JudikaturBFG

RV/2101165/2020 – BFG Entscheidung

Entscheidung
13. Mai 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache des Dr. MV als Masseverwalter (MV) im Insolvenzverfahren der ***Bf1***, ***Bf2-Adr*** vertreten durch die ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Gregor Kohlbacher, Keesgasse 11, 8010 Graz, betreffend die Beschwerde vom 12. Oktober 2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 15. Mai 2020 über die Zurückweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (hinsichtlich Umsatzsteuer 2014 bis 2017 und Umsatzsteuer 1-11/2018), Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang bzw. Sachverhalt:

Über das Vermögen der ***Bf1*** (in der Folge: R-OG) wurde mit Beschluss des LGZ Graz vom 6.12.2018, 27 S 92/18h, das Konkursverfahren eröffnet.

Mit Eingabe vom 12.9.2019 beantragte die R-OG, vertreten durch einen Rechtsanwalt, hinsichtlich der Umsatzsteuerverfahren 2014 bis 2017 sowie der Umsatzsteuerfestsetzung für 1-11/2018 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, "um ein etwaiges Fristversäumnis, welches mangels Zustellung [hier: der gesonderten Bescheidbegründung], aber auch auf Grund der bereits erfolgten Beschwerden, ohnedies nicht vorhanden ist, zu heilen."

Mit an die R-OG gerichteter (und an diese adressierter) Erledigung vom 15.5.2020 wies das Finanzamt diesen Antrag zurück. Auch in einem Abgabenverfahren trete nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter an die Stelle des Schuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Insolvenzmasse handelt. Die Abgaben seien daher während des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter, der insofern den Schuldner repräsentiere, festzusetzen. Somit sei gegenständlich auch nur der Masseverwalter zur Einbringung von Anträgen betreffend die gegenständlichen Umsatzsteuerverfahren legitimiert.

Dagegen erhob die OG mit Eingabe vom 12.10.2020 - diesmal ohne Beiziehung eines berufsmäßigen Parteienvertreters - das Rechtsmittel der Beschwerde. Die Eingabe ist von einer der Mitunternehmerinnen gefertigt.

Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom 29.10.2020 wurde fristgerecht der Vorlageantrag eingebracht.

Rechtliche Beurteilung:

Das Finanzamt hat den Antrag der R-OG auf Wiedereinsetzung im Wesentlichen damit begründet, dass die Ausübung des Antragsrechtes im Insolvenzfalle nur dem Masseverwalter, nicht aber der Gemeinschuldnerin selbst zukomme. Das trifft zwar grundsätzlich zu, doch übersieht das Finanzamt, dass nach der Rechtsprechung ein verbesserungsfähiges Formgebrechen iSd. § 85 Abs. 2 BAO vorliegt, wenn - wie im hier vorliegenden Fall - ein Nachweis der Zustimmung des Insolvenzverwalters für eine Eingabe des Schuldners fehlt (vgl. zB die bei Koran/Ritz, BAO 8. Auflage, § 79 Tz 18, zitierte Judikatur).

Der Schuldner kann mit Zustimmung des Insolvenzverwalters - und damit im rechtlichen Ergebnis als Bevollmächtigter des Insolvenzverwalters - Verfahrenshandlungen setzen (zB VwGH 14.3.1995, 94/07/0095; VwGH 21.12.2004, 2004/17/0145, AW 2004/17/0022).

Die Zustimmung (Genehmigung) des Insolvenzverwalters kann auch nachträglich erfolgen (vgl. zB VwGH 15.7.1998, 97/13/0090). Die "Heilung" der Unzulässigkeit von Anbringen des Schuldners kommt unabhängig davon in Betracht, ob der Insolvenzverwalter von der Tatsache des (befristeten) Anbringens innerhalb der Frist Kenntnis erlangt hatte, ob der Schuldner im Anbringen auf die Person des Insolvenzverwalters hingewiesen hat und ob er überhaupt in Kenntnis des bereits erfolgten Eintrittes der Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewesen war (VwGH 15.7.1998, 97/13/0090).

Da dem Wiedereinsetzungsantrag der OG vom 12.9.2019 ein Nachweis der Zustimmung des Masseverwalters fehlte, erließ das BFG mit Beschluss vom 7.3.2025 einen entsprechenden Mängelbehebungsauftrag.

Diesen beantwortete (zunächst) der Insolvenzverwalter Dr. MV mit Eingabe vom 26.3.2025, welcher zufolge eine seinerzeitige Beauftragung durch ihn nicht erfolgt sei. Er verweise jedoch darauf, dass der nunmehr einschreitende Parteienvertreter auch von ihm zur Vertretung beauftragt bzw. bevollmächtigt sei.

