BundesrechtInternationale VerträgeRegelung der mit Kärnten verbundenen Interessen (Italien)

Regelung der mit Kärnten verbundenen Interessen (Italien)

In Kraft seit 08. Juli 1926
Up-to-date

Titel I.

Rechte und Interessen der Länder.

Art. 1

Das Bundesland Kärnten bleibt alleiniger Eigentümer der auf österreichischem Staatsgebiete gelegenen, ihrer Natur und ihrem Zwecke nach unbeweglichen und beweglichen Güter, erstere belastet mit den sie betreffenden Hypotheken und Grundlasten.

Art. 2

Das Bundesland Kärnten

a) tritt dem Königreiche Italien alle vor dem 3. November 1918 entstandenen und noch bestehenden Forderungen ab, die ihm entweder unmittelbar gehören oder die einer Gemeinde, einer Stiftung, einer Wohltätigkeitsanstalt, einem Spitale innerhalb des Bundeslandes Kärnten gegen die Provinzen, Gemeinden, Stiftungen u. s. w. innerhalb des italienischen Gebietes des ehemaligen Herzogtumes Kärnten zustehen könnten, jedoch mit Ausnahme der in Anwendung des Übereinkommens vom 6. April 1922, betreffend die Zahlung von privaten Schulden und die Einziehung privater Forderungen, schon abgetretenen Forderungen;

b) verzichtet auf die im Artikel 3 des römischen Übereinkommens vom 6. April 1922 über die Pensionen der Länder und Gemeinden offengehaltene Überprüfung der die Pensionszahlungen von Landesangestellten betreffenden Bestimmungen, weil das Bundesland Kärnten aus diesem Titel schwerer belastet ist, als dies von der Reparationskommission für die Aufteilung der Landesschulden vorgesehen war;

c) verzichtet auf jede Forderung wegen Verpflegung der in der Provinz Friaul zuständigen, in der Landesirrenanstalt Klagenfurt untergebrachten Irren bis zum 1. August 1925.

Das Königreich Italien verzichtet auf alle vor dem 3. November 1918 entstandenen und noch bestehenden Forderungen, die ihm entweder unmittelbar gehören oder die einer Provinz, Gemeinde, einer Stiftung, einer Wohltätigkeitsanstalt, einem Spitale innerhalb des italienischen Gebietes des bestandenen Herzogtumes Kärnten gegen die Provinzen, Gemeinden, Stiftungen u. s. w. innerhalb des österreichischen Gebietes zustehen könnten, jedoch mit Ausnahme der in Anwendung des Übereinkommens vom 6. April 1922, betreffend die Zahlung von privaten Schulden und die Einziehung privater Forderungen, schon abgetretenen Forderungen.

Die Bestimmungen der lit. a und des vorletzten Absatzes dieses Artikels finden keine Anwendung auf die Stiftung Gräfin Elvine de La Tour, hinsichtlich welcher alle Fragen unpräjudiziert bleiben.

Art. 3

Das Bundesland Kärnten übernimmt im Verhältnis zum Königreich Italien die Bezahlung aller Schulden des bestandenen Herzogtumes Kärnten. Es verpflichtet sich demnach, die in der der Entscheidung der Reparationskommission vom 21. September 1923, Zahl 2641, betreffend das Gebiet des bestandenen Herzogtumes Kärnten, beigegebenen Tabelle enthaltenen Schulden zu tilgen, und zwar sowohl mit dem der Provinz Friaul auferlegten Anteile als auch mit dem dem Bundeslande Kärnten zugewiesenen Anteile; überdies hat das Bundesland Kärnten die Verpflichtung, die in dieser Tabelle nicht enthaltenen, am 3. November 1918 bestandenen Schulden des Landes zu tilgen.

Die Bezahlung hat zu erfolgen zur vollständigen Entlastung des italienisch gewordenen Teiles des Herzogtumes Kärnten, der für diese Schulden weder gegenüber den Gläubigern noch gegenüber dem Bundeslande Kärnten verantwortlich sein wird; dieses wird die entsprechende Zahlung in österreichischer Währung nach dem Verhältnisse von einer österreichischen Krone für eine österreichisch-ungarische Krone leisten.

Art. 4

Die allfälligen vom ehemaligen Herzogtume Kärnten übernommenen Bürgschaften bleiben zu Lasten des Bundeslandes Kärnten.

Titel II.

Landesfonds und Landeskulturrat.

Art. 5

Das Königreich Italien erklärt, zugunsten des Bundeslandes Kärnten auf alle Rechtsansprüche an den dem Lande gehörigen oder in der Verwaltung des Landes gestandenen Fonds und an den Vermögenschaften des Landeskulturrates des ehemaligen Herzogtumes Kärnten zu verzichten.

Titel III.

Rechte und Interessen der Gemeinden.

Art. 6

Die Republik Österreich und das Königreich Italien erklären, daß sie auf die Aufteilung des beweglichen Besitzes der Gemeinden verzichten, deren Gebiet durch die Grenze zwischen den beiden Staaten geteilt wurde, wie sie aus den Protokollen über die Festlegung des Grenzzuges gemäß dem Staatsvertrage von Saint-Germain hervorgeht.

