JudikaturBFG

RV/3100095/2019 – BFG Entscheidung

Entscheidung
08. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom 16. April 2016 gegen die Bescheide des Finanzamtes Landeck Reutte (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom 15. März 2016 betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für die Jahre 2010 bis 2014, Steuernummer ***BF1StNr1***,

zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Innsbruck vom 19. September 2018, mit welcher über die Beschwerden vom 15. April 2016 "gegen die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages 2010-2014" abgesprochen wurde, wird wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufgehoben.

II

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Als Ergebnis einer abgabenbehördlichen Prüfung setzte das Finanzamt Landeck Reutte mit Bescheiden vom 15. März 2016 den Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 bis 2014 fest.

Mit an das Finanzamt Landeck Reutte gerichteten rechtzeitigen Bescheidbeschwerden wurde gegen jeden der oben genannten Bescheide mittels FinanzOnline gesondert das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.

Über diese Beschwerden wurde (gemeinsam) mit einer Beschwerdevorentscheidung vom 19. September 2018 abgesprochen.

Daraufhin wurde innerhalb offener Frist - wiederum mittels FinanzOnline - ein Schriftsatz, welchen das Finanzamt als Vorlageantrag wertete, eingebracht und legte das Finanzamt Innsbruck die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Nach dem Vorlagebericht sind die Festsetzungsbescheide für die Jahre 2010 bis 2014 angefochten.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in [Ort]. Betriebsstättenfinanzamt war für diese daher (vormals) das Finanzamt Landeck Reutte, welches ua in Angelegenheiten der Abfuhrsteuern und für die Erhebung des Dienstgeberbeitrages und der Kammerzulage nach § 122 WKG zuständig war (§ 21 AVOG 2010).

Das Finanzamt Landeck Reutte hat zuständigkeitshalber die verfahrensgegenständlichen Erstbescheide, datiert mit 15. März 2016 erlassen, mit welchen eine Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für die Jahre 2010 bis 2014 sowie von damit in Zusammenhang stehenden Säumniszuschlägen erfolgte.

Die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt Innsbruck ergibt sich offensichtlich aus der ausdrücklichen Anführung des Finanzamtes Innsbruck im von der Bearbeiterin, einer Mitarbeiterin des Fachbereiches des Finanzamtes Innsbruck, verwendeten Vordruckes "Verf 40".

2. Beweiswürdigung

Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und der Einsichtnahme ins Firmenbuch.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass sich alle angesprochenen gesetzlichen Bestimmungen auf die für das gegenständliche Verfahren gültigen Fassungen beziehen.

Im vorliegenden Fall ist eingangs festzuhalten, dass die Eingabe des Beschwerdeführers vom 6. November 2018 vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet wurde. Nachdem diese Eingabe den gesetzlichen Mindestformalkriterien (Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung) entspricht, hat das Bundesfinanzgericht unmittelbar zu entscheiden.

Nach § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, - abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen - mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde jedoch durch eine unzuständige Behörde erlassen.

Wie aus den vorliegenden Erstbescheiden klar ersichtlich ist, wurden diese vom zuständigen (damals) Finanzamt Landeck Reutte erlassen. Nach dem oben zitierten § 262 BAO hat jene Abgabenbehörde über eine Bescheidbeschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung abzusprechen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde jedoch im vorliegenden Fall, was durch den Hinweis im Kopf des verwendeten Formulares auf das bescheiderlassende Finanzamt offensichtlich ist, vom unzuständigen (damals) Finanzamt Innsbruck erlassen. Bei der für Rückfragen angeführten Bediensteten handelt es sich gleichermaßen um eine Mitarbeiterin des Finanzamtes Innsbruck, deren Telefonnummer ebenfalls eine des Finanzamtes Innsbruck ist, wie beim Approbanten. Letztlich ist die in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Kontonummer jene des (damals) Finanzamtes Innsbruck. Auf Grund dieser nach außen in Erscheinung tretenden Umstände ist offensichtlich, welches Finanzamt die Beschwerdevorentscheidung erlassen hat und kann hier nicht mit einem einfachen Schreibfehler iSd § 293 BAO argumentiert werden. Ebenso wie § 293 BAO es nicht ermöglicht, den Bescheidadressaten auszutauschen (vgl dazu Ritz, BAO6, § 293 Tz 3, und die dort angeführte Judikatur), kann nach § 293 BAO auch die bescheiderlassende Behörde nicht "berichtigt" (iSv ausgetauscht) werden. Daran ändert auch nichts, dass das die Beschwerdevorentscheidung approbierende Organ nach § 10a Abs 3 AVOG-DV gegenständlich auch für das Finanzamt Landeck Reutte tätig hätte werden können, da sich diese Ermächtigung lediglich auf die Organe von Finanzämtern bezogen hat, nicht jedoch auf das Finanzamt selbst.

Da somit das Finanzamt Innsbruck für die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung nicht zuständig war, erweist sich die Beschwerdevorentscheidung vom 19. September 2018 als in ihrer Gesamtheit rechtswidrig, weshalb diese aufzuheben war.

Nach § 264 Abs 7 BAO scheidet der Vorlageantrag durch die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung aus dem Rechtsbestand aus.

Die Aufhebung der von einer unzuständigen Behörde erlassenen Beschwerdevorentscheidung steht einer Fortsetzung des Verfahrens durch die erstmalige Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die zuständige Behörde nicht entgegen.

Abschließend ist noch anzumerken, dass gegenständlich ein Anwendungsfall des § 281a BAO nicht vorliegt, da sich diese Bestimmung auf Fälle bezieht, in welchen eine Beschwerdevorentscheidung zu Unrecht nicht oder nicht wirksam erlassen wurde oder ein Vorlageantrag nicht oder nicht wirksam eingebracht wurde. Nicht anwendbar ist diese Bestimmung daher jedenfalls auf Fälle, in welchen eine Beschwerdevorentscheidung von einer unzuständigen Behörde rechtswirksam erlassen wurde, weshalb wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden war (vgl idS BFG 6.8.2020, RV/7105494/2019, BFG 3.3.2021, RV/3100054/2021, oder BFG 18.6.2021, RV/3100097/2021).

Die Zuständigkeit zur Erlassung eines Bescheides richtet sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Wirksamwerdens. Da die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen ist und zwingend die Aufhebung des von einer unzuständigen Behörde erlassenen Bescheides (Beschwerdevorentscheidung) zur Folge hat, kann im gegenständlichen Fall auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, welches Finanzamt einen Bescheid erlassen hat, stellt eine Sachverhaltsfeststellung dar, im Übrigen ergibt sich die Rechtswidrigkeit eines von einer unzuständigen Behörde erlassenen Bescheides aus der einhelligen und langjährigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher nicht zu lösen.

Innsbruck, am 8. August 2025