BundesrechtBundesgesetzeNotariatsordnung 1945

Notariatsordnung 1945

NO 1945
In Kraft seit 09. August 1945
Up-to-date

§ 1 I. Wiederherstellung des österreichischen Notarrechtes.

(1) Die Vorschriften der Notariatsordnung (Gesetz vom 25. Juli 1871, R. G. Bl. Nr. 75) und die damit zusammenhängenden Vorschriften, die nach dem 12. März 1938 abgeändert oder aufgehoben worden sind, treten in der Fassung vom 13. März 1938 wieder in Kraft. Gleichzeitig verlieren die nach dem 12. März 1938 erlassenen Vorschriften, soweit sie den gleichen Gegenstand betreffen, ihre Wirksamkeit. Ausnahmen bestimmt § 2.

(2) Das Staatsamt für Justiz kann durch eine im Staatsgesetzblatt zu verlautbarende Kundmachung mit bindender Wirkung für die Gerichte und Verwaltungsbehörden feststellen, ob eine das Notariatswesen regelnde Vorschrift gilt oder als aufgehoben zu betrachten ist.

§ 2

(1) Die durch § 50, Abs. (3), Nr. 2, des Gesetzes über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. Juli 1938, Deutsches R. G. Bl. I S. 973, aufgehobenen §§ 70 bis 75 der Notariatsordnung bleiben aufgehoben. Die Errichtung von Testamenten durch Notariatsakt (§§ 52 ff. der Notariatsordnung) findet nicht statt.

(2) Von den nach dem 12. März 1938 erlassenen Vorschriften bleiben in Kraft:

a) die Verordnung über die Inkraftsetzung des Gesetzes, betreffend das Erfordernis der notariellen Errichtung einiger Rechtsgeschäfte, in Tirol vom 6. Juli 1939, Deutsches R. G. Bl. I S. 1195;

b) die Verordnung zur Änderung des Beurkundungsrechts vom 21. Februar 1942, Deutsches R. G. Bl. I S. 87;

c) die Verordnung über die Ersetzung zerstörter oder abhanden gekommener gerichtlicher oder notarischer Urkunden vom 18. Juni 1942, Deutsches R. G. Bl. I S. 395;

d) die Verordnung zur Vereinfachung des Verfahrens auf dem Gebiet des Beurkundungsrechts vom 21. Oktober 1942, Deutsches R. G. Bl. I S. 609.

(3) Einem unbemittelten Beteiligten, dem nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung die Verfahrenshilfe zu bewilligen wäre, hat der Notar seine Urkundstätigkeit in Rechtsgeschäften, die dem Gesetz vom 25. Juli 1871, R. G. Bl. Nr. 76, betreffend das Erfordernis der notariellen Errichtung einiger Rechtsgeschäfte, unterliegen, gebührenfrei zu gewähren.

(4) Die Inkraftsetzung des Notarversicherungsgesetzes 1938, Verordnung vom 5. Jänner 1938, B. G. Bl. Nr. 2, und des Gesetzes, betreffend die Rechtsanwalts- und Notarsgehilfen vom 1. Oktober 1920, St. G. Bl. Nr. 468, sowie der damit zusammenhängenden Vorschriften bleibt vorbehalten.

II. Überleitungsbestimmungen.

§ 3

(1) Die Mandate der Organe des Notariates, die am 27. April 1945 im Gebiet der Republik Österreich bestanden, sind erloschen. Das Staatsamt für Justiz bestimmt den Zeitpunkt für die Wahl der nunmehr nach der Notariatsordnung zu bestellenden Organe. Es ist ermächtigt, durch Verordnung den Wahlvorgang näher zu regeln.