Art. 7

Die auf dem Gebiete einer der Hohen Vertragschließenden Parteien gelegenen Gemeinden und Fraktionen bleiben Eigentümer der ihnen gehörigen, aber infolge der neuen Staatsgrenzen im Gebiete des anderen Vertragsteiles gelegenen unbeweglichen Güter jeder Art und Gattung. Dies gilt auch für den Fall, als die neue Grenze das Gebiet einer Gemeinde zerschnitten hätte.

Art. 8

Die Hohen Vertragschließenden Parteien sind nicht befugt, gegen die im vorstehenden Artikel erwähnten Güter Beschränkungen irgendwelcher Art vorzunehmen, die nicht gleichzeitig auch gegen die eigenen Staatsangehörigen anzuwenden wären. Auf jeden Fall muß dem Berechtigten, falls er einen Nachteil zu erleiden hätte, eine angemessene Entschädigung hiefür geboten werden, jedoch mit Ausschluß jedes Ersatzes für entgangenen Gewinn.

Titel IV.

Nachbarschaften und andere Agrargemeinschaften.

Art. 9

Die am 3. November 1918 bestandenen Vermögensrechte der Agrargemeinschaften (wie Nachbarschaften, Alpengenossenschaften, Alpengemeinschaften) bleiben in dem Stande, in dem sie sich zu jenem Zeitpunkte befunden haben, aufrecht.

Auf die im vorangehenden Absatz bezeichneten Rechte finden die Bestimmungen der Artikel 7 und 8 Anwendung; bei der Ausübung dieser Rechte sind die Vorschriften des Artikels 11 zu beobachten.

Teil V.

Holzbezugsrechte, Weiderechte und anderes.

Art. 10

Die Wald- und Weidedienstbarkeiten sowie alle anderen Realrechte und Reallasten des Privatrechtes, die – sei es auf Grund der öffentlichen Bücher, sei es auf Grund der Ersitzung – an Grundstücken haften, die in dem einen Teile einer durch die neue Grenze zerschnittenen Gemeinde gelegen sind, bleiben zugunsten der im anderen Gemeindeteile gelegenen Grundstücke unverändert aufrecht.

Art. 11

Die Berechtigten sind verpflichtet, sich strenge an das zu halten, was die für den Ort, wo die belasteten unbeweglichen Güter liegen, erlassenen Vorschriften bestimmen. Auf jeden Fall werden sie die für den Grenzverkehr gewährten Erleichterungen genießen und sie werden sich an alle hiefür von den Hohen Vertragschließenden Parteien erlassenen Vorschriften zu halten haben.

Art. 12

Die in den Artikeln 10 und 11 erwähnten Rechte können nur auf Grund von Übereinkommen zwischen den Hohen Vertragschließenden Parteien abgelöst oder anderweitig geregelt werden.

Titel VI.

Allgemeine Bestimmungen.

Art. 13

Die zur Durchführung des gegenwärtigen Übereinkommens notwendigen Urkunden sind frei von jeglicher Steuer, Stempel- und unmittelbaren Gebühr.

Art. 14

Falls über einen in diesem Übereinkommen behandelten Gegenstand eine Meinungsverschiedenheit entstünde, so wird die Streitfrage, wenn sie nicht einverständlich innerhalb dreier Monate vom Empfange der entsprechenden Mitteilung seitens einer der Hohen Vertragschließenden Partei an die andere beigelegt werden könnte, von einem Schiedsrichter entschieden werden, den beide Parteien gemeinschaftlich wählen.

Sollten sich die Hohen Vertragschließenden Parteien innerhalb Monatsfrist über die Wahl des Schiedsrichters nicht einigen, so wird er auf Verlangen einer der obenerwähnten Parteien vom Ständigen internationalen Gerichtshofe im Haag ernannt werden.

Die Schiedsgerichtsordnung wird vom Schiedsrichter selbst festgestellt.

Der Schiedsrichter ist befugt, die notwendig erscheinenden Erhebungen zu machen und sich unmittelbar an die Zentralbehörden der beiden Hohen Vertragschließenden Parteien zu wenden, die ihrerseits verpflichtet sind, so schnell als möglich dem Ersuchen des Schiedsrichters Folge zu geben.

Jeder der beteiligten Staaten wird das Recht haben, am Schiedsverfahren durch einen Abgeordneten teilzunehmen.

Die Kosten des Schiedsspruches werden bestimmt und verteilt werden ex aequo et bono vom Schiedsrichter selbst.

Die Hohen Vertragschließenden Parteien verpflichten sich, dem Schiedsrichter jede zur Ausführung seiner Aufgabe notwendige Unterstützung zu gewähren.

Die Entscheidungen des Schiedsrichters sind rechtsverbindlich; jede Berufung gegen sie ist ausgeschlossen.

Art. 15

Das gegenwärtige Übereinkommen wird ratifiziert und die Ratifikationsurkunden werden so bald als möglich in Rom ausgetauscht werden.

Es wird am Tage nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft treten.

Urkund dessen haben die obgenannten Bevollmächtigen dieses Übereinkommen gezeichnet.

Geschehen zu Rom, am 24. Juni 1925, deutsch und italienisch, wobei beide Texte authentisch sind, in zwei Ausfertigungen, wovon je eine jedem der vertragschließenden Staaten übergeben wird.