Beschwerden – einfach erklärt
Wie kann ich Verwaltungsakte bekämpfen? 🥊
Sijin Sun
Legal & Marketing
Jus-Studium
Willkommen zu unserer einfachen Erklärung von Beschwerden.
Dieser Blog-Post ist die Fortsetzung vom Artikel “Bescheiden & Verordnungen – einfach erklärt”, denn heute geht es um die verschiedenen Rechtsmittel!
Beschwerde
Das erste Rechtsmittel
Zuerst muss geklärt werden, welche Art von Beschwerde die ausschlaggebende ist. Es gibt insgesamt vier Arten, die jeweils eine neuerliche Entscheidung einer höheren Instanz oder eine Mahnung der Verwaltungsbehörde bewirken können.
Erfahre hier was man sich unter einer Verwaltungsbehörde vorstellen kann.
Bescheidbeschwerde
Gegen Bescheide
Art 130 Abs 1 Z1 B-VG, 132 Abs 1 B-VG
Mit einer Bescheidbeschwerde wehrst du dich gegen einen Bescheid.
Was ein Bescheid ist, erfährst du in unserem Blog-Post “Bescheide & Verordnungen – einfach erklärt”.
Eine Bescheidbeschwerde kannst du einreichen, wenn du…
durch den Bescheid in deinen Rechten verletzt bist &
die Bescheidbeschwerde rechtzeitig eingereicht wird, nämlich innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung.
Z.B. Du beantragst eine Baubewilligung, diese wird aber abgelehnt. Dagegen kannst du eine Bescheidbeschwerde erheben.
Maßnahmenbeschwerde
Gegen AuvBZ
Art 130 Abs 1 Z2 B-VG, 132 Abs 2 B-VG
Die Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (=AuvBZ).
Was ein AuvBZ ist, erfährst du hier.
Eine Maßnahmenbeschwerde ist zulässig, wenn du…
durch die Maßnahme in deinen Rechten verletzt wurdest &
sie binnen 6 Wochen eingereicht wird.
Z.B. A wird von B (Polizist) festgenommen, obwohl A nichts getan hat. A kann gegen die Festnahme eine Maßnahmenbeschwerde erheben.
Säumnisbeschwerde
Wegen Untätigkeit einer Verwaltungsbehörde
Art 130 Abs 1 Z3 B-VG, 132 Abs 3 B-VG
Wenn eine Behörde nicht innerhalb von 6 Monaten deinen Bescheid erlässt, kannst du eine Säumnisbeschwerde erheben. Eine andere Frist gilt, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist.
Durch die Säumnisbeschwerde wird die Behörde gemahnt und auf ihre Entscheidungspflicht hingewiesen.
Mit einer Säumnisbeschwerde kannst du nur die Erlassung eines Bescheids fordern, nicht aber behördliche Realakte (Urkundenausstellung, Auskunftserteilungen).
Verhaltensbeschwerde
Gegen schlichte Hoheitsverwaltung
Du kannst eine Verhaltensbeschwerde erheben, wenn…
es um schlichte Hoheitsverwaltung geht,
dies gesetzlich vorgesehen ist &
du die Beschwerde rechtzeitig einbringst (meist 4 Wochen).
Z.B. Die Polizei fährt Streife. Dabei handelt sie nicht per se hoheitlich (anders als bei einer Festnahme), ist aber trotzdem hoheitlich unterwegs (Uniform, Polizeiauto).
Wenn dich ein Polizist in diesem Rahmen beschimpft, kannst du eine Verhaltensbeschwerde nach §88 Abs 2 SPG erheben.
Wohin mit der Beschwerde?
Art 130 Abs 1 B-VG, Art 133 Abs 1 B-VG, Art 144 Abs 1 B-VG, §12 VwGVG
Allgemeines zu den Verwaltungsgerichten
In Österreich gibt es das 9+2 Modell.
Jedes Bundesland hat sein eigenes Landesverwaltungsgericht (9) und daneben gibt es noch das Bundesfinanzgericht und das Bundesverwaltungsgericht (2).
Wie der Name bereits verrät, sind dem Bundesfinanzgericht Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und des Finanzstrafrechts zuzuordnen.
Das Bundesverwaltungsgericht kümmert sich um Beschwerden im Bezug auf…
das Fremdenwesen und Asylrecht
Soziales (z.B. Sozialversicherungsrecht, Arbeitslosenversicherung)
Persönliche Rechte und Bildung (z.B. Dienst- und Disziplinarrecht der öffentlich Bediensteten)
Wirtschaft, Kommunikation, Verkehr und Umwelt (z.B. Angelegenheiten der Umweltverträglichkeit, Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes)
Wer bekommt nun meine Beschwerde?
Bescheidbeschwerden & Säumnisbeschwerde sind gemäß §12 VwGVG bei der bescheiderlassenden bzw. säumigen Behörde einzubringen, sprich vorerst keinem Verwaltungsgericht!
