IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***BE*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 6. November 2018 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 17. Oktober 2018 betreffend Rückforderung Familienbeihilfe 06.2017-06.2018, Ordnungsnummer ***1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Überprüfungsschreiben des Finanzamtes vom 28. Juli 2017 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, das Reifeprüfungszeugnis ihres Sohnes ***2*** mit Bitte um Bekanntgabe, welche Tätigkeit er in Zukunft ausüben wird, zu übermitteln.
Mit am 21. September 2017 rückgelangten Überprüfungsschreiben übermittelte die Beschwerdeführerin das Abschlussprüfungszeugnis der Fachschule ***3*** vom 23. Juli 2017 sowie die Bestätigung der ***4*** vom 5. September 2017, wonach sich der Sohn in einen Kurs zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung eingeschrieben hat.
Mit Überprüfungsschreiben vom 31. Jänner 2018 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, den Zulassungsbescheid zur Berufsreifeprüfung von ***2***, weiters ein Prüfungsdekret oder einen Nachweis über abgelegte Prüfungen zu übermitteln. Die Beschwerdeführerin legte am 6. März 2018 den Zulassungsbescheid vom 6. März 2018 vor.
Mit Überprüfungsschreiben vom 30. Mai 2018 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert den Nachweis aller bereits abgelegten Teilprüfungen betreffend die Berufsreifeprüfung sowie Kursbesuchsbestätigungen der einzelnen Fächer (BRP) zu übermitteln. Im am 11. Juli 2018 rückübermittelten Überprüfungsschreiben gab die Beschwerdeführerin an, die Nachweise über abgelegte Teilprüfungen oder Anmeldungen für die Prüfungen nachzuschicken.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2018 wurde die Beschwerdeführerin zur Rückforderung der Familienbeihilfe in Höhe von 2.818,40 Euro und des Kinderabsetzbetrages in Höhe von 759,20 Euro aufgefordert. Als Begründung wurde ausgeführt, dass kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn die Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Es seien keine Nachweise über das Antreten zu Prüfungen der Matura vorgelegt worden.
Am 6. November 2018 brachte die Beschwerdeführerin eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 17. Oktober 2018 ein und führte dabei aus, dass ihr Sohn an allen Kursen für die Vorbereitung zu den Prüfungen teilgenommen habe, die Prüfungen jedoch aus Mangel an freien Plätzen nicht ablegen konnte und somit im Frühjahr 2019 antreten werde.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. Mai 2019 wies das Finanzamt Österreich die Beschwerde vom 6. November 2018 als unbegründet ab und führte als Begründung aus, dass keine Unterlagen vorgelegt wurden und der Sohn der Beschwerdeführerin somit nicht nachweisen konnte, dass er die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin am 21. Juni 2019 die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Sie bringt vor, dass sie um eine Verlängerungsfrist, um die Unterlagen vorzulegen, telefonisch ersucht hatte. Die Prüfung in Deutsch habe ihr Sohn bereits positiv absolviert, in Mathematik und Englisch müsse er nochmals im Herbst antreten. Im Anhang übermittelte sie die Bestätigung, dass ihr Sohn den Kurs zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung besucht und die Prüfung in Deutsch abgelegt hat.
Am 30. Juli 2019 legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der im Jahr 1996 geborene Sohn der Beschwerdeführerin, ***2***, besuchte die Fachschule ***3*** und bestand die Abschlussprüfung am 23. Mai 2017.
Mit Bescheid vom 6. März 2018 wurde ***2*** zur Berufsreifeprüfung zugelassen.
Es ist bestätigt, dass ***2*** den Kurs zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung besucht hat. Der Kurs dauerte von 12. September 2017 bis 30. Juni 2018. Laut Bestätigung, dass ***2*** zum Kurs eingeschrieben ist, betrugen die Unterrichtszeiten 16 Wochenstunden am Vormittag. Laut Bestätigung, dass ***2*** am Kurs teilgenommen hat, betrugen die Unterrichtszeiten 20 Wochenstunden am Vormittag.
***2*** ist am 8. Mai 2019 zur Matura in Mathematik für die BRP angetreten, hat diese jedoch nicht bestanden. Er ist am 7. Mai 2019 zur schriftlichen Teilprüfung aus Deutsch angetreten und hat diese bestanden. Zur Prüfung aus Englisch ist er laut den Unterlagen nicht angetreten.
