IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 22. März 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 22. Februar 2023 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist, ob bei Bf (in der Folge: Beschwerdeführer: Bf) die angefallenen Kosten für eine Penisaugmentation in Höhe von insgesamt € 13.812,48 im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung zur Einkommensteuer 2021 als außergewöhnliche Belastung (in der Folge: agBel) steuermindernd geltend gemacht bzw. berücksichtigt werden können.
Mit einem Vorhalt vom 5.12.2022 forderte das Finanzamt den Bf hinsichtlich der geltend gemachten agBel auf, eine genaue Kostenaufstellung vorzulegen, die Aufwendungen zu bezeichnen, erhaltene Ersätze bekannt zu geben und Rechnungen, Zahlungsnachweise ärztliche Verordnungen bzw. Behandlungspläne dazu vorzulegen.
In der Antwort vom 10.1.2023 führte der Bf lediglich an, dass er keinerlei Ersätze erhalten habe und die Kosten im Zusammenhang mit einer Penisvergrößerung angefallen seien. Beigelegt waren zwei Rechnungen des die Operation durchführenden Arztes vom März (€ 9.000,00) und September 2021 (€ 4.500,00). Als Diagnose wird auf den Rechnungen lediglich "Penisvergrößerungswunsch" angeführt. Warum diese Maßnahme medizinisch indiziert sein sollte, wird nicht angegeben. Als Leistungsgegenstand wird jeweils nur "Operationshonorar" angegeben. An zusätzlichen Kosten werden die Kosten zweier Fahrten nach Wien mit € 312,48 bekannt gegeben.
Mit Bescheid vom 22.2.2023 lehnte das Finanzamt die Berücksichtigung dieser Kosten mit der Begründung ab, diese seien nicht zwangsläufig erwachsen. Dies sei aber nach § 34 EStG 1988 eine der zu erfüllenden Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Krankheitskosten als agBel.
Mit der über FinanzOnline per 22.3.2023 eingebrachten Beschwerde dagegen beantragte der Bf abermals schlüssig die Berücksichtigung der oben genannten Kosten. Der Beschwerde war eine Bestätigung ("Nervenfachärztlicher Befundbericht und Stellungnahme" eines Facharztes für Neurologie und Psychatrie (in der Folge: Facharzt) vom 21.3.2023 beigelegt. In dieser bestätigte der Facharzt, dass der Bf im Jahr 2021 eine "aus psychatrischer Sicht notwendige (infolge intermittierender Suizidphantasien) operative Penisaugmentation durchführen gelassen habe und derartige Eingriffe in einer öffentlich rechtlichen Spitalseinrichtung nicht durchgeführt werden würden". Das Ergebnis dieser Eingriffe sei zufriedenstellend gewesen. In den Folgejahren hätten sich aber doch Komplikationen ergeben.
Daraufhin erging am 20.6.2023 ein neuerlicher Vorhalt des Finanzamtes. Der Bf möge Nachweise für die medizinisch indizierte Notwendigkeit der Operation (zB.: ärztliche Atteste, die vor der Operation ausgestellt wurden) vorlegen. Die im Nachhinein ausgestellte Stellungnahme des Facharztes sei nicht ausreichend.
Der Bf teilte am Folgetag telefonisch mit, dass keine im Vorfeld der Operation ausgestellte Nachweise vorgelegt werden könnten.
Am 21.6.2023 wies das Finanzamt die Beschwerde mit einer Beschwerdevorentscheidung (BVE) als unbegründet ab. Begründend gab das Finanzamt die wesentlichen Teile des § 34 EStG 1988 wieder. Hinsichtlich der geforderten Zwangsläufigkeit des angefallenen Aufwands sei iZm Krankheiten gefordert, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorliege, die eine Heilbehandlung erfordere. Nicht abzugsfähig seien Kosten für medizinisch nicht indizierte kosmetische Operationen. Höhere Krankheitskosten, als jene die von der gesetzlichen Sozialversicherung getragen werden, Behandlungen in Privatkliniken oder durch Ärzte ohne Kassenvertrag seien dann zwangsläufig, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen geboten seien. Die triftigen medizinischen Gründe müssten in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden. Nach Auskunft des Bf könnten keine Unterlagen für die medizinisch indizierte Notwendigkeit der Operation vor Durchführung der OP vorgelegt werden. Die im Nachhinein erstellte und vorgelegte Stellungnahme des Facharztes vom 21.3.2023 sei nicht ausreichend. Mangels Zwangsläufigkeit könnten die Aufwendungen daher nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Im Vorlageantrag vom 26.6.2023 übermittelte der Bf nur abermals die bereits mit der Beschwerde vorgelegte Stellungnahme des Facharztes.
Die Beschwerde wurde vom Finanzamt mit einem Vorlagebericht vom 25.6.2025 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt. In diesem beantragte das Finanzamt wegen der nicht nachgewiesenen triftigen medizinischen Gründe fehlenden Zwangsläufigkeit der angefallenen Kosten die Abweisung der Beschwerde.
