Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Organs für studienrechtliche Angelegenheiten der Wirtschaftsuniversität Wien vom 07.11.2023, Zl. B/1214/06/22-4, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Bachelorstudium Wirtschaftsrecht (Studienplan 2016, im Folgenden auch kurz Wirtschaftsrecht 16) sowie zum individuellen Bachelorstudium Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Betriebswirtschaft zugelassen.
2. Mit Bescheid vom 23.11.2022, Zl. B/1214/03/22 wurden dem Beschwerdeführer die im Diplomstudium Internationale Betriebswirtschaft absolvierten Prüfungen für die Spezielle Betriebswirtschaftslehre [im Folgenden auch kurz SBWL] „Marketing“ (20 ECTS) im individuellen Bachelorstudium Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Betriebswirtschaft anerkannt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
3. Mit Antrag vom 30.09.2023 beantragte der Beschwerdeführer die Anerkennung von 2011/12 absolvierten Prüfungen aus „Tourismusanalyse und Freizeitmarketing“ für die Spezielle Betriebswirtschaftslehre „Service und Digital Marketing“.
4. Am 03.10.2023 erhielt der Beschwerdeführer eine Antwort vom Study Service Center der Wirtschaftsuniversität Wien mit folgendem Inhalt:
„Sehr geehrter Herr XXXX ,
betreffend Ihres Antrages für das individuelle Bachelorstudium Wirtschaftsrecht:
Da die SBWL Marketing bereits anerkannt wurde, ist der Studienplanpunkt hiermit erfüllt (siehe Bescheid B/1214/03/22). Das Verfahren wird damit formlos eingestellt. […]
5. Am 04.11.2023 teilte der Beschwerdeführer mit, dass diese Auskunft unrichtig sei. Dabei führte er weiters begründend aus, dass auch anderen Studierenden der Wirtschaftsuniversität Wien zusätzliche SBWLs im Bachelorstudium Wirtschaftsrecht ermöglicht worden seien und er daher ebenfalls diese Möglichkeit wahrnehmen wolle. Sollte diese Verwaltungspraxis rechtswidrig sein, müsse die Wirtschaftsuniversität Wien die „Titel“ dieser Studierenden aberkennen. Er werde aufgrund seiner (bundesdeutschen) Herkunft diskriminiert und fordere die Wirtschaftsuniversität Wien „in Höflichkeit und Respekt“ auf, dies „umgehend und endlich“ zu unterlassen. Er fordere „per Klageankündigung“ die WU Wien auf, das Anerkennungsverfahren wiederaufzunehmen.
6. Am 07.11.2023 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Bescheid vom 23.11.2022, Zl. B/1214/03/22 gemäß § 69 Abs. 1 AVG zurück. Begründend wird ausgeführt, dass im Studienplan für das individuelle Bachelorstudium Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Betriebswirtschaft nur eine (einzige) „Spezielle Betriebswirtschaftslehre“ vorgesehen sei. Mit rechtskräftigem Bescheid aus dem Jahr 2022 sei bereits ein Anerkennungsbescheid über diese SBWL erlassen und damit sei dieser Teil des Studienplans bescheidmäßig absolviert worden. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens zum Bescheid vom 23.11.2022, Zl. B/1214/03/22 lägen nicht vor. Daher sei der Antrag zurückzuweisen.
7. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 22.11.2023 sowie mit ergänzendem Schriftsatz vom 11.12.2023 fristgerecht Beschwerde und führte diesbezüglich zusammengefasst aus, dass der Bescheid aufgrund einer falschen Sachverhaltsdarstellung mangelhaft sei. Er wolle eine zweite SBWL in sein Bachelorstudium aufnehmen,
8. Am 07.02.2024 beschloss der Senat der Wirtschaftsuniversität Wien kein Gutachten zur Beschwerde zu erstellen.
9. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 14.02.2024 die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Bachelorstudium Wirtschaftsrecht (Studienplan 2016, im Folgenden auch kurz Wirtschaftsrecht 16) sowie zum individuellen Bachelorstudium Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Betriebswirtschaft zugelassen.
Der – mit Bescheid vom 24.08.2016, Zl. SR43/2016, genehmigte – Studienplan des individuellen Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Betriebswirtschaft sieht im § 14 eine (einzige) Betriebswirtschaftslehre im Umfang von 20 ECTS bzw. 10 Semesterstunden vor
Der Beschwerdeführer absolvierte 2011/12 im Rahmen seines (damaligen) Diplomstudiums Internationale Betriebswirtschaft Prüfungen, welche ihm mit Bescheid vom 23.11.2022, Zl. B/1214/03/22 für die Spezielle Betriebswirtschaftslehre: Marketing im Ausmaß von 20 ECTS im individuellen Bachelorstudium Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Betriebswirtschaft anerkannt wurden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Antrag vom 30.09.2023 beantragte der Beschwerdeführer die Anerkennung von 2011/12 absolvierten Prüfungen aus „Tourismusanalyse und Freizeitmarketing“ für eine (weitere) Spezielle Betriebswirtschaftslehre („Service und Digital Marketing“).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.
