JudikaturBFG

RV/2100535/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
18. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Name des Richters*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 10. Februar 2025 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 9. Jänner 2025 betreffend Familienbeihilfe 04.2023-11.2024, Sozialversicherungsnummer ***ZZZZ-TTMMJJ***, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

***Bf1*** (SV-Nr.: ***ZZZZ-TTMMJJ***, in der Folge auch als "Kindesvater", "Beihilfenbezieher" oder Beschwerdeführer "Bf." bezeichnet) ist Kindesvater von ***Name Tochter*** (SV-Nr.: ***ZZZZ-TTMM03***, in der Folge auch als "Tochter" oder "Kind" bezeichnet) und hat für dieses Kind in der beschwerdegegenständlichen Zeit (April 2023 bis November 2024) die Familienbeihilfen und die Kinderabsetzbeträge bezogen.

Das Kind habe nach dem Vorbringen des Beihilfenbeziehers am 30.11.2021 bei seinem Vater eine Lehre begonnen, sei in der Zeit von 12.07.2022 bis ***TT.MM.***2022 im Krankenstand und unmittelbar danach vom ***TT.MM.***2022 bis ***TT.MM.***2022 im Mutterschutz gewesen. Am ***TT.MM.JJ22*** habe die Tochter ihrerseits ein Mädchen zur Welt gebracht.

Am 15.12.2022 beantwortete der Kindesvater ein Anspruchsüberprüfungsschreiben des Finanzamtes vom 28.11.2022 und legte diesem Antwortschreiben einen Mietvertrag betreffend eine Wohnung der Tochter in ***PLZ, Name Stadt***, ***Adresse 1*** vom 02.03.2022 für den Zeitraum 01.01. 2022 bis 31.01.2024 vor - diese Wohnung sei am 31.08.2022 (und somit vor dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum) durch den Kindesvater an eine andere Person weiter-/untervermietet worden. Mit Schreiben vom 12.12.2022 übermittelte der Beihilfenbezieher dem Finanzamt eine von ihm handschriftlich verfasste "Bestätigung", wonach er die Mieten für diese Wohnung bezahlt habe.

Seit 12.06.2023 sei die Tochter an anderen Adressen als der Beihilfenbezieher polizeilich mit Hauptwohnsitz gemeldet und wurde betreffend die Adresse ***Adresse 2***, ***PLZ, Name Stadt*** auch ein Mietvertrag der Tochter vorgelegt.

Am 03.08.2024 (Datum Eingangsstempel) übermittelte das Kind an das Finanzamt ein Schreiben, in dem insbesondere das Folgende angeführt war:

"(…) Mein Vater erledigt immer die Miete-Überweisung für mich, weil ich das digitale Banking noch nicht beherrsche. Dazu gebe ich Ihm in BAR das Geld, hebe es von meinem Konto ab - er zahlt es auf sein Konto ein - und überweist es per Internet-Banking. (…)"

Diesem Schreiben war der oben angeführte Mietvertrag betreffend die Wohnung ***Adresse 2***, ***PLZ, Name Stadt***, beigelegt worden.

Am 17.09.2024 (Datum Eingangsstempel) übermittelte die Tochter an das Finanzamt ein weiteres Schreiben, in dem sie insbesondere das Nachstehende ausführte:

"(…) Ich ersuche um Bescheidaufhebung gem. §299 BAO betreffend dem Abweisungsbescheid Familienbeihilfe Eigenbezug ab März 2024 vom 4.6.2024. Ich führe einen eigenen Haushalt und komme überwiegend für meinen Unterhalt selber auf. Mein Vater leistet keinen monatlichen Unterhalt sondern hilft mir gelegentlich bei Knappheit meiner Einkünfte. Desweiteren ersuche ich, dass meine Nachzahlung der Familienbeihilfe März - Sept. 2024 auf die Rückforderung der Familienbeihilfe 3-9/2024 bei meinem Vater gegenverrechnet wird. (…)"

Am 29.10.2024 ist an den Kindesvater ein Anspruchsüberprüfungsschreiben übermittelt worden und hat der Beihilfenbezieher in dem rückgesendeten Formular vorgebracht, dass das Kind die Lehre nur unterbrochen habe und dass beabsichtigt gewesen wäre, diese Ausbildung fortzusetzen.

