Archivübereinkommen zwischen Österreich und Polen
Artikel I. Die österreichische Bundesregierung erk
Art. 2Artikel II . Die österreichische Bundesregierung e
Art. 3Artikel III . Unter dem Begriff „Akten“ sind zu ve
Art. 4Artikel IV . Akten der im Artikel II bezeichneten
Art. 5Artikel V . Die Anforderung der in Betracht kommen
Art. 6Artikel VI . Die Ergebnisse der Tätigkeit dieser A
Art. 7Artikel VII . Die Aushebung und Ausscheidung der a
Art. 8Artikel VIII . Die polnische Regierung bewirkt den
Art. 9Artikel IX . Die Abgabe der angeforderten Akten er
Art. 10Artikel X . Militärakten operativen, administrativ
Art. 11Artikel XI . Die polnische Regierung erklärt sich
Art. 12Artikel XII . Dieses Übereinkommen soll ratifizier
Vorwort
Art. 1
Artikel I. Die österreichische Bundesregierung erklärt sich bereit, nach dem archivalischen Provenienzprinzip alle in ihrer Aufbewahrung befindlichen Bestandteile alter historischer Archive, sonstige Archivalien und Bestandteile moderner Verwaltungsregistraturen, die im heute polnischen Staatsgebiete entstanden sind, an die polnische Regierung abzugeben. Dazu gehören auch Archivalien, welche seinerzeit zur Einsicht nach Wien gesendet wurden, bestimmungsgemäß aber Archiven und Registraturen des polnischen Staatsgebietes angehören, und zwar: diejenigen Aktenstücke, beziehungsweise Urkunden, die bei dem Schriftwechsel mit österreichischen Zentralstellen von Staats-, Kommunal- und Kirchenbehörden, kirchlichen Stiften, religiösen Korporationen, Spitälern u. ä. sowie von Privatpersonen als Beweisstücke angeschlossen wurden.
Die österreichische Bundesregierung erklärt sich bereit, neuaufgefundene derartige Archivalien und Schriftstücke der polnischen Regierung ohne weitere Anforderung abzugeben.
Art. 2
Artikel II . Die österreichische Bundesregierung erklärt sich ferner bereit, die zur Fortführung der Zivil-, Militär-, Finanz-, Gerichts- oder sonstigen Verwaltungen der ehemals k. k. österreichischen und jetzt polnischen Gebiete notwendigen und diese Gebiete ausschließlich betreffenden Akten der ehemaligen k. k. österreichischen Zentralbehörden und Anstalten aus der Zeit von 1888 bis 3. November 1918, sowie alle zu derselben Verhandlung (Dossier) gehörenden Vorakten bis einschließlich 1848 an Polen abzugeben.
Ältere derartige Bestände, welche nicht abgegeben werden, werden der polnischen Regierung zwecks Benutzung zur Verfügung gestellt. In besonderen Fällen, wo es sich um Archivalien handelt, durch welche Rechte oder Rechtsverhältnisse bewiesen werden sollen, werden diese Archivalien der polnischen Regierung auf besonderes Ansuchen nach Tunlichkeit abgegeben.
Material, das Galizien und die Bukowina gemeinsam betrifft, ist nicht auszufolgen, sondern zur gemeinsamen Benutzung an dem bisherigen Verwahrungsorte zu belassen.
Art. 3
Artikel III . Unter dem Begriff „Akten“ sind zu verstehen:
Archiv- und Registratursakten (Exhibite, Referate, Konzepte, Äußerungen, Gutachten, Verhandlungsprotokolle, Beilagen, Korrekturen, eventuell noch unerledigte, beziehungsweise nicht expedierte Stücke, ferner im Druck erschienene oder auf andere Weise vervielfältigte, auf den Verhandlungsgegenstand Bezug habende Schriften, wie Abhandlungen, Mitteilungen, Nachweise, Tabellen etc.), Register (öffentliche und Amtsbücher, wie Grundbücher, Eisenbahnbücher, Markenregister etc., ferner Indizes, Einlaufsprotokolle, Elenche, Kataloge, Rechnungen, Kassabehelfe, statistische Tabellen, Ausweise, Berichte und Publikationen der Staatsbehörden sowie der bis zum Umsturz unter Staatsaufsicht gestandenen kriegswirtschaftlichen Zentralen etc.), Pläne, das Material der Katasterverwaltung (Triangulation, Vermessungsfeldbücher, Karten, Manuale der Karten, trigonometrische Netzbilder, Vermessungsakten sowie auch den Kataster samt neuen Vermessungen, Rechnungen, Bücher, Akten und Karten, Projekte, Skizzen, Studien, Programme, Beschreibungen, etwa vorhandene Kopien und Oleatmatritzen), Titel und Rechtsurkunden (Dokumente aller Art, wie Stiftsbriefe, Kontrakte, Konzessionsurkunden, Statuten, Übernahmsbedingungen u. dgl.), insgesamt ohne Unterschied des Materials, aus welchem sie hergestellt und auf welchem sie festgelegt sind (Papier, Pergament, Leder, Metall, Stein, Holz etc.).
