BundesrechtInternationale VerträgeInformationsaustausch auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes

Informationsaustausch auf dem Gebiete der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes

In Kraft seit 13. September 2005
Up-to-date

Artikel 1

Art. 1

(1) Eine Vertragspartei benachrichtigt unverzüglich die andere Vertragspartei im Wege der Kontaktstellen über jeden Störfall, der mit den in Absatz 2 dieses Artikels genannten nuklearen Anlagen oder Tätigkeiten zusammenhängt, in dessen Folge es zu einer Freisetzung radioaktiver Stoffe über das Hoheitsgebiet der Vertragspartei hinaus kommt oder kommen kann und der für die andere Vertragspartei Folgen haben könnte.

(2) „Nukleare Anlagen“ und „Tätigkeiten“ gemäß Absatz 1 sind:

a) Kernreaktoren,

b) Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufs,

c) Anlagen zur Behandlung radioaktiver Abfälle,

d) Beförderung und Lagerung von Kernbrennstoffen oder radioaktiver Abfälle,

e) Herstellung, Verwendung, Lagerung, Entsorgung und Beförderung von Radioisotopen für landwirtschaftliche, industrielle und medizinische Zwecke sowie zur Durchführung damit zusammenhängender wissenschaftlicher Forschungen.

Artikel 2

Art. 2

(1) Die Benachrichtigung gemäß Artikel 1 Absatz 1 erfolgt spätestens dann, wenn Maßnahmen zum Schutze der eigenen Bevölkerung eingeleitet werden.

(2) Die Vertragsparteien informieren einander im Wege der Kontaktstellen über Betriebsabschaltungen sowie über Ereignisse in nuklearen Anlagen, auf die zumindest folgendes zutrifft:

Informationen, die eine vorläufige Beurteilung des Ereignisses beinhalten, werden der anderen Vertragspartei unverzüglich übermittelt.

(3) Die Vertragsparteien informieren einander über alle bedeutenden vorhersehbaren oder unvorhersehbaren Ereignissen, die nicht nukleare Ereignisse sind, aber zu einem nuklearen Ereignis oder Störfall führen können, zum Beispiel Brand, Erdbeben oder Sabotageakte.

(4) Für den Fall, daß eine Vertragspartei eine Information über ein Ereignis oder einen nuklearen Störfall besitzt, worüber im Rahmen dieses Artikels keine Meldung erstattet wurde, kann sie von der anderen Vertragspartei Aufklärung über dieses Ereignis oder diesen nuklearen Störfall im Wege der Kontaktstelle verlangen.

(5) Jede Vertragspartei teilt unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Abkommens der anderen Vertragspartei die Kontaktstellen mit.

(6) Die Vertragsparteien vereinbaren nach der gegenseitigen Mitteilung der Kontaktstellen die genaue Art der Übermittlung der Informationen. Die Funktionsprüfung der Übermittlungssysteme erfolgt mindestens zweimal jährlich.

Artikel 3

Art. 3

(1) Eine Vertragspartei übermittelt gemäß Artikel 1 dieses Abkommens die Information in einem solchen Umfang, der es der anderen Vertragspartei ermöglicht, über die Vorbereitung oder Durchführung entsprechender Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu entscheiden. Diese Information enthält insbesondere Angaben über:

a) Zeit, Ort und Art des nuklearen Störfalls,

b) die betroffene nukleare Anlage oder Tätigkeit,

c) die vermutete oder festgestellte Ursache und voraussichtliche Entwicklung des nuklearen Störfalls in bezug auf die grenzüberschreitende Freisetzung radioaktiver Stoffe,

d) die allgemeinen Merkmale der radioaktiven Freisetzung sowie, soweit möglich, die Art, die wahrscheinliche physikalische oder chemische Form sowie Menge, Zusammensetzung und effektive Höhe der radioaktiven Freisetzung,

e) Informationen über die bestehenden und vorhergesagten meteorologischen und hydrologischen Bedingungen, die zur Vorhersage der grenzüberschreitenden Freisetzung radioaktiver Stoffe erforderlich sind,

f) die Ergebnisse der Umweltüberwachung in bezug auf die grenzüberschreitende Freisetzung radioaktiver Stoffe,

g) die ergriffenen und beabsichtigten (planmäßigen und außerplanmäßigen) Schutzmaßnahmen außerhalb der betroffenen Anlage,

h) die Vorhersage über das Verhalten der radioaktiven Freisetzung im weiteren Verlauf.