Mit Rückforderungsbescheid vom 09.01.2025 forderte das Finanzamt vom Beihilfenbezieher die Familienbeihilfen und die gleichzeitig mit diesen Beihilfen ausbezahlten Kinderabsetzbeträge für dessen Tochter für den Zeitraum April 2023 bis November 2024 zurück und führte begründend im Wesentlichen aus, dass die Tochter des Bf. die Lehre unterbrochen und nicht fortgesetzt habe und dass deswegen in Ansehung des Kindes im Rückforderungszeitraum keine Berufsausbildung vorgelegen habe.

Am 10.02.2025 brachte der Kindesvater eine Beschwerde ein und begründete diese wie folgt:

"(…) Ich reiche die Beschwerde gegen den Bescheid vom 9.1.2025 ein. Meine Tochter hat die Lehre anlässlich der Geburt ihres Kindes unterbrochen und ist geplant, dass sie die Lehrzeit fortsetzt. Leider kam im Juni 2024 dazu, dass sie plötzlich durchdrehte und in das Sonderkrankenhaus eingeliefert werden musste. Sie war dann 1 1/2 Monate stationär in Behandlung und in sehr schlechtem psychischen Zustand. Sie bezieht derzeit Sozialhilfe von der Stadt ***Name Stadt***, weil sie noch immer in labilem Gesundheitszustand ist. Sie muß monatlich auf Arztverschreibung (LSK) eine Injektion vom Arzt bekommen, solange bis sich der Gesundheitszustand wieder stabilisiert hat. Die Fortsetzung der Lehre ist jedenfalls geplant."

Der Bf. legte dieser Beschwerde eine Aufenthaltsbestätigung und einen ärztlichen Entlassungsbrief des ***Bezeichnung Krankenhaus*** jeweils vom 18.07.2024 bei.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 13.03.2025 wies das Finanzamt die Beschwerde des Bf. als unbegründet ab und führte begründend im Wesentlichen aus, dass das Kind die Lehre unterbrochen und nicht fortgesetzt habe, dass diese Berufsausbildung nicht wieder fortgesetzt wurde und dass daher im beschwerdegegenständlichen Zeitraum keine Berufsausbildung vorgelegen habe. Auch lebe die Tochter seit 13.06.2023 nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Bf.

Am 10.04.2025 brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein und begründete diesen wie folgt:

"Sehr geehrte Damen u. Herren! Gegen den obgenannten Bescheid bringe ich das Rechtsmittel der Beschwerde ein und ersuche um Aussetzung der Einhebung des in Streit sehenden Betrages. Meine Tochter ***Vorname Tochter*** wird die Lehre in meinem Büro, als Bürokauffrau fortsetzen, sobald sie gesundheitlich wieder in der Lage ist. Das wird hoffentlich in den nächsten Monaten so weit sein. Derzeit wird sie noch medikamentös behandelt und muss monatlich vom Hausarzt eine Injektion bekommen, die vom Facharzt des Psychiatrischen ***Bezeichnung Krankenhaus*** verordnet ist. Ich habe ihr gesagt, dass sie den Hausarzt fragen soll, wie lange sie noch behandelt werden muss. Ich würde sie dringend im Büro brauchen, habe aber Angst, dass wenn sie zu früh die Lehre weiter macht (weil sie muss ja dann auch gleich in die Berufsschule - diese ist in ***Name Stadt 2*** - im Internat - diese Belastungen nicht verkraftet und das Leiden zurückkommt. Jedenfalls will sie die Lehre machen - und bei mir ist es auch möglich, dass wenn sie psychisch ausfällt, auch tageweise zu Hause bleiben kann. Ich unterstütze sie wo es nur geht. Bitte schreiben Sie, was Sie noch benötigen, dass die Beschwerde angenommen und die Aussetzung genehmigt werden (…)."

Am 20.04.2025 reichte der Bf. eine ärztliche Bestätigung nach.

Die Tochter wäre im Juli 2025 in die ***EU-Staat*** verzogen.

Mit Vorlagebericht vom 10.07.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor.