(2) Zur Führung der Geschäfte bis zum Amtsantritte gewählter Organe kann das Staatsamt für Justiz Organe durch Ernennung bestellen. Der vom Staatsamt für Justiz bestellte Präsident der Notariatskammer erstattet für die Ernennung der weiteren Organe Vorschläge, die doppelt soviel Personen enthalten sollen, wie zu bestellen sind. Das Staatsamt für Justiz ist an die Vorschläge nicht gebunden. Es kann auch die Zahl der Mitglieder der Notariatskammer abweichend von den Vorschriften der Notariatsordnung festsetzen, die von ihm bestellten Organe jederzeit abberufen und neue bestellen. Zum Wirkungskreis der durch Ernennung bestellten Notariatskammern gehören auch die dem Notariatskollegium zukommenden Geschäfte.

(3) Die durch das Staatsamt für Justiz in der Zeit vom 10. April 1945 bis zum Wirksamkeitsbeginn dieses Gesetzes vorgenommenen Bestellungen von Standesorganen gelten als im Sinne des Abs. (2) vollzogen.

(4) Solange eine Notariatskammer noch nicht bestellt ist, werden ihre Geschäfte vom Gerichtshof erster Instanz gemäß § 140 NO. versehen. Die Stimmführer aus dem Stande der Notare und der Notariatskandidaten in dem dort vorgesehenen Senat werden vom Staatsamt für Justiz ernannt.

§ 4

Für die Notare, die am 13. März 1938 österreichische Notare waren und das Amt noch am 27. April 1945 im Gebiete der Republik Österreich ausgeübt haben, gelten folgende Vorschriften:

1. Den belasteten Personen im Sinne des § 17, Abs. (2), des Verbotsgesetzes 1947 ist die Tätigkeit als Notare oder in solchen oder ähnlichen Kanzleien verboten. Das Bundesministerium für Justiz hat die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen.

2. Minderbelastete Personen [§ 17, Abs. (3), des Verbotsgesetzes 1947] sind gemäß den Bestimmungen des § 19, Abs. (1), lit. e, und Abs. (2), des Verbotsgesetzes 1947 bis 30. April 1950 nicht berechtigt, den Beruf eines Notars auszuüben oder in solchen oder ähnlichen Kanzleien zu arbeiten. Das Bundesministerium für Justiz hat die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Nach dem 1. Mai 1950 kann eine solche Person wieder zum Notar bestellt werden, wenn die Voraussetzungen des Gesetzes vom 25. Juli 1871, R. G. Bl. Nr. 75, in seiner am 13. März 1938 gültigen Fassung vorliegen; ein Anspruch auf eine bestimmte Notarstelle besteht jedoch nicht.

3. Notare, auf die die Bestimmungen der Z. 1 und 2 keine Anwendung finden, sind im Amte zu bestätigen.

§ 5

Für die Notare, die zwischen dem 13. März 1938 und dem 27. April 1945 im Gebiete der Republik Österreich zu Notaren bestellt wurden, gelten die Bestimmungen des § 4, die Vorschriften der Z. 2 und 3 aber mit der Änderung, daß in jedem Falle zu prüfen ist, ob der Notar den Erfordernissen zur Erlangung des Notaramtes nach der Notariatsordnung entspricht. Die Große Staatsprüfung ersetzt die Notariatsprüfung.

§ 6

(1) Die Entscheidung darüber, ob nach den vorstehenden Vorschriften ein Notar in seinem Amte bestätigt wird, oder die Feststellung, ob der Notar von der Berufsausübung ausgeschlossen ist, steht dem Bundesministerium für Justiz zu, soweit nicht das Entscheidungsrecht der im § 19, Abs. (2), des Verbotsgesetzes 1947 genannten Kommission eingeräumt ist. Die erforderlichen Erhebungen führt die zuständige Notariatskammer durch. Sie legt das Ergebnis mit ihrem Antrag dem Staatsamt für Justiz vor.

(2) Die im Amt bestätigten Notare haben nach den Vorschriften der Notariatsordnung die Genehmigung des neuen Siegels zu erwirken und die Angelobung auf die Republik Österreich zu leisten. Bei Verhinderung durch ein unabwendbares Ereignis kann das Gelöbnis schriftlich geleistet werden.

