Vorwort
Artikel I
Art. 1
Das Lycée Franςais in Wien ist eine Ausbildungsstätte der Französischen Republik im Ausland. Die Bestimmungen des Kulturübereinkommens zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik vom 15. März 1947 über das französische Kulturinstitut in Österreich finden auf die Anstalt und auf das Personal französischer Staatsbürgerschaft des Lycée Franςais in Wien Anwendung.
Artikel II
Art. 2
(1) Die im Lycée Franςais in Wien beschäftigten Dienstnehmer französischer Staatsbürgerschaft genießen die gleichen Vorteile und die gleichen Rechte wie jene des französischen Kulturinstituts in Österreich. Die Bestimmungen des österreichischen Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, finden auf diese Dienstnehmer keine Anwendung.
(2) Hingegen findet das österreichische Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974, auf im Lycée Franςais in Wien beschäftigte Dienstnehmer nichtfranzösischer Staatsbürgerschaft Anwendung.
Artikel III
Art. 3
Die französischen Klassen und österreichischen Schulstufen entsprechen einander folgendermaßen:
In Frankreich | In Österreich |
Petite section de maternelle | Kindergarten |
Moyenne section de maternelle | Kindergarten |
12 e Grande section de maternelle | Kindergarten |
11 e cours préparatoire | 1. Schulstufe |
10 e cours élémentaire 1 re année | 2. Schulstufe |
9 e cours elementaire 2 e année | 3. Schulstufe |
8 e cours moyen 1 re année | 4. Schulstufe |
7 e cours moyen 2 e année | 5. Schulstufe |
6 e de collège | 6. Schulstufe |
5 e de collège | 7. Schulstufe |
4 e de collège | 8. Schulstufe |
3 e de collège | 9. Schulstufe |
2 e de collège | 10. Schulstufe |
1 ère de lycée | 11. Schulstufe |
Terminales de lycée | 12. Schulstufe |
Das Lycée Franςais bietet darüberhinaus die „Classe préparatoire“ zur Vorbereitung für eine Aufnahme in die französischen „Grandes Ecoles“ an.
Artikel IV
Art. 4
(1) Der Unterricht im Lycée Franςais in Wien wird nach den amtlichen französischen Lehrplänen erteilt. Für Schüler österreichischer Staatsbürgerschaft ist ein ergänzender Unterricht in deutscher Sprache für Deutsch, österreichische und deutsche Literatur, österreichische Geschichte und Sozialkunde sowie österreichische Geographie und Wirtschaftskunde zur Erreichung des Lehrziels der entsprechenden österreichischen Schulen in den genannten Bereichen verpflichtend.
(2) Schülern nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft ist die Teilnahme an diesem ergänzenden Unterricht auf deren Antrag zu gestatten.
(3) Der Lehrplan (Bildungs- und Lehraufgaben, didaktische Grundsätze, Aufteilung des Lehrstoffes auf die einzelnen Klassen und das Stundenausmaß) für den ergänzenden Unterricht ist vom Bundesministers für Unterricht und Kunst nach Anhörung des Direktors des Lycée Franςais durch Verordnung zu erlassen.
(4) Für die Schüler österreichischer Staatsbürgerschaft gelten für den Religionsunterricht, der in deutscher Sprache zu erteilen ist, die österreichischen Vorschriften.
Artikel V
Art. 5
Die Schüler des Lycée Franςais in Wien erfüllen durch den Besuch der entsprechenden Klasse des französischen Schulsystems die nach österreichischem Recht vorgeschriebene allgemeine Schulpflicht.
Artikel VI
Art. 6
(1) Schüler, die vor erfolgreicher Ablegung des Baccalauréats aus dem Lycée Franςais ausscheiden, haben gemß den Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 139/1974, eine Einstufungsprüfung abzulegen, wenn sie die Aufnahme in eine österreichische öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule anstreben.