Eine Internetrecherche des Richters zum Begriff Penisaugmentation und ein elektronischer Besuch der Homepage des operierenden Arztes erbrachte folgende Informationen:
In Wikipedia finden sich zur Penisaugmentation u.a. folgende Aussagen:
Der Wunsch, eine Penisvergrößerung vorzunehmen, entspringt oft aus einer Dysmorphophobie (Angst vor oder große Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper) des Betroffenen. Allerdings kann ein erfolgreicher Eingriff bei sorgfältig ausgewählten Patienten zu einem erhöhten Wohlbefinden führen.[3] Umgekehrt waren viele Patienten nach der Operation trotz eines objektiv messbaren Erfolgs mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Auch wurden in der genannten Studie Fälle ermittelt, bei denen sogar eine Verkleinerung festgestellt wurde.[4] Dazu kommt das generelle Risiko einer Operation.
Wie bei fast jeder Schönheitsoperation muss auch hier der Patient die Kosten der Operation selbst tragen, er wird nur in Ausnahmefällen von den privaten oder den gesetzlichen Krankenkassen eine Zusage für eine Kostenübernahme erhalten.
Aus der Homepage des operierenden Arztes (https://www.FA.at/):
Die Penisvergrößerung bezeichnet eine Kombination zweier ästhetischer Eingriffe am männlichen Glied. Durch eine operative Penisverlängerung wird dabei der sichtbare Teil des Penis um einige Zentimeter verlängert, durch eine Penisverdickung mit Hyaluronsäure oder Eigenfett der Umfang des Glieds vergrößert. Beide Eingriffe können auch einzeln durchgeführt werden. Die Gründe für den Wunsch nach einem größeren Penis sind mannigfaltig. Viele Männer sind mit dem Erscheinungsbild ihres Glieds unzufrieden, auch wenn ihr bestes Stück durchaus der Norm entspricht.
Eine Penisvergrösserung ist eine ästhetische Operation und wird nicht aus medizinsch notwendigen, sondern aus ästhetischen Gründen durchgeführt. Daher deckt die gesetzliche Krankenkasse die anfallenden Kosten nicht. Die Kosten einer Penisvergrößerung müssen daher vom Patienten selbst bezahlt werden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Aufgrund der Darstellungen des Bf und des Facharztes steht fest, dass der Bf im gegenständlichen Zeitraum 2021 zwei Operationen zur Vergrößerung seines Penis durchführen ließ. Trotz zweimaliger Aufforderung (plus Ausführungen in der BVE mit Vorhaltecharakter) durch das Finanzamt legte der Bf keinerlei Nachweise aus dem zeitlichen Vorfeld der Eingriffe vor, aus denen abgeleitet werden könnte, dass diese aus triftigen medizinischen oder zu berücksichtigenden zwingenden psychischen Gründen erfolgt sind. Nach den Internetrecherchen handelt es sich bei einer Penisvergrößerung grundsätzlich um eine ästhetische Schönheitsoperation, die aus den unterschiedlichsten (meist individuellen Wünschen) Gründen durchgeführt wird und die zu einem erhöhten Wohlbefinden beitragen kann. Im Regelfall ist eine derartige Operation auch medizinisch nicht notwendig. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dieser Eingriff infolge subjektiver Idealvorstellungen und Wünsche erfolgt. So wird in der Rechnung des operierenden Arztes als Diagnose auch keine schwerwiegende zu heilende Krankheit sondern lediglich das Wort "Penisvergrößerungswunsch" angeführt. Es fehlen auch jeglichen Angaben über tatsächliche und gewünschte Größe des fraglichen Organs. Dass am 21.3.2023 (ein Tag vor Ablauf der Beschwerdefrist und zwei Jahre nach der ersten Operation im März 2021) ein Facharzt aufgesucht wird und dieser sodann schriftlich bestätigt, dass die Operation aus psychischen Gründen wegen intermittierender Suizidphantasien erforderlich gewesen sei, kann eine ärztliche Diagnose der medizinischen Dringlichkeit des Eingriffs in dessen zeitlichem Vorfeld nicht ersetzen. Eine derartige Feststellung kann nach zwei Jahren nur auf den Aussagen des Bf gegenüber dem Facharzt und nicht auf dessen eigener Feststellung und Beurteilung beruhen.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 34 EStG 1988 normiert betreffend außergewöhnliche Belastung im hier interessierenden Zusammenhang
(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Nach der Judikatur des VwGH hat der Bf, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und "unter Ausschluss jeden Zweifels" das Vorliegen der Umstände darzulegen, auf die die Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe anzuführen sind (VwGH 10.8.05, 2001/13/0191; BFG 16.6.20, RV/7102358/2020).
Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung einer außergewöhnlichen Belastung obliegt demnach in erster Linie dem Steuerpflichtigen. Will dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen, hat er selbst alle Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl zB VwGH 25.5.2004, 2001/15/0027, und VwGH 24.6.2004, 2001/15/0109).
Es müssen die Voraussetzungen der Außergewöhnlichkeit, der Zwangsläufigkeit und der wesentlichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit kumulativ erfüllt sein. Von der Außergewöhnlichkeit von Krankheitskosten ist - wie auch hier- auszugehen.
Hinsichtlich der Zwangsläufigkeit ist gefordert, dass sich der Steuerpflichtige dem Aufwand aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (VwGH 3.3.92, 88/14/0011). Im Zusammenhang mit Krankheitskosten ist zu prüfen, ob der Steuerpflichtige diese aus tatsächlichen Gründen notwendigerweise tragen musste. Dazu müssen eben triftige medizinische Gründen für die kostenverursachende Maßnahme vorliegen. Bloße Vorstellungen, Wünsche, Befürchtungen oder Phantasien sind dabei nicht geeignet, die Kosten einer gewünschten ästhetischen Veränderung durch Minderung der eigenen Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Kosten für kosmetische Operationen sind dann zwangsläufig erwachsen, wenn ihre medizinische Erforderlichkeit (Wiederherstellung nach Verletzungen oder bei Verunstaltungen und Gefahr psychischer Krankheit) nachgewiesen wird. Nur bei Vorliegen triftiger medizinischer Gründe sind kosmetische Operationen ("Schönheitsoperationen") als Krankheitskosten absetzbar.
Nach VwGH vom 30.3.2022, Ro 2020/13/0008 ist für eine Zwangsläufigkeit auch erforderlich, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0254). Zudem stellt nicht jede Aufwendung, die vornehmlich der Steigerung des Wohlbefindens des Steuerpflichtigen dient, eine außergewöhnliche Belastung dar (vgl. VwGH 11.2.2016, 2013/13/0064). Die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme wird zB durch eine ärztliche Verordnung, einen ärztlichen Therapieplan oder durch Übernahme der Kosten durch den Sozialversicherungsträger nachgewiesen (vgl. VwGH 12.9.2018, Ra 2017/13/0039; 28.10.2004, 2001/15/0164). Keiner der angeführten Nachweise für das Vorliegen einer Krankheit vor den gesetzten Maßnahmen oder deren Notwendigkeit konnte hier vorgelegt werden. Aus der Diagnose des operierenden Arztes ergibt sich vielmehr, dass der Eingriff lediglich auf den individuellen Wunschvorstellungen des Bf beruhte und somit lediglich der Steigerung seines Wohlbefindens und Selbstvertrauens dienen sollte.
Selbst wenn die Operationen zur Vorbeugung zB vor einer psychischen Erkrankung erfolgt wären (was aber weder dezidiert behauptet noch nachgewiesen wäre), würden diese nicht zur Heilung einer bereits bestehenden Krankheit erfolgt sein und laut VwGH vom 24.6.2004, 2001/15/0109, nicht zu einer steuerlich zu berücksichtigenden agBel führen. Überdies würde nach BFG 21.11.2014, RV/7100517/2014 den Bf die Beweislast treffen, nachzuweisen, dass bei ihm ohne die teure Behandlung erhebliche gesundheitliche Nachteile eingetreten wären. Bei gegenständlicher Sachlage sind nach den Ausführungen des bestätigenden Facharztes die Komplikationen erst durch die hier gegenständlichen im Jahr 2021 durchgeführten Eingriffe ausgelöst worden.
Insbesondere dann, wenn Eingriffe sowohl aus ästhetischen als auch aus medizinischen Gründen erfolgen, muss für eine steuermindernde Berücksichtigung der dafür angefallenen Kosten gefordert werden, dass die triftigen medizinischen Gründe für die Maßnahme nachgewiesen werden können (zu derartigen Grenzfällen mit erhöhter Beweisanforderung siehe etwa VwGH 22.12.2004, 2001/15/0116). Idealerweise wird dies durch ein sogenanntes "vorfeldweises" ärztliches Gutachten oder eine Überweisung bzw. Verordnung dargetan. Infolge der Unbegrenztheit der Beweismittel wäre auch eine andere Nachweisführung möglich. Können die triftigen medizinischen Gründe nur behauptet und mit keinen Diagnosen oder Behandlungen und dergleichen im Vorfeld zumindest glaubhaft gemacht werden, muss davon ausgegangen werden, dass die Durchführung der Maßnahme in erster Linie ästhetischen Wunschvorstellungen entsprach und somit nicht zwangsläufig erfolgte (Siehe dazu auch VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136)
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hinsichtlich der zu lösenden Rechtsfrage folgt dieses Erkenntnis der eindeutigen Judikatur des VwGH, weshalb keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage zu lösen und die Revision daher als unzulässig zu erklären war.
Linz, am 4. Juli 2025