Für Pläne, Katastertriangulierungsoperate und anderes Projektmaterial, soweit solche Behelfe von staatlichen Stellen ausgearbeitet wurden, die auf dem Gebiete der österreichischen Republik ihren Amtssitz hatten, und soweit solche Behelfe Arbeiten betreffen, die vor Ende Oktober 1918 noch nicht in Angriff genommen worden sind, ist der österreichischen Bundesregierung der Gegenwartswert zu vergüten. Dieser Gegenwartswert wird durch gemeinsames Übereinkommen festgestellt. Sollten sich in verschiedenen Archiven amtlich angefertigte Auszüge und Abschriften der zur Abgabe gelangenden Originale vorfinden, so verbleiben diese Auszüge und Abschriften an ihrem Verwahrungsort.
Von der Abgabe sollen die Schriftbestände über Verhandlungen ausgeschlossen sein, die sich in ihrem weiteren Zusammenhang über die ganze ehemalige österreichisch-ungarische Monarchie oder Gebiete einiger gewesener Kronländer derselben erstrecken.
Art. 4
Artikel IV . Akten der im Artikel II bezeichneten Art, welche ausdrücklich die ehemals k. k. österreichischen und jetzt polnischen Gebiete, daneben aber noch Österreich oder einen dritten Staat betreffen und somit von der österreichischen Bundesregierung nicht abgegeben werden können, werden der polnischen Regierung zwecks Anfertigung von Kopien, Abschriften, Auszügen und Photographien zur Verfügung gestellt. Diese Akten können, sofern es der Dienstbetrieb gestattet, auch befristet entlehnt werden.
Die aus der Benützung dieser Akten erwachsenen Kosten trägt die polnische Regierung. Die Benützung selbst ist gebührenfrei.
Die Abgabe der Akten, welche ausschließlich Polen und die Tschechoslowakei gemeinsam betreffen, erfolgt auf Grund eines zwischen den Regierungen dieser beiden Staaten hergestellten Einvernehmens, das der österreichischen Bundesregierung mitzuteilen ist.
Art. 5
Artikel V . Die Anforderung der in Betracht kommenden Archivalien kann seitens der polnischen Regierung entweder durch die dazu berufenen polnischen archivalischen Delegierten oder auf dem diplomatischen Wege erfolgen.
Den polnischen Delegierten wird die Möglichkeit gewährt werden, die anzufordernden Akten näher oder in allgemeiner Form zu bezeichnen. Zu diesem Zwecke wird ihnen die ungestörte Einsicht in die amtlichen Nachschlagebehelfe (Aktenverzeichnisse, Eingangsbücher, Indizes u. dgl.) über die Archiv- und Registratursbestände, welche die in Artikel I-IV bezeichneten Archivalien enthalten, in den betreffenden Amtslokalen während der Amtsstunden gewährt werden. Die Zahl der polnischen Delegierten soll in der Regel die Zahl drei, für sämtliche in Betracht kommenden österreichischen Archive und Registraturen zusammengenommen, nicht überschreiten.
Diese Delegierten werden von der polnischen Regierung mit amtlichen Legitimationen versehen, welche den Sichtvermerk des österreichischen Bundeskanzleramtes, Auswärtige Angelegenheiten, erhalten müssen.
Diese Delegierten können nach vorher eingeholter Zustimmung des österreichischen Bundeskanzleramtes, Auswärtige Angelegenheiten, einzelne weitere polnische Amtsorgane zur Erledigung von Spezialfragen heranziehen. Diesen Amtsorganen wird die ungestörte Mitwirkung bei der Bezeichnung der anzufordernden Akten und bei der Überprüfung der Ausscheidungsarbeiten auf Grund der amtlichen Nachschlagebehelfe gewährt werden.
