Spruch
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde des syrischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistung GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.02.2024, Zl. 1318733405/222459180, nach einer mündlichen Verhandlung am 29.10.2024:
A)
Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Vorabentscheidungsverfahren hinsichtlich des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.2024,W261 2289490-1/11Z, ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 08.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund nannte er, dass er nicht zum Militär und nicht kämpfen wolle.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.), und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers befinde sich unter der Kontrolle der Hay’at Tahrir Al-Sham (HTS). Dem Beschwerdeführer wäre der Freikauf vom Wehrdienst in der syrischen Armee möglich und ihm drohe in Syrien keine asylrelevante Verfolgungsgefahr.
3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde, in welcher er unter anderem vorbringt:
Ihm drohe die Einziehung zum Wehrdienst in der syrischen Armee. Er verweigere diesen Wehrdienst sowie den Freikauf vom Wehrdienst jedoch aus politischen Gründen und Gewissensgründen. Auch würde eine Leistung der Befreiungsgebühr ihn nicht mit ausreichender Sicherheit vor der Willkür der syrischen Behörden schützen. Vielmehr würde ihm das syrische Regime aufgrund der Wehrdienstverweigerung eine oppositionelle Gesinnung unterstellen.
4. Am 29.10.2024 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer befragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Zu Spruchpunkt A)
1.1. Auf der Grundlage des § 38 AVG können Verfahren bis zur (in einem anderen Verfahren beantragten) Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzt werden; eine dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorgelegte Frage des Unionsrechts kann nämlich eine Vorfrage i.S.d. § 38 AVG darstellen, die zufolge des im Bereich des Unionsrechts bestehenden Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Union von diesem zu entscheiden ist (vgl. VwGH 12.09.2023, Ro 2023/20/0001, m.w.N.).
1.2. Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom 12.09.2024 legte das Bundesverwaltungsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
„1.) Ist Art. 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes im Sinne dieser Bestimmung tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen?
1.a.) Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist Art. 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die für im Ausland lebende Staatsangehörige eine Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes für den Herkunftsstaat bedeuten würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um bei Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen, und diese Gebühr nach der Anzahl der Jahre des Auslandsaufenthalts bemessen ist, wobei 10.000,– US-Dollar bei einem Jahr, 9.000,– US-Dollar bei zwei Jahren, 8.000,– US-Dollar bei drei Jahren und 7.000,– US-Dollar bei vier Jahren Auslandsaufenthalt zu entrichten sind und für jedes weitere Jahr jeweils eine Gebühr von 200,– US-Dollar anfällt?
1.b.) Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist auch Art. 9 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen?
2.) Wenn zumindest Frage 1 zu bejahen ist: Sind Art. 9 Abs. 2 lit. e und – soweit Frage 1.b. zu bejahen ist – c in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 lit. b und c der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung dann nicht ausschließt, wenn ein Antragsteller im Sinne des Art. 2 lit. i dieser Richtlinie eine religiöse beziehungsweise moralische Grundhaltung oder eine politische Meinung, Anschauung beziehungsweise Überzeugung hat, aufgrund derer er die Zahlung dieser Gebühr nicht leisten möchte?
3.) Wenn zumindest Frage 1 zu bejahen ist: Sind Art. 9 Abs. 2 lit. e und – soweit Frage 1.b. zu bejahen ist – c in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 lit. a und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 sowie Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes dahin auszulegen, dass es für die Frage, ob die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz beziehungsweise den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über einen Rechtsbehelf gegen die behördliche Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ankommt?
4.) Stehen die unionsrechtlichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 36/2012 des Rates vom 18. Januar 2012 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 442/2011 in der geltenden Fassung der Annahme entgegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in Syrien gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die für im Ausland lebende syrische Staatsangehörige eine Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes für den Herkunftsstaat bedeuten würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. e oder c der Richtlinie 2011/95 ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um bei Rückkehr nach Syrien einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen, und diese Gebühr nach der Anzahl der Jahre des Auslandsaufenthalts bemessen ist, wobei 10.000,– US-Dollar bei einem Jahr, 9.000,– US-Dollar bei zwei Jahren, 8.000,– US-Dollar bei drei Jahren und 7.000,– US-Dollar bei vier Jahren Auslandsaufenthalt zu entrichten sind und für jedes weitere Jahr jeweils eine Gebühr von 200,– US-Dollar anfällt?“
1.3. Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt für die Behandlung der vorliegenden Beschwerde Bedeutung zu:
Wie sich aus den am 31.10.2024 unter https://syria.liveu-amap.com/ und unter https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html abgerufenen Karten ergibt, befindet sich der Herkunftsort des Beschwerdeführers – entgegen der Feststellungen im angefochtenen Bescheid – unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Daher ist (zumindest derzeit) ein entscheidungsrelevanter Zugriff der syrischen Regierung auf den Beschwerdeführer nicht auszuschließen. Der Beschwerdeführer brachte (unter anderem) vor, Syrien aus Angst vor der Einziehung in den Militärdienst bei der syrischen Armee verlassen zu haben. Zudem kommt ein Freikauf vom Wehrdienst gegenständlich grundsätzlich in Frage.
Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 17 VwGVG auch vom Bundesverwaltungsgericht anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das gegenständliche Beschwerdeverfahren auszusetzen ist.
2. Zu Spruchpunkt B)
2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass auf der Grundlage des § 38 AVG Verfahren bis zur (in einem anderen Verfahren beantragten) Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzt werden können, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.