeitslosenversicherungsrecht zwar eine Materie sei, in der verhältnismäßig viele Entscheidungen zu ergehen hätten, wodurch die eigenhändige Unterfertigung durch den Genehmigenden oder eine Beglaubigung durch die Kanzlei schwierig zu bewerkstelligen sein könnte. Gerade in solchen Konstellationen könne jedoch mit dem im Jahr 2004 eingeführten Instrument der Amtssignatur sichergestellt werden, dass ein ausreichendes Niveau der Identifizierbarkeit und Authentifizierbarkeit von automationsunterstützt erstellten Erledigungen erreicht werde. Dass ein solches im Arbeitslosenversicherungsrecht nicht notwendig wäre, sei nicht erkennbar, zumal das AMS die Amtssignatur auch selbst zum Teil bereits bei seinen Erledigungen einsetze.

3. Die (als Bescheid bezeichnete) Erledigung des AMS vom 25.10.2024 wurde elektronisch erstellt und weist weder eine Unterschrift des genehmigenden Organs noch eine Beglaubigung der Kanzlei oder eine Amtssignatur auf. Sohin fehlt es der vorliegenden Erledigung an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; das gegenständliche Verfahren ist stattdessen nach wie vor vor dem AMS anhängig.

Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Rechtsprechung zu den Bescheidanforderungen nach § 18 AVG ist umfassend vorhanden und im Lichte des vorliegenden – nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 09.03.2023, G 295/2022 ua., eindeutig zu beurteilenden – Falles klar und kohärent.