Am 16.07.2025 wurde dem BFG ein vom Bf. an die belangte Behörde übermitteltes Schreiben weitergeleitet, in dem der Kindesvater bestätigt hat, dass seine Tochter zwischenzeitig den Vater ihrer eigenen Tochter geheiratet hat und dass die Tochter inzwischen auch wieder in Österreich in Behandlung gewesen sei. Auch gab der Bf. an, dass er hoffe, dass seine Tochter in "maximal 2 Jahren" so weit sei, wieder arbeiten zu können. Am Ende ersuchte der Bf. darum, (Zitat:) "die eingeforderten Beträge ruhend zu stellen".

Ebenfalls am 16.07.2025 übermittelte das BFG der belangten Behörde das seitens des BFG vom Sozialministeriumservice (SMS) beigeschaffte Gutachten betreffend die Tochter vom 13.11.2024 zur Kenntnisnahme und zur Abgabe einer (eventuellen) Stellungnahme im Rahmen des rechtlichen Gehörs. Die belangte Behörde gab zu diesem Gutachten am 17.07.2025 eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

***Bf1*** ist Kindesvater von ***Name Tochter*** und hat für dieses Kind in der beschwerdegegenständlichen Zeit von April 2023 bis November 2024 die Familienbeihilfen und die Kinderabsetzbeträge bezogen.

Die Tochter hat am 30.11.2021 bei ihrem Vater eine Lehre begonnen, war in der Zeit von 12.07.2022 bis ***TT.MM.***.2022 im Krankenstand und ist unmittelbar danach vom ***TT.MM.***.2022 bis ***TT.MM.***.2022 im Mutterschutz gewesen. Am ***TT.MM.JJ22*** hat die Tochter ihrerseits ein Mädchen zur Welt gebracht.

In Ansehung des beschwerdegegenständlichen Zeitraumes war die Tochter seit 12.06.2023 an anderen Adressen als der Beihilfenbezieher polizeilich mit Hauptwohnsitz gemeldet. In der Zeit von 12.06.2023 bis 03.11.2023 war die Tochter in ***PLZ2, Name Stadt***, ***Adresse 3*** und von 03.11.2023 bis 29.01.2025 an der Adresse ***Adresse 2***, ***PLZ, Name Stadt*** wohnhaft. Am 13.04.2024 ist die Tochter zu ihrem zwischenzeitigen Gatten in die ***EU-Staat*** gereist. Am 01.06.2024 ist das Kind, nachdem es in der ***EU-Staat*** einen folgenschweren Vorfall gegeben hat, wieder nach Österreich zurück gekommen. Im Juli 2025 ist die Tochter in die ***EU-Staat*** verzogen.

Die Tochter hat ihre Lehre bislang nicht fortgesetzt und ist eine Fortsetzung der Berufsausbildung auch in nächster Zeit, insbesondere wegen der Sorgepflicht der Tochter für ihr eigenes Kind, wegen der Verehelichung der Tochter mit dem in der ***EU-Staat*** lebenden Vater ihrer eigenen Tochter und wegen des (zumindest zeitweisen) Verzuges der Tochter in die ***EU-Staat***, nicht zu erwarten.

Die Tochter des Bf. hat die Mieten für die von ihr bewohnten Wohnungen selbst getragen. Die Tochter führte in der beschwerdegegenständlichen Zeit zumindest seit Juni 2023 eigene Haushalte und kam für ihren Unterhalt überwiegend selbst auf.

Der Bf. bezahlt nicht die überwiegenden Unterhaltskosten für die Tochter.

Ob der Tochter wurde während deren Anwesenheit in Österreichmit durch das Sozialministeriumservice (SMS; früher Bundessozialamt - BSA) eine Untersuchung durchgeführt und attestiert das Gutachten des SMS vom 13.11.2024 dem Kind einen Grad der Behinderung von 60% beginnend mit 01.06.2024 und ab 06/2024 ein voraussichtliches dauerndes Außer-Stande-Sein des Kindes, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Tochter ist seit 01.06.2024 sohin erheblich behindert im Sinne des FLAG 1967.

2. Beweiswürdigung

Das Verwandtschaftsverhältnis des Bf. zu dem Kind und der Beihilfenbezug des Bf. für das Kind ergeben sich aus dem Beihilfenakt und sind diese Sachverhaltselemente unstrittig.

