JudikaturBFG

RV/7100466/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom 21. Februar 2024 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 15. Februar 2024, Ordnungsbegriff: ***OB***, betreffend (erhöhte) Familienbeihilfe für die Zeiträume "ab Jänner 2019" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 15. Februar 2024 wies das Finanzamt Anträge des Beschwerdeführers (Bf.) vom 21. Mai 2023 und 4. Juli 2023 auf Zuerkennung der Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung hinsichtlich der Zeiträume ab Jänner 2019 ab.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 21. Februar 2024. Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung:Die Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden seien unrichtig und mangelhaft, da unrichtige Entscheidungen basierend auf einem nicht vorhandenen Gutachten gefällt worden seien. Es liege sehr wohl eine erhebliche Behinderung bereits vor dem 21. Geburtstag, zumindest aber vor dem 25. Geburtstag des Bf. vor.Wie einem im Pflegschaftsverfahren eingeholten und angeschlossenen Sachverständigengutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen vom 1. August 2023 zu entnehmen sei, leide der Bf. an einer schizoaffektiven Störung.Zudem sei die Erwachsenenvertreterin des Bf. weder vom Sozialministeriumservice noch vom zuständigen Finanzamt von einem Untersuchungstermin in Kenntnis gesetzt worden und habe daher auch keine Begleitung für den psychisch kranken Bf. organisiert und sohin die Einhaltung des Termines nicht sichergestellt werden können. Das unentschuldigte Nichterscheinen des Bf. könne diesem daher keinesfalls zur Last gelegt werden.

Das Finanzamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom 17. Dezember 2024 als unbegründet ab.Im Sachverständigengutachten des Sozialministeriumsservice vom 11. November 2024 sei der Grad der Behinderung rückwirkend ab 1. Juli 2017 mit 50% festgestellt worden. Das Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit sei rückwirkend ab 1. Jänner 2018 bescheinigt worden.Der Bf. habe mit April 2017 das 21. Lebensjahr vollendet und sich ab 1. Mai 2017 bis 31. Dezember 2017 in keiner Berufsausbildung befunden. Mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Eingabe vom 8. Jänner 2024 beantragte der Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:1. Vorliegen einer 50-prozentigen Behinderung vor Vollendung des 21. LebensjahresLaut dem Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen sei ein Behindertengrad von 50% rückwirkend ab Juli 2017 bescheinigt worden. Dieser Zeitpunkt ergebe sich aus einem klinisch-psychologischen Test, welcher am 10. Juli 2017 durchgeführt und in welchem die Beeinträchtigung nachgewiesen worden sei. Aufgrund der Tatsache, dass eine 50-prozentige Behinderung erst am 10. Juli 2017 diagnostiziert worden sei, könne nicht gefolgert werden, dass sie nicht schon drei Monate vorher und somit vor Vollendung des 21. Lebensjahres vorgelegen wäre. Tatsächlich ergebe sich aus besagtem Gutachten, dass bereits seit dem 12. Lebensjahr depressive bzw. psychogene Episoden aufgetreten seien (Gutachten S. 3). Das Gutachten sei insofern widersprüchlich als einerseits das Vorliegen einer 50-prozentigen Behinderung aufgrund einer schizoaffektiven Störung mit 03.07.02 diagnostiziert werde, andererseits das Vorliegen einer 50-prozentigen Behinderung ab Juli 2017 datiert werde (Gutachten S. 6).Ein weiterer Hinweis für das Vorliegen einer Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres finde sich in einem näher bezeichneten psychiatrischen Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, welches neben anderen Gutachten die Grundlage für das Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice bilde. Auf Seite 2 dieses Gutachtens werde auf ein Gutachten von ***Dr1*** vom 23.11.2021 verwiesen, in welchem neben einer Schizophrenie auch eine bipolare Störung diagnostiziert werde. Diese Diagnose indiziere das Vorliegen einer Behinderung in der Kindheit, da eine bipolare Störung teilweise vererblich sei. Das Vorkommen dieser Erkrankung in der Verwandtschaft des Bf. sei ein weiteres Indiz hierfür.

2. Dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. LebensjahresIm Gutachten des Sozialministeriumservice werde der Zeitpunkt für das Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit mit Jänner 2018 angegeben. Begründet werde das unter anderem damit, dass ab diesem Zeitpunkt Rehabilitationsgeld bezogen worden sei.In der Sozialanamnese des gegenständlichen Gutachtens werde die berufliche Laufbahn des Bf. wiedergegeben: Abbruch einer Lehre und Nachholen der Lehrabschlussprüfung zu einem späteren Zeitpunkt. Beendigung mehrerer Dienstverhältnisse nach kurzer Zeit. Lehre, Lehrabschlussprüfung und großteils die vorzeitige Beendigung von Dienstverhältnissen würden auf den Zeitraum vor Vollendung des 21. Lebensjahres fallen. Nach eigenen Angaben habe sich der Bf. in dieser Zeit selbst zu einer Erwerbstätigkeit gezwungen, was am Vorliegen der mehrfach diagnostizierten Erkrankung immer wieder gescheitert sei.In einer mündlichen Verhandlung werde die Gutachtenserstellerin zu der Frage Stellung beziehen müssen, ob aus ihrer Sicht das Vorliegen dauernder Erwerbsunfähigkeit bereits acht Monate vor Bezug des Rehabilitationsgeldes gänzlich auszuschließen sei.

Das Finanzamt legte die Beschwerde samt den Verfahrensakten mit Vorlagebericht vom 7. Februar 2025 dem Bundesfinanzgericht vor.

In der mündlichen Verhandlung brachte der Bf. vor, er habe eine Lehre zum ID-Techniker aufgrund seiner Erkrankung zunächst abbrechen müssen. Nach dem Bundesheer habe er die Lehrabschlussprüfung im Jahr 2015 nachgeholt.Seiner Ansicht nach sei er aufgrund seiner psychischen Erkrankung bereits bei der Stellung für den Wehrdienst untauglich gewesen. Er sei jedoch damals nicht nach psychischen Erkrankungen befragt worden. In der Folge habe er dann den Präsenzdienst krankheitsbedingt abbrechen müssen und sei daraufhin auch für untauglich befunden worden.Von 1. Juni 2017 bis 31. Dezember 2018 sei er Angestellter bei der ***X-GmbH*** gewesen. Während dieser Zeit habe er an Schlafmangel gelitten, sei häufig im Krankenstand und einmal während der Urlaubszeit wegen eines Nervenzusammenbruchs auch im Krankenhaus gewesen.Er habe versucht, im Arbeitsleben Fuß zu fassen, sei aber wegen seiner Erkrankung immer wieder gescheitert.Schizophrene Phasen seien ab dem 21. Lebensjahr aufgetreten, davor habe es immer wieder manische und depressive Phasen gegeben.Die Gewährung der Familienbeihilfe wäre für ihn ein wichtiger Beitrag zur Finanzierung der erforderlichen Therapiemaßnahmen, etwa das Erlernen eines Musikinstrumentes.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf.) vollendete das 21. Lebensjahr am ***04/2017***. Nach Beendigung der Schulausbildung begann er im September 2011 eine Lehre zum IT-Techniker und absolvierte im Oktober 2015 die Lehrabschlussprüfung. Eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 wurde in der Folge nicht mehr absolviert. Von Juni 2017 bis Dezember 2018 war er als Angestellter erwerbstätig.Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bescheinigte dem Bf. bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H., vorliegend ab Juli 2017, zwar eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dass eine solche zur voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führende Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, wurde jedoch nicht bescheinigt.

2. Beweiswürdigung

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere aus dem im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien (Sozialministeriumservice) erstellten Sachverständigengutachten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, nämlich der Nachweis einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder - für den Beschwerdefall nicht relevant - während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretenen voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, für einen (zeitlich unbegrenzten) Familienbeihilfenanspruch vorliegt.