(2) Die übermittelte Information wird entsprechend der weiteren Entwicklung der Situation ständig ergänzt. Weiters übergibt eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei auf deren Ersuchen Erläuterungen und Ergänzungen zu den übermittelten Daten.

(3) Diese und andere ergänzende Angaben werden übermittelt, solange die in Artikel 1 Absatz 1 dieses Abkommens erwähnte Situation besteht oder solange, bis die zur Beurteilung der Sachlage ausreichenden Informationen vorliegen.

Artikel 4

Art. 4

Falls eine Situation gemäß Artikel 1 Absatz 1 dieses Abkommens eintritt, pflegen die Vertragsparteien unverzüglich im Wege der Kontaktstellen das Einvernehmen über die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zur Gewährleistung des Schutzes von Gesundheit und Vermögen ihrer Bevölkerung sowie über eine mögliche Hilfeleistung.

Artikel 5

Art. 5

(1) Jede Vertragspartei führt auf ihrem Hoheitsgebiet ein Programm zur Messung der ionisierenden Strahlung durch.

(2) Das Meßprogramm muß die Bestimmung der Aktivitätskonzentration oder den Gehalt an Radionukliden in folgenden Substanzen beinhalten: Luft (auch Aerosole), Trinkwasser, Oberflächenwasser, Boden und Nahrungsmittel. Die Meßergebnisse müssen ausreichende Daten über die Strahlenbelastung der Bevölkerung der Vertragsparteien, insgesamt und durch Einzelereignisse, enthalten.

(3) Die Meßergebnisse müssen der anderen Vertragspartei einmal jährlich übermittelt werden. Bei einer bedeutenden Abweichung vom Normalzustand werden diese Informationen der anderen Vertragspartei unverzüglich im Wege der Kontaktstellen übermittelt. Auf Ersuchen einer Vertragspartei die andere Vertragsparteien zusätzliche Angaben im Sinn dieses Abkommens. Die Vertragsparteien werden sich um die Errichtung eines gemeinsamen Strahlenfrühwarnsystems bemühen, an dem auch andere Staaten teilnehmen könnten.

Artikel 6

Art. 6

(1) Die Vertragsparteien informieren einander mindestens einmal in zwei Jahren über die eigenen Nuklearprogramme, über die aus dem Betrieb von nuklearen Anlagen gewonnenen Erfahrungen und über die Rechtsgrundlagen für die nukleare Sicherheit und den Strahlenschutz.

(2) Die Vertragsparteien informieren einander auch über die bestehenden, in Bau befindlichen und geplanten nuklearen Anlagen und übergeben einander die in der Beilage zu diesem Abkommen angeführten Daten in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

(3) Die Informationen gemäß Absatz 2 dieses Artikels müssen von den Vertragsparteien unverzüglich übermittelt werden. Über die vorgesehene Inbetriebnahme in Bau befindlicher nuklearer Anlagen informieren die Vertragsparteien einander 6 Monate im voraus.

Artikel 7

Art. 7

(1) Die Vertragsparteien führen mindestens einmal alle zwei Jahre gemeinsame Expertentagungen durch, die insbesondere

a) die Durchführung dieses Abkommens bewerten,

b) die gemäß Artikel 6 übermittelten Informationen erörtern,

c) die Ergebnisse des gemäß Artikel 5 dieses Abkommens durchgeführten Meßprogramms auswerten,

d) sonstige aktuelle Fragen der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes erörtern.

(2) Die Informationen über Inhalt, Verlauf und Ergebnisse der gemeinsamen Expertentagungen werden den zuständigen Organen zur Erwägungen übermittelt.

(3) Zeit und Ort der gemeinsamen Expertentagungen und die Zusammensetzung der Delegationen werden von den Koordinatoren der Vertragsparteien vereinbart.

(4) Bei Bedarf können im Einvernehmen der beiden Vertragsparteien zusätzliche Expertentagungen gemäß Absatz 1 dieses Artikels abgehalten werden.

Artikel 8

Art. 8

(1) Für die Durchführung dieses Abkommens bestimmt jede Vertragspartei einen Koordinator, und zwar

a) die österreichische Seite: das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten,

b) die belarussische Seite: das Ministerium für außerordentliche Situationen der Republik Belarus.