Dass das Kind am 30.11.2021 eine Lehre begonnen, diese Lehre aber nicht abgeschlossen hat, ergibt sich aus dem Beihilfenakt, insbesondere aus dem Vorbringen des Bf. und aus zwei betreffend das Kind durchgeführten Sozialversicherungsabfragen und sind diese Sachverhaltselemente unstrittig.

Dass das Kind am ***TT.MM.JJ22*** seinerseits ein Mädchen zur Welt gebracht hat, ergibt sich aus dem Beihilfenakt, insbesondere aus dem Vorbringen des Bf. und aus der in der Beihilfendatenbank des Finanzressorts "FABIAN" sowie aus den Sozialversicherungsauszügen der Tochter ersichtlichen "Lebensgeburt" eines Kindes und ist unstrittig.

Dass das Kind die Lehre nach der Geburt des Kindes nicht fortgesetzt hat, ergibt sich aus der Sozialversicherungsabfrage betreffend die Tochter des Bf., aus dem Umstand, dass die Tochter im Juli 2025 in die ***EU-Staat*** verzogen ist sowie auch aus dem Vorbringen des Bf. selbst, wonach die Tochter in "maximal 2 Jahren" so weit sei, wieder arbeiten zu können, und ist der Umstand, dass die Tochter die Lehre bislang nicht fortgesetzt hat, unstrittig.

Dass die Tochter in der beschwerdegegenständlichen Zeit zumindest seit 12.06.2023 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit dem Kindesvater gewohnt hat, ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag sowie den mit diesem Mietvertrag übereinstimmenden Daten aus dem zentralen Melderegister und ist der Umstand, dass die Tochter auch schon vor dem 12.06.2023 in eigenen Wohnungen gewohnt hat, unstrittig.

Dass die Tochter des Bf. die Mieten für die von ihr bewohnten Wohnungen selbst getragen hat, ergibt sich aus dem Vorbringen der Tochter, dass diese dem Kindesvater die Mieten in bar zur Überweisung gegeben hat.

Dass die Tochter in der beschwerdegegenständlichen Zeit zumindest seit Juni 2023 eigene Haushalte geführt hat und für ihren Unterhalt überwiegend selbst aufgekommen ist, ergibt sich aus dem Vorbringen der Tochter.

Dass die Tochter am 13.04.2024 zu ihrem zwischenzeitigen Gatten in die ***EU-Staat*** gereist ist, am 01.06.2024, nachdem es in der ***EU-Staat*** einen folgenschweren Vorfall gegeben hat, wieder nach Österreich zurück gekommen ist und im Juli 2025 wiederum in die ***EU-Staat*** verzogen ist, ergibt sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen des Bf. und ist unstrittig.

Dass ob der Tochter ein Grad der Behinderung von 60% beginnend mit 01.06.2024 vorgelegen hat und dass das Kind ab 06/2024 voraussichtlich dauernd Außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ergibt sich aus dem Gutachten des Sozialministeriumservice (SMS; früher Bundessozialamt - BSA) vom 13.11.2024 und ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

A. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich eines Beihilfenbezuges im Zusammenhang mit einer Lehre und der "Unterbrechung" dieser Lehrausbildung stellt sich dar wie folgt (das Hervorheben von Textstellen durch Fettdruck erfolgt durch das BFG):

Es ist Ziel einer Berufsausbildung, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis einer ernstlichen Bemühung um diese Qualifikation. Das Ablegen vorgesehener Prüfungen ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht für sich allein noch nicht, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hinzu muss vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen zu manifestieren hat. Zwar ist nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend. Das anspruchsvermittelnde Kind muss aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (VwGH 17.9.1990, 89/14/0070).

Der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 16.11.1993, 90/14/0108 ausgesprochen hat, beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien. Im genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht bestehen bleibe, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. Aus diesem Erkenntnis folgt für den Fall der Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes, dass auch eine solche Unterbrechung für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe (nur dann) nicht schädlich ist, wenn sie den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteigt (VwGH 20.06.2000, 98/15/0001).

Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann im Zusammenhang mit der Gewährung der Familienbeihilfe nicht mehr gesprochen werden, wenn die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird. Das bloße Aufrechterhalten eines Berufswunsches ist der tatsächlichen Ausbildung nicht gleichzuhalten (VwGH 21.01.2004, 2003/13/0157 mit Verweis auf VwGH 14. Dezember 1995, 93/15/0133).