Auf das Vorbringen, dass anderen Studierenden die Möglichkeit einer weiteren SBWL eingeräumt worden wäre, war nicht näher einzugehen, zumal es sich um rein pauschalisierende Behauptung ohne jegliche Konkretisierungen handelt, die wie weiter unten näher ausgeführt wird, an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern vermögen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Rechtslage:
Anerkennungen von Prüfungen, anderen Studienleistungen, Tätigkeiten und Qualifikationen haben gemäß § 78 Abs. 4 Z 4 Universitätsgesetz 2002 durch Bescheid oder gemäß Z 9 leg. cit durch Verordnung des für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organs zu erfolgen.
Gemäß § 78 Abs. 4 Z 7 Universitätsgesetz 2002 gilt die Anerkennung als Prüfung als Prüfungsantritt und positive Beurteilung der entsprechenden im Curriculum vorgeschriebenen Prüfung in dem Studium, für welches die Anerkennung erfolgt.
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
3.2. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nach § 69 Abs 1 Z 2 AVG setzt voraus, dass neue Tatsachen oder Beweise hervorgekommen sind, die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bereits bestanden, aber nicht bekannt waren und im Verfahren ohne Verschulden der Partei oder der Behörde nicht „geltend gemacht“ werden konnten. Es muss sich um Tatsachen oder Beweise handeln, die bei Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht, Rz 583).
Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
Diese zweiwöchige „subjektive Frist“ (VwGH 31.5.1988, 88/11/0048) beginnt an dem Tag zu laufen, an dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund - dh vom Sachverhalt – Kenntnis erlangt hat. Entscheidend ist die Kenntnis von einem Sachverhalt, nicht seine rechtliche Wertung, dh nicht der Zeitpunkt, ab dem der Antragsteller erkannt hat, dass es sich um einen Wiederaufnahmegrund handelt (vgl VwGH 20. 9. 2018, Ra 2018/09/0050).
Die nicht hinreichende Darstellung der für die Beurteilung des Antrages entscheidenden Frage des Zeitpunktes der Kenntnisnahme kann als inhaltliches Erfordernis des Wiederaufnahmeantrages, und unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung nicht als ein bloßes Formgebrechen im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG 1950 gewertet werden (VwGH vom 07.03.1996, 96/09/0015)
3.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet das Folgendes:
Zunächst ist festzuhalten, dass § 15 des Studienplans des individuellen Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Betriebswirtschaft (nur) eine (einzige) Spezielle Betriebswirtschaftslehre im Gesamtausmaß von 20 ECTS vorsieht.
Mit Bescheid vom 23.11.2022, Zl. B/1214/03/22 wurden dem Beschwerdeführer mehrere im (damaligem) Diplomstudium Internationale Betriebswirtschaft absolvierten Prüfungen für die Spezielle Betriebswirtschaftslehre „Marketing“ (20 ECTS) anerkannt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Durch die in Rechtskraft erwachsene Anerkennung gilt die im Curriculum vorgesehene „Spezielle Betriebswirtschaftslehre“ vom Beschwerdeführer als angetreten und positiv absolviert.
Mit Antrag vom 04.11.2023 begehrte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens zum Bescheid vom 23.11.2022, Zl. B/1214/03/22. Diesbezüglich ist jedoch die zweiwöchige „subjektive Frist“ als verstrichen anzusehen. Laut Erfolgsnachweis des Beschwerdeführers (Beilage ./B des bezughabenden Verwaltungsaktes) legte dieser die letzte Prüfung der zweiten – von ihm zur Anerkennung beantragten - SBWL bereits am 27.06.2012 ab. Weder in seinem Antrag auf Wiederaufnahme noch in der Beschwerde legte der Beschwerdeführer dar, wann ihm ein Wiederaufnahmegrund bekannt geworden sei (vgl. dazu VwGH vom 07.03.1996, 96/09/0015).
Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie den Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 AVG aufgrund des Ablaufs der zweiwöchigen subjektiven Frist zurückgewiesen hat.
3.4. Sofern der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass anderen Studierenden mehrere SBWL genehmigt würden, ist darauf hinzuweisen, dass im Studienplan für das individuelle Bachelorstudium Wirtschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Betriebswirtschaft nur eine (einzige) SBWL vorgesehen ist. Sollte anderen Studierenden eine weitere SBWL genehmigt worden sein (was der Beschwerdeführer ausschließlich unsubstantiiert behauptete), ist dazu festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung davon ausgeht, dass auch eine allfällige rechtswidrige Anwendung des Gesetzes bei der Erlassung von Verwaltungsakten gegenüber anderen Betroffenen niemandem ein Recht auf diesbezügliche Gleichbehandlung ("im Unrecht") gibt (VwGH 22.02.2008, 2007/17/0074). Daher erwächst – selbst wenn es eine solche Vorgehensweise der Wirtschaftsuniversität geben sollte – dem Beschwerdeführer kein Recht auf eine diesbezügliche Gleichbehandlung im Unrecht.
3.5. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung:
Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12).
Im gegenständlichen Fall kann das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig festgestellt. Auch liegt keine Rechtsfrage von besonderer Komplexität vor.
Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen - unter Punkt 3.2. dargestellten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.