§ 7

Die Notariatskammer kann mit der Durchführung der erforderlichen Erhebungen [§ 6, Abs. (1)] eines ihrer Mitglieder oder auch einen ihr nicht angehörigen Notar bestellen. In dem Verfahren können die Beteiligten mündlich oder schriftlich vernommen, Akten und Urkunden beigeschafft sowie Zeugen und Sachverständige abgehört werden. Um Vernehmungen und andere Erhebungen kann auch das Gericht ersucht werden, das hiebei nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung vorzugehen hat. Von Einvernehmungstagsatzungen hat das Gericht die Notariatskammer zu verständigen. Diese kann einen Vertreter entsenden; er ist befugt, mit Zustimmung des Gerichtes an die zu vernehmenden Personen Fragen zu stellen.

§ 8

Ergibt sich im Zuge der Erhebungen hinreichender Grund zur Annahme, daß ein Ausübungsverbot festzustellen sein wird, so hat die Notariatskammer die vorläufige Suspension zu verfügen, ohne die Entscheidung der Registrierungsbehörde abzuwarten. In dringenden Fällen kann der Präsident der Notariatskammer die Verfügung vorläufig allein treffen. Er hat sie jedoch ohne Verzug der Notariatskammer mitzuteilen, welche die Suspension aufzuheben oder zu bestätigen hat. Gegen die Verfügung der Suspension steht dem Notar die Beschwerde gemäß § 138 NO. zu.

§ 9

Wird nachträglich gemäß § 27 des Verbotsgesetzes 1947 eine Ausnahme von der Behandlung nach diesem Gesetz bewilligt oder ergeht gemäß § 7 oder gemäß § 19, Abs. (2), des Verbotsgesetzes 1947 eine Entscheidung, die mit der Entscheidung des Bundesministeriums für Justiz oder der Notariatskammer im Widerspruch steht, so haben diese ihre Entscheidung außer Kraft zu setzen, ein neuerliches Verfahren einzuleiten und unter Zugrundelegung der nach § 27 des Verbotsgesetzes 1947 bewilligten Ausnahme oder der nach § 7 oder gemäß § 19, Abs. (2), des gleichen Gesetzes ergangenen Entscheidung abermals zu entscheiden.

§ 10

(1) Notariatskandidaten im Sinne der im § 1 bezeichneten Vorschriften sind auch die Notarassessoren, die am 27. April 1945 im Gebiet der Republik Österreich bestellt waren, und die Referendare, die am 27. April 1945 im Gebiet der Republik Österreich in Verwendung standen und in die Liste der Notariatskandidaten eingetragen werden.

(2) Für die Eintragung in die Liste der Notariatskandidaten gelten folgende Bestimmungen:

1. Belastete Personen [§ 17, Abs. (2), des Verbotsgesetzes 1947] dürfen weder den Beruf eines Notariatskandidaten ausüben noch in solchen oder ähnlichen Kanzleien arbeiten.

Minderbelastete Personen im Sinne der Bestimmungen des § 17, Abs. (3), des Verbotsgesetzes 1947 dürfen bis zum 30. April 1950 die Tätigkeit eines Notariatskandidaten nicht ausüben und nicht in solchen oder ähnlichen Kanzleien arbeiten [§ 19, Abs. (1), lit. e, und § 19, Abs. (2), des Verbotsgesetzes 1947]. Die Notariatskammer hat die erforderlichen Anweisungen zu geben; §§ 7 bis 9 sind anzuwenden.

2. Auf alle übrigen Notariatskandidaten sind die Vorschriften des Gesetzes vom 25. Juli 1871, R. G. Bl. Nr. 75, anzuwenden.

Die Entscheidung kommt der zuständigen Notariatskammer zu. Gegen eine Entscheidung nach Z. 1 oder 2 steht dem Notariatskandidaten die Beschwerde gemäß § 138 NO. zu.