(2) Die Einstufungsprüfung entfällt für jene Schüler, die den ergänzenden Unterricht erfolgreich besucht haben, bei einem übertritt in die 1. bis 4. Schulstufe zur Gänze, ab der 5. Schulstufe hinsichtlich der dem ergänzenden Unterricht entsprechenden Unterrichtsgegenständen.
(3) Für den Fall des übertritts ist der Schüler im Bereich des ergänzenden Unterrichts auch nach den österreichischen Leistungsbeurteilungsvorschriften zu beurteilen. Im Zeugnis sind beide Beurteilungen ersichtlich zu machen.
Artikel VII
Art. 7
(1) Der im Artikel IV Absatz 1 zweiter Satz vorgesehene ergänzende Unterricht wird unbeschadet des Artikels I von österreichischen Lehrern mit der entsprechenden Lehrbefähigung erteilt, die dem Lycée Franςais in Wien im Wege des österreichischen Bundesministeriums für Unterricht und Kunst zur Verfügung gestellt werden.
(2) Das österreichische Dienstverhältnis dieser Lehrer bleibt hiedurch unberührt.
(3) Die österreichischen Lehrer am Lycée Franςais in Wien haben in der jeweiligen Klasse dieselben Befugnisse wie die französischen Lehrer.
(4) Auf Vorschlag des Direktors des Lycée Franςais hat die zuständige österreichische Stelle zwei der in Absatz 1 genannten österreichischen Lehrer mit Koordinationsaufgaben, und zwar einen für den Bereich bis einschließlich der 4. Schulstufe und den anderen für den Bereich ab der 5. Schulstufe, zu betrauen. Auf Vorschlag des Direktors des Lycée Franςais ist die Betrauung aufzuheben.
Für den Koordinator des Bereiches bis einschließlich der 4. Schulstufe vermindert sich die Gesamtlehrverpflichtung um 4 Wochenstunden; für den Koordinator des Bereiches ab der 5. Schulstufe werden zehn Werteinheiten in die Lehrverpflichtung eingerechnet.
(5) Die Schulaufsicht über den im Artikel IV Absatz 1 zweiter Satz vorgesehenen ergänzenden Unterricht und die diesen Unterricht erteilenden Lehrer obliegt den österreichischen Schulbehörden. Als Schulbehörde I. Instanz ist der Stadtschulrat für Wien und als Schulbehörde oberster Instanz der Bundesminister für Unterricht und Kunst zuständig.
Artikel VIII
Art. 8
(1) Die Prüfungen, die zur Erlangung des Baccalauréats von Schülern österreichischer Staatsbürgerschaft am Lycée Franςais in Wien abzulegen sind, richten sich nach den jeweiligen amtlichen französischen Prüfungsvorschriften mit den in einem besonderen Übereinkommen der Regierungen festgelegten Abweichungen.
(2) In dem im Absatz 1 vorgesehenen übereinkommen der Regierungen werden von Österreich jene Gebiete aus dem Bereich des im Artikel IV Absatz 1 zweiter Satz festgelegten ergänzenden Unterrichts bestimmt, aus welchen Prüfungen zur Erlangung des Baccalauréats von Schülern österreichischer Staatsbürgerschaft abzulegen sind. Frankreich bestimmt in Entsprechung dazu, welche nach den amtlich französischen Prüfungsvorschriften vorgesehenen Prüfungen dafür entfallen.
(3) Schüler nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft, die gemäß Artikel IV Absatz 2 den ergänzenden Unterricht erfolgreich besucht haben, können ebenfalls Prüfungen gemäß Absatz 2 ablegen.
Artikel IX
Art. 9
Das Zeugnis über die erfolgreiche Ablegung des Baccalauréat français complet einschließlich der erfolgreich abgelegten Prüfungsgebiete des ergänzenden Unterrichts entspricht einem Zeugnis über die erfolgreiche Ablegung einer inländischen Reifeprüfung.
Artikel X
Art. 10
(1) Die Beurteilung der Prüfungen von Prüfungsgebieten des ergänzenden Unterrichts im Rahmen der Baccalauréatsprüfung erfolgt nach den österreichischen Reifeprüfungsvorschriften.