Art. 6
Artikel VI . Die Ergebnisse der Tätigkeit dieser Amtsorgane, denen die Pflicht zur Wahrung des Amtsgeheimnisses obliegt, haben bloß amtlich administrativen, nicht aber anderen, insbesondere auch nicht schriftstellerischen Zwecken zu dienen. Die anderweitige, insbesondere die schriftstellerische Verwertung dieser Ergebnisse jeglicher Art (also sowohl in wissenschaftlichen Werken und Zeitschriften als auch in Tageszeitungen u. dgl.) kann, soweit es sich um Bestände handelt, die nach den in Österreich heute bestehenden Vorschriften der wissenschaftlichen Benutzung nicht freigegeben sind, nur mit Zustimmung der österreichischen Bundesregierung erfolgen. In der wissenschaftlichen und schriftstellerischen Verwertung der Ergebnisse ihrer Tätigkeit sind diese Amtsorgane an die jeweils in Geltung befindlichen Dienstvorschriften und Benutzungsordnungen der österreichischen Archive und Registraturen gebunden.
Art. 7
Artikel VII . Die Aushebung und Ausscheidung der angeforderten Bestände zwecks Abgabe oder Entlehnung erfolgt ausschließlich durch Organe der österreichischen Bundesregierung. Sowohl über die entlehnten als auch über die abgegebenen Akten werden seitens der Organe der österreichischen Bundesregierung Konsignationen in dreifacher gleichlautender Ausfertigung verfaßt, die bei der Übergabe von den beiderseitigen Vertretern zu unterfertigen sind. Eine Ausfertigung verbleibt als Empfangsbestätigung bei der österreichischen Bundesregierung, die anderen erhalten die polnischen Organe zur Bestätigung der Übergabe.
Falls die Ausscheidungs- und Abgabearbeiten der Organe der österreichischen Bundesregierung sich ohne Störung des laufenden Geschäftsganges nicht durchführen lassen, ersetzt die polnische Regierung die der österreichischen Bundesregierung durch Überstundenarbeit ihrer Beamten und dgl. entstandenen Mehrkosten. Das Ausmaß der Überstundenarbeit und die Höhe des zu leistenden Mehrkostenersatzes wird in jedem Spezialfall im beiderseitigen Einvernehmen festgestellt. Der polnischen Regierung wird die Möglichkeit gewährt werden, eine Überprüfung dieser Ausscheidungs- und Abgabearbeiten vorzunehmen.
Art. 8
Artikel VIII . Die polnische Regierung bewirkt den Abtransport der von ihr übernommenen Akten.
Soweit eine Ausfuhrbewilligung für übernommene Akten nötig ist, wird sie unentgeltlich erteilt. Die Aktentransporte passieren die österreichische Grenze zoll-, abgabe- und gebührenfrei.
Art. 9
Artikel IX . Die Abgabe der angeforderten Akten erfolgt binnen acht Wochen vom Tage der Überlieferung der Anforderung an die österreichische Bundesregierung gerechnet.
Art. 10
Artikel X . Militärakten operativen, administrativen und gerichtlichen Inhaltes bis einschließlich 3. November 1918, welche nicht abgegeben werden, weil sie aus dem Geschäftsgang der österreichisch-ungarischen Militärbehörden erwachsen sind, werden der polnischen Regierung zwecks Benutzung zur Verfügung gestellt.
Die Erhebung und Vorlage dieser Akten erfolgt ausschließlich durch die österreichische Archivverwaltung.
Soweit bei derartigen Akten ein Austausch möglich erscheint, erfolgt er unter dem Gesichtspunkte grundsätzlicher Gegenseitigkeit.
Art. 11
Artikel XI . Die polnische Regierung erklärt sich ihrerseits bereit, der österreichischen Bundesregierung gegenüber die volle Gegenseitigkeit der in Betracht kommenden vorstehenden Bestimmungen hinsichtlich aller, das Staatsgebiet der Republik Österreich betreffenden Akten zu gewährleisten, die sich in ihrem Besitz befinden oder in ihren Besitz gelangen sollten. Von der Abgabe sind diejenigen Archivalien ausgenommen, welche auf Grund früherer Staatsverträge vom Kaisertum Österreich an Polen oder die Freie Stadt Krakau ausgeliefert wurden, ferner die Akten des Militärgeneralgouvernements Lublin und der ihm unterstellten Dienststellen.
Art. 12
Artikel XII . Dieses Übereinkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen möglichst bald in Wien ausgetauscht werden. Es wird zehn Tage, nachdem es in der durch die Gesetzgebung der Hohen Vertragschließenden Teile vorgeschriebenen Form veröffentlicht worden ist, in Kraft treten.
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Übereinkommen in doppelter Ausfertigung in deutscher und polnischer Sprache unterzeichnet und mit dem Amtssiegel versehen.
Geschehen zu Wien, am sechsundzwanzigsten Oktober eintausendneunhundertzweiunddreißig.