(2) Die Koordinatoren tragen insbesondere Sorge für

a) den Austausch von Informationen, die im Rahmen der Zusammenarbeit laut den Bestimmungen von Artikel 5 und 6 dieses Abkommens zu übermitteln sind, soweit in Einzelfällen nicht ein besonderer Informationsweg in Betracht kommt, sowie dann, wenn Informationen nicht im Wege der vereinbarten Kontaktstellen übermittelt werden können.

b) die Organisation der gemeinsamen Expertentatungen gemäß Artikel 7 dieses Abkommens.

(3) Eine allfällige Änderung in der Bestimmung ihrer Koordinatoren teilen die Vertragsparteien einander auf diplomatischem Wege mit.

Artikel 9

Art. 9

Der Inhalt der Informationen, die von einer Vertragspartei gemäß Artikel 2, 3, 5 und 6 dieses Abkommens übermittelt werden, kann von der anderen Vertragspartei uneingeschränkt verwendet werden, sofern die benachrichtigende Vertragspartei ihn nicht vertraulich übermittelt hat.

Artikel 10

Art. 10

Der gegenseitige Informationsaustausch gemäß diesem Abkommen erfolgt kostenlos. Soweit die Beschaffung ergänzender Informationen mit bedeutenden Auslagen verbunden ist, werden diese Auslagen von der ersuchenden Vertragspartei ersetzt.

Artikel 11

Art. 11

Streitigkeiten betreffend Auslegung und Anwendung dieses Abkommens werden im Wege von Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien beigelegt.

Artikel 12

Art. 12

(1) Dieses Abkommen tritt 3 Monate nach dem Datum in Kraft, an dem die spätere der beiden Mitteilungen, daß die innerstaatliche Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Abkommens erfüllt sind, bei einer der Vertragsparteien auf diplomatischem Wege eingelangt ist.

(2) Die beigeschlossene Anlage ist Bestandteil dieses Abkommens.

(3) Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Jede der Vertragsparteien kann eine Mitteilung über ihre Absicht, dieses Abkommen zu kündigen, übermitteln. In diesem Fall verliert das Abkommen 6 Monate, nachdem eine der Vertragsparteien die entsprechende schriftliche Mitteilung der anderen Vertragsparteien im diplomatischen Weg erhalten hat, seine Gültigkeit.

Geschehen zu Minsk, am 9. Juni 2000 in zwei Urschriften, jede in deutscher und belarussischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind.

ANLAGE

ZUM ABKOMMEN ZWISCHEN DER REGIERUNG DER REPUBLIK ÖSTERREICH UND DER REGIERUNG DER REPUBLIK BELARUS ÜBER INFORMATIONSAUSTAUSCH AUF DEM GEBIET DER NUKLEAREN SICHERHEIT UND DES STRAHLENSCHUTZES

Anl. 1

Gemäß Artikel 6 Absatz 2 müssen folgende Daten übergeben werden:

a) Name der nuklearen Anlage,

b) Ort und Adresse der nuklearen Anlage,

c) Betreiber der nuklearen Anlage,

d) Verwendungszweck,

e) grundlegende technische Daten der nuklearen Anlage,

f) Status der nuklearen Anlage (in Planung, in Bau, in Betrieb, stillgelegt),

g) Betriebsdaten,

h) detaillierte Beschreibung des Standorts der Anlage.

Zu den kernenergetischen Reaktoren werden darüber hinaus insbesondere folgende Angaben übergeben:

a) Reaktortyp,

b) Leistung der Spaltzone des Reaktors,

c) Kenndaten der Spaltzone des Reaktors (Geometrie, Brennstoffe, Belastung, Konzentration, Abbrand, Leistungsdichte),

d) Reaktorgefäß,

e) Kühlmittel und Kühlsystem des Reaktors (primär und sekundär),

f) Dampferzeuger;

g) zulässige Werte und Bedingungen für die Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umwelt, zulässige Werte und Bedingungen für die Lagerung radioaktiver Stoffe und Bedingungen für die Manipulation mit abgebranntem Kernbrennstoff,

h) System zur Gewährleistung der nuklearen Sicherheit mit Ausnahme des Systems des physischen Schutzes