Dem Bf. wurde eine zu einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit führende Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht bescheinigt.

Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem von der belangten Behörde angeforderten medizinischen Sachverständigengutachten (nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010) des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien, vom 11. November 2024, VOB: ***VOB1***.

Im erwähnten ärztlichen Sachverständigengutachten (mit Untersuchung) vom 11. November 2024 heißt es auszugsweise:

"[…]

Anamnese:KEIN Vorgutachten vorliegend[…]

ANAMNESE:Im 12. LJ sei er beim Kinderarzt gewesen und habe Medikamente gegen Depressionen bekommen, die er ein paar Monate eingenommen habe. Dann keine weitere Behandlung.Im 17. LJ CannabisabususIm 18. LJ diverse andere Drogen eingenommen, aber eher unregelmäßig.Im 18. LJ habe er eine Psychodiagnostik gemacht, wo eine bipolare Störungherausgekommen sei.Im 18. LJ habe er beim Bundesheer ein Knochenmarködem in den Schienbeinköpfen bekommen und sei 1 Monat im Heeresspital gewesen, habe dort auch Seroquelbekommen.2016 habe er eine Psychotherapie begonnen12/ 2016 sei er erstmals in stat. psychiatrischer Behandlung für 2 Wochen gewesen,wegen "Nervenzusammenbruch" nach Trennung.Dann keine regelmäßige Behandlung mehr.Ende 2016 sei er manisch geworden, sei aber nicht behandelt worden.10/2017 sei er neuerlich in stat. psychiatrische Behandlung gewesen.Im Verlauf habe er häufige stat. psychiatrische Behandlungen gehabt, zuletzt 3/2023 (erhabe da einen Mord bei seinen Nachbarn miterlebt)Seit ca. 2020 sei er von den Drogen abstinent

Derzeitige Beschwerden:Es gehe ihm sehr gut, habe etwas Besseres als Drogen gefunden- Coffein und Taurin.

[…]

Sozialanamnese:Volksschule, MittelschulePolydann Lehre zum IT-Techniker 3a - dann abgebrochen- LAP wurde 2015 nachgeholt.im Bereich gearbeitet für 2 Woche (Vollzeit),dann 1 1/2 Jahre Vollzeit- DV beendet 2017Dann keine Arbeitstätigkeit mehr1a KrankenstandDann Rehabgeldbezug 2018- 2023, dann krankeitsbedingte Pension bis datokein PflegegeldLedig, lebt in LG, lebt in MietwohnungBundesheer: 2 Monate, davon 1 Monate stat. im Heeresspital wegen Knochenmarködem in den Schienbeinköpfen. Nach 2 Jahren nochmalige Musterung- da sei er untauglich gewesenwegen psychiatrischen ErkrankungErwachsenenvertretung: seit 2024Führerschein: habe es versucht, habe nur die Theorie geschafft.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

[...]

Untersuchungsbefund:

[…]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

 

[...]

Gutachten erstellt am 11.11.2024 von ***Dr2***

Gutachten vidiert am 12.11.2024 von ***Dr3***"

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfGH 10.12.2007, B 700/07, ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch anhand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (siehe etwa VwGH 18.11.2008, 2007/15/0019, oder VwGH 18.12.2008, 2007/15/0151) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen.

Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind sohin die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. etwa VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0053; VwGH 22.12.2011, 2009/16/0307 und VwGH 22.12.2011, 2009/16/0310, mwN).

Auch das Bundesfinanzgericht hat somit für seine Entscheidung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen, sofern diese als schlüssig und vollständig anzusehen sind.

Die medizinische Sachverständige des Sozialministeriumservice stellte im Gutachten vom 11. November 2024 einen Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v.H., vorliegend ab Juli 2017 fest.