Maßnahmenbeschwerden und Verhaltensbeschwerden sind hingegen direkt beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Bescheidbeschwerden durchlaufen ein Vorverfahren: Die Behörde kann innerhalb von zwei Monaten den angefochtenen Bescheid abändern, aufheben oder die Beschwerde zurückweisen bzw. abweisen. Dies tut sie in Form einer “Beschwerdevorentscheidung”.
Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann ein Vorlageantrag innerhalb von 2 Wochen, ab Zustellung, gestellt werden. In diesem wird die Vorlegung der Beschwerde an das Verwaltungsgericht beantragt.
Vor den Verwaltungsgerichten besteht keine Anwaltspflicht.
Innergemeinschaftlicher Instanzenzug
Der extra Instanzenzug
In manchen Gemeinden musst du zuerst eine Berufung an die übergeordnete Behörde richten. Sie entscheidet mit Bescheid und diesen Bescheid kannst du mittels Beschwerde bekämpfen.
Es ist also quasi eine extra Instanz innerhalb der Gemeinde und wird auch administrativer Instanzenzug genannt.
Einen innergemeinschaftlichen Instanzenzug kann es nur innerhalb des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde geben. Beim eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde handelt es sich beispielsweise um die Sittlichkeitspolizei, örtliche Baupolizei, örtliche Feuerpolizei, örtliche Raumplanung, Flurschutzpolizei, örtliche Sicherheitspolizei & örtliche Veranstaltungspolizei.
Dieser Instanzenzug kann aber gemäß Art 118 Abs 4 B-VG ausgeschlossen werden, das haben auch viele getan unter anderen Wien, Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich.
Wenn du die Kosten eines Verfahrens nicht tragen kannst, kannst du Verfahrenshilfe beantragen.
Revision
Das zweite Rechtsmittel an den VwGH
Der VwGH – Verwaltungsgerichtshof – prüft…
Revisionen,
Fristsetzungsanträge &
Kompetenzkonflikte.
Unser Fokus liegt auf der Revision, denn sie ermöglicht eine Überprüfung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Die Revision ist zulässig, wenn…
sie von einem Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht wird,
es sich um eine "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" handelt &
sie innerhalb von 6 Wochen nach Zustellung erfolgt.
Gemäß §24 Abs 2 VwGG gilt unter anderen bei Revisionen eine absolute Anwaltspflicht (bzw. in bestimmten Angelegenheiten Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer).
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor allem dann vor, wenn…
das Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des VwGH abweicht,
es noch gar keine oder unklare Rechtsprechung des VwGH gibt oder
diese Rechtsfrage noch nicht einheitlich durch den VwGH beantwortet wurde.
Von einer "ordentlichen Revision" spricht man, wenn bereits das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage bejaht.
Hingegen dazu liegt eine "außerordentliche Revision" vor, wenn das Verwaltungsgericht das Bestehen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung verneint.
Auch wenn das Verwaltungsgericht meint, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, kann der VwGH noch immer sagen, dass das nicht der Fall ist.
Fristsetzungsantrag
Wegen Untätigkeit eines Verwaltungsgerichts
Beim VwGH kann die 6-monatliche Untätigkeit eines Verwaltungsgerichts mit einem Fristsetzungsantrag geltend gemacht werden. Eine andere Frist gilt, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist.
Der VwGH entscheidet dann nicht selbst in der Sache, sondern verpflichtet das säumige Verwaltungsgericht, innerhalb einer bestimmten Frist zu entscheiden.
Erkenntnisbeschwerde
Das zweite/dritte Rechtsmittel an den VfGH
Eine Erkenntnisbeschwerde an den VfGH – Verfassungsgerichtshof – ist zulässig, wenn…
ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht von dir verletzt wurde oder
ein verfassungswidriges Gesetz oder
eine gesetzwidrige Verordnung
angewendet wurde.
Nicht jede Rechtswidrigkeit reicht in die Verfassungssphäre! Die Grenze ist jedoch schwierig zu ziehen.
Zum Beispiel dürfen Apotheken nur mit einer entsprechenden Konzession betrieben werden. Das stellt einen Eingriff in die Erwerbsfähigkeit dar. Als nächstes ist zu prüfen ob der Eingriff verhältnismäßig und den gesetzlichen Anforderungen genügt. Erst wenn das zu verneinen ist, liegt eine Verletzung vor.
Ein Eingriff ist also nicht gleich eine Verletzung!
Ein guter Praxistipp ist es, zuerst eine Erkenntnisbeschwerde innerhalb von 6 Wochen an den VfGH zu erheben und dann einen Abtretungsantrag innerhalb von 2 Wochen an den VwGH zu stellen. (= Sukzessivbeschwerde) Denn nach einer Revision an den VwGH ist eine Erkenntnisbeschwerde an den VfGH nicht mehr möglich!
Ebenso möglich ist eine Parallelbeschwerde, sprich die gleichzeitige Beschwerde an den VfGH und VwGH.
Des Weiteren gilt vor dem VfGH absolute Anwaltspflicht!
Frische dein Wissen über Bescheide, Verordnung und Weisungen mit unserem Artikel “Bescheide & Verordnungen – einfach erklärt” auf!