JudikaturBFG

RV/7105134/2019 – BFG Entscheidung

Entscheidung
15. Juli 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Dr. Annika Streicher in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom 25. Februar 2019 gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom 28. November 2018 betreffend Haftungsbescheid / Sonstige 2014, Haftungsbescheid / Sonstige 2015, Haftungsbescheid / Sonstige 2016 und Haftungsbescheid / Sonstige 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** den Beschluss:

I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

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II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheiden vom 28.11.2018 zog das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart (nunmehr Finanzamt Österreich; in der Folge "belangte Behörde") die Beschwerdeführerin (in der Folge "Bf.") zur Haftung für Kapitalertragsteuer in der Höhe von EUR 92.109,63 heran.

Dagegen erhob die Bf. nach erfolgter Fristverlängerung die Beschwerde vom 25.2.2019.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.5.2019 als unbegründet ab.

Mit Vorlageantrag vom 21.6.2019 beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO bis zur Erledigung der Beschwerde. Die Aussetzung der Einhebung wurde bewilligt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde mit Vorlagebericht vom 16.9.2019 vor.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.6.2025 wurde der Beschwerdeakt der mit 1.2.2025 neu geschaffenen Gerichtsabteilung 6004 zugeteilt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom ***1*** wurde über die Bf. ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und die Bezeichnung mit Beschluss vom ***2*** von Sanierungs- auf Konkursverfahren geändert. Mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom ***3*** wurde der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben.

Am ***4*** wurde die Firma gem. § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Der Saldo des Abgabenkontos der Bf. beträgt EUR 0, wobei ein Betrag in Höhe von EUR 93.951,82 ausgesetzt ist. Der ausgesetzte Betrag betrifft auch die beschwerdegegenständliche Abgabenschuld.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Beschwerdeaktes, auf Firmenbuchabfragen sowie auf Abfragen des Abgabenkontos.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Einstellung)

Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 ZPO ist sinngemäß anzuwenden. Eine GmbH verliert erst mit der Vollbeendigung ihre Parteifähigkeit. Voraussetzung dafür ist ihre Vermögenslosigkeit, also der Mangel an Aktivvermögen. Bis zum Beweis des Gegenteils ist anzunehmen, dass eine im Firmenbuch gelöschte GmbH vermögenslos und damit nicht (mehr) parteifähig ist (vgl. OGH 22.04.2014, 7 Ob 55/14k).

Die Löschung einer GmbH aus dem Firmenbuch hat bloß deklarativen Charakter. Eine GmbH besteht auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch fort, solange ein Vermögen vorhanden ist und Rechtsbeziehungen zu Gläubigern oder Schuldnern bestehen. Die Rechtspersönlichkeit besteht also solange fort, als noch Abwicklungsbedarf vorhanden ist (vgl. VwGH 28.6.2007, 2006/16/0220 sowie VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035 und die dort wiedergegebene Literatur und Judikatur).

Ob noch Abwicklungsbedarf besteht, ergibt sich aus dem Umstand, ob bei sonstiger Vermögenslosigkeit die Abgabenfestsetzung in irgendeiner denkbaren Konstellation zu einem Aktivvermögen der gelöschten Gesellschaft führen kann (vgl. VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035). Das Vorliegen eines Abwicklungsbedarfs und damit die Parteifähigkeit der gelöschten GmbH ist folglich zu verneinen, wenn das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht weder direkt noch indirekt ein abwickelbares Aktivvermögen der gelöschten GmbH betrifft. Diese Rechtsprechung ist auch auf den Fall einer nach durchgeführter Liquidation erfolgten Löschung einer vermögenslosen GmbH im Firmenbuch anwendbar (vgl. VwGH 30.5.2023, Ra 2023/16/0047).

Aus diesem Grund ist zu prüfen, ob sich auf Grund des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nachträglich ein abwickelbares Vermögen der Bf. ergeben könnte, sodass ihre Rechtspersönlichkeit insoweit als fortdauernd anzusehen wäre (vgl. VwGH 24.02.2011, 2007/15/0112 sowie VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035). Die Bf. wurde am ***4*** infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Am Abgabenkonto der Bf. ist ein Betrag in Höhe von EUR 93.951,82 ausgesetzt, sodass selbst im Fall einer vollumfänglichen Stattgabe kein Guthaben auf dem Abgabenkonto der Bf. entstehen würde. Da keine denkbare Konstellation besteht, die zu einem Aktivvermögen führen könnte, und das Vorliegen eines anderweitigen Vermögens und eines sich daraus ergebenden Abwicklungsbedarfes im Hinblick auf die Löschung gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit ausgeschlossen werden kann, ist davon auszugehen, dass die Rechtspersönlichkeit der Bf. bereits weggefallen ist.

Ist von der Vollbeendigung der GmbH auszugehen, so ist im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes § 278 Abs. 1 BAO sinngemäß anzuwenden und die Beschwerde mit Beschluss als gegenstandlos zu erklären (vgl. VwGH 28.10.2014, Ro 2014/13/0035 und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Gem. § 274 Abs. 3 Z 2 iVm Abs. 5 BAO kann im Falle der Gegenstandsloserklärung von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen und ist verfahrensökonomisch zweckmäßig. Eine Unbilligkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung ist nicht erkennbar. Daher wird das Ermessen dahingehend geübt, dass von der mündlichen Verhandlung abgesehen wird.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist bei der Lösung der streitgegenständlichen Rechtsfrage der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Linz, am 15. Juli 2025