§ 11

Der Ernennung zum Notar und der Eintragung in die Liste der Notariatskandidaten stehen zwischen dem 13. März 1938 und dem 27. April 1945 ergangene behördliche Entscheidungen und Verfügungen, insbesondere auch disziplinäre Verurteilungen, nicht entgegen, wenn sie lediglich auf nationale, sogenannte rassische oder politische Gründe zurückgehen.

§ 12

Das Staatsamt für Justiz ist ermächtigt, durch Verordnung zu bestimmen:

a) inwieweit den Notariatskandidaten Zeiträume, während der sie durch militärische Dienstleistung, aus einem anderen, durch den Krieg gegebenen Umstand oder aus nationalen, sogenannten rassischen oder politischen Gründen der Praxis entzogen oder an der Vollendung ihrer Studien verhindert waren, in die nach den §§ 6 und 119 NO. erforderliche Dauer der Verwendung im Justizdienst eingerechnet werden;

b) inwieweit die nach § 6, lit. b und c, NO., für die Erlangung einer Notarstelle erforderlichen Prüfungen durch Prüfungen ersetzt werden, die der Bewerber nach Vorschriften des deutschen Rechtes abgelegt hat;

c) inwieweit Personen, welche die Befähigung zur Ausübung des Notaramtes im Auslande erlangt haben, bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen für die Ausübung des Notariates nach der Notariatsordnung zu Notaren ernannt werden können, ohne daß sie der tatsächlichen Vollstreckung der Praxis nach § 6 NO. und der Ablegung der Notariatsprüfung bedürfen;

d) inwieweit Personen, die die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien im Auslande zurückgelegt haben, die Eintragung in die Liste der Notariatskandidaten bewilligt werden kann, wenn das Bundesministerium für Unterricht nach Maßgabe der Verordnung vom 9. Juli 1945, St. G. Bl. Nr. 82, über die Anrechenbarkeit ausländischer Hochschulstudien und im Auslande abgelegter Prüfungen die von ihnen an einer ausländischen Hochschule abgelegten akademischen oder staatlichen Prüfungen an Stelle der durch die inländische Studien- und Prüfungsordnung vorgeschriebenen Fachprüfungen anerkennt, vorausgesetzt, daß sie die übrigen Bedingungen der Notariatsordnung erfüllen;

e) inwieweit Personen, die zwischen dem 13. März 1938 und dem 27. April 1945 aus nationalen, sogenannten rassischen oder politischen Gründen die Ausübung des Notariates (die Praxis als Notariatskandidaten) aufgeben mußten und die österreichische Staatsbürgerschaft nicht mehr besitzen, bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen nach der Notariatsordnung gegen nachträgliche Nachweisung der österreichischen Staatsbürgerschaft [§ 6, Abs. (1), lit. a, NO.] zu Notaren ernannt werden können (in die Liste der Notariatskandidaten eingetragen werden können). Für die Beibringung des Nachweises ist eine Frist von mindestens einem Jahr zu bestimmen; sie kann verlängert werden. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist das Amt des Notars erloschen (der Notariatskandidat aus der Liste zu streichen). Die Gültigkeit der in der Zwischenzeit vorgenommenen Rechtshandlungen bleibt unberührt.

§ 13

Anhängige Disziplinarverfahren und sonstige das Notariatswesen betreffende Verfahren sind abzubrechen. Die Akten sind dem Präsidenten der Notariatskammer zu übermitteln, der nach der Notariatsordnung das Entsprechende zu verfügen, allfällig die Durchführung eines neuen Verfahrens durch die nunmehr zuständige Stelle zu veranlassen hat.

§ 14

Das Staatsamt für Justiz wird ermächtigt, durch Verordnung zu verfügen, wie bis auf weiteres Bekanntmachungen zu geschehen haben, die nach den Vorschriften der Notariatsordnung in der amtlichen Landeszeitung kundzumachen sind.

§ 15 III. Vollzugsklausel.

Mit der Vollziehung des Gesetzes ist das Staatsamt für Justiz betraut.