2. Beweiswürdigung
Der oben dargestellte Verfahrensgang gibt auch den zu beurteilenden Sachverhalt wieder. Er ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Obwohl in § 3 StudFG für bestimmte Einrichtungen (zB Universitäten) genau geregelt ist, fehlen vergleichbare Regelungen zu anderen Bildungseinrichtungen.
Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der stRsp des VwGH (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 35).
Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein (VwGH 26.06.2001, 2000/14/0192).
Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 35).
Die Voraussetzungen sind jedoch nur dann erfüllt, wenn ein Kind erforderliche Prüfungen ablegen will und sich hierauf tatsächlich und zielstrebig vorbereitet. Das wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt (VwGH 8.7.2009, 2009/15/0089).
Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, die die Behörden in freier Beweiswürdigung zu beantworten haben (VwGH 30.3.2017, Ra 2017/16/0030).
Eine Berufsausbildung hat die volle Zeit des Schülers in Anspruch zu nehmen (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 39).
Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, wie etwa auch bei der Berufsreifeprüfung, ist nach der Judikatur des UFS und des BFG als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden, wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 40).
Der UFS und das BFG haben in mehreren Entscheidungen die Meinung vertreten, eine Vorbereitungszeit von vier Monaten sei ausreichend, und hat als Vergleichsmaßstab die Ablegung der Matura an einer allgemein bildenden höheren Schule herangezogen. Die wöchentliche Unterrichtsdauer an der Oberstufe einer derartigen Schule betrage mit gewissen Schwankungen rund 30 bis 35 Unterrichtsstunden; demgegenüber umfasse die Dauer der Vorbereitungskurse für die Ablegung der Berufsreifeprüfung typischerweise weniger als die Hälfte dieses Stundenumfangs. Somit sei erkennbar, dass die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung weit weniger Zeit in Anspruch nimmt als der Besuch einer höheren Schule. Die Ausbildungsintensität sei also nicht vergleichbar (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 FLAG Rz 44; BFG 21.10.2014, RV/7102059/2014; 30.3.2016, RV/7102207/2014).
Im gegenständlichen Fall hat der Sohn der Beschwerdeführerin von September 2017 bis Juni 2018 am Kurs teilgenommen. Im Anschluss hat er sich ein ganzes Jahr auf die darauffolgenden Prüfungen vorbereitet, wobei er nur in Mathematik und Deutsch angetreten ist und von diesen nur Deutsch positiv absolviert hat. Zur Prüfung aus Englisch ist er nicht angetreten.
Für den Bezug der Familienbeihilfe muss klar erkennbar sein, dass sich das Kind um einen entsprechenden Erfolg bemüht. Das heißt, dass ein Berufsreifeprüfungsschüler durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen muss, den Ausbildungsabschluss zu erreichen.
Von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Ausbildung kann im verfahrensgegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden.
Abgesehen davon, dass er sich nicht zu allen Prüfungen angemeldet hat, ist fraglich, ob bei einem Jahr reine Vorbereitungszeit nach einem Jahr reiner Kurszeit eine "angemessene Zeit" zum Ablegen der Prüfungen vorliegt.
Die Beschwerdeführerin wendete ein, dass sich ihr Sohn aus Mangel an freien Plätzen nicht zu den Prüfungen anmelden konnte. Beweise hierfür hat sie jedoch nicht vorgelegt.
Laut Judikatur werden vier Monate Prüfungsvorbereitung als angemessen angesehen. Zudem muss eine Unterrichtsdauer von 30 Wochenstunden vorliegen. Im vorliegenden Fall ist nicht klar, ob der Kurs Unterrichtszeiten von 16 oder 20 Wochenstunden betragen hat und somit kann der genaue Zeitaufwand nicht festgestellt werden. In beiden Fällen würden die Wochenstunden deutlich weniger als 30 Stunden betragen. Zudem hatte der Sohn der Beschwerdeführerin 12 Monate Zeit rein zur Prüfungsvorbereitung. In Anbetracht dessen, dass eine außergewöhnlich lange Zeit zur Prüfungsvorbereitung zur Verfügung stand, die Wochenstunden des Kurses zu gering waren und im Endeffekt nur eine Absolvierung von einer der drei Prüfungen positiv verlaufen ist, kann von keinem ernsthaften und zielstrebigen Bemühen zur Absolvierung der Matura ausgegangen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Rechtsfolgen ergeben sich unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.
Salzburg, am 16. April 2025