Dem Bf. wurde eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt. Das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wurde im Gutachten jedoch erst ab Jänner 2018 (somit nach Vollendung des 21. Lebensjahres) angenommen.

Die ärztliche Sachverständige hat die vom Bf. vorgelegten Befunde berücksichtigt und die Bestimmung des Zeitpunktes des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit wie folgt begründet:"Nach der Anamnese ist eine psychiatrische Erkrankung bereits vor dem 18. LJ vorliegend gewesen. Es liegen keine Befunde vor, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, das eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vordem 18./21. LJ nachvollziehbar wäre.Ein behinderungsbedingter Grad der Behinderung ist nach den Unterlagen mit GdB 50% ab 07/2017 anzunehmen.Anamnestisch war auch primär eine Tauglichkeit beim Bundesheer vorliegend und es konnte auch eine Ausbildung abgeschlossen und eine Selbsterhaltung erlangt werden. Die Selbsterhaltungsunfähigkeit ist ab Bezug der Rehabilitationsgeldes rückwirkend zu bestätigen, (nach Angabe 2018)"

§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 stellt darauf ab, dass der Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (VwGH 20.11.2014, Ra 2014/16/0010).

Ein Gutachten zu der vorliegenden Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen. Allein die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen.Vor diesem Hintergrund war der im Vorlageantrag enthaltene Beweisantrag auf Einvernahme der Gutachtenserstellerin zur Frage, ob aus ihrer Sicht das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit bereits acht Monate vor Bezug des Rehabilitationsgeldes gänzlich auszuschließen sei, mangels Sachverhaltserheblichkeit des Beweisthemas abzulehnen.

Im Vorlageantrag (unter Punkt 2.) bringt der Bf. vor, dass in der Sozialanamnese des gegenständlichen Gutachtens die berufliche Laufbahn des Bf. wiedergegeben werde. Der Abbruch einer Lehre und das Nachholen der Lehrabschlussprüfung zu einem späteren Zeitpunkt und die Beendigung von Dienstverhältnissen nach kurzer Zeit seien auf den Zeitraum vor Vollendung des 21. Lebensjahres gefallen. Nach eigenen Angaben habe sich der Bf. in dieser Zeit selbst zu einer Erwerbstätigkeit gezwungen, was am Vorliegen der mehrfach diagnostizierten Erkrankung immer wieder gescheitert sei.

Mit diesem Vorbringen hat die Bf. nicht aufgezeigt, aufgrund welcher weiterer Beweismittel (Befunde) die Sachverständige des Sozialministeriumservice zum Ergebnis hätte kommen müssen, eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit als Folge einer körperlichen oder geistigen Behinderung wäre bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten.Auch im Sachverständigengutachten vom 11. November 2024 wird anamnestisch das Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung bereits vor dem 18. Lebensjahr angenommen. Aufgrund fehlender Befunde konnte die ärztliche Sachverständige eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres aber nicht feststellen.

Für die Beurteilung der Fähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist entscheidend, ob die Person trotz der festgestellten körperlichen oder geistigen Behinderung in der Lage ist, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, mit der sie sich den Unterhalt verschaffen kann. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob die festgestellte gesundheitliche Beeinträchtigung so gravierend ist, dass eine solche Erwerbstätigkeit nicht möglich ist. Die ärztlich festgestellte Erkrankung ist damit der zentrale Faktor, der eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, begründen muss (BFG 21.3.2016, RV/5100098/2015). Dazu kommt, dass psychische Krankheiten häufig einen schleichenden oder variierenden Verlauf nehmen. Auch eine medizinische Sachverständige kann aufgrund ihres Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Für die rückwirkende Beurteilung der Frage, wann eine psychische Erkrankung eingetreten ist und insbesondere wann diese Erkrankung ein Ausmaß erreicht hat, dass eine Erwerbstätigkeit, mit der sich der Patient selbst den Unterhalt verschaffen kann, nicht mehr möglich ist, ist auch die medizinische Sachverständige auf Indizien, insbesondere in der Vergangenheit erstellte ärztliche Befunde angewiesen, die Rückschlüsse darauf ziehen lassen, zu welchem Zeitpunkt die Erkrankung eingetreten ist bzw. ab wann eine Erwerbstätigkeit im aufgezeigten Sinn nicht mehr möglich ist (vgl. Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 32).Liegen keine aussagekräftigen Befunde für bestimmte vergangene Zeiträume vor, ist es einer Gutachterin in der Regel nicht möglich, für solche Zeiträume das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit festzustellen.