Mit weiterer - fristgemäß eingelangter - Eingabe vom 27.3.2025 gab der nunmehr einschreitende Rechtsanwalt bekannt, dass er im gegenständlichen Verfahren (auch) den Insolvenzverwalter der R-OG vertrete und von diesem beauftragt worden sei, "den laut Mängelbehebungsauftrag vom 07.02.2025 anhaftenden Mangel, Zustimmung (Vollmacht) des Masseverwalters nachzuholen, was dieser unter einem nachholt und namens des Hon. Prof. RA Dr. MV als Masseverwalter im Insolvenzverfahren der R- OG die Zustimmung und damit Vollmacht zum Antrag von 02.09.2019 erteilt."

Damit ist nach der oa. Rechtslage die (ursprüngliche) Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages vom 12.9.2019 jedenfalls "geheilt". Die R-OG hat (durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter) den Antrag im rechtlichen Ergebnis gleichsam als Bevollmächtigte des Insolvenzverwalters eingebracht. Eine Zurückweisung des Antrages aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen ist daher nicht möglich.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Nach § 93 Abs.2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlangen Bescheide, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (und vor dessen Beendigung) an den Gemeinschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter gerichtet sind, keine Wirksamkeit (zB VwGH 19.10.2017, Ra 2016/16/0112; VwGH 20.11.2014, 2013/16/0171; jeweils mwN). Eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner gerichtete Erledigung geht auch dann ins Leere, wenn sie an den Schuldner, zu Handen des Masseverwalters (Insolvenzverwalters) gerichtet ist; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner noch für den Masseverwalter (VwGH 9.11.2011, 2009/16/0260, mwN; VwGH 23.11.2016, Ro 2014/17/0023).

Eine gegen einen Nichtbescheid erhobene Beschwerde ist als unzulässig zurückzuweisen (zB VwGH 20.11.2014, 2013/16/0171).

Der angefochtene Zurückweisungsbescheid ist gegenüber der R-OG (als Gemeinschuldnerin) ergangen bzw. wurde an diese gerichtet und dieser zugestellt. Auf Grund der dargestellten Rechtslage konnte diese als Bescheid intendierte Erledigung vom 15.5.2020 keine Wirksamkeit erlangen. Daher ist der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 12.9.2019 bislang noch unerledigt.

Wie oben dargelegt wurde, sind Beschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (s. die bei Koran/Ritz, aaO, § 260 Tz 8, angeführte Rechtsprechung).

Mangels Bescheidqualität des angefochtenen Zurückweisungsbescheides vom 15.5.2020 war sohin (zwingend) die Zurückweisung der dagegen erhobenen Beschwerde als unzulässig auszusprechen.

Wenn in der Beschwerde (etwa auf S. 7f.) die Ansicht vertreten wird, im vorliegenden Fall würden abgabenbehördliche Erledigungen ins Leere gehen, soweit diese an den Masseverwalter ergingen, da keine Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse betroffen seien, so erweist sich diese Auffassung als unzutreffend: Hinsichtlich der Umsatzsteuer ist eine Personengesellschaft ein eigenes, von ihren Gesellschaftern unabhängiges Steuersubjekt (zB VwGH 9.3.2005, 2001/13/0189). Umsatzsteuerverbindlichkeiten und/oder -guthaben betreffen aber jedenfalls deren Vermögenssphäre und damit die Konkursmasse. Folglich entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass mit der Konkurseröffnung die Wahrnehmung aller abgabenrechtlichen Belange des Gemeinschuldners auf den Masseverwalter übergeht und zwar auch hinsichtlich solcher Abgaben, die Konkursforderungen darstellen, weshalb auch im jeweiligen Abgabenverfahren allfällige Antrags- und Beschwerderechte nur dem Masseverwalter zustehen (zB VwGH 21.12.2004, 2004/17/0145) und Bescheide wirksam nur an den Insolvenzverwalter ergehen können (zB VwGH 21.11.2014, 2013/16/0171).

Ungeachtet der Anträge auf Entscheidung durch den Senat sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte auf Grund der Bestimmungen des § 272 Abs. 4 und § 274 Abs. 3 BAO von der mündlichen Verhandlung abgesehen und der gegenständliche Beschluss vom Einzelrichter (Berichterstatter) gefasst werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Beschluss auf die umfassend vorhandene und in der Begründung (beispielhaft) zitierte Rechtsprechung des VwGH stützen konnte, lag eine Rechtsfrage im oa. Sinne nicht vor, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am 13. Mai 2025