(2) Sofern Prüfungsgebiete des ergänzenden Unterrichts auf Grund des gemäß Artikel VIII geschlossenen besonderen übereinkommens der Regierungen Teile der Baccalauréatsprüfung ersetzen, sind diese Prüfungen auch zusätzlich nach den amtlichen französischen Prüfungsvorschriften zu beurteilen. Auf dem Zeugnis sind beide Beurteilungen ersichtlich zu machen.
(3) Wird eine Prüfung über ein Prüfungsgebiet des ergänzenden Unterrichts mit „Nicht genügend“ beurteilt, dann erlangt der Kandidat zusätzlich zum Baccalauréat français complet ein österreichisches Reifeprüfungszeugnis nur dann, wenn er die mit „Nicht genügend“ beurteilte Prüfung nach den österreichischen Rechtsvorschriften erfolgreich wiederholt.
Artikel XI
Art. 11
(1) Für die Ablegung des Baccalauréats einschließlich der Prüfungen über den ergänzenden Unterricht im Sinne des Artikels IV Absatz 1 zweiter Satz wird jedes Jahr ein Prüfungszentrum (mit einer Prüfungskommission) mit Sitz in Wien eingerichtet.
(2) Der Vorsitzende der Prüfungskommission ist ein vom Rektor der zuständigen Academie in Frankreich ernannter Universitätsprofessor.
(3) Für die Prüfungen aus dem ergänzenden Unterricht im Rahmen der Baccalauréatsprüfung ist von der zuständigen österreichischen Schulbehörde jedes Jahr eine Prüfungskommission zu bestellen, der folgenden Personen angehören: als Vorsitzender das zuständige Schulaufsichtsorgan und die notwendige Anzahl von für die einzelnen Prüfungsgebiete lehrbefähigten Prüfern. Diese Prüfer dürfen an den Beratungen der Prüfungskommission für das Baccalauréat teilnehmen.
Artikel XII
Art. 12
Die vom Lycée Franςais über den Schulbesuch und vom Prüfungszentrum in Wien über die Ablegung des Baccalauréats einschließlich der Ablegung der Prüfungen über den ergänzenden Unterricht im Sinne des Artikels IV Absatz 1 zweiter Satz ausgestellten Zeugnisse sind mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden ausgestattet.
Artikel XIII
Art. 13
Die Schüler des Lycée Franςais werden hinsichtlich ihrer rechtlichen Stellung bei der Gewährung der Schulfahrbeihilfe, der Inanspruchnahme einer Schülerfreifahrt sowie der Zurverfügungstellung unentgeltlicher Schulbücher auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376/1967, der Einbeziehung in den Geltungsbereich der Schülerunfallversicherung auf Grund des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, und der Schul- und Heimbeihilfe auf Grund des Schülerbeihilfengesetzes, BGBl. Nr. 253/1971, Schülern österreichischer öffentlicher Schulen gleichgehalten.
Artikel XIV
Art. 14
Jede der Vertragsparteien teilt der anderen die Erfüllung der für das Inkrafttreten dieses übereinkommens erforderlichen verfassungsmäßigen Voraussetzungen mit. Das übereinkommen tritt zwei Monate nach dem Datum der letzten dieser Mitteilungen in Kraft.
Dieses übereinkommen gilt auf unbeschränkte Zeit.
Jede der Vertragsparteien kann dieses übereinkommen jederzeit schriftlich auf diplomatischem Weg kündigen. Die Kündigung wird 180 Tage nach Empfang der Mitteilung durch die andere Partei wirksam.
Gleichzeitig tritt das übereinkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Französischen Republik betreffend die Verfassung des Lycée Franςais in Wien vom 22. Feber 1952 außer Kraft.
Geschehen zu Wien, am 4. Mai 1982 in zwei Urschriften in deutscher und französischer Sprache, wobei beide Texte in gleicher Weise authentisch sind.