IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri.*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, ***Bf.-Adr.***, vertreten durch die Kanzlei Pencik Steuerberatungsgesellschaft mbH, Argentinierstraße 19 Tür 4, 1040 Wien, sowie durch den Steuerberater Dr. Michael Kotschnigg, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, 1220 Wien, über die Beschwerde vom 19.12.2017 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 4/5/10 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 13.12.2017 betreffend Haftung Lohnsteuer für die Jahre 2013 und 2014, Festsetzung des Dienstgeberbeitrags (DB) für das Jahr 2014 sowie Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für das Jahr 2014, Steuernummer ***Bf.-StNr.***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf.) ist in der Baubranche tätig.
Bei der Bf. fand für die Jahre 2013 und 2014 eine abgabenbehördliche Prüfung ua. zur Körperschaft- bzw. Kapitalertragsteuer statt. Im Zuge dieser Prüfung kam das Finanzamt zum Ergebnis, dass in den Jahren 2013 und 2014 bei der Bf. Fremdleistungen von zwei Subunternehmen aufscheinen würden, wobei diese Arbeiten nicht von diesen Subunternehmen, sondern von nicht ordnungsgemäß angemeldeten Arbeiternehmern der Bf. erbracht worden seien. Daher sei der verbuchte Fremdleistungsaufwand nicht anzuerkennen, der Lohnaufwand iHv. 50 % der geltend gemachten Fremdleistungsaufwendungen zu schätzen und der Rest als verdeckte Ausschüttung zu qualifizieren. Hierfür wurden Körperschaftsteuer bzw. Kapitalertragsteuer bescheidmäßig vorgeschrieben.
Als Folge dieser Außenprüfung fand bei der Bf. eine weitere abgabenbehördliche Prüfung betreffend Lohnabgaben statt, in welcher seitens des Finanzamtes der oben angeführte geschätzte Lohnaufwand an laut Außenprüfungsbericht bzw. Niederschrift über die Schlussbesprechung "unbekannte Arbeiter" der Bf. den Bemessungsgrundlagen der Lohnabgaben hinzugerechnet wurde. Die Bf. wurde hierfür zur Haftung von Lohnsteuer herangezogen sowie der Dienstgeberbeitrag bzw. Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag bescheidmäßig festgesetzt.
Die verfahrensgegenständliche Beschwerde richtet sich gegen diese bescheidmäßige Haftungsinanspruchnahme von Lohnsteuer bzw. Festsetzung des Dienstgeberbeitrags samt Zuschlag. Im gesamten Lauf dieses Verfahrens wurde in den Schriftsätzen (Bescheidbegründung, Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag, Vorlagebericht) stets lediglich auf das Verfahren betreffend Körperschaft- bzw. Kapitalertragsteuer verwiesen.
Die Bescheide betreffend Körperschaft- bzw. Kapitalertragsteuer wurden seitens der Bf. ebenfalls angefochten und wurde diese Beschwerdesache vor dem Bundesfinanzgericht im Verfahren zu Geschäftszahl RV/7100232/2019 erledigt. Im diesbezüglichen Erkenntnis vom 02.05.2024 traf das Bundesfinanzgericht unter anderem folgende Feststellungen:
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Die Beschwerdesache wurde der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesfinanzgerichts aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses iZm. der Pensionierung des bisherigen Richters mit 01.07.2025 zugeteilt.
Mit Schreiben vom 23.07.2025 zog die Bf. ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Hinsichtlich des festgestellten Sachverhalts wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 02.05.2024 zu GZ RV/7100232/2019 betreffend Körperschaft- bzw. Kapitalertragsteuer der Bf. verwiesen. Wie darin näher ausgeführt, wurden die fraglichen Arbeitsleistungen tatsächlich von den beiden angeführten Subunternehmen (2013 ***Sub-GmbH1***, 2014 ***Sub-GmbH2***) erbracht und nicht, wie im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung angenommen, von eigenen Arbeitnehmern der Bf.
Es gab somit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine feststellbaren Zahlungen der Bf. an ihre Arbeitnehmer, welche nicht über die Lohnverrechnung abgerechnet wurden.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den im Verfahren GZ RV/7100232/2019 getätigten Ermittlungen und Feststellungen und wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen. Zumal im gesamten gegenständlichen Verfahren, sowohl seitens des Finanzamts als auch seitens der Bf., lediglich auf das Verfahren betreffend Körperschaft- bzw. Kapitalertragsteuer verwiesen wurde, können nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts die dort getroffenen Feststellungen in das gegenständliche Verfahren übernommen werden. Weder ergeben sich aus den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts im Verfahren zur Körperschaft- bzw. Kapitalertragsteuer noch aus dem übrigen Akteninhalt Anhaltspunkte, dass es zu Zahlungen an Arbeitnehmer der Bf. gekommen ist, die nicht über die offizielle Lohnverrechnung ausbezahlt wurden. Mangels anderslautender Hinweise im Akt konnte somit nichts Gegenteiliges festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 323b Abs. 1 BAO tritt das Finanzamt Österreich für seinen Zuständigkeitsbereich an die Stelle des am 31.12.2020 zuständig gewesenen Finanzamtes.
Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nach § 78 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 99/2007 hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen. Nach § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.
Gemäß § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben alle Dienstgeber, die im Bundegebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Der Beitrag des Dienstgebers ist nach § 41 Abs. 3 FLAG 1967 von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht. Arbeitslöhne sind unter anderem Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988. Nach § 43 Abs. 2 FLAG 1967 finden die Bestimmungen über den Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer) sinngemäß auf den Dienstgeberbeitrag Anwendung.
Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1988; als Bemessungsgrundlage gilt die Beitragsgrundlage nach § 41 FLAG.
§ 201 BAO lautet:(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.(2) Die Festsetzung kann erfolgen,1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009)5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013)3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.
§ 202 Abs. 1 BAO lautet:Die §§ 201 und 201a gelten sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1) geltend zu machen.
Wie oben festgestellt, wurden die fraglichen Arbeitsleistungen von den beiden Subunternehmen und nicht von Arbeitnehmern der Bf. erbracht. Diesbezüglich ist es somit zu keinen feststellbaren Zahlungen an Arbeitnehmer der Bf. gekommen, welche nicht über die Lohnverrechnung der Bf. abgerechnet wurden.
Anwendungsfall einer bescheidmäßigen Festsetzung bzw. Haftungsinanspruchnahme iSd. §§ 201 bzw. 202 BAO ist allerdings, dass kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben wurde oder sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Wie ausgeführt ist allerdings davon auszugehen, dass es in den verfahrensgegenständlichen Jahren zu keinen Zahlungen der Bf. an ihre Arbeitnehmer gekommen ist, welche nicht über die Lohnverrechnung abgerechnet wurden. Sämtliche Zahlungen der Bf. an ihre Arbeitnehmer waren dahingehend in den bekanntgegebenen Selbstberechnungen berücksichtigt, weshalb sich diese als richtig erwiesen haben.
Somit bleibt für eine bescheidmäßige Haftungsinanspruchnahme an Lohnsteuer gemäß § 202 BAO iVm. § 82 EStG 1988 bzw. Festsetzung des Dienstgeberbeitrags bzw. Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag gemäß § 201 BAO iVm. § 43 FLAG 1967 bzw. § 122 Abs. 8 WKG bei der Bf. kein Raum.
Die angefochtenen Bescheide waren dahingehend ersatzlos aufzuheben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall, der auf der Sachverhaltsebene zu beurteilen ist, liegen diese Voraussetzungen nicht vor, weshalb im Spruch auszusprechen war, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.
Graz, am 4. August 2025