Im vorliegenden Fall wurde dem Bf. eine vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt, weil keine Befunde vorliegen, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr nachvollziehbar wäre. Als Indizien gegen den Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres bezog die ärztliche Sachverständige etwa den vor dem vollendenten 21. Lebensjahr liegenden Ausbildungsabschluss (im Oktober 2015) sowie die nach Vollendung des 21. Lebensjahres noch erfolgte Erwerbstätigkeit des Bf. ("Erlangung einer Selbsterhaltung") ein.

Vor diesem Hintergrund hat das Sozialministeriumservice die Frage, ob die Erkrankung des Bf. bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres dazu geführt hat, dass er voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, schlüssig verneint.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Gutachten ist daher schlüssig und vollständig, sodass das Bundesfinanzgericht diese Bescheinigung des Sozialministeriumservice dem gegenständlichen Erkenntnis zu Grunde zu legen hat.

3. Rechtslage und rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

§ 6 Abs. 5 und 6 FLAG 1967 lauten:"(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden."

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als sechs Monaten. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom 18. August 2010, BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens alle fünf Jahre neu festzustellen, wenn nach Art und Umfang eine mögliche Änderung zu erwarten ist. (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967).

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) dem Finanzamt Österreich durch eine Bescheinigung auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 7 FLAG 1967 gelten die Abs. 4 bis 6 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe kann nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).

Ein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe besteht für minderjährige (§ 6 Abs. 1) und volljährige (§ 6 Abs. 2) Vollwaisen sowie für (ebenfalls minderjährige oder volljährige) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die aus diesem Grund den Vollwaisen gleichgestellt sind (§ 6 Abs. 5; sog "Sozialwaisen"; vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 6 Rz 2).

§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 regelt (bezüglich des Eigenanspruches), unter welchen Voraussetzungen bei Behinderungen der Grundbetrag an Familienbeihilfe gewährt werden kann.Dieser steht für volljährige Kinder bzw. volljährigen Kindern zu, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Hierbei ist auch eine Behinderung im psychischen Bereich als geistige Behinderung iSd obigen Bestimmungen anzusehen (VwGH 30.5.2017, Ro 2017/16/0009; Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 17).

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht. Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder - im Beschwerdefall nicht relevant - während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 8 Rz 18 u. 19).Ein Eingehen auf das Vorbringen im Vorlageantrag zum Vorliegen einer erheblichen Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres (Punkt 1.) konnte daher unterbleiben.

Dem Bf. wurde im angeführten medizinischen Gutachten des Sozialministeriumservice vom 11. November 2024 eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht bescheinigt.

Das Gutachten wurde, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur Beweiswürdigung ergibt, als schlüssig und vollständig erachtet, sodass das Bundesfinanzgericht an dieses vom Sozialministeriumservice erstellte ärztliche Gutachten gebunden ist.

Liegen - wie gegenständlich - die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für den Bezug des Grundbetrages an Familienbeihilfe nicht vor, kann auch der Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 nicht gewährt werden.

Die Abweisungen der Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung erweisen sich somit als zu Recht erfolgt.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

5. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.Das vorliegende Erkenntnis beruht im Wesentlichen auf der Beweiswürdigung, ob beim Bf. eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor dem 21. Lebensjahr vorlag. Weder die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht. Da sohin keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen waren, ist eine Revision nicht zulässig.

Linz, am 30. Juli 2025