Zu § 2 Abs 1 lit b FLAG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Unterbrechung der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich sei. Eine Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes sei für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe (dann) nicht schädlich, wenn sie den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteige. Das gelte auch für Erkrankungen, welche die Berufsausbildung auf bloß begrenzte Zeit unterbrechen (vgl. Erkenntnis des VwGH 20. Juni 2000, 98/15/0001). Diese Rechtsprechung hat auf den Tatbestand nach § 2 Abs 1 lit h FLAG entsprechende Anwendung zu finden (VwGH 16.03.2005, 2004/14/0114).

Gemäß § 25 FLAG 1967 sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§ 12) wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, beim Finanzamt Österreich zu erfolgen.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

B. Berufsausbildung der Tochter:

Im vorliegenden Fall hat die Tochter des Bf. am 30.11.2021 eine Lehre begonnen und diese Lehre ab 12.07.2022 (bis ***TT.MM.***.2022) krankheitsbedingt, auf Grund des Mutterschutzes ab ***TT.MM.***.2022 (bis ***TT.MM.***.2022) und auf Grund der Geburt einer eigenen Tochter am ***TT.MM.JJ22*** nicht weiter betrieben. Der Bf. hat in einem Schreiben vom 15.07.2025 vorgebracht, dass er hoffe, dass das Kind "in maximal 2 Jahres von selbst" so weit sein werde, wieder arbeiten zu können und ist aus diesem Vorbringen ersichtlich, dass das Kind jedenfalls bis zur Verfassung dieses Schreibens die Lehre nicht fortgesetzt hat.

Das Kind hat daher die Berufsausbildung (Lehre) über mehr als drei Jahre (12.07.2022 [Beginn des Krankenstandes] bis 15.07.2025 [Datum des Schreibens des Kindesvaters]) nicht fortgesetzt und ist nach dem Schreiben des Kindesvaters mit einer Fortsetzung der Lehre auch in der nächsten Zeit nicht zu rechnen.

Nach der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer Nichtfortsetzung der Berufsausbildung nach zwei Jahren nicht mehr von einer Unterbrechung der Berufsausbildung auszugehen und steht für die Tochter ab der Aufgabe der Berufsausbildung ein Beihilfenanspruch nicht mehr zu. Dies gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch für erheblich behinderten Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967.

Da die Tochter des Bf. die Berufsausbildung (Lehre) ab 12.07.2022 über mehr als drei Jahre nicht betrieben beziehungsweise fortgesetzt hat und mit einer Fortsetzung der Berufsausbildung auch in nächster Zeit nicht zu rechnen ist (der Bf. selbst rechnet nach dem Schreiben vom 15.07.2025 nicht damit, dass die Tochter die Ausbildung in der nächsten Zeit fortsetzt, wenn dieser angibt, dass er hofft, dass die Tochter in "maximal 2 Jahren" so weit sein werde, wieder arbeiten zu können), stand für das Kind in der beschwerdegegenständlichen Zeit ein Beihilfenanspruch nicht zu und war die Beschwerde aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen.

C. Haushaltszugehörigkeit des Kindes zum Haushalt des Bf.

Nach dem Vorbringen der Tochter hat diese die Mieten für die von ihr bewohnten Wohnungen wirtschaftlich getragen und ist die Tochter überwiegend für den eigenen Unterhalt aufgekommen.

Die Tochter des Bf. war daher ab 06/2023 nicht mehr beim Bf. haushaltszugehörig, weswegen auch aus diesem Grund ei Beihilfenanspruch des Bf. nicht bestand und die Beschwerde des Bf. auch aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen war.

D. Rückzahlungsverpflichtung zu Unrecht bezogener Beihilfen:

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. etwa VwGH 20.12.1968, 0486/68; VwGH 9.6.1978, 1019/77; VwGH 20.2.2008, 2006/15/0076; VwGH 22.4.2009, 2008/15/0323; VwGH 8.7.2009, 2009/15/0089; VwGH 28.10.2009, 2008/15/0329; VwGH 29.9.2010, 2007/13/0120; VwGH 19.12.2013, 2012/16/0047).

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl. etwa VwGH 10.12.1997, 97/13/0185; VwGH 22.4.1998, 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. VwGH 28.11.2002, 2002/13/0079; VwGH 9.7.2008, 2005/13/0142). Allenfalls im Bereich der Strafbarkeit nach § 29 FLAG 1967 (oder nach § 146 StGB) relevante subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl. etwa VwGH 20.12.1968, 0486/68; VwGH 10.12.1997, 97/13/0185; VwGH 31.10.2000, 2000/15/0035; VwGH 3.8.2004, 2001/13/0048; VwGH 23.9.2005, 2005/15/0080; VwGH 18.4.2007, 2006/13/0174; VwGH 19.12.2013, 2012/16/0047). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa VwGH 19.12.2013, 2012/16/0047).

Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung (vgl. VwGH 19.12.2013, 2012/16/0047; VwGH 8.7.2009, 2009/15/0089; VwGH 24.6.2009, 2007/15/0162; VwGH 22.4.2009, 2008/15/0323; VwGH 28.10.2008, 2006/15/0113; VwGH 23.9.2005, 2005/15/0080; VwGH 31.10.2000, 96/15/0001; VwGH 13.3.1991, 90/13/0241; VwGH 16.2.1988, 85/14/0130; VwGH 25.2.1987, 86/13/0158; VwGH 15.5.1963, 904/62); ebenso, ob der Bezieher diese im guten Glauben entgegengenommen hat (vgl. BFG 8.2.2017, RV/7105064/2015; BFG 20.6.2016, RV/7100264/2016; VwGH 24.6.2009, 2007/15/0162). Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt (vgl. z.B. VwGH 10.12.1997, 97/13/0185).

Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen war die Familienbeihilfe vom Bf. rückzufordern, weil es nicht maßgeblich ist, wie der Bf. die Beträge verwendet hat. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung unberechtigt bezogener Familienbeihilfen besteht auch dann, wenn dem Finanzamt alle Unterlagen übermittelt worden wären und das Finanzamt dennoch (vorerst) die Familienbeihilfen weiterbezahlt hätte. Auf Grund des objektiv rechtswidrigen Bezuges der beschwerdegegenständlichen Familienbeihilfen durch den Bf. waren die Beträge durch das Finanzamt zurückzufordern.

E. "Ruhend stellen" der rückgeforderten Beträge

Im Schreiben vom 15.07.2025 ersuchte der Bf. darum, dass die "eingeforderten Beträge" bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kind die Lehre fortsetzt, ruhend gestellt werden mögen. Dazu ist an dieser Stelle festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht für Entscheidungen über Zahlungserleichterungen nicht zuständig ist.

Für Zahlungserleichterungsansuchen ist im gegenständlichen Fall das Finanzamt Österreich sachlich und örtlich zuständig und sind entsprechende Anbringen an diese Behörde zurichten.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zu den Voraussetzungen, wann und unter welchen Umständen bei einer unterbrochenen oder abgebrochenen Lehre ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, existiert eine einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und ist das Bundesfinanzgericht mit diesem Erkenntnis von dieser Judikatur nicht abgewichen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt diesbezüglich nicht vor.

Zu der Rückzahlungsverpflichtung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfen besteht eine umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und ist das Bundesfinanzgericht mit diesem Erkenntnis auch von dieser Judikatur nicht abgewichen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt auch diesbezüglich nicht vor.

Dass das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Fall nur zur Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Rückforderungsbescheid sachlich zuständig ist, und über Erstanträge auf Zahlungserleichterungen das Finanzamt Österreich erstinstanzlich abzusprechen hat, ergibt sich unmittelbar aus den einschlägigen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist auch diesbezüglich nicht zu ersehen.

Dass das Kind, um einen Beihilfenanspruch zu vermitteln, beim Beihilfenbezieher haushaltszugehörig sein muss, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und hat das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Fall in freier Beweiswürdigung festgestellt, dass das Kind ab 06/2023 beim Bf. nicht mehr haushaltszugehörig gewesen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist auch diesfalls nicht zu ersehen.

Da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im beschwerdegegenständlichen Verfahren nicht vorliegen, war durch das Bundesfinanzgericht auszusprechen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

Wien, am 18. Juli 2025